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„Oberösterreich war immer schon unberechenbar“ // Da Staummtisch Interview

„Oberösterreich war immer schon unberechenbar“ // Da Staummtisch Interview

Da Staummtisch
Da Staummtisch
Da Staummtisch vor der Leinwand des Linzer Sommerkinos. // Fotos: Niko Havranek

Zu Beginn vor allem mit spaßigen, im Dialekt gehaltenen Battle-Nummern in Erscheinung getreten, hat Da Staummtisch ab 2010 eine mehrjährige Schaffenspause eingelegt. Im vergangenen Jahr ist mit „Eldorado“ das Comeback-Album erschienen. Der Sound darauf wirkt ausgewogener, die weiterhin in Mundart gehaltenen Texte geben ein reiferes Bild ab, zumal sie persönlicher – verstärkt auch politisch – ausgefallen sind. An einem der letzten lauen Sommerabende des Jahres nehmen wir die Zugfahrt nach Oberösterreich gerne in Kauf, um dem Quartett aus dem Tonträger-Umfeld, bestehend aus den Linzern Antrue, Freistil und Concept sowie dem Welser Roleee Solo, einige Fragen zu stellen. Angekommen am OK-Platz in der Innenstadt, setzen wir uns in einen Schanigarten und bestellen die erste Runde Bier – Sta(u)mmtischatmosphäre entsteht. In unserem ausführlichen Gespräch spielen neben persönlichen und musikalischen Entwicklungen auch Linzer Widersprüche, ghettoeske Zustände in Wels sowie der „Oberösterreichische Charakter“ eine Rolle.

Ihr habt auf „Eldorado“ zahlreiche Instrumente live eingespielt. Wie groß war der Mehraufwand im Vergleich zu den Vorgängeralben?
Concept: Oft ist das ratzfatz übers Internet gegangen. Stephan Kondert von SK Invitational hat uns zum Beispiel aus New York Bassspuren geschickt. Wir haben circa 15 Minuten für eine Nummer gehabt und daraus die besten Sequenzen rausgepickt. Im Endeffekt ist es recht schnell gegangen.
Roleee Solo: Naja, es hat schon ein Zeiterl gedauert. Der Entstehungsprozess hat sich über dreieinhalb Jahre gezogen, weil wir zum ersten Mal Bass, Gitarre und Trompete eingebaut haben.
Antrue: Wir haben die Arrangements immer wieder angepasst, waren am Anfang nicht zufrieden.
Freistil: Es ist ein Lernprozess, während man arbeitet.
Antrue: Sich anfäut (lacht).
Freistil: Das weniger. Eher, weil man es anders mischen muss. Wir wollten es musikalischer und atmosphärischer gestalten, haben es vielleicht ein bisschen übertrieben. Wir haben jedes Lied wie eine Traube gepresst und geschaut, dass ein guter Wein rauskommt. Die Nummern haben oft dahingegärt und wir haben immer wieder Spuren daunighaut, weil wir gedacht haben, dass es zu überladen ist. Da wir die Entscheidungen immer demokratisch treffen, blockiert man sich manchmal ein bisserl.
Antrue: Ich muss einwerfen, dass wir während der Aufnahmen einen Studiowechsel hatten. Zuerst haben wir im alten Textakerker aufgenommen.
Roleee Solo: „Geh Zuwa“ haben wir sogar noch in der Goidgruabn, dem ehemaligen Studio von Andi & Alex aufgenommen. Dann sind wir ins Kerkerstudio von Texta, wo es nach einiger Zeit auch nicht mehr gepasst hat.

Woran lag das?
Freistil: Das Problem war, dass wir mit den ersten Skizzen in einem Teil vom alten Kerkerstudio angefangen haben, der akustisch ein ziemliches No-Go ist.
Antrue: Letztendlich sind wir in einem Studioverbund im Gebäude der KPÖ Linz gelandet, da sind einige alte Bekannte drinnen. Zum Beispiel GC von Die Antwort, Alex, DEF-K und Mölgie. DJ Dan & URL waren auch dabei. Wir haben die Vocals komplett neu aufnehmen müssen.
Freistil: Wir haben das Equipment optimiert. Die Aufnahmen haben dann nicht mehr zusammengepasst. Eine Komponente war, dass wir mit „Eldorado“ erstmals auf Vinyl veröffentlicht haben. Wir wollten – auch für uns selbst – eine fette Platte haben. Der Sound war uns so wichtig, dass wir auf keinen Fall etwas zusammenkomponieren wollten. Man muss dazusagen, dass die Förderlandschaft für österreichische Musik stetig schlechter wird.

