Radio-Afficionado. Von Deutschrap über französischen & britischen Rap und natürlich…
Text: Jeremie Machto
Bilder: Daniel Shaked
„Alles nimmt ein gutes Ende für den, der warten kann“, sagte der russische Literat Leo Tolstoi. Ob man warten kann, ist die eine Sache. Ob man warten, will die andere. Angekündigt für 21:30, sieht man sich um 23 Uhr noch immer auf der Tanzfläche stehen und warten. Warten auf DJ Premier, einen der einflussreichsten und besten HipHop-Produzenten der Welt. Einfach nur warten. Nach jedem Track der Vorgruppe blitzt ein Hoffnungsschimmer auf: Jetzt ist es so weit! Doch nichts. Aber die Musik ist cool, also tanzt man. Doch je später es wird, in desto verzweifeltere Gesichter blickt man. Dieser Post auf die Event-Seite beschreibt die Grundzüge des Abends wohl am besten:
Wobei die Bemerkung über die Warm-up-DJs etwas ungerecht ist: Die Jungs hinter den Turntables hatten eine recht undankbare Aufgabe. Wenn eine Crowd eineinhalb Stunden auf einen bestimmten Act wartet, ist sie nicht mehr sehr rezeptiv für anderes. Doch Boyce und seine Homies hätten sich helfen können, indem sie sogenannten „Real Hip-Hop“ auflegen. Von dem werden wir im Laufe des Abends noch einiges hören. Die „Premo“-Sprechchöre werden immer lauter. Aber wie schon gesagt: „Alles nimmt ein gutes Ende für den, der warten kann.“ Und so ist es dann auch. Die Band um DJ Premier liefert tatsächlich eine fast zweieinhalbstündige Show, eine schöne Abwechslung, wenn man an die letzten Ami-Acts denkt, die ihn Wien landeten und oft nicht einmal eine Stunde auf der Bühne verweilten.
Aber DJ Premier ist eben nicht wie andere Acts. Die Palette des Mannes an den Turntables reicht weit, die Musiker sind hochmotiviert und es geht gleich Hardcore los. Ohne Rücksicht auf Verluste wird das Set überraschenderweise mit Ill Bill eröffnet. Es folgt ein Feuerwerk an Klassikern der 90er: „Represent“ von Nas, „MCs Act like they don’t know“ von KRS-One, „Kick in the Door“ von Notorious B.I.G., Showbiz & AG, Jeru the Damaja, Das Efx und und und … Das Repertoire von DJ Premier – der von vielen zu Recht als der GOAT (Greatest Of All Time) bezeichnet wird – ist riesig und die Hitdichte darin fast erdrückend. Einen Track nach dem anderen ballern The Badder (der Name der Band, der wohl erst im Laufe der Tour entstand) raus und geben dem Publikum eine Lehrstunde in Sachen „Real Hip-Hop“. Ein MC wird nicht benötigt: Premo brüllt sich die Seele aus dem Leib, das Rappen der Strophen übernehmen die Kollegen auf der Platte – und das frenetisch mitsingende Publikum. Einigen von ihnen wäre es auch kaum möglich, aufzutauchen: DJ Premier hat auf seinem knapp 30-jährigen Werdegang viele MCs und Freunde kommen und gehen sehen. Dem wohl besten und engsten wird auch der Großteil des Abends gezollt: „R.I.P. Guru!“.
Die Band macht kurz Pause, Premo fetzt noch ein paar Tracks aus seinem Repertoire über die Plattenspieler raus, spielt ein paar Original-Samples, um sie dann in den HipHop-Beat übergehen zu lassen (dasselbe hat er in beeindruckender Manier schon am Splash und HIER gezeigt). Das Gebotene ist bis dahin atemberaubend. So sehr, dass gegen Mitte des Sets dem Konzert die Luft ausgeht. Die ersten Gäste gehen schon, man will ja die U-Bahn erwischen. Dadurch leert sich der Club etwas, aber gut: mehr Platz zum Tanzen. Und diesen braucht man gegen Ende auch, als die Musiker noch einmal auf die Bühne kommen und das Ensemble voll aufdreht. Die Menge wird mit MOP wachgerüttelt. Den schönsten Moment des Konzerts markiert „Moment of Truth“, welches wunderschön mit den Musikern umgesetzt wird. Zum Abschluss gibt es noch eine kleine Jam Session, in der die Musiker abermals ihre Skills beweisen können. Sowohl Drummer, Trompeten- und Posaunenspieler und Bassist zeigen, was sie draufhaben. Eine sympathische Truppe, die DJ Premier da um sich gescharrt hat und die sichtlich Spaß an der Mucke hat. Im Grunde ist The Badder eine HipHop-Cover-Band. Nur dass die Regie einer der einflussreichsten Musiker unseres Zeitalters übernimmt, der genau weiß, was er macht und will und damit einen großen und berechtigten Anspruch auf den Titel des GOATs hat. Nach zweieinhalbstündiger Powershow und einer langen „Zugabe“ ist es aber dann vorbei. Wieder eine gelungene Veranstaltung der Beat The Fish Reihe. Ich bin erschöpft. Die U-Bahn fährt nicht mehr. Aber wurscht, das war’s wert!
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Radio-Afficionado. Von Deutschrap über französischen & britischen Rap und natürlich Österrap. Außerdem Battle-Rap-Fanatiker und beherrscht die Beistrichregeln, nicht, besonders, gut.