Fünf Jahre ist es mittlerweile her, dass Anton Schneider aka Fatoni bei Joiz Germany mitten bei einer Live-Performance von der Bildfläche verschwand. Zusammen mit Edgar Wasser performte er den Song “Kunst”, der hippe “Irgendwas mit Medien”-Jünger aus Berlin auf die Schippe nimmt. Als in der dritten Strophe Joiz Germany ein bisschen von dem Hate abbekam, wurden die Live-Bilder abgebrochen. Auch nach fünf Jahren weiß Fatoni immer noch zu provozieren. Auf seinem neuen Album “Andorra” beweist er das einmal mehr.
Anfangs noch zusammen mit Creme Fresh, Moop Mama oder als Feature bei Großstadtgeflüster (“Keiner fickt mich”), erlangte der gebürtige Münchner 2013 zusammen mit Edgar Wasser und dem Album “Nocebo” größere Aufmerksamkeit. Das Kollabo-Album “Yo, Picasso” zusammen mit Dexter landete 2015 auf Platz 23 der deutschen Album-Charts. Fatoni ist als Solo-Künstler ein fester Bestandteil einer Rap-Szene abseits von Gucci, Mero und Fero. Nachdenklich, ironisch und kritisch war Fatoni dabei schon immer. Gerne gegenüber anderen, auf “Andorra” erstaunlich oft über gegenüber sich selbst. Er erzählt über seine Kindheit, Neid, Rebellion und frühe Kiffergeschichten – nicht, ohne dabei gekonnt Seitenhiebe gegen den Mainstream, Politiker oder die zunehmende Digitalisierung auszuteilen.
Auf insgesamt 13 Tracks agiert Fatoni nachdenklich, selbstkritisch und genervt. Untermalt wird dies durch den typischen Fatoni-Humor. Während er auf “Alles zieht vorbei” über das Ziel, nicht so wie die anderen zu sein, spricht, teilt er auf Tracks wie “Clint Eastwood” oder “Ich glaube mit mir stimmt was nicht” auch gerne mal gegen andere Rapper und deren Songs über Kleidung und Drogen aus. “Clint Eastwood” überzeugt dabei zusätzlich durch ein brilliantes “King of Queens”-Musikvideo mit Marcus Staiger als Arthur Spooner. In “D.I.E.T.E.R.”, dem wohl kreativsten Track, erzählt Fatoni, wie gerne er manchmal ein einfaches Leben wie Dieter Bohlen mit perlweißem Lächeln und viel Geld hätte.
Zum Beispiel hassen alle Frei.Wild und wir sind uns alle einig // Doch wenn Rapper dumme Faschos sind, dann sind wir nicht so kleinlich – “Die Anderen”
Der stärkste Track ist dabei neben Songs wie “Burj Khalifa” und “Clint Eastwood” der Song “Die Anderen”. Auf traplastigem Beat stellt der Münchner unverblümt fest, dass eben doch „erst die Coolness, dann die Moral” kommt. Kreativ verpasst er dem Status quo der Deutschrap-Szene ein paar Watschen. Er teilt nicht nur in typischer Fatoni-Manier gegen “die anderen”, sondern auch gegen Fascho-Rapper und deren Echo-Verleihung, auf die er so gerne nicht hingegangen wäre, aus. Im Refrain regnet es dann noch einen Schwall Selbstironie: “Meine Rebellion besteht darin, dass ich in die falsche Richtung geh’ wenn ich bei Ikea bin.”
Mein Rap ist so Killer wie Dessauer Bullen – “Die Anderen”
“Die Anderen” vereinnahmt dabei neben Fatonis Ehrlichkeit und Ironie das wohl stärkste Element der Platte: die Gesellschaftskritik. Ohne den Zeigefinger emporzustrecken, weiß Fatoni Kritik so zu verpacken, dass man ab und an einen unerwarteten Tritt abbekommt. Er stellt Sexismus (“Burj Khalifa”), Doppelmoral (“Die Anderen”) und Nazis im Parlament an den Pranger. Die Lines verstecken sich dabei oft gekonnt hinter der Fatoni-Ironie, sodass das Überraschungsmoment umso wirkungsvoller ist: Bei “Nein nein nein nein nein nein” erzählt er von Verschwörungstheorien und dem Kiffen, als man plötzlich beim Mitrappen kurz innehält, wenn die Hook mit einem bedrohlichen “Nein” in Hitler-Voice aus Inglourious Basterds niederschmettert.
Es geht immer um Sex nur nicht beim Sex, da geht’s um Macht // Lustig, dass den Satz hier ausgerechnet Kevin Spacey sagt – “Burj Khalifa” feat. Casper
Dass nicht jeder Song von Autotune und wenn an wohl überlegten Stellen getränkt ist, ist dabei im Jahr 2019 fast schon eine Erholung für das Ohr. Die Grundstimmung des Albums erscheint nachdenklich, ironisch und rebellisch. Kein Beat ähnelt dem anderen, Fatoni weiß seinen Rap mit der richtigen musikalischen Stimmung zu untermalen und macht ihn so einzigartig.
Fatoni bleibt auf “Andorra” seiner Linie treu und ist trotzdem erfrischend anders. Fatonis Rap ist kein Studentenrap und kein Gucci-Gebet à la Capital Bra. Dass er nicht so wie die anderen sein möchte und manchmal eben doch ist, macht er in fast jedem Track klar. Das scheint die Hauptzutat für “Andorra” gewesen zu sein. Mit fortlaufender Dauer wirkt diese Rebellion stellenweise, je nachdem wie viel Fatoni man so konsumiert, etwas künstlich. Auch wenn Fatoni noch im letzten Song mit kreativen Lines euer Gehirn massieren wird, ist die zweite Hälfte gerade gegenüber den ersten Songs eher schwach. Tracks wie “Mitch” oder “Krieg ich alles nicht hin” kommen nur schwer an “Burj Khalifa” oder “Clint Eastwood” ran. Während die Texte an diesem Punkt stellenweise ähnlich ausfallen, ist die musikalische Abwechslung umso bemerkenswerter.
FAZIT: “Andorra” ist in jedem Fall ein gelungenes Album. Wer den klassischen Fatoni liebt, wird hier definitiv auf seine Kosten kommen und dabei das ein oder andere Mal positiv überrascht werden. Die Schwäche des Albums liegt eindeutig in seiner Trägheit, die vor allem gegen Ende einsetzt. Alles in allem ist “Andorra” jedoch ein erfrischendes und gut gelungenes Album über Selbstzweifel, Abgrenzung, Liebe und Doppelmoral. Fatoni ist und bleibt eben ein Rap-Rebell – sofern man ihn überhaupt auf einen Bereich begrenzen möchte. Er selbst macht das jedenfalls nicht. Und das ist auch gut so.
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