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„Ich könnte zu viel Öffentlichkeit nicht standhalten“ // Monobrother Interview

„Ich könnte zu viel Öffentlichkeit nicht standhalten“ // Monobrother Interview

Es hat etwas Belustigendes, dass Monobrother am 25. Oktober die Releaseshow seines Albums „Mir geht’s um die Menschen“ in der Arena spielt. Auch wenn die Situation rund um die Wiener Kulturinstitution und ihre Neuanrainer-Lärmbeschwerden aktuell nur eine Randnotiz ist. Mit seinem vierten Album legt der Rapper seine Finger besonders tief in die Wunden eines österreichischen Mikrokosmos, der sich – nur bedingt entkoppelt vom restlichen Weltgeschehen – in Turbulenzen befindet. Umstände, die auch an Monobrother nicht spurlos vorbeigehen. Darüber kann das hohe Unterhaltungspotenzial seiner Texte nicht hinwegtäuschen. Ein Gespräch über schwere politische Themen, künstlerische Nuancen und persönliche Entwicklungen.

The Message: Du hast 2019 im Interview zum Vorgängeralbum „Solodarität“ gesagt, dass die Tracks ein neues gesellschaftliches Absurditätslevel widerspiegeln. Wie ordnest du das Absurditätslevel heute im Vergleich ein?
Monobrother:
Wir stehen fünf Minuten vor Volkskanzler Kickl. Die Pandemie hat ihr Übriges getan und sämtliche eh schon vorhandenen Wunden noch weiter aufgerissen. Das politische Personal in Österreich tingelt gerade irgendwo zwischen „Idiocracy“ und „Don’t Look Up“. Wenn „Idiocracy“ das Brutalere ist, dann eher dort.

Hilft Galgenhumor am meisten?
Mir schon. Ich weiß nicht, wie es anderen Leuten mit meiner Form von Galgenhumor geht, aber für mich ist es ein starkes Verarbeitungs-Werkzeug.

Ist die Solodarisierung der Gesellschaft das, was uns an den jetzigen Punkt gebracht hat? Dass es primär um die Ich-AG geht, der Kleingarten so bleibt und wenn der Zweig rüberwächst, schlägt man den Nachbarn tot. Wie bei der Metapher auf „Zicke Zacke“.
Es ist nicht nur eine Solodarisierung. Diese Walze ist ja nicht erst seit gestern im Gange. Durch die Pandemie wurde immerhin die soziale Frage wieder gestellt. Einerseits ist das gut, andererseits erleben wir gerade eine gewaltige Gegenoffensive von Rechtspopulisten, aber auch von Liberalen: Es reicht nicht mehr, den Besitzstand zu wahren, sondern jetzt müssen wir in die Offensive übergehen und alle, die der sogenannten Mehrheitsgesellschaft potenziell gefährlich werden können, liquidieren. Metaphorisch, aber teilweise auch politisch. Einig sind sich Liberalos und Rechtspopulisten bei den freien Märkten, beim Rückbau des Sozialstaats und dem Schikanieren von Arbeitslosen und Armen – bei den Rechten kommt natürlich noch der Rassismus dazu. Und mittlerweile sind ja schon alle, die nur nach ein bisschen Umverteilung rufen, weltfremde Träumer. Auch wenn ich glaube, dass Kickl jetzt nicht so ein Marktradikaler ist wie seine Vorgänger. Und wenn es dann gegen Linke geht, bildet man so eine reflexartige Zweckfreundschaft. Bestes Beispiel war die Wahl von Elke Kahr zur Grazer Bürgermeisterin. Das linksliberale Raunen war ja fast noch lauter als das der Rechtsextremen. Oh nein! Leningraz! Sie sperren die Gulags wieder auf!

„Die ÖVP ist nicht einmal mehr antidemokratisch, sondern eine hausgemachte sadistische Partei“

Dazu kommt: Wenn die Zeiten wirtschaftlich schlechter werden, schaut man noch mehr auf sich selbst.
Sie werden ja nicht von Zauberhand schlechter, sie werden durch Passivität und Nicht-Eingreifen in die Märkte schlechter gemacht. Leute werden empfindlicher gegenüber demokratischen Forderungen. Da droht Ungemach, wir werden bedroht! Jemand will Mitsprache bei allem, was bisher als Naturrecht empfunden wurde. Oder diese klassische-paranoide FPÖ-Erzählung: Von oben die Juden, von unten die Moslems, im Fernsehen der Kulturmarxismus und in der Stadt nur Gender. Und wer ist jetzt noch für uns Normale da? Wer beschützt uns?

