"The hardest thing to do is something that is close…
Keine Rolle mehr spielen zu wollen, sondern Authentizität auszuleben. Nicht mehr den harten Straßenschläger in Alphajacke zu geben, sondern die emotionale, die „wirkliche“ Seite nach außen kehren zu können. Damit erklärte Chakuza Interview für Interview den Weggang von Bushidos Imprint Ersguterjunge. Für seine künstlerische Weiterentwicklung benötigte er ein anderes Label – und diese neue Heimat fand Chakuza bei FOUR Music vor. Dort veröffentlichte er mit „Magnolia“, „EXIT“ und „Noah“ drei passable Alben, die zwar keineswegs das Rad neu erfanden und denen der Geruch eines Sprungs auf den Casper–Prinz–Pi-Hypetrain anhaftete, aber die weitaus spannender ausfielen als viele Hau-drauf-Songs während seiner EGJ-Ära. Im Indie-Rock sah Chakuza schließlich seine Zukunft, das gemeinsame Projekt mit RAF Camora und Joshi Mizu namens „Zodiak“ mit deutlich aggressiveren, wieder an alte Zeiten anknüpfenden Zügen sollte nur als spaßiges Nebenprojekt ohne tiefere Bedeutung in die Annalen eingehen.
Nun ist Meinungsflexibilität kein singuläres Merkmal von Politikern. Auch bei Rappern gerät das Geschwätz von gestern oft ganz schnell in Vergessenheit. Chakuza ist hier keine Ausnahme: Nachdem er gebetsmühlenartig jahrelang erklärte, wie wenig er mit Rap mittlerweile anfangen könne, präsentiert er nun elf Jahre nach dem ersten Teil eine Neuauflage von „Blackout“, seiner Kollabo mit dem damaligen EGJ-Kumpel und heutigen Freund von Niemand (sic!) Bizzy Montana. Bei der 2017er-Vision wurde allerdings nicht nur am visuellen Erscheinungsbild geschraubt, sondern auch inhaltlich. Statt den geschätzten melancholischen Tönen böte „Blackout 2“, diesmal versehen mit dem kryptischen Zusatz „What the Kuckuck“, eine volle Ladung Asozialität, wie die beiden in den unzähligen Interviews vor Release verkündeten.
Interviews, die anhand einer Vielzahl peinlicher und grotesker Aussagen (einzig die von MC Bogy angestoßene Abhandlung über Wiener Rap und Phat Frank bei TV Strassensound ist hörenswert) schon einen äußerst fragwürdigen Eindruck vom wiedervereinten Duo hinterließen. Die Video-Singles „Didgeridoo“, „Hakuna Traumata“, „Pate 3“ und „Kasalla“ versprachen keine Besserung, bestanden diese einzig aus plumpen Lyrics, geprägt von wahllos aneinandergereihten Sätzen und frühpubertärer Begeisterung für das männliche Geschlechtsorgan. Asozial? Ja. Interessant? Nein. Denn zusammen mit einer hohen Dichte an verpuffenden Punchlines führten die Vorboten in der Regel nur zu dem Verlangen, beim Hören das Gesicht ganz tief in die Handinnenflächen vergraben zu wollen. Aller textlichen Absurditäten zum Trotz blieben Kontroversen, die das „Blackout“-Duo gerne für ihr Album reklamierte, aus. Selbst der verbale Schlagabtausch mit Bass Sultan Hengzt wurde innerhalb des Deutschrap-Universums mit einem Achselzucken wahrgenommen – wenn überhaupt. „Blackout 2“ schienen also schon vor Release nicht die besten Karten bescheinigt.
Das Album selbst bietet wenig Gründe für einen Stimmungswandel. Da wäre zunächst die unverständliche Entscheidung, „Blackout 2“ mit 21 Tracks und einem unlustigen Skit vollzustopfen. Ist diese Anzahl sowieso schon viel zu hoch für die Aufmerksamkeitsspanne des durchschnittlichen Hörers, setzen Chakuza und Bizzy Montana zudem auf keinerlei Variation. Wie vorab erwartet wird über 20 Nummern lang lediglich stumpfsinniger „Pipi-Kacka“-Humor serviert, der in diesem Ausmaß schlichtweg ermüdet und die seltenen Momente eines gewieften Witzes komplett überdeckt. Während die beiden für die textliche Gestaltung scheinbar eifrig auf YouPorn über diverse abwegige Sexualpraktiken recherchierten, widmeten sie der Gestaltung der Hooks weniger Zeit. Diese wirken zumeist nur lieblos hingeklatscht und bestehen überwiegend aus Wörtern oder Phrasen, die im Kontext überhaupt keinen Sinn ergeben („Ahmadinedschad“, „Kasalla“, „Didgeridoo“, „Hakuna Traumata“, „Ka-Tong“, um nur einige zu nennen).
Daher kein Wunder, warum sie den selbsternannten Hook-Experten Fler gerne als Featuregast auf dem Album gehabt hätten. Kontroverses Potential wurde wohl in den verschiedenen religiösen Referenzpunkten verortet, doch allein mit der Erwähnung des sogenannten IS kommt man nicht in die Nachrichten – der ehemalige Labelboss Bushido hat gezeigt, welche Mechanismen dafür nötig sind. Neben der inhaltlichen Armut gibt es auch raptechnisch wenige Anlässe für Hochgefühle, Bizzy Montanas „Nizza-Pizza“-Reim auf „Kasalla“ steht exemplarisch für die vielen skurrilen Momente des Albums. Schauderhaft wie das Niveau der meisten Punchlines, deren Unterhaltungswert schon 2006 bescheiden gewesen wäre.
Dennoch benötigt man zur Suche nach den positiven Elementen auf „Blackout 2“ gar keine Lupe. Die Beats bewegen sich nämlich auf einem durchgängig hohen Niveau, neben Chakuza selbst komponierten Produzenten wie Max Mostley oder Freshmaker düstere Synthie-Bomben, gepaart mit allerlei Trap-Anleihen. Das klingt zeitgemäß und beinhaltet sogar Anstriche von Eigenständigkeit. Im Gesamten eine wohltuende Abwechslung zum Standard-Violinen-Frankreich-Sound, den vor allem Chakuza als Teil von Beatlefield im Deutschrap mitgeprägt hat. An den Beats liegt es nicht, warum „Blackout 2“ nicht zünden mag. Diesen Umstand müssen sich die rappenden Protagonisten selbst zuschreiben.
Fazit: Wohl die Wenigsten rechneten mit einem zweiten Teil von „Blackout“, viele haben sich mit der künstlerischen Auseinanderentwicklung (oder Weiterentwicklung) von Bizzy Montana und Chakuza abgefunden. „Blackout 2“ zeigt, dass diese Paarung keinen zweiten Teil benötigt hat – und schon gar keinen, der über 20 Tracks aufweist, die jeweils ohne irgendeinen tieferen Sinn und Inhalt auskommen. Sinnloses Pöbeln kann Spaß machen, aber dafür braucht es Witz und nicht nur stumpfe Sex-Lines mit längst überschrittenen Ablaufdatum. In „Kasalla“ rappt Chakuza: „Alles was ich hier so rap‘ ist purer Scheißdreck, aber lukrativ“. Damit ist er wohl näher an der Wahrheit dran als ihm lieb ist. Bleibt zu hoffen, dass sich das Ganze wenigstens finanziell ausgezahlt hat.
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