Habt ihr keine Förderung erhalten?
Freistil:
Doch, wir haben Glück gehabt und eine Musikfonds-Förderung bekommen, die wir schon ewig davor beantragt haben. Als wir den Zuschlag bekommen haben, war uns klar, dass wir das Geld haben, etwas richtig Fettes daraus zu machen.

Stilisitsisch habt ihr euch etwas von der Battle-Schiene entfernt. Das Album ist persönlicher gehalten, zudem habt ihr vermehrt auf politische und gesellschaftliche Themen gesetzt. Inwieweit ist das die Folge eines natürlichen Reifeprozesses im Zusammenhang mit steigender Verantwortung in Jobs und Familien?
Antrue: Mit Kindern überlegt man sich schon zwei Mal, Wörter zu verwenden, die man vor zehn Jahren ohne Gedanken eingebaut hätte. Das Battlen ist grundsätzlich nicht vom Tisch. Aufgrund der längeren Veröffentlichungspause wollten wir mehr inhaltliche Statements setzen und zeigen, dass wir uns thematisch und musikalisch weiterentwickelt haben. Wenn wir nach sechs Jahren wieder ausschließlich so etwas gebracht hätten, wäre es fad gewesen. So haben wir eher Stuff abgeliefert, den sich die Staummtisch-Heads von früher nicht erwartet hätten. Aber die haben HipHop-technisch größtenteils eh schon die Segel gestrichen. Wir haben eine neue Hörerschaft, quasi von Vorne angefangen.
Roleee Solo: Wir sind entspannter geworden. 2004 haben wir uns bei einem Freestyle-Battle in Linz kennengelernt. Da habe ich das erste Mal den Freistil gehört, bin unten gestanden und habe geschrien: ‚Freistil, Freistil!‘ Danach sind wir in den Proberaum Schlachthof Wels.
Freistil: Durch das regelmäßige Zusammenkommen ist auch der Name entstanden. Wir sind fast jede Woche nach Wels gefahren und haben viel mit den Schlachthof-Leuten gecyphert.
Roleee Solo: Dann ist Concept dazugekommen, der Beats produziert hat, die viel musikalischer waren als meine.
Freistil: Battlen war die Grundlage, weil wir uns dadurch kennengelernt haben. Das Competition-Ding war voll der Zeitgeist damals. Ich mal‘ jetzt noch Graffiti, das ist immer noch ein Thema, aber alles andere im HipHop hat sich ziemlich wegentwickelt.

Das „Vier-Elemente-Denken“ wirkt mittlerweile richtig antiquiert …
Freistil: Voll! Wir waren in den sechs Jahren – obwohl wir selbst musikalisch nichts gemacht haben – immer unterwegs und haben das Zerlegen der Szene mitbekommen. Am Schluss sind wir dagesessen und haben uns gedacht: ‚Gut, diese Leute sind nicht mehr da, es gibt Splittergruppen.‘ Wir haben ohnehin unsere eigene Fanbase.
Antrue: Wir wollen außerdem ein Gegenstück zum Sound darstellen, der en vogue ist. Alles muss plakativ sein, aber wo hat man noch fundierte politische Inhalte und Themen, die einen wirklich bewegen? Wir haben auch Gaudi-Tracks, wollen aber letztendlich mehr sagen.

