1/3 Instrumentals, 1/3 Underground-Deutschrap, 1/3 Emotrap, wo hoid jemand bissi…
In dieser Reihe widmen wir uns monatlich den neuen Releases der Beat- und Instrumental-Szene. Das Meer an großartigen Beats wird von Tag zu Tag größer und nur die wenigsten Produzenten erhalten gerechtfertigte Credits. Darüber hinaus gibt es regelmäßige Instrumentalreihen – viele der Projekte gehen allerdings in der Flut an Releases einfach unter und werden nicht mit eigenen Artikeln gewürdigt. Dennoch sind sie relevant genug, um ihnen eine Plattform zu bieten.
Bereits gesondert oder als Teil des wöchentlichen Austro Round-ups haben wir über die kürzlich erschienenen Beat-EPs von B.Visible, Marco Kleebauer, ricefries (osive & MazeOne) und Disconnected (Testa, Spinelly, Mo Cess & Pirmin) berichtet.
Text: Simon Huber & Simon Nowak
Knxwledge – 1988
Kaum ein Monat vergeht, ohne dass mindestens ein neues Release von Knxwledge auf dessen Bandcamp-Seite aufpoppt. Der in Los Angeles lebende Produzent erweitert laufend seine Beat-/Remix-Reihen „Hexual Sealings“ und „Wraptaypes“, die von seinem Gespür für extrem smoothe, eingängige Loops, verspielte Drums und interessante Vocal-Samples leben. Ein einfaches, aber effektives Rezept, das seine längst auf über 100 Werke gewachsene Diskografie prägt. Mit „Hud Dreems“ stand dabei lange nur ein vollwertiges Album zu Buche, das 2015 via Stones Throw erschienen ist.
Benannt nach seinem Geburtsjahr, lieferte Knxwledge im März mit „1988“ einen Nachfolger und weckte damit hohe Erwartungen. Die 22 neuen Tracks tragen eindeutig die Handschrift von Knxwledge, bieten seinen charakteristischen Sound. Einerseits unterstreicht er damit ein weiteres Mal, dass er zu den begabtesten Produzenten zählt, andererseits fallen bei den Beats und Remixes – bis auf die insgesamt längere Laufzeit und die kurze Reunion mit NxWorries-Partner Anderson .Paak – keine großen Unterschiede zu seinen laufenden Releases auf. Kein Beinbruch, zumal sich Knxwledge durchwegs feine Tracks rausgepickt hat und nach längerer Zeit wieder mal Knxwledge-Beats auf Vinyl rauskommen.
DJ Krush – Trickster
Auch mit knapp 60 Jahren ist DJ Krush aktiv wie eh und je, spielt fast jährlich Welttourneen und arbeitet an Releases. Als Nachfolger des 2018 erschienenen Albums „Cosmic Yard“ präsentierte der japanische Produzent und DJ kürzlich „Trickster“. „A trickster that causes confusion and destruction and creates a new order again“, schreibt er zur nach Trickbetrügern benannten LP. Diese basiert auf seinen monatlich veröffentlichten Beats aus dem Jahr 2019, die nun zusammen mit zwei Neuzugängen ein Album bilden. Der Sound fällt düster und rau aus, durch treibende, teils abstrakt angehauchte Sequenzen entsteht typisches Krush-Feeling und viel Live-Potenzial.
Brous One – Juslikedat
Mit den Worten „Juslikedat and now chill“ wird das neue Werk von Brous One eingeleitet und recht viel mehr bleibt einem auch nicht übrig, wenn man die smoothen Beats der Platte hört. Seit jeher für seine Jazz-inspirierten Beats bekannt, passt er perfekt in den Roster von Beat Jazz International, das noch relativ junge Berliner HHV-Sublabel, das bisher mit allen fünf Releases überzeugen konnte. Features kommen von Retrogott, Hulk Hodn und Greco Murillo.
Iamnobodi – Memory Of Enchantment
Im September nach einigen Jahren Pause mit zwei neuen Beattapes auf die Bildfläche zurückgekehrt, veröffentlichte Iamnobodi im März ein weiteres Projekt. In Los Angeles, Martinique und seiner Heimatstadt Berlin entstanden, springen in der Tracklist einige prominente Featuregäste ins Auge. Auf „Here“ unterstützt mit Yussef Dayes einer der begabtesten Jazz-Schlagzeuger, an den Aufnahmen von „Grow“ waren etwa der Saxofonist Masego und – wenn auch nur im Hintergrund – Sänger SiR beteiligt. Die neun Tracks sind überwiegend instrumental, fallen meist ruhig, reduziert und atmosphärisch aus, bieten dabei eine soulig-warme Note. Schönes Mini-Album, vorerst leider nur digital erhältlich.
