Liebt deutschsprachigen Rap und Taylor McFerrin. In jeder freien Minute…
So fröhlich zeigt sich The Unused Word im Urlaub auf einer griechischen Insel. Der stressigen Hauptstadt hat sie schon längst den Rücken gekehrt. Die natürliche Umgebung ihrer Wahlheimt Bad Ischl gibt ihr Kraft und Ideenreichtum. Auf der „Think“-EP zeigt die Produzentin und Sängerin Anna Schauberger genau das – und hat dabei noch einige weitere Hochkaräter mit an Bord. The Message erzählt sie die Geschichten, die sich um die Lieder ranken, auch ein paar der Gäste kommen dabei zu Wort.
TM: Welche Geschehnisse hast du auf der EP verarbeitet?
The Unused Word: Im letzten Jahr ist viel passiert. Zuerst hab ich mich nach einem schlimmen Erlebnis im Freundeskreis in die Arbeit gestürzt und nicht mehr aufgehört, bis ich nicht mehr konnte – bis zum Burnout. Ich hatte den Zeitpunkt, an dem es nötig gewesen wäre, das Tempo zu verringern und eine Zeit lang auszusteigen, komplett übersehen. Ich bin aufs Land gefahren, in die Nähe von Bad Ischl, und dort habe ich mich gut erholt. Dann kam ein Bandscheibenvorfall, der mich weiterhin zur Ruhe gezwungen hat. Für mich als produktive Person war das eine furchtbare Zeit. Ich war einen Monat lang im Krankenhaus und dachte mir, „eigentlich will ich die EP veröffentlichen“, aber es ging eben einfach noch nicht. Ich konnte mich monatelang nicht einmal an den Computer setzen, um die wenigen letzten Schritte zu komplettieren. Im letzten Jahr habe ich gelernt, Geduld zu haben – mit mir, und mit Umständen, die ich nicht beeinflussen kann.
Wie würdest du die Platte beschreiben?
Ich glaube, ich bin auch ein Stück erwachsener geworden, und das passt erstaunlich gut zur Think EP. Ich selbst sehe es so: es ist eine „sich abfinden“-Platte – was hier aber gar nichts mit Resignation, sondern eher mit Willensstärke zu tun hat, etwas durchzustehen und den Faden nicht zu verlieren. Also ein „ich kann damit umgehen“, entgegen einem früheren Hang zur melancholischen Depression. Ich trau mich mehr – die erste Nummer ist für meine Verhältnisse ja sogar ziemlicher „happy sound“, auch wenn der Text nachdenklich ist und den eigenen Werdegang betrachtet und ernst nimmt. Ich steh einfach meinem inneren Kind mit der Akzeptanz und Gutmütigkeit eines Erwachsenen gegenüber, und dieser erwachsen gewordene Teil in mir sieht einfach vieles um ein Eck entspannter. Ich werde immer Genres vermischen, das ist bei mir so. Wenn ich statt Gesang mal mehr ins Sprechen verfalle, lass ich es zu und mach das, was mir Spaß macht, mit noch mehr wurschtiger Leichtigkeit.
Die erste Nummer ist mit Label-Kollegin Yarah Bravo. Wie kam es dazu?
Der gemeinsame Track mit Yarah war ein Traum, den ich mich ursprünglich nie zu träumen gewagt hätte, das hat mich mit voller Breitseite erwischt. Als sie mir sagte, dass sie den Track super findet und gerne was dazu macht, sind mir glaub ich sogar die Tränen gekommen. Ich hab mir gedacht, „irgendwas muss ich richtig gemacht haben“, meine Heldin seit x Jahren findet mich gut und möchte mit mir was aufnehmen. Da half es aber sicher, dass wir uns persönlich mittlerweile auch immer wieder getroffen hatten und gern mochten. Sie war bei Stefan Kraatz im Studio, und bald darauf lag die erste Version, die de facto schon perfekt war, in meiner Inbox. Da war’s dann wirklich soweit, da hab ich dann geheult, als ich mir das im Auto angehört hab. Das war ein Moment echter Erfüllung für mich. Chrisfader hatte zu diesem Zeitpunkt seine genialen cuts auch schon längst aufgenommen, und das Gesamtpaket zu hören, war unglaublich schön.
Was Yarah Bravo bei der Entstehung des gemeinsamen Songs gefühlt hat, fasst sie so zusammen:
Yarah Bravo: Treat The Kid inside of you with Love. I carry with me an imaginary kid on my shoulder. And when this kid gets sad and doesn’t understand the world. It’s my responsibility to show the way…to shine some light on this kid and instil hope. This in turn effects how I myself view the world… When I met Anna and her music. The Kid inside of me fell in Love! She’s a magical talented fairy in my eyes!
Karma Art, auch ein DDS-Gefährte, hat die Produktion von „Violet“ übernommen …
The Unused Word: „Violet“, der Track mit Karma Art, entstand in einem Prozess, in dem eine Faust auf ein Auge trifft. Er hatte ein Instrumental, ich hatte einen Text, und BOOM, fertig war das Ding! Die Stimmung und die Harmonie waren da, es lief alles äußerst unkompliziert. Weil es auch wirklich gut gepasst hat, von Anfang an. Er hat nach Erhalt meiner Vocals noch ein bisschen getweaked… weil er’s kann. Karma Art ist toll, seine Musik ist was ganz Besonderes, finde ich.
