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Die Romantisierung der Drohkultur // Katharsis Interview

Die Romantisierung der Drohkultur // Katharsis Interview

Bestehend aus Aggrolyricist DRK und „Beatgott“-on-the-Mic Digga Mindz, mag Katharsis ein ungleiches Rap-Duo sein. Aber auch eines, das auf Tracks bestens harmoniert. Das zeigt nicht zuletzt „Drohmantik“, das kürzlich erschienene zweite Katharsis-Album. Bei der Live-Premiere im Wiener B72 konnte DRK mit brachialer Stimmgewalt – und teils außerordentlichen Backupkünsten für Digga Mindz – glänzen. Schwamm drüber, die frische Ware vom Honigdachs-Obststand überzeugt. Unsere Frage, ob man sich ob bestimmter Lines Sorgen machen sollte, haben die beiden live geschickt mit „Dmt“ beantwortet. Bei anderen Fragen mussten sie etwas mehr nachdenken.

The Message: Wie kommt man auf einen Titel wie „Drohmantik“?
Digga: Du wolltest irgendwas mit Romantik, oder?

DRK: Wir haben lange herumgetan und uns mit dramatischer Romantik rangetastet. Digga hat gemeint, dass Drohmantik die Vereinheitlichung wäre. So würde ich allgemein mein Leben bezeichnen. Ich bin ein dramatischer Romantiker. Bei uns entsteht alles aus großer Liebe zu dem Ganzen, die vielleicht in Unmut mündet.

Digga: So würde ich es verstehen. Als Romantisierung der Drohkultur (lacht).

Die Auseinandersetzung mit niederen Rapgefilden ziehen sich durch eure Releases – „Wundaschen“, DRK & FOZ, die Katharsis-Alben. Habt ihr noch konkrete Gesichter im Kopf beim Schreiben?
Digga:
Es kommt auf die Perspektive an. Ich greife niemanden persönlich an und habe so gut wie nie ein Gesicht oder eine Person vor Augen. Du kannst auch Sport machen, ohne in einem Wettbewerb zu stehen. Es geht eher um die Sache an sich: Die Drohkultur. Es gibt keine Grenzen an Wortspielen, lustigen Zeilen oder Vergleichen. 

DRK: Ich gebe ihm absolut recht, wobei ich meine Aussage ad absurdum führe. Der Ansporn dafür, was ich sage, ist – so trivial es klingt – dass ich es besser machen will als andere. Ich bin so konzipiert, dass ich mich immer frage, was ich besser machen könnte. Wenn ich ältere Musik von mir wie „Voodoozoo“ anhöre, ist es berechtigt und dope, aber angefangen von der Präsenz der Stimme gibt es vieles, was mir auffällt.

Du hast zum ersten Album gesagt, dass Katharsis für dich den Spaß am Rappen zurückgebracht hat. Kannst du das noch unterschreiben?
DRK:
Spaß verändert sich mit der Zeit in seiner Bedeutung (lacht). Aber wenn ich nach einer Woche zum Digga gehe, die neue Charge an Beats höre und ein Großteil davon mich zum Punkt bringt, dass ich versuche, alles reinzulegen, macht es viel Spaß. Und er hat Wochen, in denen er 30 Beats raushaut, von denen du jeden benutzen könntest. Dass der Job als Rapper aus zehn anderen Dingen besteht, die du auch machen musst, um vielleicht die Präsenz zu bekommen, die dir zustehen würde, macht weniger Spaß. Es existiert natürlich ein Leben daneben und alles in Einklang zu bringen ist nicht so einfach. Rap erfüllt schon etwas in meiner Bedürfnispyramide – nicht auf einem basalen, sondern eher einem apikalen Level.

Emotionale Instabilität war letztes Mal ein Thema. Wie siehst du das heute?
DRK: Ich bin ein selbstkritischer Mensch, der alles zerdenkt und manchmal vielleicht mehr Spaß am Leben haben sollte (lacht). Das klingt so theatralisch und dramatisch. So ist es gar nicht. Ich habe lang beim Rappen keine persönlichen Schnittstellen verarbeitet oder Bezugspunkte geboten, sondern es auf wahnwitzigem Niveau betrieben. Wie kann ich noch einen besseren Reim auf das Wort schreiben? Was wäre das ärgste Substantiv?

