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Milchstraßenzauber von LGoony: „Intergalactica“ // Review

Milchstraßenzauber von LGoony: „Intergalactica“ // Review

(Airforce Luna/VÖ: 23.12.2016)
(Airforce Luna/VÖ: 23.12.2016)

Als LGoony im Dezember 2014 sein Debüt-Mixtape „Space Tape Vol. 1: Goonyverse“ kostenlos im Internet platzierte, ahnten die wenigsten, wo der Weg des jungen Kölners in den nächsten Jahren hinführen würde. Reagierte auch die Deutschrapmedienlandschaft zunächst noch äußerst zurückhaltend auf seinen musikalischen Output. Mit dem „Grape Tape“ änderte sich aber die Rezeption, im Jahr 2016 ist LGoony endgültig angekommen – und die GUDG-Klischeefalle mit unweigerlichen Assoziationen zu den eher talentfreieren Personalien der Money-Boy-Truppe ein Relikt vergangener Tage. Nur die besonders harten Verfechter eines antiquierten HipHop-Begriffes weigern sich, die Leistungen LGoonys anzuerkennen.

Alle anderen danken ihm – für die Rückkehr der Lockerheit im deutschen Rap, die er nicht nur mit einer gehörigen Prise Hedonismus, sondern auch mit einer großen Portion Science-Fiction einläutete. Für ungemein eingängige Hooks in einer Qualität, bei der nur Bonez MC mithalten kann. Und dafür, dass sich endlich einer an dem amerikanischen Mixtape-Game orientiert. Weswegen LGoony seine Projekte bislang kostenfrei veröffentlichte.

Diese Strategie änderte er auch für sein neues Werk „Intergalactica“ nur in Abstrichen, da das Mixtape diesmal auch käuflich erworben werden kann – allerdings ebenso gratis auf Bandcamp zum Download steht. Wobei der Begriff „Mixtape“ hier, wie beim „Grape Tape“, unpassend wirkt und in der Diskografie LGoonys einzig auf das Debüt zutrifft, dessen Beats überwiegend auf Soundcloud gediggt wurden. Schließlich enthält „Intergalactica“ nur Exklusivproduktionen, die auf einem äußerst hohen Niveau rangieren. DJ Heroin, GEE Futuristic & Nikki 3k, Prosp3ct oder No Tricks (der bereits auf dem Debüt vertreten war) fabrizierten einen dichten, sphärischen Sythnie-Sound, geprägt von analogen Einsprengsel, die manchmal Fernost-Elemente inkorporieren („Verlieren“) oder Piano-Sounds enthalten („Blutmond“).

Überwiegend verträumt-düstere musikalische Landschaften mit satten Drums also, die stellenweise ins Melancholische (wie auf der packenden Coming-Home-Hymne „Souvenirs“, gekonnt in Szene gesetzt von No Tricks) oder ins Aggressive („Für immer“ oder „Gary Cooper“) abdriften. Musikalisch wirkt „Intergalactica“ deutlich gereift, man möge sagen „erwachsen“. Die großen Qualitätsunterschiede in der Produktion, die im Debüt noch vorzufinden waren, sind beim dritten Werk Geschichte. Ein Reifungsprozess, der sich auch auf LGoonys Texte niederschlägt. „Intergalactica“ liefert weniger Geprotze, dafür aber einen durchzogenen Kontrast zwischen lyrischen Ausflügen ins Weltall und überraschenden „Down-to-Earth“-Nummern. Auf einigen Tracks, wie „Utopia“ oder „Blutmond“, bewegt sich LGoony zwar gefährlich nahe am Kitsch, überschreitet diese gefürchtete rote Linie aber nicht. Eine Fähigkeit, die für ihn als Rapper spricht.

Yeah, mein Swagger stupid fruity so wie Froot Loops/ Jeder Song hypnotisch, Alter, das ist Voodoo/ Meine Diamonds dick und fett, sie können Sumo/ Schwarzer Gürtel von Versace, ich kann Judo – LGoony, „Babylon“

Auch technisch zeigt LGoony auf „Intergalactica“ eine Weiterentwicklung, Zweifel an seinen handwerklichen Fähigkeiten widerlegt er mit Tracks wie „Babylon“. Nichts geändert hat sich aber am exzessiven Einsatz von Stimmeffekten, seit Anbeginn ein Kernelement von LGoonys Musik. Autotune ist auch auf „Intergalactica“ en vogue, ohne jedoch auf irgendeine Art zu stören. Ebenfalls als passend erweisen sich die Features: Ähnlich wie auf dem „Grape Tape“ hält LGoony auch diesmal nicht viel von ausgiebigen Feature-Orgien, weswegen lediglich Haiyti auf dem Ignoranz-Feuerwerk „Kanye West“ mit einem überaus passablen Part und Hellraiser, der sich bei „Gary Cooper“ die Ehre gibt, als Gäste in Erscheinung treten. Beiträge, die sich beide gut in die Grundstimmung des Albums integrieren. Als Gesamtwerk klingt „Intergalactica“ schließlich düster, aber nie depressiv. Stellenweise poppig, aber nie übertrieben kitschig. Vor allem aber klingt „Intergalactica“ nicht nur nach einem richtig guten Deutschrap-Album. „Intergalactica“ ist ein richtig gutes Deutschrap-Album.

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Fazit: Mit seinem dritten Album erfüllt LGoony bisher am stärksten seinen künstlerischen Anspruch. „Intergalactica“ weist Ecken und Kanten auf und besitzt deutlich sperrigere Elemente als seine Vorgänger, die aber von einer musikalischen Weiterentwicklung zeugen. Ein rundes Album mit der richtigen Anzahl an Tracks – und ein weiteres gewichtiges Argument für die These, dass an LGoony gegenwärtig kaum ein Weg vorbeiführt.

4 von 5 Ananas