Linzer Rap wurde traditionell als „Lyricism-Schule“ bezeichnet – Inwieweit seht ihr eine Verbindung vom Bedeutungsverlust von Linz in der HipHop-Landschaft und der immer stärker auftretenden „Entertainment-Schiene“?
Antrue: Das hängt wahrscheinlich zusammen. Peinlich wär’s, wenn wir auf einmal den Film fahren würden (lacht).
Roleee Solo: Als Welser beziehungsweise Wahl-Wiener ist mir aufgefallen, dass es in Linz eben die KAPU und die Stadtwerkstatt gibt – und wenn du dort spielst, hast du quasi den Standard als Rapper oder Musiker erreicht, du bist auf einem Level.
Antrue: Das ist die Instanz.
Roleee Solo: Im Vergleich dazu hast du in Wien extrem viele verschiedene Sachen und Lokale. Die ermöglichen, dass sich zig Szenen und Kanäle bilden.
Freistil: Wir haben immer wieder darüber diskutiert. Im Tonträger-Camp war immer textliche Raffinesse und einen gewissen lyrischen Anspruch vorhanden. In der Wahrnehmung wird das bestimmt nicht mehr so gehandelt, wenn die Entertainment-Walze daherkommt. Dadurch, dass es koexistieren kann und es keine richtige Lagerbildung mehr gibt, brauchen und wollen die Leute des trotzdem auch. Ganz egal, ob es „nur“ samplebasierter Battlerap ist, oder eher ein musikalisch-konzeptioneller Zugang ist. Wir haben bei „Eldorado“ unsere Rapper-Allüren zurückgesteckt und den Themen untergeordnet, was extrem gut angenommen wird. An den Arbeiten zum nächsten Album ist mir aufgefallen, dass wir eine Vorliebe für schräge Themen entwickelt haben.

Auf was für Themen spielst du an?
Freistil:
Zum Beispiel, dass man eine Nummer über Kreuzweh macht. Das sind so Sachen, die muss man mögen (alle lachen), aber wir feiern das. Wenn mich im Alltag etwas dermaßen beeinflusst, dass ich es kommunizieren muss, kann ich es über diesen Weg machen, auch wenn es im ersten Moment vielleicht schräg klingt.

Auf dem Track „Pervers“ thematisiert Freistil den Klimawandel beziehungsweise die oftmals mangelnde Sensibilität für klimafreundliches Handeln am Beispiel von Leuten, die unbedingt mit dem Auto in die Arbeit wollen. Wie bedenklich ist die Verkehrslage in Linz momentan?
Freistil: Linz schlägt als Industriestadt momentan den falschen Weg ein. Ich setze mich einfach nicht gerne ins Auto, da geht es weniger um einen Sportaspekt oder sonst etwas. Vor Kurzem hat man mit der Eisenbahnbrücke eine der wichtigsten Linzer Donaubrücken abgerissen, die soll neu aufgebaut werden. Die Verkehrssituation ist sehr kritisch, alles ist verstopft und jeder steht im Stau. Es bilden sich auch keine Fahrgemeinschaften, du hast ein Auto pro Person. Linz ist eine klassische Pendlerstadt, die Autobahnen sind zu Stoßzeiten komplett voll. Und das kriegen alle, die in der Stadt leben, extrem mit. Zum Beispiel durch die Schadstoffwerte, die ständig über den Grenzwerten liegen. Ich weiß nicht, ob man in der Politik gewisse Meinungen überhaupt hören will, oder auch einem Lobby-Druck nachgeben muss. Das wäre ein klassischer Linzer Widerspruch.

Was verstehst du darunter?
Freistil: Wenn du zum Beispiel Leute fragst, ob sie lieber öffentlich fahren würden, sagt dir jeder ‚ja und passt und mach ma, wie in Kopenhagen!‘
Antrue: ‚Is jo so teia!‘
Freistil: Aber im Endeffekt sitzt jeder in seiner Karre und am nächsten Tag ist es ihm wieder wurscht. Ich glaube, man muss in Oberösterreich zuerst auf die Pappn fliegen. Irgendwann, wenn die Leute in der Stadt ihre Fenster nicht mehr kippen können, wird sich auch die Politik etwas überlegen müssen.

Welche Möglichkeiten bieten sich der Politik punkto Verkehr in Linz?
Freistil: Es gäbe auf jeden Fall die Möglichkeit für Park-and-Ride-Systeme, einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs – ohne Ende. Als ich von Wien nach Linz zurückgezogen bin, hast du am Stadtrand teilweise 36 Minuten auf die Straßenbahn warten müssen. In Wien fährt selbst in der Nacht zwei mal pro Stunde ein Nachtbus, der mich in jeden Winkel der Stadt bringt. Das stößt einem sauer auf, wenn man überlegt, wofür in dieser Stadt sonst Geld ausgegeben wird.

