1/3 Instrumentals, 1/3 Underground-Deutschrap, 1/3 Emotrap, wo hoid jemand bissi…
In dieser Reihe widmen wir uns monatlich den neuen Releases der Beat- und Instrumental-Szene. Das Meer an großartigen Beats wird von Tag zu Tag größer und nur die wenigsten Produzenten erhalten gerechtfertigte Credits. Darüber hinaus gibt es regelmäßige Instrumentalreihen – viele der Projekte gehen allerdings in der Flut an Releases einfach unter und werden nicht mit eigenen Artikeln gewürdigt. Dennoch sind sie relevant genug, um ihnen eine Plattform zu bieten.
Ras G – Down 2 Earth Vol. 4
Mit Ras G ist am 29. Juli eine der prägendsten Figuren der Beatszene im Alter von nur 40 Jahren verstorben. Die genaue Todesursache ist unklar, nachdem diverse gesundheitliche Probleme den Kalifornier in den vergangenen Monaten zu mehreren Spitalsaufenthalten zwangen. Das Brainfeeder-Gründungsmitglied erlangte ab den späten 00er-Jahren dank laufend veröffentlichter Beattapes Bekanntheit, war zudem Vorbild und Mentor für einige nachfolgende Produzenten. Auf seinen Releases vereinte Ras G seine Verwurzelung in Jazz-, Soul- und 90er-HipHop-Gefilden mit einem starken psychedelischen, sphärischen Einschlag – von ihm selbst als „Ghetto Sci-Fi“ bezeichnet. Noch im Juni brachte er die vierte Ausgabe seiner mit smoothen Lo-Fi-Boombap-Klängen bespickten Reihe „Down 2 Earth“ heraus. Weiters veröffentlichte Wegbegleiter Flying Lotus vor einigen Tagen den gemeinsam mit Ras G aufgenommenen Track „Black Heaven“ als Hommage.
Georgia Anne Muldrow – VWETO II
Die vergangenen 30 Jahre brachten seit MC Lyte, Queen Latifah und Co. einige namhafte Rapperinnen hervor. HipHop-Produzentinnen fristen dagegen heute noch ein Schattendasein. Zu den wenigen Ausnahmen zählt Georgia Anne Muldrow. Bekanntheit erlangte sie bisher vor allem als versierte Sängerin, die viel zwischen HipHop-, Jazz-, Funk, Neo-Soul- und RnB-Gefilden experimentiert. Seit ihrem 2006 erschienenen Debüt „Olesi: Fragments of an Earth“ blieb Muldrow stets produktiv und veröffentlichte knapp 20 LPs, einige davon selbst produziert. Dass sie auch auf Beat-Ebene einiges draufhat, zeigte die Kalifornierin 2010 mit dem stark in HipHop-Gefilde reichenden, Synth-lastigen Instrumental-Debüt „VWETO“. Die nun erschienene Fortsetzung bietet 16 Tracks mit einer groovigen Laid-Back-Grundatmosphäre und starkem (G-)Funk-Einschlag. Einschübe sorgen laufend für Abwechslung und teils abstrakte Klangbilder. Ein ambitionierter Spagat, der ihr durchaus gelingt, das Nebenbeihören aber etwas erschwert.
Ivy Lab – Stars EP
Nach D’n‘B-lastigen Anfängen standen beim 2018 erschienenen Debütalbum „Death Don’t Always Taste Good“ von Ivy Lab düstere Future-Bass-/Halftime-Klänge im Vordergrund. Häufig als intensiv dröhnende Banger, mal etwas ruhiger gehalten und mit hypnotischen Melodien ausgestaltet. Auf der „Stars“-EP zeigt das Londoner Duo neue Facetten. Die vier Tracks erscheinen weniger aufgeladen und bieten dafür mehr HipHop-Charakter. Ausgestaltet mit smoothen Synths, Vocal-Samples und verträumten Melodien dominieren entspannte Vibes, die zum dezenten Kopfnicken animieren.
NxxxxxS – Formatted Excess
Sphärische Klänge durchziehen die Diskografie von NxxxxxS seit seinem 2014 erschienenen Debüt „Fujita Scale“. Der Pariser zählt zu den interessantesten Vertretern einer jungen Generation an Phonk- und Vaportrap-Produzenten, wie er ein weitere Mal unterstreicht. War sein vergangenes Album „Remember Last Summer“ noch seinem Faible für Horrorfilme gewidmet, wirkt „Formatted Excess“ um einiges heiterer. Die 14 Tracks fallen größtenteils gemütlich aus und bieten einen deutlichen Ambient-Einschlag. Teils simper, teils etwas experimenteller ausproduziert, bleiben sie fast durchwegs catchig – wavy Vibes, die einfach fein ins Ohr gehen.