Auf „Nur Worte“ vergleicht ihr die Macht der Worte mit der Power einer Kugel.
Digga: Du, du, du!

DRK: Genau, erstens: Du du du du du du! Es geht um die Bullet, aber auch darum, wie Worte benutzt werden. Es ist ein energetischer Zustand mit klar definierten physikalischen Werten. Der günstige Zustand von allem im Universum ist die Kugel. Deshalb sind Atome und Planeten im Universum rund. Wir bringen Wörter im für uns günstigsten Zustand und es endet damit, dass jemand erschossen wird (lacht). Die Bullet oder die anatomische Kugel, es ist wie man es sehen will. Im Endeffekt ist alles in unserem Universum Reibung und Energie. Angefangen von der Zungenbewegung. Da war der Umkehrschluss, das aberwitzig zu verbinden. Aber wir sind keine Physiker, sondern Kopfgeldjäger.

Ist Verantwortungsbewusstsein an die Zahl der Hörer*innen gekoppelt?
DRK: Ich glaube, dass du allgemein mit der Zeit in deiner Wortwahl selektiver wirst. Du überlegst dir die Worte immer öfter so, dass du das Gegenüber nicht beleidigst und respektvoll umgehst. Heute gelingt mir das eher, früher war ich eher emotional aufbrausend. Worte, die mal gefallen sind, können nicht mehr zurückgenommen werden. Es ist vielleicht die logische Herangehensweise, die Worte mit der Zeit klüger zu wählen.

Digga: Es ist auch eine Frage der Ästhetik. Oft passt „Fut“ nicht richtig rein.

Und eine Frage des Könnens? Schimpfen ist leicht, cool schimpfen eine Kunst, jemanden zu schimpfen, ohne ein Schimpfwort zu benutzen, eine hohe Kunst.
DRK: Sicher. Aber es ist glaube ich auch situationsabhängig davon, welche Ressourcen und Kompetenzen dein Gegenüber hat. Du wirst nicht die höchste Form der Rhetorik anwenden, wenn jemand schon zu deppat ist, dir in simplen Dingen zu folgen. Genauso passe ich meine Rhetorik an, wenn mein Gegenüber einen verbalen Schlagabtausch sucht.

Würdest du sagen, du schreibst anders als vor ein paar Jahren?
DRK: So und so, es kommt auf die Verfassung an. Ich versuche mittlerweile, es zu vereinfachen und nicht immer noch einen draufzusetzen. Ich kann aber aus meinem System nur schwer ausbrechen oder ich finde immer wieder zum selben Punkt zurück.

Immer wieder zurück, wie bei „Es wü kana hean“: Der Umgang mit dem Klimawandel, die Beratungsresistenz, in Diskussionen immer wieder bei null starten. Wie ist euer Umgang damit?
DRK:
Welchen Diskussionen möchte man sich aussetzen, was ist sinnvoll und was nicht? Bei Dingen, die durch tausende Studien bestätigt sind, Grundkonsens-Diskussionen zu führen, eher nicht. Der Seppi mit seinem Porsche, der beratungsresistent ist, ist nicht das große Ganze, das das Problem verursacht. Was bringt es, auf den Einzelnen hinzuhauen, wenn eine Verbürgerlichung von Problemen stattfindet, die ganz woanders angesetzt gehört?

Ist das Schicksal der Menschheit besiegelt?
Digga: Fix! Na, ich bin kein Wissenschaftler und habe keine Ahnung. Das weiß wahrscheinlich niemand, aber Leute, die sich intensiv damit beschäftigen, werden es glaube ich befürchten. Es gibt keine Erfahrungswerte. Keiner kann sagen: ‚Damals war das auch so und dann ist die Welt untergegangen.‘

DRK: Wenn du nach Horrorszenarien von Geophysikern gehst und Leute siehst, die mit der Drei-Grad-Lüge daherkommen: Sie werden sich gewaltig anschauen, es wird oag werden. Daraus, was uns als Fallstudie zur Verfügung steht, wo wir seit über 200 Jahren Wetterdaten haben und dank Eisbohrkernen über CO2-Verhältnisse der letzten 250.000 Jahre wissen, lässt sich eine ganz gute Statistik betreiben. Das mit den Zielen bis 2050 wird sich wohl nicht mehr ausgehen. Dann gibt es zu diesem Zeitpunkt um die 3 Milliarden Klimaflüchtlinge. Das wird der ganze tropische Breitengrad nicht mehr bewohnbar sein. 35, 40 Grad sind schon elendig, aber was ist, wenn du noch 100 Prozent Luftfeuchtigkeit hast? Der Organismus ist nicht dafür gemacht, du gehst drauf. Dazu kommen tausend andere Multiplikatoreffekte. Es kennt eh jeder die Szenarien, wie es in den nächsten Jahrzehnten vermutlich ablaufen wird.