Roleee, du hast dich vor einigen Jahren in einem Interview zu deiner Heimatstadt Wels geäußert, den hohen Leerstand und das Fehlen gemütlicher Plätze bemängelt. Seit 2015 gibt es mit Andreas Rabl einen FPÖ-Bürgermeister in der ehemals roten Bastion. Die Stichwahl gegen den SPÖ-Kandidaten hat er mit 62,9 Prozent deutlich gewonnen. Was waren die Probleme der Stadtpolitik des „Roten Wels“?
Roleee Solo:
Die Wahl war gerade am Höhepunkt der Flüchtlingswelle, das hat bestimmt eine Rolle gespielt. 2009 gab es auch schon eine Stichwahl rot gegen blau, die ist noch knapp für die SPÖ ausgegangen. Damals haben wir gemeinsam mit Krautschädl am Welser Stadtplatz gespielt, uns quasi für das Thema starkgemacht.
Antrue: „Wieser Verhindern“ hat das geheißen.
Roleee Solo: Genau! Das war eine Demo gegen den FPÖ-Kandidaten, die ist vom Bahnhof zum Stadtplatz gegangen.
Antrue: In Wels hängt viel mit der Struktur zusammen. Man hat bei 60.000 Einwohnern einen Migrationsanteil von über 20 Prozent und gleichzeitig gibt es sehr viel Abwanderung. Wels hat eine FH, aber zum Studieren gehen trotzdem fast alle nach Wien. Dadurch gibt es mittlerweile kaum junges Publikum, die Innenstadt ist komplett ausgestorben und vermittelt ein recht tristes Bild. Da werden die Leute natürlich unrund – nichts passt zusammen und das ist die Rechnung.

Also mehr der Alibi-Faktor Flüchtlingswelle als ein Versagen der Stadtpolitik?
Antrue:
Natürlich hat die SPÖ in Wels versagt. Sie haben die Integration nicht im Griff gehabt und den Wohnbau nicht umstrukturiert, der Ghettoisierung nicht entgegengewirkt. Wie heißt das dort?
Roleee Solo: Noitzmühle.
Antrue: Da gibt es ghettoähnliche Zustände, für Österreichische Verhältnisse halt (lacht). Die Welser Kunst- und Kulturszene leidet extrem unter der FPÖ-Stadtregierung. Der Alte Schlachthof ist eine Institution. Wir hatten dort lange unseren Proberaum, ich habe das Festival „Yes We Jam“ organisiert und wir sind sehr mit dem Kulturverein verbunden. Da ist alles gekürzt worden. Man merkt richtig, dass jetzt die FPÖ am Werkeln ist und alles abdreht, was geht.
Freistil: Ich finde die Stimmung dort so arg, wenn du dort auf der Straße bist und in die Gesichter schaust. Jeder wirkt richtig unzufrieden, grantig und verbissen. Das Stilmittel der Panikmache ist österreichweit gleich, wenn es um die FPÖ geht, aber in Wels greift das einfach voll. Ich hab‘ richtig lachen müssen, als dort eine Neighborhood Watch gegründet wurde. Die haben sich Uniformen schneidern lassen und sind ganz ohne gesetzliche Legitimation auf Nacht patrouillieren gegangen. Drei davon sind in einen Park gegangen, wo sie zehn Jugendliche davon überzeugen wollten, sich zu verziehen. Zwei von dieser Bürgerwehr sind im Krankenhaus gelandet, einer sogar auf der Intensivstation. Die wurden einfach aus dem Park gedroschen.

