früher Deschek vom Message, heute Wödscheim-Co-Host. Und heast, i wü…
Berlin mag nicht London sein, hat aber ebenso eine nicht zu unterschätzende Jazzszene. Ein fixer Bestandteil davon ist das Moses Yoofee Trio. Erst vor wenigen Jahren gegründet, spielen Namensgeber Moses Yoofee Vester (Keys, Produktion), Noah Fürbringer (Drums) und Roman Klobe (Bass) derzeit die erste größere Europa-Tour. Als zweites Release nach der 2023 veröffentlichten „Ocean“-EP ist kürzlich das Debütalbum „MYT“ erschienen. Vor der Show in Wien, der ersten der laufenden Tour, haben wir das Moses Yoofee Trio im Flucc getroffen – ein Gespräch über Band-Geburtshelfer, die breite Palette an beeinflussenden Vorreitern, den Umgang mit der Genrezuschreibung und Sweet Spots in der Studioarbeit.

The Message: Ihr habt euch 2020 zusammengefunden. Einfach um zu dritt zu jammen oder schon mit Bandgründung im Hinterkopf?
Roman: Es gab keine Intention. Noah ist nach Berlin gezogen, dann haben wir uns über ein paar Monate einmal pro Woche zum Zocken getroffen. Irgendwann haben wir die erste Show gespielt – vor 160 Leuten.
Wie lange war die Vorlaufzeit bis zur ersten Show?
Noah: Über ein Jahr – auch weil nichts ging.
Moses: Wir wollten zuerst für uns spielen. Es hat ja viel Spaß gemacht.
Noah: Es war ein perfektes Beispiel dafür, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein. Es klingt dumm, aber so war es. Coronazeit, ich bin öfters nach Berlin, ziehe hin, wir treffen uns. Es hat alles gepasst.
War die Pandemiezeit ein Geburtshelfer fürs Bandprojekt?
Roman: Ganz bestimmt.
Moses: In dieser Zeit habe ich am meisten Musik gemacht und geschrieben. Da habe ich noch mehr gekifft, bin zuhause gehangen und habe Beats gemacht.
Ist der ökonomische Hintergrund ein Faktor? Manchmal muss man spannende Sachen liegen lassen, weil andere eher das benötigte Geld bringen.
Roman: Genau, aber das gab es in dieser Zeit nicht. Als 2022 wieder alles offen war, hatten Moses und ich einen Riesengig mit Peter Fox. Da haben wir es gedribbelt, dass wir nebenbei das Trio machen. Noah hat Riesenproduktionen mit Teddy (Teddy Teclebrhan, Anm.) und Casper. Wäre das schon gewesen, als wir uns zusammengefunden haben, wären wir jetzt nicht zu dritt hier.
„Beim aktuellen Momentum ist der Name ein bisschen doof“
Habt ihr den Bandnamen bei der ersten Liveshow als Entwurf gehabt und dann beibehalten? Oder gab es noch Überlegungen, ihn zu ändern?
Roman: Die gibt es immer noch (lacht). Aber es ist wie du sagst. Am Anfang war es ein bisschen egal. Moses hat voll viele Ideen eingebracht, dann haben wir uns einfach so genannt. Wir sind auch nicht so kreativ.
Moses: Beim aktuellen Momentum ist der Name ein bisschen doof, weil er die Equality von uns Dreien nicht darstellt und es oft voll auf mich bezogen wird. Uns ist wichtig, klarzustellen, dass wir alles zusammen machen. Es gibt keinen Bandleader, wir sind gleichberechtigt. Wir könnten genauso Roman Klobe Trio oder Noah Fürbringer Trio heißen.
Roman: Wir waren am Anfang super lesh mit allem, haben einen Pressetext gebraucht und irgendwas geschrieben. Jetzt merken wir, wenn man diesen ersten Text als Pressemensch liest, dann sind solche Fragen klar – dazu der Name. Wir versuchen es jetzt anders nach außen zu kommunizieren.
