Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
Mehr Intuition, weniger streben nach Perfektion – so könnte man den neuen Zugang von Dorian Concept verkürzt beschreiben. Wieder einmal hat der Wiener Produzent und Synthesizer-Experte bewusst alte Muster hinter sich gelassen. Davon zeugt „What We Do For Others“, sein drittes Studioalbum, das am 28. Oktober via Brainfeeder erschienen ist. Ein ruhiges, entspanntes Album, bei dessen Entstehung sich Dorian Concept von seinem musikalischen Kontrolldrang befreit hat.
Snapshot-artige Entwürfe, die auf Basis von Jammen im eigenen Studio entstanden sind, bilden das Grundgerüst der Tracks. Statt viel daran herumzudoktern, wollte Dorian Concept den Geist dieser Entwürfe einfangen, sodass die Tracks mehr oder weniger selbst entstehen. Um übers Album, die Motive hinter der Neuorientierung, sein Faible fürs Schräge, den Jazz von Adlibs und mehr zu plaudern, haben wir den Musiker in seinem Wiener Studio getroffen.
The Message: Um dich ist es von außen betrachtet oft ruhig. Du verschwindest zwischen deinen Alben und Projekten oft für längere Zeit in deinem Studiokeller und du bist auf Social Media im Gegensatz zu den meisten anderen Musiker*innen sporadisch aktiv. Ist das auf deine introvertierte Art zurückzuführen?
Dorian Concept: Guter Punkt. Es ist schräg, weil ich wie viele andere mit dem Internet aufgewachsen bin, durch die Myspace-Zeiten und durch soziale Medien mein erstes Publikum erreicht habe. Ich war eigentlich immer vernetzt mit diesen Onlineplattformen. Mein erstes „Fooling around“-Video habe ich 2006, als YouTube in den Babyschuhen war, veröffentlicht. Für mich fühlt es sich trotzdem immer wie ein Ausflug in die Onlinewelt an. Ich ziehe mich eher zurück in meinen Alltag. Es ist sicher ein Wechselspiel. Bei anderen merke ich, dass sie es schaffen, dranzubleiben. Ich glaube ich habe schon den Wunsch, das mehr zu schaffen, aber ein Teil von mir zieht mich immer wieder in meine Zone, nicht zu viel darüber nachzudenken. Dann schieße ich irgendwann wieder fünf Videos hintereinander raus (lacht).
Das neue Album ist – wie bei dir gewohnt – ein Bruch mit bisherigen Mustern. Die Tracks sind reduzierter, weniger verkopft und mehr nach Gefühl entstanden. Also viel schneller?
Wahrscheinlich war es insgesamt bisschen weniger als beim vorigen Album. Das habe ich mehr in Schichten gemacht und war von der Früh bis am späten Nachmittag da. Beim jetzigen war es an Tagen ähnlich, aber an Stunden weniger. Ich bin mehr zum Spaß haben hergekommen und habe in Sessions gedacht. Als wäre es eine Art Bandraum. Ich komme rein und stelle was auf, gehe wieder. Am nächsten Tag komme ich zurück, schaue, was ich gemacht habe und fange an, was herzurichten oder zu mischen. Ich habe dabei gelernt, Sachen früher loszulassen, es entspannter zu sehen. Das ist etwas, das ich beibehalten will – meine ersten richtigen Musikvideos und die kleinen Studiovideos pushen mich dazu.
„Wenn sich ein ähnlicher Proess wie immer einschleicht, läuten bei mir die Alarmglocken“
Wie kam es zum Grundgedanken, dass du vor allem deine ersten Entwürfe fertig ausarbeitest?
Wahrscheinlich daraus, dass ich angefangen habe, am Album zu arbeiten und gespürt habe, dass sich ein ähnlicher Prozess wie immer einschleicht. Wenn ich das merke, läuten bei mir immer die Alarmglocken. Dann arbeite ich bisschen gegen mich und frage mich, was eigentlich dahinter ist. An diesem Tag habe ich innerhalb von zwei, drei Stunden einen Song fertiggemacht. Es war eher übungsmäßig, hat mir aber gut gefallen. Dann habe ich mich gefragt: ‚Wieso nicht mal den Fokus auf die Energie der ersten Takes legen?‘ Wenn ich es nochmal neu aufgenommen hätte, wäre das verlorengegangen. Bisschen wie in der Fotografie, wo du bei einer Session im ersten Foto, das gemacht wird voll die Natürlichkeit im Menschen siehst. Sukzessive wird es gekünstelter, weil man anfängt sich einzureden, das Kinn zurückzugeben, den Winkel anzupassen und über all diese Umstände nachzudenken, die dich vom Snapshot wegbringen. Deswegen waren die Nummern bisschen wie Audio-Snapshots gedacht.
