Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
Im Rahmen ihrer „Black History Tour“ haben JuJu Rogers und Negroman am Valentinstag das ausverkaufte Wiener Werk bespielt – hier geht es zur Review. Direkt aus Nürnberg angereist, wo sie am Vortag aufgetreten sind, war die Zeit für ein Interview zwischen Soundcheck und Show knapp bemessen. Mit JuJu Rogers ist sich im Backstage dennoch ein ausführliches Gespräch ausgegangen.
Der sympathische Rapper hat im September 2019 sein neues Album „40 Acres N Sum Mula“ via Jakarta Records veröffentlicht. Die mit Jazz- und Trap-Einflüssen versehenen Tracks handeln etwa von seiner Identitätssuche, Spiritualität sowie das Zurechtkommen in einer kapitalistischen, ausbeuterischen Gesellschaft. Mit dem Wahlberliner sprechen wir etwa über seine Connections nach New Orleans, Jazz-Idole, seine Vision einer gerechteren Weltordnung und einen Workshop in Afrika.
The Message: Hast du Vorbilder, wenn es ums Verpacken politischer Botschaften in der Musik geht?
JuJu Rogers: Ich lasse mich immer inspirieren und habe viel von den Menschen gelernt, die das vorher gemacht haben. Aber mit Vorbildern ist es immer bisschen schwierig. Da rutscht man schnell in eine Nachahmer-Rolle hinein. Es sind teilweise 30 oder 40 Jahre vergangen und es hat sich vieles verändert. Aber ich nehme mir viel von den Leuten, die das vor mir gemacht haben – das geht von Mos Def bis zurück zu KRS One – und versuche die Message zu elevaten, wie Guru von Gang Starr gesagt hat.
Dein Vater stammt aus New Orleans, dank ihm bist du stark mit Jazz sozialisiert. Hat New Orleans bei deinen ersten Berührungen mit HipHop auch eine Rolle gespielt?
Absolut, ja. Ich komme aus einer kleinen Stadt in Franken (Schweinfurt, Anm.). In der Zeit, in der ich aufgewachsen bin, waren viele Amerikaner da und es gab immer eine vitale HipHop-Szene, die sehr up to date war. Als ich von Jazz in Richtung HipHop geswitcht bin, waren es Lil Wayne, Juvenile, Hot Boys und eigentlich alles von Cash Money Records und No Limit Records. Später, als die Musik bisschen bewusster wurde, Jay Electronica und diese Richtung. Aber Lil Wayne hat bis heute einen hohen Stellenwert.
New Orleans ist zugleich eine große Jazz-Metropole. Zu welchen Jazz-Musikern siehst du besonders auf?
New Orleans ist sogar Geburtsort des Jazz. Die signifikanteste Person, die in unserem Haushalt gespielt wurde, war Louis Armstrong. Ein Wahnsinns-Trompeter, der mich mein ganzes Leben begleitet. Ich habe bis heute ein Bild von ihm in meiner Wohnung hängen. Jetzt gerade auch Christian Scott. Er nennt es Stretch Music und hat New-Orleans-Jazz nochmal auf ein neues Level gehoben. Ich habe ihn in Berlin gesehen – Wahnsinns-Konzert! Er hat mich in den vergangenen Jahren begleitet und inspiriert.
Du hast mal erzählt, dass du sehr viele Cousins und Familie in New Orleans hast. Wie viel Zeit verbringst du dort und könntest du dir mal vorstellen, hinzuziehen?
Mein Vater hat 13 Geschwister, ich besuche immer wieder meine Familie und war erst im November dort. Aber gelebt habe ich dort nie. Ich stelle es mir auch ziemlich schwierig vor, weil die Gesellschaft noch rougher und haifischmäßiger als hier ist. Ich weiß nicht, ob du dort richtig Fuß fassen kannst, wenn du hier über 20 Jahre sozialisiert bist.
Ich habe gelesen, dass deine Mutter deutsch-österreichische Wurzeln hat. Was ist ihr Österreich-Bezug?
Wir sind gerade am Weg vorbeigefahren – mein Opa ist in Linz geboren. Ich habe es noch nie hingeschafft, das muss ich mal nachholen.
Du bist sehr musikalisch aufgewachsen. Was konnten dir deine Eltern für dein heutiges Schaffen vermitteln?