Wie kommt bei euch der Sound zusammen? Jeder von euch kommt ein bisschen aus einer anderen musikalischen Ecke, kann teilweise mit den Bezugspunkten des anderen wenig anfangen. Was zum Beispiel?
Roman: Moses hasst zum Beispiel Metal.
Moses: Das sagst du immer, reden wir mal über dich.
Roman: Nein, wir haben übelst viele Gemeinsamkeiten. Ich höre auch Metal, Noah hat es auch viel gehört.
Noah: Wir haben einen krassen Konsens. Jazzstudium, man geht durch gewisse Phasen. Ich habe durch meine Eltern mit Jazz angefangen, dann als Teenie Rock und Metal gehört – in der Schule mit Rausfliegen und Lehrern die anrufen, weil ich mit 12 Jahren Slipknot gehört habe. Irgendwann habe ich zurückgefunden. Wir inspirieren uns gegenseitig. Ich habe davor nicht gecheckt, was Broken Beats sind. Es war für mich spannend, das zu hören und real am Set auszuchecken, weil es ja viel produzierte Musik ist. Wie kann man es am Schlagzeug umsetzen, dass es in diese Richtung geht?

Roman: Ich hatte mit der ganzen Musikwelt, in der Moses als DJ und Produzent drin war, nichts am Hut – Broken Beat und Bassmusik. Dubstep schon eher. Ich bin am Land aufgewachsen und da war das angesagt, als ich Teenager war. Was mir Moses gezeigt hat, war auch Dubstep, aber ganz anders als das, was ich kannte. Genauso bei Broken Beat. Ich hatte eine Phase, in der ich viel Kaidi Tatham gehört habe. Ihn kannte ich davor auch nicht. Er hat einen starken Einfluss auf die Mucke, die wir machen.
Gibt es einen anderen gemeinsamen Nenner, abseits von Kaidi Tatham?
Roman: Robert Glasper.
Moses: Wahrscheinlich alles, was Modern Jazz aus England und Amerika ist. Von Robert Glasper auch viel von früher – beim Robert Glasper Trio waren krass produzierte Sachen dabei. Auch die späteren Collabs wie „Black Radio“. Wir sind große Fans von ihm und seiner Bubble. Wir hören auch RnB-Sängerinnen wie H.E.R., mit der er zusammenarbeitet. Es ist eine ganze Generation von Jazz-Musicianship. Das Gleiche mit Christian Scott.
Die Jazz-HipHop-Fusion.
Roman: Für mich ist das eher die Konsequenz. Jazz ist irgendwo ein Außenbegriff. Wenn du Jazzmusiker fragst, haben glaube ich die allermeisten Probleme damit, zu sagen, sie machen einfach Jazz.
Wie ist das bei euch?
Moses: Wir sagen es einfach, weil wir müde vom Beschreiben sind. Es ist easy.
Roman: Oder Instrumentalmusik. Ich finde, dass Robert Glasper die Konsequenz von Herbie Hancock ist – und Herbie Hancock ist selbst eine Konsequenz.
Filterst du dir die Basslines raus?
Roman: Ich versuche zum Beispiel viel von Derrick Hodge oder Burniss Travis mitzuspielen. Die Bassisten, mit denen Robert Glasper zusammenarbeitet, sind automatisch meine Lieblingsbassisten.
Moses: Für mich ist die englische Jazzszene ein großes Thema. Mansur Brown und die ganze Generation mit Kamaal Williams, Alfa Mist, Nubya Garcia und Ezra Collective.
Roman: Das habe ich nicht so viel gehört. Aber es ist ein gemeinsamer Nenner.
Noah: Da wollen wir irgendwo reintappen. Nicht so krass, dass wir Part von dem Movement sein müssen, aber ich glaube wir haben eine ähnliche Zielgruppe in England.
