Als er 1997 THE MESSAGE gründete, hatte er gar keine…
Reggae-Einflüsse ziehen sich durch die Musik von El Michels Affair. Von der reggaefizierten Coverversion von „Hung Up On My Baby“ bis hin zum allgemeinen Sound und Ansatz, der den Produktionsstil von Mastermind Leon Michels durchdringt. Während der Aufnahmen zum 2020 erschienenen Album „Ekundayo“ des britischen Sängers Liam Bailey sind einige straighte Reggae-Tunes entstanden, inspiriert von verschiedenen Epochen, zudem einige moderne R&B-Tracks. Die Idee zu „Ekundayo Inversions“ entstand aus der Überzeugung, dass Altes und Neues gut zusammenpasen können.
Traditioneller Dub entstand aus dem Reggae der späten 60er und frühen 70er Jahren, als Pioniere wie King Tubby und Lee Perry begannen, die mehrspurigen Aufnahmen von Songs zu nehmen und sie durchs Mischpult laufen zu lassen, um Effekte und zusätzliche Instrumentierung hinzuzufügen. Diese Aufnahmen werden „Dubs“ oder „Versionen“ genannt und sind typischerweise Instrumentals mit gesanglichen Ausschmückungen aus den Originalspuren.
El Michels beschloss, die hinterlassenen Blaupausen zu nutzen und etwas mit den Einflüssen von heute zu machen. Dabei entfernte er sich so weit von dem traditionellen Format, dass es nicht wirklich passend erschien, das Wort „Dub“ zu verwenden, daher „Ekundayo Inversions“. Alle Songs sind durch WhatsApp-Nachrichten zwischen Leon und Liam miteinander verbunden, die perfekt die Geschichte dieser Platte und ihrer Arbeitsbeziehung erzählen.
Eines der Highlights auf „Ekundayo“ Inversions ist ein Gastauftritt des legendären Lee „Scratch“ Perry auf der „Ugly Truth“-Version. L$P wechselt zwischen Singen und Sprechen, preist die eigenen Kräfte und spielt mit dem Titel des Originaltracks. Bei „Awkward Take 2“ nimmt Leon einen der experimentellsten Songs von „Ekundayo“ und macht daraus einen relativ straighten Tune. Ein Track, der einst im Raum zu schweben schien, wird nun durch das Hinzufügen von Drums und Bass verankert. „Faded“, eine Version von „Paper Tiger“, bekommt die volle EMA-Behandlung samt gefühlvoller Bläser über eine fast schon unangenehm spärliche Rhythmus-Spur, gespickt mit Liams Stimme, die in Delay und Echo getränkt ist. „Conquer & Divide“ featured eine Strophe von Black Thought von The Roots und auf halber Strecke schickt El Michels die Rhythmusgruppe 50 Jahre in die Vergangenheit.
Letztendlich ist „Ekundayo Inversions“ ein Zeugnis dafür, wie stark die ursprünglichen Songs sind. Egal, ob sie im R&B- oder Reggae-Gewand daherkommen, ob sie bis auf die Knochen reduziert oder mit einer aufwendigen Produktion versehen sind – die Songs werden Sie bewegen.
Fünf Songs sind bereits vorab aus dem Album veröffentlicht worden. Darunter Awkward (Part 2)“, schnappt sich das zarte Original und verleiht ihm ein wenig Wumms. Aus einem der experimentellsten Songs von „Ekundayo“ macht Leon Michels einen relativ straighten Tune. Ein Track, der einst frei im Raum zu schweben schien, wurde nun durch die Zugabe von Schlagzeug und Bass geerdet. Das Ergebnis ist ein sinnlicher Two-Stepper, der gut neben eine D’Angelo-Platte passen könnte. Baileys klagende Lyrik bekommt durch die neue Produktion eine Energie anderer Art; das, was vorher eher selbstreflektiert und zurückgenommen daherkam, bekommt eine sinnliche Dimension.
„Walk With Me“, ist ein wunderschönes und eindringliches Liebeslied. El Michels orgelgetränkte, schwebende Produktion schafft die perfekte Kulisse für Baileys flehende Lyrics. Die beiden spielen ein wenig Katz und Maus mit dem Arrangement – wo der Track in den Hintergrund tritt, schiebt sich Baileys Gesang nach vorne, wo Baileys mit seiner Energie ausbricht, glättet El Michels mit einem Flötenpart.
Auch die Neuinterpretation von Liam Baileys „Don’t Blame NY“ sticht heraus. El Michels, selbst gebürtiger New Yorker, hat den stimmungsvollen Song treffend in „I Love NY“ umbenannt und in diesem Zuge intensiviert. Durch das Entfernen des Großteils des Textes wird die Stimmung universaler, aber EMAs cineastische Produktion und die schmetternden Bläser sorgen für eine einzigartige Gotham-Stimmung. Die neue Version wirkt wie der Soundtrack zu einem regnerischen Tag im Big Apple, an dem sich alles bewegt, aber nichts verändert.
„King“ entstand zwar während der Ekundayo-Sessions, fand aber den Weg nicht aufs Album. Es ist aber neben „Conquer & Divide“ eines der Highlights der Neuinterpretation durch El Michels. Die Produktion greift Elemente aus der 90er Bristol-Trip-Hop-Ära auf und mischt sie mit NY-Soul, für den El Michels zum Synonym geworden ist. Bailey ist vollkommen in dieser Klanglandschaft zu Hause und singt einen selbstreflexiven Tune über Kämpfe und growing pains, die er durchlitten hat.
Mit der Neuinterpretation von „Paper Tiger“, das in „Faded“ umgetauft wurde, verschiebt El Michels Affair erneut die Grenzen von Dub. Die ohnehin atmosphärische Nummer bekommt durch starke Bläserarrangements, die ihr eine epische Soundtrack-Energie verleihen, eine andere Dimension. Liams Gesang wird mit einem Echo versehen und über den Track gesprenkelt, was ihm zusätzlich einen düsteren Effekt verleiht.
Alles in allem stellt dieses ungewöhnliche Projekt ein musikalisches Highlight in diesem Sommer dar. Zeitlose Tunes die durch den analogen Reiswolf eines der legendärsten Produzenten des Big Apple gezogen wurden. Ab damit auf jeden Grill, Boxen voll aufdrehen und pumpen.
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Als er 1997 THE MESSAGE gründete, hatte er gar keine Ahnung, was da alles auf ihn zukommen würde. Als Fotograf überlässt er lieber Berufeneren das Schreiben. Dafür fragt er gerne nach. Nur in seltenen Fällen haut er selbst in die Tasten. Aber da muss schon viel passieren. Einfach lieber am Auslöser