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Jazz Cartier im Hotel Paranoia // Review

Jazz Cartier im Hotel Paranoia // Review

jazz cartier
(Jazz Cartier – Hotel Paranoia/self released/VÖ: 1. Feb. 2016)

Ein Prinz will zu schnell erwachsen werden.

Toronto ist spätestens seit dem Aufstieg von Drake und The Weeknd für die internationale HipHop-Welt unabdinglich. Nachdem die Stars zu Superstars geworden sind, konnte wieder ein angenehmes Vakuum für Neues in Toronto entstehen. Diese Chance macht sich Jazz Cartier zunutze und prescht neun Monate nach seinem Debüt-Mixtape „Marauding in Paradise“ mit dem überraschenden Release „Hotel Paranoia“ in die Lücke. Mit auf den Weg in die Traumwelten des Hotels nimmt Jacuzzi seinen Joker und Produzenten Lantzder bereits für die cineastische Beat-Welt des Debüts verantwortlich war.

Mit großem Selbstbewusstsein betritt Jazz die Bühne des „Hotel Paranoia“-Albums und löst seine lebenslange Reservierung ein. Das 16 Tracks schwere Werk ist on point durchproduziert und Jazz‚ klare, Autotune-betonte Stimme jagt über die bassigen Beats. Man merkt schnell: Jazz will kommerziell werden. Auch wenn er das zuvor schon war, will er mit diesem Album endlich „Talk of the Town“ werden – was er mit Tracks wie „100 Roses“ (erinnert stark an Vic Mensas U Mad„) und „How We Do It“ (Achtung: Montell-Jordan-Sample!) fast zwanghaft zu forcieren scheint. Doch inhaltlich stehen die meisten Songs im inneren Kampf „eingängige Hook“ gegen „Inhaltslosigkeit“. Gerade die melancholischen Ausflüge wie „After the Club“ und „Tell Me (ft. River Tiber)“ sind textlich ernüchternd fade – obwohl ich sie kurioserweise im Gesamten als gute Tracks bezeichnen kann. Das scheint die Tragik des Albums zu sein, trotz des Dreamteams Jazz-Lantz, steht das Album im Vergleich zu „Marauding in Paradise“ musikalisch nicht auf eigenen Beinen.

Die kleinen Ausflüge in den R’n’B und deepere Lines wie „black and misguided, we fall asleep on them sirens“ stehen zwar als zitierbare Ohrwürmer im Raum, lassen sich aber kaum von den weiteren Songs unterscheiden. Die wirklichen Hits bleiben neben „Opera“ und „Tales/Psycho 93 Freestyle“ hinter älteren Songs wie „Wake Me Up When Its Over“ oder „Count On Me“ zurück. Die Ironie dabei ist, dass jeder Song für sich alle Zutaten zu einem guten Song besitzt.

Fazit: Leider zu wenig Neues. Kein Song sticht markant heraus, womit das Album zu einem Einheitsbrei wird. Aber zu einem beachtlich guten Einheitsbrei. Lantz brilliert wie gewohnt an den Beats, Jazz zeigt sich in Bestform – ein starkes Album, leider ohne sonderlich viel Mehrwert. Warum  nicht noch ein halbes Jahr warten und dafür mehr Ecken und Kanten rausholen? Manchmal helfen auch Features, um ein Album interessanter zu gestalten. Jazz Cartier hat sich den Platz als „Prince Of The City“ redlich verdient, aber wenn „Marauding in Paradise“ 4,5 Ananasse bekommt, erhält das „Hotel Paranoia“ eine weniger euphorische Service-Bewertung:

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3,5 von 5 Ananasse

Am 23. April bringt uns Canyoudigit den Rapper aus Toronto nach Wien. Das hätte ich mir nicht erträumt, als ich vor bald einem Jahr ein On To The Next One über Jazz Cartier geschrieben habe. Massive Shout-out!