Ein neuer Name auf der EP ist Stikz. Woher kennst du ihn?
„Useless“, der gemeinsame Track mit Stikz, ist an einem sonnigen Nachmittag in meiner neuen Wahlheimat Bad Ischl entstanden. Er ist einer der wenigen Produzenten in der Umgebung, und wir hatten uns schon ein paar Mal bei den Beatmaker Sessions und in Linz gesehen. Auch dieser Track hat sehr schnell funktioniert – er hatte eine Skizze, und während ich den Text schrieb, bastelte er weiter. Ich glaube, nach diesem Nachmittag war eigentlich auch schon fast alles fertig. Wir sind in weiterer Folge richtig gute Freunde geworden, ich schätze ihn menschlich, als auch als Musiker, sehr. Schade, dass er jetzt, wo vier Musikproduzenten (Japun, eine Hälfte von El Rakkas, lo-res, und ich) frisch nach Ischl gezogen sind, zum Studieren nach Wien gegangen ist. Aber er ist gescheit, und es ist sicher gut für ihn.
Zu Nummer 4 der EP habt ihr am Atterssee ein Video gedreht. Worum geht es?
„Silent Summer“ ist ein heftig trauriger Track für mich. Es geht um den Mord an einem jungen Mädchen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Der Track ist schon etwas älter, und ich bin sicher drei Monate daran gesessen und konnte die richtigen Töne, die richtigen Worte nicht finden. Nichts daran sollte auch nur ansatzweise plakativ werden, ich wollte immer noch einen weiteren Schritt zurück machen und noch behutsamer und liebevoller damit umgehen. Das war auch das erste Mal, dass ich meine Stimme verfremdet habe, weil meine eigene Stimme zu roh und wirklich klang.
The Unused Word: „Stop (Ain’t nobody)“ ist ja wieder etwas kräftiger. Der Track handelt von einem Mitglied meiner Familie, das es sich offenbar zum Ziel gemacht hatte, das eigene gefühlte Unglück auf alle anderen zu übertragen. Auch religiöse Bekehrungsversuche waren Teil der Interaktion. Es brach immer wieder Unruhe und Stress aus, und irgendwann musste ich das einfach in einem Lied thematisieren, weil ich sonst ständig grantig gewesen wäre.
Und schlussendlich „Capture Bonding“, der Weltuntergangs-/Forever-Alone-Track mit Pawcut. An diesem Track haben wir sehr lange gefeilt, und auch hier gab’s ein großes Einverständnis auf vielen Ebenen. Ich fand das Instrumental unheimlich schön. Pawcut und mich verbindet eine Freundschaft, die sich während des gemeinsamen Bastelns etabliert hat; ich glaube, wir verstehen uns gut, und dass wir uns viel mit dem Track auseinandergesetzt haben, ist zumindest für mich sehr klar spürbar.
Pawcut sieht das ähnlich: Ich weiß noch, dass ich Anna auf dem Beat gehört habe, als er fertig war … ich weiß noch, als ich ihr gesagt habe, als es um „Stella Nova“ oder „Capture Bonding“ als Begriffstitel ging, dass das Instrumental sehr schön die „Stockholm Syndrom„-Situation, in der ich mich auf diesem Planeten sehe, widerspiegelt.
Aber auch die weiteren Künstler, die an der Think-EP mitgearbeitet haben, lässt The Unused Word nicht zu kurz kommen:
The Unused Word: Die Grafik wurde, wie schon bei Yarahs Album, von Anita Brunnauer gemacht. Sie arbeitet sehr genau, schnell, und hat eine sehr ästhetische Handschrift. Das Artwork ist wirklich super schön geworden, ich bin sehr glücklich damit.
Testa hat das Mastering übernommen, was ich toll finde, denn wir verstehen und freundschaftlich, wie auch musikalisch, sehr gut. Er hat schon einige Remixes von meinen Originalen gemacht, wie zum Beispiel Heaven, oder der kürzlich erst erschienene Remix von meinem Trans Fatty Acid-Cover (Lamb, bzw. Kruder & Dorfmeister). Ich weiß, er kennt meinen Sound in- und auswendig, und er ist ein absoluter Profi, also bin ich immer total entspannt, wenn etwas aus meinen Händen in seine übergeht.
Also, die Think EP hat von der Wiege bis zur Erscheinung lange gebraucht, aber ich bin sehr froh darüber, wie das alles heraus gekommen ist. Es steht mit Duzz Down San und allen Mitwirkenden ein sehr schönes, in allerlei Hinsicht großzügiges Team dahinter, und ich freu mich einfach, dass dieses Baby jetzt an die Öffentlichkeit darf.
Auf The Unused Word’s Facebook-Seite gibt es für einen Like die EP sogar kostenfrei. CD und Vinyl kann man sich über Hoanzl ordern.
(JG)
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