Soudiere – Pirelli Vol. 6
Als Featuregast auf „Formatted Excess“ vertreten ist unter anderem Soudiere. Mit seiner „Pirelli“-Serie konnte auch er sich eine gute Reputation aufbauen, er war bereits mit seinem Vorbild DJ Smokey auf Tour und ist Leitwolf der aus SoundCloud-Gefilden entwachsenen Phonk-Crew Purple Posse. Im Juli veröffentlichte er den sechsten Teil seiner „Pirelli“-Serie. Das Cover hat Soudiere stark an das 1980 erschienene Meisterwerk „Fresh Fruit for Rotting Vegetables“ der Hardcore-Punk-Band Dead Kennedys angelehnt. Die Tracks des Straßburgers fallen im Vergleich zu NxxxxxS härter aus, sie sind stärker im Phonk- und Trap-Segment verankert und durch einige Vocal-Samples ergänzt. Mit einigen verspielten Sequenzen und einprägsamen Melodien ausgestaltet, vermögen auch sie schnell aus der Masse herauszustechen. „Kinda Parnoid Pt 2“ is‘ sowieso beste!
Mndsgn. – Snaxx
Fans von J Dilla gibt es zuhauf, das hebt Mndsgn. nicht weiter von der Masse an Produzentenkollegen ab. Dass er sich besonders durch die posthum veröffentlichten Beats des Detroiters inspiriert sieht, überrascht dennoch. Sein jüngstes Werk „Snaxx“ ist als Beattape konzipiert und beinhaltet neben Lost-Skizzen seines für 2020 eingeplanten Studioalbums auch Auszüge seiner Live-/DJ-Shows – etwa „Deviled Eggs“. Ein bunter Mix an entspannten, verspielten Instrumentals mit warmen Synths und leichtem Lo-Fi-Charakter. Um den Dilla-Kreis zu schließen: Neben dem Titel „Snaxx“ erinnert auch der Shop am Cover ein wenig an jenen an der Rückseite des „Donuts“-Covers.
Low Leaf – Baker’s Dozen
Als Harfenistin, Pianistin, Gitaristin und Produzentin übernimmt die Sängerin Low Leaf weite Teile ihrer experimentellen, spirituell angehauchten Neo-Soul/Folktronica-Alben selbst auf. Kürzlich releaste die Kalifornierin ihr Instrumental-Debüt im Rahmen der Beat-Serie „Baker’s Dozen“, bei der mit ihr erstmals eine Produzentin vertreten ist. Dabei setzte sie in der Basis meist auf Abetlon-Drums, um die Tracks anschließend mit diversen instrumenten auszugestalten. Der medidative Charakter ihrer bisherigen Alben zieht sich auch diesmal fort. Neben ruhigen Sequenzen baut Low Leaf auch immer wieder abstrakte Sequenzen sowie Soloparts. 2020 dürfte dann ein Album folgen, bei dem sie erstmals auch als Rapperin zu hören ist.
Moku T – In thru Mentals
Im Jänner releaste Moku T noch mit der HipHop-/Funk-Band MokuMoku das Instrumentalalbum „Chicago Marinade“, nun legt der Georgier mit seinem ersten ersten Solowerk „In thru Mentals“ nach. Auch diesmal stehen organische Instrumentals mit kraftvollem Bass im Vordergrund. Im Vergleich zu den Crew-Projekten gehen die 14 Tracks stärker in die TripHop-Richtung, ohne jazzig-smoothe Boombap–Vibes vermissen zu lassen.
Isaac Haze – Fingerprints Vol. 3
Mit „Fingerprints Vol. 3“ liefert Isaac Haze den subjektiv betrachtet bislang besten Teil seiner Fingerprints-Reihe ab. Die individuellen, westcoastgeprägten Beats, die diesmal an u.a. Rasco, Dr. Dre, Planet Asia, Dilated Peoples, Ice Cube, Outkast, Noreaga & Digable Planets gewidmet sind, das typische Cover und Cuts von DJ Mirko Maschine und DJ Crypt ergeben ein stimmiges Gesamtprodukt, das die Reihe perfekt ergänzt und hoffentlich nicht abschließt..
Radio Juicy
Aufgrund der Fülle an Releases mehrerer passionierten Labels, werden diese in der Folge gesammelt präsentiert. Radio Juicy veröffentlichte neben der abwechslungsreichen Debüt-EP des Südkoreaners Slom („Alone“) außerdem das düstere Album „100 Grey Hounds“ von o k h o und die sehr entspannte Kollabo „Dreams from The Shore“ von Psalm Trees & Moose Dawa. Jedes sticht dabei auf seine eigene Art und Weise aus der Masse heraus und belegen ein weiteres Mal das gute Händchen, das Radio Juicy bei unbekannten Produzenten an den Tag legt.
Chillhop Records
Gleich fünf neue Alben und EPs wurden in den vergangenen zwei Monaten über Chillhop Records veröffentlicht. Strehlow, Yasper x Louk, middle school, Evil Needle und goosetaf setzen dabei auf den Trademark-Sound des Labels und liefern neuen Input für unzählige Chill&Study-Playlists.