Was ist noch echt und was fake? Verschwimmende Grenzen in der Wahrnehmung des anderen. Alle Fotos: Daniel Shaked

Auf „Zicke Zacke“ wirfst du mit „Du sprichst die Sprache der Täter“ einen ins Tiefste des Seins zurück. Was ist der Hintergrund?
Dieser Track steht für mich sinnbildlich für eben diesen Gegenangriff, für diese Gegenmobilisierung. Am Anfang der Pandemie waren sich alle halbwegs einig, verhielten sich solidarisch. „Hallo Herr Nachbar, darf ich Ihren Einkauf erledigen?“ Ein Jahr später bricht man ihm die Nase, weil er eine Maske aufhat. Der Kickl wollte in seiner Panik zuerst – wie immer – das gesamte Land vom Virus abriegeln, ein paar Monate später war er der große Freiheitskämpfer. Viele Leute, die dann auf der Straße waren, haben sich nur für ihre eigene, individuelle Freiheit stark gemacht. Den meisten war jedes bisher da gewesene Thema, für das man demonstrieren hätte können, doch scheißegal. Aber es gab natürlich auch genug Leute, die tatsächlich stark betroffen waren, ihre Hack’n verloren haben oder wo die Firma krachen gegangen ist. Da hat man sich auch gefragt: Wo ist eigentlich die Linke schon wieder hin verschwunden? Diese Nicht-Existenz hat ja auch einiges dazu beigetragen, warum die einzige „Kapitalismuskritik“, die auf solchen Demos geäußert wurde irgendwelche antisemitischen Verschwörungserzählungen waren, von Soros bis QAnon.

Du verarbeitest schwere Gesellschaftsthemen wie diese oft schwarzhumorig in deinen Tracks. Was ist die Triebfeder?
Es ist eine Form des Zurückscheißens. Das Zurückscheißen und auch diese Ausflüchte ins Humorfach haben für mich teilweise etwas Heilsames. „Nach der Panik“ und „Wurstplatte“ sind die persönlichen Klammern, dazwischen versuch ich mich satirisch am Wahnsinn abzuarbeiten. Der TV-Philosoph als sogenannte Stimme der Vernunft, der Urlaub im Kriegsgebiet, Internethass, Winterdepression, Kunst-Bubble, Kreisverkehr-Eröffnungen. Diese Themen könnte ich gar nicht ohne eine Schwarzhumorigkeit behandeln.

Wir haben einander drei Tage lang nicht gesehen – dazwischen gab es einen FPÖ-Politiker-Besuch bei der Taliban, das Nehammer-McDonalds-Video und die SORA-ORF-Causa. Übertrumpft die Wirklichkeit oft jede Parodie?
Wenn sie nicht so erdrückend wäre und Menschen nicht real in die Armut getrieben werden würden. Die ÖVP ist nicht einmal mehr antidemokratisch, sondern eine hausgemachte sadistische Partei. Wenn du Leute durch deine Passivität in die Armut treibst und so daher redest, bist du ein Sadist. Mich wundert nur diese Radikalität und diese Unverfrorenheit. Es wird nicht einmal mehr versucht, es PR-mäßig glattzubügeln. Im Gegenteil: Nehammer macht ein Insta-Reel, in dem er am Tag nach dem Shitstorm noch einmal nachfragt, ob sich eh schon alle sein Video angeschaut haben. Idiocracy.

Was wäre ein Ausweg aus dieser Scheißgasse? Wegrennen?
Wohin sollte man rennen, wenn Kickl Kanzler wird? Nach Budapest? Rauf ins AfD-Land oder runter nach Italien zur Postfaschistin? Dieser totale oder totalitäre Neoliberalismus hat viele Leute ja erst in die Fänge der Autoritären getrieben, weil es weit und breit keinen solidarischen Gegenentwurf zu dieser Vereinsamung und zu dieser dauernden Frotzelei gibt und der falsche „Wir“-Begriff der Rechten stark zieht. Und jetzt bieten sich die Liberalen, die die unteren Klassen jahrzehntelang bespuckt haben, als Bewahrer der offenen Gesellschaft an. Aber offenbar sind gerade wieder die Autoritären dran. Dieses Ping-Pong-Spiel macht alles von Jahr zu Jahr noch drastischer und schärfer.

