Es ist vollbracht – der Platz am Kaminsims ist freigeräumt, die acht aus Holz geschnitzten The Message Awards 2021 sind vergeben. Es war uns eine große Freude, mit der zweiten Ausgabe der Awards wieder einige der talentiertesten Artists aus diversen Ecken unserer Musikwelt hervorzuheben. Wenngleich die Entscheidungsfindungen in allen Kategorien nicht einfach waren – von der Longlist über die Shortlist bis zu den Gewinner*innen. Es gehört leider nunmal zu Awards dazu, dass einige ebenso talentierte Artists durch die Finger schauen.
Um die Votings auf breitere Schultern zu stellen, haben wir heuer im Gegensatz zur ersten Ausgabe neben den Mitgliedern unserer Redaktion auch einige externe Jurymitglieder miteinbezogen. An dieser Stelle möchten wir uns herzlich bei Ana Ryue, DJ Hooray, Frederik Dörfler-Trummer, Splank & Sunny von WNMR und Trishes bedanken! Sie haben die diesjährigen Awards begleitet, viel Input gegeben und natürlich auch dank ihrer Expertise und den jeweils abgegebenen Stimmen zu den Entscheidungen beigetragen. Diese waren teils hauchdünn, sind mitunter erst nach langen Diskussionen und Stichwahlen erfolgt.
Future Sound des Jahres: adaolisa – Banana Island
Schon nach ihren ersten Single-Releases war klar, dass in Österreich künftig an der R’n’B-Front ein neues Talent die Runde machen wird. 2021 veröffentlichte adaolisa ihre erste EP “Banana Island”. Sie überzeugt darauf mit ausgereiftem Sound und ihrer sanften, unverwechselbaren Stimme. Angehaucht von den unterschiedlichsten Vorbildern der Black-Community, ist auf ihren Tracks eine Mischung aus R’n’B, HipHop, Pop, Afrofunk und Neo-Soul zu hören – eine Kombo, mit der man sich gerne zu jeglicher Tages- und Jahreszeiten berieseln lassen kann. Ein Release von internationalem Format und eine echte Bereicherung für die hiesige Musikwelt, die sich auch im Gewinn des „Future Sound“-Awards widerspiegelt.
Instrumentalalbum des Jahres: Restless Leg Syndrome – Totem
Als Zusammenfassung der ab Anfang 2021 verteilt erschienenen EPs „Venom“, „Falcon“, „Spirit“ und „Fool“ haben Restless Leg Syndrome vergangenen Sommer die Doppel-LP „Totem“ veröffentlicht – Chrisfader, Testa & d.b.h. sind dabei wieder einmal auf eine instrumentale Reise gegangen. Standen auf „Dabkeh“ libanesische Samples und Melodien im Vordergrund, erstrecken sich die neuen Tracks über die gesamte MENA-Region zwischen Nahost und Nordafrika. Gewohnt verpackt in eingängige und clubtauglich-tanzbare Beats mit Turntablism-Elementen und der ein oder anderen Überraschung.
Ein ambitioniertes Projekt, charakteristische Sounds und 20 Tracks mit hohem Suchtfaktor, die Restless Leg Syndrome am Ende einen hauchdünnen Vorsprung vor Brenk Sinatras „Boss Spieler University“ beschert haben.
Newcomerin des Jahres: Kitana
Längst kein unbekanntes Gesicht mehr in der hiesigen Rapszene ist Kitana. Rund zehn Jahre ist es her, dass die Wahlwienerin mit bosnisch-kärntnerischen Wurzeln erstmals etwas veröffentlicht hat. Was sie dann in der Newcomer-Kategorie verloren hat? Kitana startete vergangenes Jahr nach einer Pause neu und sorgte für viel frischen Wind. Neuer Name, neuer Rap-Charakter, neuer Sound, neue Strukturen – wir sind zum Schluss gekommen, dass Artists ein derartiger Neuanfang zugestanden werden sollte. Und dieser ist für Kitana, seit im Sommer ihre ersten Freestyles auf 90er-Beats erschienen sind, famos verlaufen. Egal ob deepe Zeilen oder Representer-Tracks auf modernerem Sound, in Sachen Flow, Textgefühl und Attitüde macht dem MOM I MADE IT-Neuzugang hierzulande kaum jemand was vor. Das zeigte sie zuletzt auch mit Singles wie „Block“ oder „Grau“.
Die Newcomer-Entscheidung war eine der kniffligsten und war mit langen Diskussionen innerhalb der Jury verbunden. Fünf unterschiedliche Ansätze, ein durchwegs hohes Niveau. So hat es etwa auch für Roko von der Tanke und den mit O.T. kreierten Tankensound ebenso gute Argumente gegeben. Am Ende bescherte eine Stichwahl mit einer Stimme unterschied Kitana den Award.
Rap-EP des Jahres: Dyin Ernst – Gilbert Jonas
Mit „Gilbert Jonas“ ließ JerMC 2021 sein Alter Ego Dyin Ernst auferstehen und lieferte eine stimmige EP. Wie schon der Vorgänger „Paul Verlaine“ bezieht sich auch diese EP auf eine Literaturvorlage. Zurückgehend auf eine Kurzgeschichte von Albert Camus rappt Dyin Ernst über verschiedene Seiten des Traumfilms, in dem er sich gefangen fühlt. Zwischen Euphorie und Selbstzweifeln entsteht eine EP, die auf allen vier Tracks überzeugt. Unterstützung erhielt Dyin Ernst von Melonoid, food for thought, DiskoJürgen und HARDY X, die die Songs mit detailreichen Sounds unterlegen.