POSTPARTUM.
POSTPARTUM. hingegen setzt auf altbewährten Boombap mit staubigen Drums und Vocal-Cuts aus der Golden Era. Dass das auch 2019 noch hella dope klingen kann, zeigen die Produzenten Krooks und Mike Flips, die ihre aktuellen Alben über das mittlerweile zum festen Kern der deutschen Instrumentalszene gehörenden Label veröffentlicht haben.
Lo-Factory
Voll in ihrem Element sind auch die Produzenten fortknight, kushu. und prgmat, die ihre LoFi-Beats (bzw. im Falle prgmats als „Lo Bap“ betitelt) über das russische Label Lo Factory über den Äther jagen.
Dezi-Belle
Ganze sechs Releases erschienen über Dezi-Belle Records. Diese sind so zahlreich wie unterschiedlich. Von Kifferhymnen von Schwan („Coffee Shop“) über eine weitere Intrumentierung der „Clubheimromantik“ von bxris bekka bis zu LoFi-Ausflügen von asbeluxt & Loopacca („Nocturno“) ist so ziemlich alles dabei, was sich der geneigte Beathead wünschen kann.
Dorn – Dorn
Meine persönliche Entdeckung der letzten Monaten stammt aus dem ohnehin völlig underrateden Nyati-Camp. Der Produzent Dorn hat dort sein selbstbetiteltes Album als Tribut an die 90er-Memphis-Phonk-Tape-Ära veröffentlicht. Eine Aneinanderreihung von Bangern, wobei besonders der Track „Skimask“ hervorsticht.
FloFilz – Transit
Mit „Transit“ veröffentlicht FloFilz sein bereits drittes Album über MPM. Wie auch die Vorgänger ist es von einer bestimmten Stadt inspiriert, die von Robert Winter fotografisch festgehalten wurde. Dieses Mal verschlug es ihn nach London, was sich nicht nur an der Inspiration an UK Jazz-Samples, sondern auch der Auswahl an lokalen Featuregäsen wie Alfa Mist oder K, le Maestro zeigt. Ebenso soll das Album eine Brücke zur modernen Jazz-Szene schlagen, die gerade in Städten wie London extrem floriert und nicht nur, aber auch durch die Symbiose und Wiederbelebung durch HipHop nach wie vor intakt ist.
Retrogott – Instrumental Issues
Nach Hulk Hodn und Twit One liefert Retrogott, der unberechtigterweise oft ausschließlich als Rapper wahrgenommen wird, das dritte Instrumentalalbum des Groove-Attack-Sublabels Goddess. Wie bei seinen Kollegen handelt es sich sowohl um bislang unveröffentlichte Beats als auch Instrumentalversionen bereits bekannter Tracks (z.B. „Kein Original„).
LBL – Lo-Bit Loopers LP Vol. 2
Streng genommen gehört dieses Album nicht hierher, ist schließlich fast jeder Track des neuen LBL-Albums in Zusammenarbeit mit befreundeten Rappern und/oder SängerInnen entstanden. Die experimentelle und abwechslungsreiche Instrumentierung und das Standing von LBL innerhalb der Szene sind jedoch Grund genug für eine Erwähnung und wer weiß, vielleicht kommt ja auch noch eine rein instrumentale Version der LP.
Spaze Windu – Opaque
Ein weiteres Highlight der letzten Wochen war das neue Album von Spaze Windu. Nachdem er zuletzt für den Klangteppich des Albums „Heliophobia“ mit dem Bremer Rapper Herr König zuständig war, ist „Opaque“ wieder größtenteils instrumental, abgerundet mit Cuts von Luk The Dude und Repete23, sowie Gesangseinlagen von Charlz und Kid Kaba.
Wun Two – Pirata
Was wohl Piraten auf hoher See für Musik hören? Ab sofort gehört wohl das neue Album „Pirata“ von Wun Two dazu. Dieses besticht nicht nur durch den typisch-experimentellen LoFi-Sound, sondern durch den Hörspielcharakter, den eine Piratengeschichte in vier Akten vermittelt. Diese wurde in Form von Skits eingesprochen und führt sogar zu zwei verschiedenen Versionen des Albums – einmal auf Deutsch (Twit One) und einmal auf Englisch (Ugly God).
Thelonious Coltrane – Greatest Hits Vol. 1
Was tun, wenn man in den letzten Jahren schon über 100 Releases im Repertoire hat? Beatshizzles most erwähnter Thelonious Coltrane gönnt sich eine (kurze) Schaffenspause und veröffentlicht kurzerhand ein Best-of der letzten Jahre – zumindest mal einen ersten Teil davon. Außerdem munkelt man, dass bald ein Rap-Release kommen soll. Einen ersten Vorgeschmack gibt es bereits zu hören.
Compilations:
Weitere:
Text: Simon Nowak & Simon Huber
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