Im Nachhinein würde ich sagen, dass es einfach so eine Selbstverständlichkeit war, mit der in unserem Haus Musik konsumiert wurde. Musik war immer ein aktiver Teil des Tages. Es war vielleicht nicht ein bewusstes Erlebnis oder etwas Bestimmtes, das sie mir gesagt haben, sondern es war für mich immer klar, dass ich in irgendeiner Form Musik machen möchte und sie zu meinem Ausdrucksmittel wird. Dass es am Anfang die Trompete geworden ist, war eher zufällig.
Wie haben sie es aufgenommen, dass du dann in die Rap-Richtung gegangen bist?
Das war glaube ich okay. Es ist ja normal, dass die Kinder mit 13 oder 14 nicht unbedingt das gleich wie die Eltern hören. Am Anfang hat mein Vater wahrscheinlich mit einem Schmunzeln reagiert, wie es jetzt ist weiß ich gar nicht. Ich werde ihn mal fragen, weil es mich auch interessiert (lacht).
Es ist bemerkenswert, dass du trotzdem weiter Trompete gespielt hast.
Es war eine komische Phase – mit 14 gleichzeitig Trompete und gleichzeitig Rap. Da war Rap schon drei Level cooler. Ich habe das Üben oft schleifen gelassen und mir gedacht, dass ich aufhören mag. Shoutouts an meine Mutter! Die hat sich den Arsch aufgerissen, dass ich diesen Unterricht weiter nehme. Jetzt hat es sich ausgezahlt. Ich habe die Trompete erstmals auf Tour dabei, am Album habe ich sie selber eingespielt. Ich mag dieses Gefühl, dass noch so ein bisschen Luft nach oben ist und ich noch mehr lernen, mich weiterentwickeln kann. Am letzten Album hat es soundästhetisch voll gut gepasst, ein bisschen zu tröten. Live macht es auch Spaß. Wohin es sich entwickelt, wird sich zeigen. Es ist alles ein Bauchgefühl.
Hat deine Mutter auch einen musikalischen Background?
Gar nicht! Sie kommt aus einer klassischen Arbeiterfamilie. Deshalb bin ich noch viel dankbarer, dass es meinen Eltern so wichtig war, dass ich einen Zugang zu diesem klassischen Musikunterricht habe.
„Ich glaube, wir bewegen uns in eine richtige Richtung, haben aber noch viel zu tun“
Dein aktuelles Album ist politisch aufgeladen, du widmest dich deinen Wurzeln, der Identitätssuche und deiner Position in der Gesellschaft. Es ist ein leidiges Thema, dass die Präsenz schwarzer Persönlichkeiten in Mitteleuropa fast nur auf Sport und Musik beschränkt ist. Glaubst du, dass wir da noch eine signifikante Änderung erleben werden?
Ja! Das ist eine Antwort, die aus meinem Gefühl herausgeht. Wenn ich die Hoffnung nicht hätte, hätte ich keinen Antrieb und würde es schwierig finden, jeden Tag aufzustehen und an dem Ganzen teilzunehmen.
Was gibt dir die Hoffnung?
Das ist eine schwierige Frage, Bro. Ich habe das Gefühl, dass das Bewusstsein Stück für Stück steigt. Es sind Themen im Vordergrund, die es vor fünf oder zehn Jahren noch nicht so waren und ich glaube, dass sich immer mehr schwarze Menschen sich hier an den einzelnen Genres und Subgenres beteiligen und einen berechtigten Platz einnehmen. Zumindest ist es in Deutschland so, dass immer mehr Menschen in der Rapszene mit afrikanischem Hintergrund am Start sind und das representen. Die waren immer schon da, haben es aber nicht so repräsentiert. Es sind immer mehr kleine Dinge, es wird mehr thematisiert. Ich glaube, wir bewegen uns in eine richtige Richtung, haben aber noch viel zu tun.
Hast du den Eindruck, dass die junge Generation an mitteleuropäischen weißen Männern aus den Fehlern der Vorgängergenerationen gelernt hat, oder dass sich die Rassismen in den nächsten Jahrzehnten in ähnlicher Form reproduzieren?
Ich glaube sowohl als auch. Es ist nicht das erste Interview, das ich darüber führe – mit Menschen, die vielleicht nicht direkt davon betroffen sind. Auf der anderen Seite haben wir auch viele junge Menschen, die sich in ihren Privileg wälzen und sich gar nicht damit beschäftigen, weil sie nicht müssen. Ich fühle mich bisschen unwohl, das zu beurteilen, weil es gar nicht mein Aufgabenbereich ist. Ich kann nur mich weiterbilden, bei mir weiterlernen. Bevor ich anfange, andere zu be- und verurteilen, versuche ich so gut wie möglich mein Privileg zu nutzen, es vielleicht anzusprechen und zu thematisieren. Oft rutscht man – vielleicht aus Verletztheit – in eine Position, in der man sehr viel Energie aufwendet, um sich damit zu beschäftigen was andere Menschen machen. Diese Energie mag ich subjektiv mehr in mich investieren.