Der Rechtsruck war auch bei der Landtagswahl 2015 massiv, die FPÖ konnte die Prozentzahl verdoppeln und ist seither Teil der Landesregierung …
Antrue: Wobei die Gesinnung der Oberösterreicher grundsätzlich zutiefst freiheitlich, reaktionär und traditionell ist. Das Innviertel ist eine richtige FPÖ-Hochburg, das hat schon Tradition.
Roleee Solo: Ich habe mal mit meiner Tante, die in in Toronto wohnt, darüber geredet. Sie hat gemeint, dass in Österreich alles extrem kleinstrukturiert ist. Teilweise haben Dörfer mit paar hundert Einwohnern einen eigenen Bürgermeister. Der Ontariosee ist alleine größer als Oberösterreich. Ihrer Ansicht nach braucht ganz Oberösterreich vielleicht einen Bürgermeister. Aber sicher nicht jedes Kaff mit zweihundert Hanseln. Ich sage das neutral, einfach als Vergleich mit einem anderen Land, einer anderen Betrachtungsweise.
Freistil: Es ist vielleicht auch ein bisschen eine Mentalitäts-Geschichte. Der oberösterreichische Charakter, wenn’s den überhaupt gibt: ‚Ich muss mich zamreißen, was ich vor der Gesellschaft sag und spiel nach außen hin den Saubermann, aber in der Wahlkabine lass ich den Dampf ab!‘. Das ist extrem gefährlich. So beschissen der gesellschaftliche Vibe aktuell ist und mal abgesehen von Hetze und Panikmache, finde ich es fast amüsant, wie leicht die Leute, die diese Gesinnung haben, jetzt identifizierbar sind. Weil sie glauben, gewisse Sachen einfach sagen zu dürfen, ihren gesellschaftlichen Grant öffentlich breittreten und damit einen Eindruck davon verschaffen, wie sie wirklich denken. Oberösterreich war da immer schon extrem unberechenbar. Wir haben ja einen Bandnamen, den man durchaus falsch verstehen kann. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich Leute auf unserer Facebook-Seite verrennen und dann gleich wieder abziehen (lacht).

See Also

Bekommt ihr öfters Nachrichten von Leuten, die sich verrennen?
Freistil:
Nein, Nachrichten gar nicht. Aber es gibt schon Leute in den sozialen Medien, die gleich Fans sind, sich dann eine Nummer anhören und enttäuscht sind.
Antrue: Mit Mundart schaffst du automatisch österreichische Identifikation.
Freistil: Klar. Ich finde Zugänge wie vom Kabarettisten Serdar Somuncu geil. Der lässt sich für Nazi-Veranstaltungen buchen und liest so lange von „Mein Kampf“ vor, bis alle den Raum verlassen, weil es ihnen zu langweilig ist. Wenn du Leute auf ein Konzert kriegst und ihnen richtig den Kopf waschen kannst. Klar – auf diesem Level spielen wir nicht, es ist ganz selten, dass sich da Leute verrennen. Das war eher in der Zeit, in der die sozialen Medien aufgekommen sind, jeder gleich alles gelikt hat und geglaubt hat, dass seine Erwartungshaltung erfüllt wird. Aber zwei, drei Mal haben wir Leute nach einer winzigen Diskussion wieder verabschiedet.

Ihr habt angedeutet, an einem Nachfolger von „Eldorado“ zu arbeiten. Könnt ihr dazu schon etwas Konkretes sagen?
Concept: Wir arbeiten an ein paar Tracks und schauen, was zur Stimmung passt. Wir überlegen auch schon etwas wegen dem Albumtitel. Es wird auf jeden Fall anders. Wir kommen teilweise wieder zum Oldschool-Ding zurück, aber es ist trotzdem eine gewisse Entwicklung zu hören. Ich bin generell offen für neuen Sound. Wir probieren da gerade einiges herum und saugen auf, was uns taugt.
Antrue: Inhaltlich wird es auf jeden Fall ganz anders. Es wäre ja langweilig, wenn wir wieder in diesem Fahrwasser weiter machen würden. Uns war wichtig, dass man uns von einer anderen Seite kennenlernt, das haben wir mit „Eldorado“ bewerkstelligt. Damit haben wir inhaltlich abgeliefert und ein Statement gesetzt, jetzt darf es wieder lustiger und schräger werden.
Roleee Solo: Wir hantieren teilweise mit ungewohntem Sound. Wer macht gerade Beats mit 75-80 BPM? Das ist auch für uns neu. Da denk man nach, ob das zu uns passt und wie das live kommt. Aber es fahrt gut ein.
Freistil: Das war bei „Eldorado“ auch schon so ein Gefühl. Auf dem neuen Album wird ebenfalls ein Sound sein, der gerade nicht trendy ist.
Roleee Solo: Wir sind nie Hypes gefolgt, aber wir hören uns die Sachen an. Manchen taugt es mehr, manchen weniger. Eben vier Charaktere, die bei Alben wieder zusammenfinden.
Freistil: Wobei sich das stark geändert hat.
Antrue: Stimmt. 2004 sind wir alle den gleichen Film gefahren. Jetzt hört jeder komplett anderes Zeug. Wir haben kürzlich erstmals zu viert mit dem Staummtisch-Soundsystem aufgelegt und da haben wir das extrem gemerkt.

