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Trollige Klassik: Danny Brown mit „uknowhatimsayin¿“ // Review

Trollige Klassik: Danny Brown mit „uknowhatimsayin¿“ // Review

Cover zu "uknowwhatimsayin" von Danny Brown
(Warp Records/VÖ: 04.10.2019/Fotoquelle: Label)

Knapp vor seinem 40. Lebensjahr stehen die Zeichen bei Danny Brown auf Veränderung. Musikalisch, weil er sein neues Album „uknowhatimsayin¿“ als seine Version eines „Stand-up-Comedy“-Albums ankündigte. Für dieses Unterfangen engagierte er den A-Tribe-Called-Quest-Mastermind Q-Tip als Executive Producer. Eine Beteiligung, die einen Abgesang von der beklemmenden und an Bedrohlichkeit kaum zu übertreffenden Ästhetik des Vorgänger-Albums „Atrocity Exhibition“ (2016) verspricht: Coole Laid-Back-Tribe-Vibes sollten die für gewöhnlich so dunkle Welt des Danny Brown deutlich erhellen.

Der musikalische Kurswechsel des frisch gebackenen TV-Show-Hosts („Danny’s House“ läuft seit 2019 auf VICELAND) geht aber auch mit einer äußerlichen Metamorphose einher. In den drei Jahren des musikalischen Rückzugs ließ er mit dem abgebrochenen Frontzahn das bekannteste Feature seines einst so unorthodoxen Rapper-Erscheinungsbildes richten. Auch das andere, die Rockstar-Mähne, gehört mittlerweile der Vergangenheit an. Dem Äußerlichen nach zu urteilen, will Danny Brown nicht mehr länger wie ein Rockstar sterben, sondern ein wenig den spießigen Vorstadt-Dad mimen.

Seine Leidenschaft für kleine Späßchen hat er sich aber beibehalten. Denn „uknowhatimsayin¿“ hat in der Praxis nur wenige Berührungspunkte mit einem „Stand-up-Comedy“-Album, wie er im Interview beim YouTube-Format RapRadar verschmitzt zugab. Eigentlich falle nur die erste, von wilden Sex-Eskapaden handelnde Video-Auskoppelung „Dirty Laundry“ in dieses Schema. Er hätte mit der Ankündigung schlichtweg ein wenig getrollt.

„uknowhatimsayin¿“ ist dennoch ein kleiner Bruch in der Diskografie des Detroiters. Schließlich werden traditionelle Rap-Konventionen aufgegriffen, von denen er sich in den vergangenen Jahren mit EDM-Hymnen und Industrial-Rap zu großen Teilen verabschiedete. Stilistisch erinnert „uknowhatimsayin¿“ stellenweise an den 2010 im zarten Alter von 29 Jahren veröffentlichten Erstling „The Hybrid“. Auf dem prägt Quelle Chris mit knackigen BoomBap-Beats den Sound. Diese Richtung schlägt Danny Brown fast 10 Jahre später wieder ein, zieht den BoomBap-Faden aber auf „uknowhatimsayin¿“ weitaus konsequenter durch.

Das ist auch ein Verdienst des Executive Producers Q-Tip, der selbst drei Beats auf dem Album beisteuerte. Dabei handelt es sich um Premium-Rohstoff, den Danny Brown zu exzellenten Waren weiterverarbeitete. „Combat“ mit einem markanten Horn-Loop begibt sich am deutlichsten in A-Tribe-Called-Quest-Sphären und ist für Danny Brown eine perfekte Gelegenheit, um auf den eigenen Karriereweg zurückzublicken. „Came a long way from that dope house“, lautet dementsprechend eine Hookline des Songs. Die Suche nach der Quintessenz von „uknowhatimsayin¿“ endet daher bei „Combat“, das ursprünglich als erste Single angedacht war. Wäre sicherlich keine schlechte Wahl gewesen.

Die Wahl fiel stattdessen auf das ebenfalls von Q-Tip produzierte „Dirty Laundry“, ausgestattet mit einem psychedelischen Loop aus „Aurora Spinray“ (1971), einem Track der kanadischen Electro-Band Syrinx. Diese Notnagel-Version von „Dirty Laundry“ (das Sample der ersten Version konnte nicht geklärt werden) ist vollgepackt mit humoristischen und ausgeklügelten Referenzen an Schmutzwäsche und Sauberkeit, transportiert zudem aber eine Lockerheit, die die generelle Haltung Danny Browns auf dem Album kennzeichnet. Dafür steht auch „Best Life“ exemplarisch, das thematisch in eine ähnliche Richtung wie „Combat“ geht: Über einem dominanten Sample aus Tommy McGees Soul-Nummer „Make You Happy“ (1976) bilanziert Danny Brown zufrieden über sein Leben. Töne, die nach „Atrocity Exhibition“ nicht wirklich zu erwarten waren.