Wie groß war die Herausforderung, das künstlerische Ego oder den Perfektionsanspruch beiseite zu schieben?
Es war viel Verhandeln mit dem eigenen Ego. Gerade wo beim vorigen Album viel Kontrollbedürfnis da war und ich diese komplexen Songs gebastelt habe, war es bisschen ein Free-Falling-Gefühl, ins komplette Gegenteil zu kippen. Zum Glück habe ich weniger mit Angst als mit einer Neugierde reagiert und gemerkt, dass ganz andere Songs entstehen. Mir war nicht bewusst, wie viele Schichten oft in meiner Musik sind und wie dicht sie ist. Erst als ich die Tracks später wieder gehört habe. Das war das erste Mal, dass ich bisschen eine Außenwahrnehmung von mir erlebt habe. Als ich die alten Sachen gemacht habe, war das für mich fast schon normal. Dadurch, dass ich jetzt intuitiver und schneller gearbeitet habe, habe ich gemerkt, dass es reicht, wenn eine Drumspur, ein Synthesizer und ein Bass da sind und ich versuche, für alles die Pocket zu finden.
Was waren die Aha-Momente?
Paar Freunde von mir und ich haben mal beschlossen, dass wir uns bisschen challengen und jeden Freitag je einen Track in einen Dropbox-Folder laden, damit wir was zum Herzeigen haben. An einem Freitag hatte ich Zeitstress. Durch diesen Zeitdruck ist ein Song entstanden, bei dem ich am Anfang nur einen langen Schlagzeugtake aufgenommen habe. Das habe ich mir davor nie zugemutet, weil ich immer einen perfekten Drumloop finden wollte. Ich habe drei Minuten durchgehend Schlagzeug gespielt, dann Bass und eine Melodielinie drübergelegt. Das war der Aha-Moment. Ich habe anscheinend diesen Stress gebraucht, um zu merken, dass ich nicht immer auf Details wegkippen und nicht alles nur als Skizze betrachten muss. Bisschen wie in Schulzeiten – wenn es eng wird, kommt plötzlich dieser Boost.
Du hast gesagt, dass Tracks von dir, die aus dem Bauch heraus entstanden sind meist besser bei den Leuten ankommen als jene, bei denen du im Vorhinein glaubst, dass sie den Geschmack der Leute treffen. Hast du für dich eine Erklärung dafür gefunden?
Ich habe lange versucht, das zu verstehen. Je weniger ich mich mit der Außenwahrnehmung, wie die Musik verstanden werden könnte oder wem sie gefallen könnte beschäftige, desto mehr arbeite ich aus einem authentischen Teil von mir heraus. Ich glaube ich greife dann weniger zu einer Formel oder verstelle mich weniger – eh klassisch. Dann passiert etwas, das an einen bisschen tieferen Ort kommt. In der Musik geht es ja immer um eine Verbindung, die man zu anderen aufbaut. Vielleicht connected es automatisch mehr mit anderen Menschen, weil es unmittelbarer und bisschen realer ist. Wenn ich kommerziellere Musik machen würde, würde es nicht so funktionieren. Da gibt es Formeln und man weiß ja, wie man einen Hit basteln könnte. Dadurch, dass das was ich mache schon bisschen schräg ist, connected es mehr übers Unterbewusste der anderen als über bewusste Interessen.
Quasi eine Win-Win-Situation – du brauchst weniger lange, musst nichts zerdenken und es kommt trotzdem besser bei den Leuten an?
So habe ich es noch gar nicht gesehen. Das Interessante ist, dass es trotzdem schwer ist, in diese Zone zu kommen. Es ist immer voll tempting, zu glauben, dass man einen Trick gefunden hat. Gerade wenn man an Musik arbeitet, hat man gerne das Gefühl, dass alles was man macht gut mit der Außenwelt resonieren kann. Ich habe bei mir fast den Eindruck, dass die Welt es spürt, wenn du es bisschen fakest.
„Manchmal steckt so viel Seele in Adlibs. Ich sehe für mich teilweise einen Jazz drinnen“
Deine Stimme ist auf dem neuen Album deutlich präsenter als bisher. Weil die Instrumentals ihr mehr Raum geben?
Sie ist präsenter, weil die Nummern nicht so dicht sind wie beim Album davor, wo die Stimme bisschen mit den anderen Synth-Spuren mitgekämpft hat. Es ist mehr Platz für die Vocals da, trotzdem bleiben sie in meinem Stil. Sehr unkenntlich und ohne klare Lyrics, bei den Gesangssachen bisschen freie Assoziation mit Text, Gesang und Lyrics.
Sprudelt das raus, wenn du ein Mikrofon vor dir hast?