Das Wortspiel „40 Acres N Sum Mula“ im Titel deines aktuellen Albums soll ja auch die kapitalistische Haifischgesellschaft widerspiegeln, wie du sie bezeichnet hast. Hast du eine Idee oder eine Vision, wie eine gerechtere Weltordnung aussehen könnte?
Ich glaube, dass der Antrieb, aus allem Profit zu machen, total in die falsche Richtung geht und den Tod für ganz viele Menschen bedeutet – literally. Ich glaube, man muss Ökonomisches, Politik, Bildung, Medizin auf die Allgemeinheit ausrichten. Ich stelle mir ein gesellschaftliches System vor, das viel sozialer ist, mehr auf Community basiert ist und vielleicht noch demokratischer ist. Wir könnten drei Stunden darüber reden, es ist eine sehr schwierige Frage. Ich glaube man kann Dinge mehr auf Kommunen bringen – Menschen die beispielsweise in Berlin leben, haben zu Stadtverkehr eine andere Position als Menschen, die am Land leben. Es gibt tausende Möglichkeiten und Menschen, die mehr Expertise als ich haben. Was ich weiß ist, dass das System, in dem wir leben, tödlich für ganz viele Menschen ist und diese sind in der Regel im globalen Süden. Das ist überhaupt nicht nachhaltig. Es ist ja eine Sache von Logik – wenn ich den Betrag x an Gold und den Betrag y an Kobalt habe, ist er irgendwann leer. Man kann nicht wahllos weiterbuddeln, bis alles weg ist. Ich glaube, man muss sich ganz schnell eine Alternative suchen.
In Neuseeland hat die Regierung 2019 als erste der Welt ein sogenanntes Wellbeing Budget verabschiedet, in das ökologische Agenden, das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Bevölkerung einfließen sollen und das ökonomische Wachstum weniger stark im Vordergrund steht. Stimmen dich derartige politische Ankündigungen zuversichtlich?
Ich glaube, dass unsere Denkweise, wie wir hier sozialisiert sind, einen binären Beigeschmack hat. Wir können ganz viele Dinge auf einmal machen. Das heißt nicht, dass das eine die absolute Lösung sein muss. Wenn ein Staatsgebilde das Gewicht der sozialen Gerechtigkeit auch nur formal dem ökonomischen Erfolg angleicht, ist es prinzipiell mal etwas Gutes. Es ist natürlich nicht die eine Lösung und es müssen ganz viele Dinge passieren – am besten parallel. Wir leben derzeit auf jeden Fall in einem Wirtschaftssystem, das mit dieser Idee kollidieren würde. Aber schauen wir mal, was daraus wird.
Du hast gesagt, dass du vor deiner Albumproduktion viel Weltschmerz hattest. Ist Musik die beste Katharsis?
Für die Allgemeinheit weiß ich es nicht. Für mich zu tausend Prozent. Es ist mein Werkzeug, meine Meditation, meine Selbstreflexion und Therapie. Ich kann damit Dinge am besten verarbeiten. Es war schon immer so – ob es ganz am Anfang mit der Trompete war, oder Songs schreiben. Ich habe das Glück, mein Ventil gefunden zu haben.
„Mein täglicher Kampf ist zwischen Emotionalität und Rationalität“
Du hast vorhin auch vom Bauchgefühl geredet. Oft vermittelst du den Eindruck, dass du rational agieren möchtest, aber das Emotionale schnell Überhand gewinnt. Ist das eine richtige Einschätzung?
Ja, absolut. Ich glaube mein täglicher Kampf ist zwischen Emotionalität und Rationalität. Ich versuche, das in ein gutes und gesundes Verhältnis zu bringen, was mir sehr selten gelingt (lacht).
Du hast kürzlich Zeit in Afrika verbracht, warst an Workshops beteiligt. Magst du einen kleinen Einblick geben?