20syl – 36 (Beats & Types)
Als Teil der Crews Hocus Pocus und C2C tritt 20syl bereits seit gut 20 Jahren als Produzent, DJ und Rapper in Erscheinung. In den vergangenen Jahren verlagerte sich der Fokus des Franzosen ein wenig weg von den alten Teams. Neben zwei Solo-EPs war er als Produzent des Duos AllttA – einem Projekt mit dem US-Rapper Mr. J. Medeiros – aktiv. Nach 2017 wurde es still um ihn. Kürzlich kehrte 20Syl mit einem umfangreichen Projekt zurück. Gestartet am 02. März, veröffentlichte er 36 Tage lang je einen rund einminütigen Beat inklusive Visualisierung, zu sehen auf seinem Instagram-Profil. Zum Abschluss steht nun das Album „36 (Beats & Types)“. Der Sound fällt verspielt aus, ist mit munteren Synths ausgestaltet und lässt sich irgendwo zwischen bassbetontem HipHop und Electronic verorten.
Marc Mac – The Invisible Soldiers
Im Rahmen seiner Reihe „Beats and Knowledge“ verknüpft Marc Mac seit einigen Jahren soulige Boombap-Klänge mit Vocal-Samples, die den thematischen Fokus jeweils auf eine Episode der afroamerikanischen Geschichte lenken. Mit „The Invisible Soldiers“ veröffentlichte der britische Produzent kürzlich die bereits sechste Ausgabe. Nachdem der Anfang 2019 erschienene Vorgänger „All Power To The People“ der Black-Panther-Bewegung gewidmet war, geht es diesmal primär um die rund 100.000 schwarzen US-Soldaten, die im 2. Weltkrieg gekämpft haben – und ihre teils vergessenen Geschichten. „By deploying troops abroad as warriors for and emissaries of American democracy, the military literally exported the African-American freedom struggle“, zitiert Marc Mac im Beitext die deutsche Historikerin Maria Höhn. Produktionstechnisch mag „The Invisible Soldiers“ keine großen Neuerungen bieten, interessant aufbereitet ist aber auch diese Ausgabe.
FatGyver – Small Songs That My Samplers Sing
Um seinen 40. Geburtstag gebührend zu feiern, hat FatGyver mit „Small Songs That My Samplers Sing“ ein neues Werk ins Netz gestellt. Auch unter dem Namen Fanu als Drum-and-Bass-Produzent aktiv, ist es das sechste Release unter seinem HipHop-Alias. Der Mix aus alten und neuen Tracks bietet wuchtigen Sound mit viel Vintage-Flavour. Der Finne sorgt für meist entspannte Klänge mit reichlich Headnod-Potenzial, feinen Drums. Dem Titel zum Trotz sind auch zwei Tracks dabei, die ganz ohne Samples auskommen – um welche es sich dabei handelt, möchte der Produzent allerdings nicht verraten. Ein starkes Beat-Release, das als Tape sowie für eine freiwillige Spende digital erhältlich ist.
IAMPAUL – unnifty
„unnifty“, das neue Album von IAMPAUL über Daily Concept, verspricht, “ fernab vom 08/15-‚Beats-to-study-to“-Einheitsbrei“ zu sein. Auch wenn der ein oder andere Track wie „friday“ gefährlich nah daran vorbeischlittert, überwiegt definitiv der IAMPAUL-Trademark-Sound, der sich in Perlen wie „break down boarders“ oder „theori“ zeigt und ein stringent dopes und herausstechendes Gesamtwerk erzeugt.
Limido – Relikte eines Reisenden I-III
Limido ist einer der Hausproduzenten von „Freche Gesellschaft“ und hauptsächlich für seine Bretter für Capuze & Co bekannt. Abseits davon steppt auch des Öfteren selbst ans Mic. Über Dezi-Belle erschien nun nach einigen Rap-EPs und einem Album sein erstes reines Solo-Instrumentalprojekt. „Relikte eines Reisenden“ ist dabei in drei einzelne Alben geteilt, was es einerseits vielfältiger macht, andererseits leider einige coole Sachen untergehen lässt, wenn man nicht die Muße hat, sich alle drei Alben anzuhören. Aber „zu viele gute Beats“ zu haben, ist jetzt auch nicht der tragischste Vorwurf.