Schon irgendwie. Ich sehe es lustigerweise bisschen wie Adlibs. Ich finde die Videos gewisser Rapper spannend. Young Thug hat ein unglaubliches Adlib-Game mit seinem melodiösen Zugang. Ich habe auch dieses Pharrell-Interview gefunden, wo er über dieses Stöhnen von OG Maco auf „U Guessed It“ abgeht. Manchmal steckt so viel Seele in Adlibs. Während es im Rap natürlich viel um die Lyrics, die Stimme und das Timbre geht, finde ich in den Adlibs diese Entspanntheit spannend, wenn es darum geht, wie man in einer gewissen Pocket abgehen kann. Ich sehe für mich teilweise einen Jazz drinnen. Mein Zugang war, dass ich bei den fertigen Songs drüber Adlibbe, aber ohne wirkliche Lyrics. Teilweise hat eine Hälfte des Songs Lyrics, die andere Hälfte nicht und man hört nur so ein Solo im Hintergrund. Wie freimalen mit der Stimme.
Hier steht ja einiges an Gear herum. Was hast du für die neuen Nummern am meisten verwendet?
Es ist ein relativ reduziertes Setup. Der Roland SH-101 ist sehr präsent. Ein 1980er-Synthesizer, der viel in der Tanzmusik verwendet wird – zum Beispiel von Aphex Twin. Den habe ich über die markante Melodielinien wie bei der Squarepusher-Nummer „Theme From Ernest Borgnine“ entdeckt. Ich verwende ihn eher wie ein Saxofon, als Soloinstrument. Ich kriege immer wieder YouTube-kommentare von Leuten, die Fragen: ‚Was machst du da mit der 101?‘ Es verwirrt vielleicht, weil man sie aus der Tanzmusik kennt und dann nimmt sie jemand her, der damit über schräge Beats soliert. Die Konus, eine große Workstation mit Soundsynthese und Sample-Möglichkeiten, war bisschen das Mothership fürs Album. Ich habe auch ein schräges Gerät von Roland aus den 00er-Jahren gefunden, mit dem man die Stimme entstellen kann. Mit einem alten Diskettenlaufwerk und acht Sekunden Samplezeit, also bisschen umständlich, aber ich habe ein Faible für älteres Gear, das nicht super gehypt ist. Der Yamaha VSS-200 ist eigentlich ein Kinderspielzeug, aber es gibt einen ganz kleinen Sampler drinnen, mit dem man voll schräge Sachen machen kann. Wenn am Album komische Hintergrundflächen drauf sind, kommen die oft von den sperrigen Geräten. Es war ein Kennenlernen der Geräte beim Jammen.
Du bist am neuen Instrumentalalbum „Louie“ von Kenny Beats auf drei Tracks als Featuregast vertreten. Wie ist das abgelaufen?
Er hat mich über Instagram angeschrieben, als er sein Album sehr kurzfristig geplant und gemacht hat und gefragt, ob ich was für ihn habe. Ich habe recht schnell Keys eingespielt und ihm was zurückgeschickt. Er ist von den Rap-Produzenten, die ich bisher kennengelernt habe, neben Flying Lotus einer, der sich am meisten außerhalb des klassischen Rapkontexts umschaut. Er ist großer Fan von Aphex Twin, Burial und Jai Paul und wie es eh generell mit Rapmusik ist, gibt es so viele Schnittstellen. Er war für mich immer jemand, der nicht nur Produzent, sondern auch ein Digger ist, fast bisschen kuratorenhaft.
Kennst du Nik Dean? Ein Wiener Produzent, mit dem Kenny Beats ebenfalls schon zusammengearbeitet hat – auf dem Track „Get Off My Dick“ von Zack Fox.
Nein, aber muss ich mir anhören. Man merkt bei Kenny Beats, dass er wirklich Fan geblieben ist. Das ist das Schöne. Viele Produzenten versuchen, sehr exploitive zu sein. Wenn sie was Cooles finden, nehmen sie die Idee von jemandem und greifen sie unter ihrem Namen auf. Bei Kenny habe ich das Gefühl, dass er immer voll dazu stehen kann, mit wem er arbeitet. Ich finde das einen guten und modernen Zugang – weg davon, junge oder unbekanntere Leute auszunehmen und mehr zu schauen, dass man Vernetzungen baut.
War es eine Bauchentscheidung, dass du immer in Wien geblieben bist, deine Hauptbase hier belassen hast?