Roman: Diese Artists haben ein bisschen den Weg für Europäer geebnet, Mucke zu machen, die auch in den USA ankommt.
Ist es nicht so, dass auch Leute wie Robert Glasper viel nach UK rüberschauen? Wenn man sich anschaut, was Yussef Dayes macht.
Moses: Wie bei fast allen Trends würde ich sagen, dass es aus Amerika kommt. Am Anfang des Tages. Natürlich haben Leute in England ihr Ding daraus gemacht. Simpler und noch mehr mit Clubsachen gemixt – und deshalb zieht es auch mehr junges Publikum an. Ich denke, dass es bei der Zielgruppe von Robert Glasper einen Altersunterschied gibt und dass er noch viel mehr Black Community erreicht.
Roman: Gibt es Collaborations?
Moses: Yussef Dayes und Mos Def haben mal was gemacht. Aber jazzmäßig gibt es nicht so viele. Mansur Brown bleibt, wo er ist. In England.
Es gibt britische Bassplayer wie Pino Palladino, der in den 90ern in die USA gegangen ist. Er hat auf „Voodoo“ von D’Angelo, für Erykah Badu und Co Bass gespielt.
Roman: Aber er kam nicht aus der Szene in UK, sondern er ist früh rübergegangen, die Leute aus der aktuellen britischen Jazzszene sind ja weiterhin in England. Das ist der Unterschied.
Moses: Umgekehrt ist Elijah Fox US-Amerikaner, der mit Yussef Dayes spielt. Er macht viel mit Kiefer, da gibt es einen Schnittpunkt. Ich glaube, es ist gut, dass es ein bisschen getrennt ist. Drill ist glaube ich das Einzige, was wirklich aus England hervorgekommen ist.
Roman: Nicht mal das. Es ist aus Chicago.
Moses: Aber es war in Amerika nicht so big. Aber ja, gefühlt ist alles irgendwie aus Detroit und Chicago – House, Techno und so weiter.

Grime und Dubstep vielleicht eher. Aber wenn du Detroit erwähnst: Habt ihr viel J Dilla, Motown, DJ Assault und anderes aus der Ecke gepumpt?
Noah: J Dilla war für mich essenziell. Oft haben ja Produzenten versucht, zu reproduzieren, was Musiker spielen. Bei ihm war es andersrum. Auf einmal haben alle probiert, so zu spielen wie der Produzent. Ich kam durch Robert Glasper und Chris Dave zu J Dilla. Ich habe viel dazu gespielt.
Moses: Ich auch, was lustig ist. Ich habe Sachen wie Snarky Puppy gehört und erst danach meine History gemacht und J Dilla ausgecheckt – mit den Grooves, die nach ihm klingen. Ich hatte den Drang, dass ich es mir mal reinziehen muss. Wir reden manchmal darüber, wie wichtig es ist, die alten Leute auszuchecken. Du kannst sie respektieren und anerkennen, dass sie da waren. Herbie Hancock, Chick Corea und so weiter. Aber wenn du mit Gerald Clayton, Kaidi Tatham und neuen Produzenten aufwächst, musst du nicht unbedingt zu den alten zurückgehen, um zu lernen.
Noah: Ich finde es für mich selbst immer interessant, die Wurzeln zu verstehen. Ich glaube das verändert auch das Spielen.
Das ist auch im HipHop passiert. Durch ein Sample kommen Leute auf Soul-Artists. Ihr habt einen Track mit Enny, der eigentlich „Tony“ heißen hätte sollen – nach Tony Allen. Er war zu seiner Zeit, aber auch für Ezra Collective und Co ein maßgeblicher Einfluss, wenn es um Grooves und Rhythmen geht.
Moses: Das meine ich. Du hörst die Rhythmen bei Ezra Collective und findest sie geil.
Aber der Gedanke, dass Musik über Generationen springen kann, macht vielleicht noch ein Fenster auf.