Ich war im Sudan Teilnehmer eines Workshops. Das war ein Fusion-Workshop mit traditionellen sudanesischen Musikern und zwei nicht-sudanesischen Musikern. Einer davon war ich, der zweite war Ambasa Mandela aus Kenia. In diesen zweieinhalb Wochen sollten wir einfach Musizieren und neue Sounds entwickeln. Aber eigentlich war es weniger ein Workshop. Ich konnte dort unglaublich viel lernen und habe das Gefühl, dass ich die Person bin, die auf dieser Reise am allermeisten mitnehmen durfte – über mich selber, Musik, Pentatonik, Kultur und Religion. Eine wunderschöne Zeit.
Hast du dort auch live gespielt?
Ja, am letzten Tag. Es war total geil. Das Konzert war abends, in der Nacht war der Rückflug. Ich bin sozusagen von der Bühne direkt ins Auto zum Flughafen. Es war eine übertrieben nice Kulisse, direkt am Nil. Wir haben dort die Songs performt, die wir im Workshop ausgearbeitet haben – und noch paar eigene Songs dazu. War Hammer!
Noch etwas ganz anderes: Du hast 2016 mit Eloquent und I.L.L. Will als Jazz Knuckles eine EP rausgebracht. Warum ist die nicht mehr online?
Das war eine ziemlich geile Underground-Rap-EP, Shoutouts an Eloquent von Sichtexot! Ein Homie von ihm hat sie produziert. Die hatten bisschen Stress, dann ist es geplatzt. So simpel ist es leider. Aber schön, dass du es sagst und mich erinnerst. Ich werde Elo direkt mal schreiben, dass er mir die wieder schicken soll. Ich bin großer Fan von ihm, es war mein erstes großes Projekt über mehrere Songs, das ich mit einem deutschen MC gemacht habe.
Du hast mal gesagt, dass du generell wenig Rap hörst. Hörst du sonst mehr Jazz?
Nicht unbedingt, aber generell mehr andere Dinge als Rap. Am meisten Roots-Reggae-Stuff, aber natürlich auch Jazz und alten Shit. Raptechnisch bin ich trotzdem bisschen aktuell mit am Start. Ich bin immer noch ein Rap-Nerd, der viel Ami-Rap und auch deutschen Stuff hört. Ich bin zumindest dabei, um immer eine Meinung zu haben.
Wie fällt die derzeit aus?
Ich weiß gar nicht, ob mir das zusteht, übers Ganze eine Meinung zu haben (lacht). Es passiert übertrieben viel, es ist sehr dynamisch, groß und stark. In Deutschland ist es gerade das dominante Ding. Das kann ich doch nur abfeiern, das ist eine ganz, ganz positive Entwicklung. Zumal man vor fünf, sechs Jahren gesagt hat, das Ding ist tot und so weiter.
„Ich würde meine Message gerne weiter raustragen“
Glaubst du, dass du immer in deiner Nische bleiben wirst?
Das habe ich nicht zu entscheiden und damit beschäftige ich mich nicht so. Ich versuche, so gut wie möglich Musik zu machen und mich als Mensch so weiterzuentwickeln, textlich, politisch und auf allen Ebenen besser zu werden. Ich kann nur die Maßnahmen ergreifen, die in meinem Spielraum liegen. Ich würde meine Message gerne weiter raustragen, keine Frage. Es hat lange gedauert, bis ich mir das eingestanden habe. Aber es liegt überhaupt nicht in meinem Ermessen. Natürlich gibt es Maßnahmen, mit denen ich es bisschen ankurbeln könnte, aber darauf hätte ich moralisch und ethisch keinen Bock.
Worauf bieziehst du dich? Den Sound, den Inhalt?
Sowohl als auch. Und Business-Moves. Die Außendarstellung, gut eingefädelte Features und so weiter. Es gibt tausend Möglichkeiten, die in einer Musikindustrie legitim sind. Ich habe nur ideologisch das Gefühl, dass ich mich nicht in diesem industriellen Ding sehe. Ich bin da natürlich auch drin und komme nicht raus, aber mein Anspruch ist nicht, ein erfolgreicher Rapper in der Musikindustrie zu werden. Ich will geile Texte schreiben, schön krasse Sounds und relevante Musik machen. Ich habe ja auch bei „Lost In Translation“ dieses Nina-Simone-Zitat reingebracht: ‚An artist’s duty, as far as I’m concerned, is to reflect the times‘. Ich sehe mich ein bisschen in dieser Tradition. Ich reflektiere in meiner Musik gerne über mich und über die Gesellschaft, von der ich Teil bin. Ich versuche so gut wie möglich diesen pädagogoischen Zeigefinger wegzulassen, weil ich auch ein Mensch bin, Fehler mache und lernen muss, um in diesem Rahmen so gut wie möglich zu wachsen, Bro.
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