Vor 13, 14 Jahren hatte ich viele Gigs in London. Da hätte es mich schon gereizt gehabt, für eine Zeit hinzuziehen. Auch weil es am Anfang der Zusammenarbeit mit Ninja Tune war. Irgendwie wollte es doch nicht ganz sein. Wien hat einen starken Sog, obwohl ich viel unterwegs war und viele Städte gesehen habe. Halt nicht solange am Stück. Außer in L.A., da war ich mal paar Monate zum Schnuppern, als ich mit Brainfeeder habe. Ich habe in Wien die Mischung aus Familie, Freundeskreis, Beziehung und, nicht dass es einem fehlt, aber dass man in ein Kaffeehaus gehen kann, mit gewissen Straßenbahnlinien fährt oder ganz alltägliche Sachen macht. Man kann mit den Lebensumständen hier noch immer super happy sein, auch von den Wohnmöglichkeiten – wobei sich das auch alles ändert. Das war bei mir immer mehr an eine Wertschätzung gekoppelt. Es gehört natürlich zum Wienerisch sein bisschen dazu, dass man sudert und sich aufregt. Aber im Hintergrund mit dem Wissen, dass es einem sehr gut geht, man im Vergleich zu anderen Städten gut leben kann. Gerade bei mir, wo es mit der Selbstständigkeit und dem Musik machen eh immer viele Fragezeichen gibt, war es cool, eine Base zu haben.
In einem englischsprachigen Interview hast du mal unter anderem die Alltagsgeschichten als Inspirationsquelle genannt, aber nicht näher ausgeführt. Wie war das gemeint?
(lacht) Ich fange gerade an, auch Videosachen zu schneiden. Für mich waren bei den Spira-Interviews die Off-Szenen so interessant, wo sie Musik verwendet hat. Das waren die wahren Alltagsgeschichten-Momente, wo Kollage-mäßig paar Szenen eingefangen worden sind. Jemand steht beim Würstler, dann der Cut zu jemandem hinter der Bar, der sich abpeckt und der nächste Cut zu einer Taube, die ein Stückerl Brot vom Boden frisst oder so. Dieses szenische Einfangen der Stadt, wie die Leute hier leben. Ich glaube einfach auch der Swag vom alten Wien und den Leuten, die hier leben und gelebt haben. Es ist auf jeden Fall eine Lebensinspiration. Aber lustig, dass ich das erwähnt habe, ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Ich finde generell Dokumentationen mittlerweile fast spannender als Filme oder Serien. Ich merke es an modernen Formaten, wie schwer es ist, echtes Leben einzufangen. Spira und ihr Team haben es damals wirklich gut gemacht.
Du hast mal gesagt, dass du in deinen Anfängen um die Jahrtausendwende viel mit österreichischem HipHop aufgewachsen bist. Du hast bereits immer wieder US-Classics genannt, aber was waren für dich die lokalen Anhaltspunkte?
Lustigerweise die Waxos. „Nachtschattengewächs“ ist damals auf Viva gelaufen – den Ring zu sehen mit Menschen im Spacesuit oder Alien-artig, das war bisschen eine Hymne der Zeit. Auch die Ambition, den Bandsound mit dem Rap-Ding und Jazz-Elementen zu verbinden, was auch aus dem Ninja-Tune-Umfeld zu dieser Zeit üblicher war. Sie waren die Local Heroes, als wir jünger waren. Die Supercity-Zeit. Ich habe 2008/09 herum einen Remix gemacht und bin auf dem „The Big Butter“-Album mit einem Feature vertreten. Über The Clonious und DJ Buzz gab es eine der ersten musikalischen Brücken zwischen uns als Fans von ihnen – Bühnen teilen und dann auch gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Sonst war „Rollin‘ on Chrome“ von den Aphrodelics ein früher Hit. In der Früh-Teenie-Zeit sind im Freundeskreis auch viel Massive Töne, R.A.G. und die ganzen Klassiker aus Deutschland gelaufen. Es war wichtig, dass man das Gefühl hat, dass jemand zuhause was Ähnliches macht. Das hat Confidence gegeben, dass es nicht nur entfernt US-Rap gibt.
Was hat dich zuletzt aus der lokalen Szene begeistert?
Mir persönlich hilft es immer, wenn ich Leute kenne und die Musik mit den Leuten vernetzen kann. Ich habe es spannend gefunden, wie Wandl als Produzent für Crack Ignaz die Platte („Geld Leben“, Anm.) gemacht hat. Eine meiner Lieblings-Rapplatten aus dem deutschsprachigen Raum der letzten Jahre. Auch mit seiner Solokarriereist er einen spannenden Weg gegangen. Ich kann mich noch an die alten Lex-Lugner-Produktionen erinnern, die habe ich auch immer enorm gefeiert. Ich habe viel Catching-up zu tun, weil ich merke, dass enorm viel passiert. Ich glaube, dass es in den letzten sieben, acht Jahren einen Bruch gibt, die neue Generation keinen Bezug mehr dazu hat, was ich früher referenziert hätte und die Leute einen ganz anderen Stil entwickeln.
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