Paul White, Dirigent von „Atrocity Exhibition“, ist mit drei Solo-Produktionen und einer Gemeinschaftsproduktion mit der Experimental-Jazz-Gruppe Standing on the Corner auch auf „uknowhatimsayin¿“ vertreten. Produktionen, mit denen er seine Vielseitigkeit ein weiteres Mal beweisen kann: So spielte er für „Change up“ mit Ambient-Elementen und animierte Danny Brown zu einer Betrachtung seines Geisteszustandes – das resultiert in der 2019er-Version von „Grown up“. Der Titeltrack ist hingegen jazzig-warm, während „Shine“ und „Belly of the Beast“ sich in düstere Regionen bewegen und auch auf „Atrocity Exhibition“ gepasst hätten. Das gilt ebenfalls für Featuregast Obongjayar, der „uknowhatimsayin¿“ und „Belly of the Beast“ mit seiner Reibeisenstimme eine fast schon spirituelle Note verleiht.

Der nigerianisch-britische Sänger ist nicht einzige auffällige Featuregast. Für „3 Tearz“ holte sich Danny Brown Verstärkung vom Run-the-Jewels-Duo Killer Mike und EL-P. Die revanchierten sich somit für Danny Browns Featurepart zu „Hey Kids (Bumaye)“ auf dem letzten „Run the Jewels“-Album (2016). Über einem JPEGMAFIA-Beat findet das Trio Infernal zu einer Leistungsschau zusammen; wobei Killer Mike es nicht lassen kann, mit seinem politischen Part seinen Kollegen ein wenig die Show zu stehlen. Das ist nur konsequent, wenn man seinen Part mit den Fragen „I don’t give a fuck ’bout Trump, who got dump?/Who protesting collections at their garbage dump?“ beginnt.

JPEGMAFIA tritt auf dem Album noch ein weiteres Mal in Erscheinung. Im von Flying Lotus produzierten und mit wilder Bassline von Meister Thundercat ausgestatteten „Negro Spiritual“ assistiert er dem Detroiter bei der Hook und klingt dabei ein wenig wie Pharrell Williams. Ein weiterer hochkarätiger Feature-Gast ist Blood Orange: Der britische Sänger zeigt sich mit seiner Hook auf dem Track „Shine“ gewohnt virtuos und sorgt für den melodramatischen Höhepunkt des Songs.

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Aber ganz unabhängig davon, ob Danny Brown alleine oder mit Gästen sich den Beats annimmt: Auf „uknowhatimsayin¿“ zeigt er sich oft nachdenklich, aber nie traurig oder gar verloren. Dafür sorgt auch sein schräger Humor, der sich durch das Album zieht und sogar dann auftritt, wenn er auf Zeiten blickt, in denen er vom „Best Life“ noch weit entfernt war. Ganz gewohnt erstaunt Danny Brown mit WTF-Zeilen wie „I ignore a whore like an email from LinkedIn“ aus „Savage Nomad“ oder dem gesamten aberwitzigen ersten Part von „Belly of the Beast“ (den er allerdings schon bei einem Tim-Westwood-Freestyle 2013 rappte). Derb? Ja. Unterhaltsam? Ebenfalls.

Will man bei diesem Album unbedingt etwas bemängeln, dann, dass „uknowhatimsayin¿“ zwar alle Kriterien eines guten Rapalbums erfüllt, gleichzeitig aber nicht jene Pionierlust enthält, die große Teile der Diskografie Danny Browns kennzeichnet. Das Ausloten von HipHop-Grenzen findet auf „uknowhatimsayin¿“ kaum statt. Schade, da die Ankündigung anderes vermuten ließ. Das ist aber ein ebenso verschmerzbarer Kritikpunkt wie das Fehlen einer Klammer, die aus den elf Tracks ein zusammenhängendes Album macht. Das versprochene „Stand-up-Comedy“-Album ist „uknowhatimsayin¿“ nun einmal nicht. Aber „uknowhatimsayin¿“ ist das unverkopfte und lockere Album, das man sich nach „Atrocity Exhibition“ nur wünschen konnte.

Fazit: Danny Brown gibt sich auf seinem fünften Solo-Album musikalisch ganz ungezwungen, inhaltlich verbindet er Selbstreflexion mit dem gewohnten Brachialhumor. „uknowhatimsayin¿“ ist ein lockeres, kurzes Album mit überwiegend klassischen Produktionen, starken Featuregästen und den ungebrochen unwiderstehlichen Rapfertigkeiten Danny Browns im Zentrum. Das Rad hat Danny Brown damit nicht neu erfunden, aber den idealen Nachfolger für den schwer verdaulichen Seelen-Striptease „Atrocity Exhibition“ geschaffen.

4 von 5 Ananas