Weil die Leute immer mehr abstumpfen?
Die Versprechen des Kapitalismus sind zerbröselt. Demokratie wurde komplett ausgehöhlt. „Politik“ wird mittlerweile nur mehr als Herrschaft der Politiker*innen und ihrer Freunde aus der Wirtschaft begriffen und das Gefühl von Ohnmacht und „es ändert sich eh nix“ ist für diese Kaste natürlich optimal, um weiterzuarbeiten. Ich glaube oder hoffe trotzdem, dass Leute wie Andi Babler, Elke Kahr oder Kay Michael Dankl es schaffen werden, von der Bevölkerung als wirkliche Interessensvertreter wahrgenommen zu werden, auch wenn in der Zwischenzeit noch ziemlich viel Scheiße passieren wird.

Wie schwer ist es manchmal, nicht selbst dem Wahnsinn zu verfallen?
Ich will jetzt nicht schon wieder von der Pandemie schwafeln, aber der Wahnsinn war für mich halt real. Ich war wie im Leerlauf mit durchgetretenem Gaspedal. Diese plötzliche Zurückgeworfenheit und Vereinzelung hat mir zache depressive Episoden beschert. Es war echt so „Täglich grüßt das Murmeltier“-mäßig. Arbeit, heim, Pressekonferenz, Arbeit, heim, Pressekonferenz. Mir hat es arg zugesetzt, als das öffentliche Leben weggefallen ist. Davor hat‘s mir nie was ausgemacht, allein zu sein, mir war nie fad und ich war auch nie einsam, wenn ich nicht dauernd von Leuten umgeben war. Als man sichs nicht mehr aussuchen konnte, habe ich gemerkt, dass das nicht stimmt.

„Die meiste Zeit tu ich so, als würd’s meine Kunstfigur gar nicht geben“

In welchen Dosen brauchst du das? Es kann ein reflexartiger Wunsch sein, wenn man diesen ganzen Wahnsinn sieht, in die Einsamkeit zu flüchten. Wie Thomas Bernhard, der auf einen Vierkanthof in Oberösterreich gezogen ist, damit ihm keiner mehr am Oasch geht. Gleichzeitig brauchst du die Zivilisation, die Großstadt, um Futter für die Arbeit zu haben. Wie gehst du damit um?
Auf „Unguru“ und „Solodarität“ waren es mehr alltägliche Beobachtungen, das jetzige Album ist bis auf wenige Ausnahmen durchs Internet entstanden. Gefühlt hab ich auch viele Kontakte verloren oder einfach nicht gut genug gepflegt. Ich wusste dann nicht, ob das an der Pandemie liegt, daran, dass Leute Kinder bekommen haben oder ob sich mit Mitte, Ende 30 die Prioritäten verschieben. Es war so ein Mischmasch. Der Radius war halt so lange eingeschränkt. Alles hat sich in so einem mikroskopischen Spektrum abgespielt. Du hockst daheim auf der Couch und schaust nicht mal mehr Netflix, das war mir schon zu viel „große weite Welt“, sondern Sachen wie „Fit mit Philipp“ in der ORF-TV-Thek. Wenn es etwas Gutes an dieser Kleinteiligkeit gegeben hat, dann, dass im Stuwerviertel so ein Soziotop entstanden ist, wo man plötzlich gut befreundet mit sämtlichen Nachbar*innen war. Als wieder alles offen war, hab‘ ich teilweise dreimal nachgedacht, ob es sich auszahlt, jetzt vom 2. in den 15. Bezirk zu fahren. Plötzlich war jeder Schritt aus der Wohnung eine halbe Weltreise.

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Themenwechsel: Du wirst in Artikeln und Reviews mit Namen wie Hader, Jelinek, Deix oder Karl Kraus verglichen. Es prasselt viel Lob auf dich ein. Überspitzt gesagt: Wenn einen das Feuilleton aufs Podest stellt und man drauf und dran ist, Everybody’s Darling zu werden, wäre das nicht der richtige Zeitpunkt, um aufzuhören?
Naja, man muss diese Zuschreibungen in einem Kontext sehen. Die zwei, drei Journalisten, die das schreiben, gehören wahrscheinlich zur kleinen, überschaubaren Fanbase. Vielleicht ist es ein klassischer Schutzreflex, solche Vergleiche nicht allzu ernst zu nehmen. Womit ich mir aber wirklich schwer tu ist es, mir selbst ein bissl was zu gönnen, mich mal zurückzulehnen und zu denken: „Ja, cooles Album.“ Nur kein Lob, nur kein Genuss. Ich glaub, die meiste Zeit tu ich so, als würd‘s meine Kunstfigur nicht geben. Es hat schon fast was Neurotisches, weil ich Angst habe, dass mich alles nur durcheinanderwirbelt. Aber Everybody‘s Darling? Ich weiß nicht. Ich spiele in Wien, wenn alles gut geht, einmal die Arena voll. In Salzburg muss ich dann schon auf Knien zu den Veranstaltern rutschen, damit sie mich gnadenhalber mal unter der Woche irgendwo reinbuchen, aber sie haben eh recht, weil außerhalb von Wien, bisschen Linz und vielleicht noch ein bisschen Graz existier‘ ich nicht. Das ist eine komische Dissonanz, die ich über die Jahre aber ganz gut einzuordnen gelernt habe.

