Rapkreation ist ein kleines Mysterium des Deutschraps. Drei Jungs aus Kreuzberg, so viel steht fest. Alles darüber hinaus bleibt weitgehend geheim, will man doch noch nicht allzu viel von sich preisgeben. Zwei von ihnen rappen, der Dritte im Bunde scheint sie zu managen und zeitgleich auch ihr Executive Producer zu sein. 2017 erschien ihr erster Track auf Spotify, im selben Jahr folgte die „RK.EP.NR.01“, darauf ein Feature mit Big Pat. Big Pat, ebenso aus Berlin, Teil von BHZ. Die beiden Kollektive verbindet wohl mehr als nur eine gemeinsame Heimatstadt, nahezu seit Anbeginn ihrer Karrieren sympathisieren Rapkreation und BHZ miteinander in Form von Features jeglicher Art. Ihr Sound harmoniert, ähnelt er sich doch auch in gewisser Art und Weise.
Von den Straßen Berlins
Denn es ist der Straßenrap der neuen Generation, die Härte der Hood, die Melodie der Massen. Rapkreation ist Kreuzberg, am Späti abhängen, am Schlesischen Tor chillen. Ihre Songs sind Realitätsabgleiche, was im wahren Leben passiert, fließt auch in die Musik ein. Dadurch repräsentieren die Jungs eine neue Form von Realness im Deutschrap, sie zeigen, dass man auch hart in der Musik sein kann, ohne dem typischen Straßenrap-Klischee zu entsprechen. Verschönerungen finden in ihren Texten keinen Platz, genauso wenig aber auch Übertreibungen, gar Lügen. Ihre Songs sind der Soundtrack Kreuzbergs – aus Kreuzberg, für Kreuzberg.
„Ich hab‘ Dreck in meiner Fresse / Dreck an meiner Hand / Doch seitdem ich denken kann / Beschützt mich diese Gegend / Hab dir tausendmal gesagt, dass wir es eines Tages schaffen / Weil wir anders sind“.
Rapkreation auf „Tag Eins“
Keine Interviews mit Medien, so lautet derzeit die Devise. Viel eher lassen die Jungs ihre Musik für sich selbst sprechen. So ganz neu scheint Rapkreation im Business aber nicht zu sein, bereits Mitte der Zehnerjahre veröffentlichen sie ausschließlich analog eine EP, verkaufen Konzerte aus. Durch Spotify und Social Media erlangten die Jungs schließlich noch größere Aufmerksamkeit, zwei ihrer Songs knackten die Millionen-Marke auf Spotify.
Ende Dezember 2019 veröffentlichte Rapkreation schlussendlich ihr Debütalbum. „Obskur“ nennt sich dieses, der Sound von BHZ-Produzent MotB. Vier von sechs Kronen in der JUICE, bei Kritikern und Kennern gelten die Musiker als „eine Hoffnung des Undergrounds“. Was genau Rapkreation aktuell in diesem hohen Grat hervorstechen lässt, liegt irgendwie auf der Hand, lässt sich dennoch nur schwer in Worte fassen. Es ist ihr Lifestyle, der als Abgleich und Vorbild zugleich von Tausenden Kids fungiert. Es ist ihre Musik, die sie verkörpern, dessen Melodien sie leben.
Der Ehrlichkeitsfaktor
Wenn Tariq und Victor auf „Wach“ davon erzählen, dass sie verballert durch die Stadt fahren, dann klingt dies nicht nach der klassischen Glorifizierung von Drogen. Denn etwas Melancholie, etwas Wehmut und doch genügend Ehrlichkeit fließen stets in ihre Songs ein, lassen diese authentisch wirken. „Ich hab keine Zeit für paar Fragen, nein, die brauch ich für mich / Frag mich selber schon den ganzen Tag, was eigentlich aus mir wird / Heute bin ich down, morgen vielleicht nicht“, heißt es nämlich zugleich auf dem genannten Track.
Dass die Jungs im Rap-Kosmos zuhause sind, wird auch auf ihrem Track „Tag Eins“ eindeutig. 2008 veröffentlichte Peter Fox seinen Song „Schwarz zu blau“, darauf heißt es: „An der Ecke gibt es Stress zwischen Tarek und Sam / Tarek sagt ‚Halt’s Maul oder ich werd dir ins Gesicht schlagen‘ / Sam hat die Hosen voll, aber kann auch nicht nichts sagen / Die rote Suppe tropft auf den Asphalt / Mir wird schlecht, ich mach die Jacke zu denn es ist kalt“. Nun, zwölf Jahre später, rappt Tariq auf „Tag Eins“: „Schwarz zu blau, mir wird schlecht / Ich zieh die Jacke zu, denn es ist kalt / Weil Sam sein Maul nicht halten konnte, musste er bluten / Das ist jetzt zwölf Jahre her und ich wird langsam alt“. Eine Hommage an eines der erfolgreichsten Alben des Deutschraps, ein durchdachtes Wortspiel durch die Namensverwandtheit der Protagonisten, Berlin als Schauplatz der Geschehnisse.
Rapkreation bewegt sich am Puls der Zeit, prägt und präsentiert eine neue Generation, findet irgendwo zwischen Berlins Hipstertum und Kreuzbergs Realness statt. Durch ihren Sound, ihre spezielle Art, Momentaufnahmen zu erzählen, kristallisieren sich die Jungs definitiv als eine der spannendsten Künstler Berlins und unserer Zeit heraus.
Rapkreation wird als Headliner am 29. Mai auf der 23 Jahre The Message Magazine-Party spielen und die Wände in der Fluc Wanne zum Wackeln bringen. Mit dabei: DJane Cashmiri. Tickets gibt’s hier.
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