Was hat sich im Lauf der Jahre an eurer Herangehensweise geändert?
Freistil:
Bei „Rienewaplü“ hat oft ein Loop von einem Sample-Schnipsel und Drums für eine Nummer gereicht. Mittlerweile kommen Concept und Roleee nicht mehr mit Mini-Skizzen daher, da ist zumindest ein gebauter Refrain dabei. Die anderen fragen dann, wie man das noch weiter ausbauen kann. Oft haben wir extrem viel herumgefrickelt, bis wir ganz zufrieden waren. Die zwei sind vom Output her mit der Zeit viel ärger geworden. Es hat aber auch damit zu tun, dass man nicht mehr so viel Zeit hat, sich nicht permanent trifft.
Roleee Solo: Wir machen nach wie vor vom ersten gesuchten Sample bis zum Cover alles selbst. Wir gehen ja nicht zu den Leuten, die gerade angesagten Sound produzieren und sagen: ‚Hey, wir wollen genau so einen Beat, wie du ihn für den gemacht hast!‘
Concept: Wenn man sich diese Sachen anhört, denkt man oft: ‚Solche Beats mach ich in 15 Minuten.‘ Aber man kriegt das dann gar nicht so hin. Ein Yung-Hurn-Beat klingt beispielsweise am Anfang easy, aber wenn man das bewusst anhört – da ist eine Überlegung dahinter, das ist nicht einfach so hingehaut. Es ist einfach eine andere Beat-Mache.
Roleee Solo: Es steckt ein Kunstwerk dahinter. Mir kommt vor, die Produzenten machen mehr die Hacken für die Rapper, stecken Zeit und Energie rein – und die Rapper hauen irgendeinen Schas drauf, weil der Beat so fett ist. Dann ist eh alles wurscht, weil der Vibe gut ist.
Freistil: Wo früher die Rebellion oder das Auflehnen gegen gesellschaftliche Missstände war, kommt jetzt ‚I don’t give a fuck‘ und möglichst mit allen Regeln brechen. Ich kann einige dieser Artists feiern, aber das arge ist, wenn du eine Battle-Nummer gegen so jemanden machen würdest, das wär‘ ihm einfach wurscht (lacht). Du hast eigentlich schon verloren, während du schreibst. Das ist faszinierend.
Roleee Solo: Das stört mich gar nicht. Das sind Leute, die spüren den Lifestyle und den Film, den sie fahren. Es gibt auch welche, die versuchen, das einfach zu kopieren.
Antrue: Brutal ist, dass man oft ins gleiche Fahrwasser reingeworfen wird. Teilweise hat’s mit HipHop nichts zu tun. Es ist einfach Musik, die auf gewisse Leute gut wirkt, aber ich würde das weniger als HipHop betrachten. Es ist eher ein Schlag ins Gesicht für uns und generell für Leute, die diese Kultur verkörpern wollen und auch an den Ideen der Kultur festhalten.
Freistil: Wenn Tonträger Rembrandt ist, ist Yung Hurn Jonathan Meese. Beides ist Kunst. Schwierig wird es immer, wenn Leute sich verbiegen und den Erfolg suchen. Das ist wie der Versuch, ein Movement auf Knopfdruck zu generieren. Lustig finde ich, dass es der Trap-Ecke gelungen ist, das Gangsta-Image zu badeln. Dass das aufgeht.
Antrue: Es ist der Gangsta-Rap von damals. Den gibt’s ja eh nicht mehr.

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