Unter vielen gelungenen EPs aus dem vergangenen Jahr sticht „Gilbert Jonas“ mit einem besonders durchdachten und gut umgesetzten Gesamtkonzept heraus.
Producer des Jahres: Brenk Sinatra
Bosshafter Blick, bosshafter Sound. Brenk Sinatra ist ein Meister seines Handwerks, seine Beats über jeden Zweifel erhaben. 2021 war für den Wiener ein sehr produktives Jahr. Er hat nicht nur das Instrumentalalbum „Boss Spieler University“ veröffentlicht, sondern auch zwei Großprojekte ins Leben gerufen: Den Drum- und Samplekit-Shop Hi-Hat Hu$tle und das Label Wave Planet Records, bei dem Brenk Sinatra als Hausproduzent fungiert und Artists wie Donna Savage und Syc Tyson auf ein neues Level hievt.
Drei Projekte mit Hand und Fuß – und damit drei sehr gute Argumente für die Wahl des Producers des Jahres. Brenk setzte sich dabei vor food for thought und Nik Dean durch.
Act des Jahres: Eli Preiss
Bereits mit elf Jahren nahm Eli Preiss ihre ersten Songs auf, 2018 erreichte die Wienerin mit „I Want You To Know“ bereits erstmals größere Mengen. 2020 folgte dann der Wechsel von der englischen zur deutschen Sprache, auch die HipHop-Elemente in ihren Songs wurden zunehmend hörbarer. Entscheidungen, die zugleich eine Boosterwirkung auf die Karriere der jungen Sängerin hatten. Neben ihrem R’n’B-lastigen Tape „F.E.L.T.“ veröffentlichte sie im vergangenen Jahr unter anderem die stärker in Deutschrap-Gefilde vordringende EP „Wie ich bleib“.
Eli Preiss überzeugt mit ihrer eigenen, eingängigen und unbekümmerten Mischung, einer prägnanten Stimme und von Emotionen getragenen Texten. Sie scheint sich im abgelaufenen Jahr künstlerisch gefunden zu haben. Auch ihre enorme, übers Jahr konstante Präsenz hat am Ende zum Gewinn des Awards beigetragen.
Rap-Album des Jahres: Azman – Alles Wien
Nach Anfängen in Transdanubien und einer längeren Auszeit meldete sich Azman zurück. Mit dem Touch eines motivierten Newcomers legte er 2021 mit „Alles Wien“ ein Album hin, das Street ist, aber nach den ersten Tracks mit den Narrativen der gängigen Straßenrap-Releases bricht. Reflexionen, gereifte Sichtweisen und starke Erzählungen, die Bilder zeichnen, machen das Werk aus. Mit den Produktionen von Smokey Eyes scheint der Wahlfavoritner seinen Deckel gefunden zu haben. Die Beats und Melodien des Duos haben den Rapper zum Nachdenken angeregt und dazu beigetragen, dass er seinen Schreibstil im Rahmen der Zusammenarbeit auf ein neues Level hievte.
In der Wahl zum Rap-Album konnte sich Azman knapp durchsetzen – gegen vier Alben aus der Boombap- und Mundartecke, die ebenso für sich stehen. Die finale Abstimmung entwickelte sich zu einem Dreikampf zwischen Azman, Fate und Mo Cess & Chrisfader.
Message des Jahres: Def Ill & Fate – Chemtrailidylle
Bedenklich reicht nicht zur Beschreibung dessen, was seit Beginn der Pandemie in der Gesellschaft passiert. Es nimmt gefährliche Ausmaße an: Personen aus dem rechten Rand der Gesellschaft mobilisieren Tausende und schließen sich zusammen mit alternativen Milieus. Gemeinsam verbreiten sie wüste Falschmeldungen und Theorien. Auf den Demos sehen wir Identitäre, Alt- und Neonazis oder Holocaust-Verharmloser*innen. Wir sehen Menschen, die nach einem Miteinander schreien und dabei öffentlich Regenbogenfahnen zerreißen. In den Bewegungen der Corona-Leugner*innen und Verweigerer*innen bündeln sich sämtliche Verschwörungstheorien, gepaart mit Hass. Wenig überraschend sind es Def Ill & Fate, die genau das mit „Chemtrailidylle“ auf den Punkt bringen und einen Track schaffen, der die vergangenen Monate nicht besser einfangen könnte. Wirklich, ihr habt nicht die Welt durchschaut, ihr verbündet euch mit Rechten und fordert „Friede, Freiheit und keine Diktatur„.
Die Kategorie wurde zu einer Wahl der Themen: Umwelt- und Klimaschutz, die Aufarbeitung der familiären Fluchtgeschichte, der Umgang mit inneren Dämonen und Depressionen, die brachiale Antwort auf mangelnden Respekt für FLINTA*, oder das Sezieren verschwörungstheoretischer Denkweisen – alles inhaltsstarke Beiträge, die sich einen Award in der Message-Kategorie verdient hätten. Letztlich haben sich Def Ill & Fate durchgesetzt. Auch weil ihr Track ein Thema behandelt, das im vergangenen Jahr besonders präsent war. Sie sorgten für einen originell umgesetzten Track, der im Sichtwechsel verstrahltes Gedankengut offenbart.