Crunchtime. Digga, du sagst auf „So wenig Zeit“ in deinem Part: ‚Gestern war heit, morgen is heit, immer is heit‘. Wie kommt man auf sowas? Eine Erkenntnis, die mit dem Alter kommt?
Digga: Wahrscheinlich. Wenn wir einen Track machen, hauen wir oft ein Thema auf den Tisch und denken darüber nach. Bei „Zeit“ gab es nicht wirklich ein Konzept. Eigentlich ist es ein Vollidioten-Thema. Jeder macht einen Track über Zeit: Ka Zeit haben, auf a Zeit warten und so weiter. Wir wollten es anders machen.

DRK: Wie weit wir gehen können, um zu begreifen, was ist Zeit und warum entstehen solche Dinge? Wenn du dir darüber den Kopf zerbrichst, kannst du verrückt werden. Ohne Zeit keine Bewegung. Man hat mittlerweile Moscovium. Das wollte ich in meinem Part verarbeiten, habe es aber nicht geschafft. Es ist Sci-Fi-Scheiß. Sie haben vor paar Jahren in CERN ein Isotop für eine Milliardstelsekunde stabilisiert. Es war da, aber nur für einen ganz kurzen Moment. Es ist ein Element, das die Zeit beeinflusst. Mich haben solche Dinge länger beschäftigt. Auch Bob Lazar, der Typ, über den sich Leute streiten, ob er Ufos gebaut hat. Er hat behauptet, schon damals als Antrieb Moscovium benutzt zu haben. Ich habe mir immer gedacht: ‚What the fuck, woher weiß er das?‘ Ich habe dann in einer Vorlesung erfahren, dass ein russischer Wissenschaftler schon um 1900 die Formel aufgestellt hat, was im Periodensystem fehlt und was es theoretisch noch geben muss zur Berechnung, wie es verfällt.

Ein anderer Zugang ist es, gezielt Tempo rauszunehmen, sich in die Natur zu setzen und nicht auf die Zeit schauen – dann steht alles still.
Digga: Deshalb sag ich: ‚Zeit is Göd, aber Göd is ned Zeit.‘

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DRK: Das ist die beste Line des Tracks.

Digga: Ich glaube, die Leute rennen aus diesem Grund durchs Leben. Du kannst dir Zeit nicht kaufen. Jeder hat ein Zeitfenster und egal wie viel du besitzt, du wirst trotzdem sterben.

Ist dieses Bewusstsein das Wichtigste?
Digga: Ich persönlich versuche so zu leben. Im Track wollte ich es so sagen, wie es ist.

Drogen können das Zeitempfinden auch beeinflussen.
Digga: Kann passieren.

Da gibt es bei „Dolce Vita“ oage Lines. Drogen am Tortenboden, goldener Schuss. Muss man sich Sorgen machen?
DRK: Wir rappen da wirklich nur über Kekse (lacht).

Digga: Es war eher humoristisch als abfuckmäßig gemeint.

Im Gegensatz zu „Meine Leit“. Das hört sich alles sehr real erlebt an.
DRK:
Der Track ist das Pendant, weil jede lustige Story auch mal nicht lustig enden kann. Es ist etwas, das vieles im Freundeskreis zerstört und polizeiliche Probleme gebracht hat. Richtig tiafer, grindiger, provinzieller Scheißdreck.

Digga, bei dir ist es auch eine oage Geschichte über einen alten Freund von dir, der an einer Überdosis gestorben ist.
Digga:
Er war mein bester Freund in Kärnten. Er hat früh damit angefangen, harte Drogen zu nehmen. Er hat oft Heroin-Kokain-Mischungen genommen und schon ein schwaches Herz gehabt. Mit 21 Jahren ist er irgendwann random umgekippt und gestorben. John-Belushi-Style.

Warst du da schon in Wien?
Digga: Ich war schon in Wien, aber noch nicht lange. Er war auch in Wien, aber nicht lange.