Ist es vielleicht sogar gut für deine künstlerische Position, im Underdog-Modus zu bleiben, weil du dadurch viel freier bist?
Bisschen Öffentlichkeit ist eh ok, weil du willst ja, dass Leute zu deinen Gigs kommen oder die Musik hören. Ich weiß aber fix, dass ich zu viel Öffentlichkeit nicht standhalten könnte, ich wär zu schwach für die Öffentlichkeit. Ich würd wohl instant ein gröberes Alkoholproblem aufreißen. Ich will gar nicht wissen, wie es so Superstars geht. Vor allem in Österreich stell ich mir das hart vor, weil alles so klein ist und jeder jeden kennt. Ich glaub, es ruiniert einen psychisch, körperlich und kreativ.

Wie intensiv hast du dich im Zuge der Nummer „André Heller Battle Rap“ mit Heller auseinandergesetzt?
Heller begleitet mich seit meiner Kindheit. Bei uns ist extrem viel gesungen worden, die „Heurige und gestrige Lieder“ von Qualtinger und Heller waren fast familiäres Heiligtum. Ich habe ihn immer nur musikalisch betrachtet, weil mich diese Kunstwelt und die Sphären, in denen er sich sonst aufhält, nie interessiert haben. Ich habe viele Interviews geschaut und mir durchgelesen, was er sagt. Heller war speziell politisch immer ein ganz okayer Typ, wenn ich an SOS-Mitmensch denke oder an seinen Zwist mit dem Kreisky. Ganz heruntergebrochen bin ich vielleicht ganz heimlich immer so ein bisschen beeindruckt von Hellers Art gewesen, so eine Mischung aus getriggert und beeindruckt. Der Track heißt „André Heller Battle Rap“, weil er mit seinem ganzen Habitus für mich der Prototyp eines Battlerappers ist.

Heller hat sich ja viele „Freunde“ gemacht. Klare Abgrenzung zur Elterngeneration, bewusst links und offen in einem Nachkriegsösterreich waren Standpunkte, mit denen er angeeckt ist. Sie haben versucht, ihn mit Kritik zu erschlagen. Als er den Durchbruch geschafft hat, sind die Schulterklopfer gekommen. Man sieht den Mechanismus bei vielen, wie Ambros, Heller, Jelinek, Hader, oder Bernhard. Am Anfang waren sie Nestbeschmutzer, jetzt spielen sie Bernhard im Burgtheater und wahrscheinlich in fast jedem Kaff mit Bühne. Der würde sich wahrscheinlich im Grab umdrehen.
Bernhard würde wohl literarisch nicht mehr gegen den Schwachsinn ankommen, der ihm übergestülpt wird. Dem Heller muss man zugutehalten, dass er sich immer abgegrenzt hat, vor allem gegen diese weirde Austropop-Vereinnahmung. Es ist bisschen ein Recherchefehler auf der Nummer, wenn ich sage: „Ich hab‘ so viel Freind“. Weil in Wahrheit ist er wohl eher Einzelgänger, so ein gespaltener Oppositioneller. Einerseits hatte er diese Aufdringlichkeit, diesen starken Wunsch, geliebt zu werden. Andererseits ließ er keine Möglichkeit aus, öffentlich anzuecken und hatte dabei meistens eine sehr fundierte Kritik. Dadurch hat es nie so gewirkt, als wäre sein Inszenierungsdrang bloßes Gehabe.

Zum Abschluss: Ist Rap für dich als Kunstform einzementiert? Oder kannst du dir vorstellen, deinen schwarzen Humor, die Bilder und Pointen mal in einer anderen Form darzubieten?
Ich hab da keine Ambitionen, bin aber schon ein, zwei Mal gefragt worden. Mittlerweile denke ich mir: Warum nicht? Aber eigentlich fühl ich mich mit der Musik ganz wohl. Ich hab mir zumindest noch nie über einen langen Zeitraum gedacht, dass ich an irgendeinem Zenit angekommen bin. Also sicher denk ich mir das direkt nach einem Release immer kurz, aber dann kommt meistens eine große Leere und dann muss ich mich auch immer eine Zeit lang von dem ganzen Musikdings verabschieden.