Arms and Sleepers – Leviathan (In Times of) & Eastern Promises
Erst im Jänner haben Arms and Sleepers mit „Safe Area Earth“ einen Longplayer veröffentlicht, doch das war nur der Start einer Releasewelle. So haben Mirza Ramzic und Max Lewis damals angekündigt, für 2020 noch zwei weitere LPs sowie drei EPs geplant zu haben. Mit „Leviathan (In Times Of)“ und „Eastern Promises“ sind mittlerweile zwei EPs erschienen. Wie vom US-Duo gewohnt, dominiert über weite Strecken ein melancholischer Charakter. Bei „Leviathan“ fällt der Sound sehr ruhig aus, die Tracks haben viel Ambient-Charakter. „Eastern Promises“, das sechs catchige Instrumentals bietet, orientiert sich weitaus mehr an den gewohnten Downtempo-Klängen, wirkt im Vergleich fast fröhlich. Die EP ist als Hommage an Osteuropa konzipiert, wo Mirza Ramic bis zum Ausbruch der Coronakrise auf Arms-and-Sleepers-Tour war.
Eto Paranoia & RAW Mentalitee – Survival Skillz
Neben den mittlerweile obligatorischen neuen „PPT-DS“-Beiträgen – im März von MaxOne und Thelonious Coltrane – erschien im März auch wieder ein vollwertiges Album über POSTPARTUM. von Eto Paranoia & RAW Mentalitee. Wer die Szene in den vergangenen Monaten verfolgt hat, sollte die Namen auf dem Schirm haben, stehen sie doch für relativ brachialen BoomBap-Sound und sind das beste beispiel dafür, wie manche Stile einfach immer wieder neu aufgelegt werden können, ohne langweilig zu werden. „Survival Skillz“ bestätigt das erneut und zeigt, wie unschlagbar die beiden im Tagteam sind.
Mr. Backside – Galaxy Dreams
Amajin ist schon lange eines meiner Lieblingslabels, leider immer noch sehr underrated. Mr. Backside, eines der Zugpferde des Labels., veröffentlichte kürzlich mit „Galaxy Dreams“ sein mittlerweile zwölftes Soloalbum (neben zahlreichen weiteren EPs), das ohne Zweifel auch zu seinen bislang besten zählt. Die Zutaten bleiben die gleichen: Vintage-Ästhetik, Filmreferenzen, die Vorliebe für Retrotechnik, scheppernde Drums über mal entspannte, mal epische Samples. Kann man auf jeden Fall so machen.
Misho Urushadze – დუღილი
Als Compilation aus diversen Sessions mit internationalen Musikern brachte Misho Urushadze Anfang März das Minialbum „დუღილი“, die georgische Bezeichnung für „Brodeln“, heraus. Die sechs unter der Leitung des in Tiflis lebenden Produzenten und DJs kuratierten Tracks bieten satten Instrumentalsound mit viel Funk-Charakter. Gleichzeitig zieht sich auch ein starker Jazz-Einschlag durch die Tracks – wenig verwunderlich, zumal die meisten Gastmusiker aus diesem Bereich kommen. Feiner Sound jedenfalls, den das unaussprechliche Album da bietet.
Maniac – Beattape (2020)
Der OG Maniac hat mittlerweile nicht nur eine eigene CBD-Sorte bei Moe’s Hemp, sondern seit Kurzem auch einen eigenen Plattenladen in Regensburg. Der Start wurde durch die aktuelle Corona-Situation zwar etwas verzögert, der Onlineversand läuft jedoch bereits auf Hochtouren. Und auch musikalisch geht es rund bei Maniac. Neben Produktionen für seine Leute bayern- und deutschlandweit und einem Projekt mit den Tribez. veröffentlichte er auch wieder ein Instrumentalalbum mit dem simplen Namen „Beattape (2020)“, das in Ästhetik, Namensgebung und Sound wie immer herzlichen zum gepflegten Entspannen einlädt. Nur mit CBD, versteht sich.
Julian Convex – Lowrider
Regelmäßig veranstaltet DIGGINSACK Beatbattles via Facebook. Der Gewinner des von HHV unterstützten letzten Championship, Julian Convex, bekam nun die Gelegenheit, sein erstes Album „Lowrider“ digital und auf Tape zu veröffentlichen. Und das hält, was der Name verspricht. Auf 19 Tracks huldigt er der G-Funk- und Westcoast-Ära, durchwegs gut produzierte beats, die so auch im GTA-Soundtrack vorkommen könnten.
Typol – Chimp Tape | Moka Pot Tape 2
Mit seinen beiden jüngsten Releases bleibt Typol seiner Linie der eher unkonventionellen Titelgebungen treu. Waren Vorgängertapes unter anderem nach Haferbrei und Honigbienen benannt, knüpfte er kürzlich mit dem „Chimp Tape“ und dem „Moka Tape“ an. Auf beiden hat sich der Pole bei eher reduzierten Produktionen der Kombination aus Dub- und HipHop-Einflüssen verschrieben. Eine durchaus stimmige Angelegenheit.
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