Roman: Ich finde es super relevant, zu checken, wo etwas herkommt. Wenn ich etwas gehört habe von jemandem, der es vor Jahrzehnten schon mal gespielt hat, bekommt man ein Gefühl dafür und kann es mehr in den Kontext setzen. Das Bild ist dann ein bisschen größer.
Moses: Eh, natürlich kannst du dich hinsetzen und Geschichte auschecken, genauso wie du dich politisch weiterbilden kannst. Wenn du das möchtest und der Typ dafür bist. Aber ich würde es niemandem übel nehmen, Fan von Snarky Puppy zu sein, ohne zu wissen, wer Weather Report ist. Aus eigener Erfahrung (lacht). Es ist weird, aber es ist eine ganz andere Generation. Ich habe meinen Eltern mal Snarky Puppy gezeigt, die haben mir gesagt: ‚Die haben Weather Report gehört‘. Ich kannte Weather Report damals nicht.
Roman: Man lernt immer dazu und muss am Ende das machen, was man geil findet.
Wie schwierig ist das, wenn man so viel Einfluss von überall hat?
Moses: Wenn es so viel wie heutzutage gibt, finde ich es okay, nur nach vorne zu schauen. Jetzt gerade gibt es so viele Leute, die Beats machen. Warum angucken, wie J Dilla Beats gemacht hat, wenn es so viele Tausend Leute gibt, die gerade Beats machen? Okay, Hot Take, ist schon wichtig.
„Man muss den Sweet Spot finden, damit es spontan und kreativ bleibt“
Kennt ihr die Sachen, die JSBL hier 2008 in Wien gemacht haben? Mit Cid Rim, Dorian Concept und Clonius?
Roman: Nee, keine Ahnung.
Noah: Dorian Concept kenne ich, aber JSBL sagt mir nichts.
Egal. Es war eine EP, die damals schon ein bisschen in die Richtung gegangen ist, für die die Szene in UK steht, auch in Deutschland mit Silvan Strauss – und ihr seid nicht so weit weg davon.
Roman: Aus Österreich gibt es eh immer voll interessante Sachen, gefühlt mehr als aus Deutschland. Auch bei Indiebands.
Kommen wir nochmal zum Sound: Bei „Ocean“ habt ihr gesagt, dass es aus dem Jammen heraus entstanden ist und sich vieles automatisch entwickelt hat. Wie seid ihr beim Album rangegangen? Bewusst anders?
Noah: Auf der neuen Platte ist mehr geplant und es ist auf eine Art erwachsener. Es gibt Stellen, die im Studio im Moment entstanden sind. Aber weniger als auf der „Ocean“-EP. Wir sind mit Demos ins Studio gegangen, waren zehn Tage dort.
Wie baut man es live um?
Moses: Irgendwann fixen wir Sachen. Die neue Platte ist vom Outcome erwachsener, aber nicht vom Prozess her. Da sind wir noch ein bisschen am Austesten. Gerade ist es viel zwischen Schreiben und Ausjammen. Wenn wir das nächste Mal was schreiben, gehe ich zuerst meine Handyvideos durch und checke ab, was wir gejammt haben. Man muss den Sweet Spot finden, damit es spontan und kreativ bleibt.
Noah: Ich finde beide Seiten gleich schwer und gleich wichtig. Wir wollen Momente, in denen wir ausbrechen können und in denen die Form relativ offen ist. Der Mix macht es aus.
Moses: Wenn wir den Song fertig haben, versuchen wir ihn so zu spielen.
Ist es nicht komisch, eine Jam nachzuspielen?
Moses: Nee. Ich glaube wir jammen, um es zu bekommen, als Gerüst. Aber dann ist es da und wir wollen es so reproduzieren.
Roman: Man hat etwas im Moment und es fühlt sich geil an. Der Step, es auf Record zu bringen, ist, den Moment nochmal zu fühlen oder festzuhalten. Manchmal ist es supergeil, wenn man direkt aufnimmt.
Ist das nicht das Coole an der Nische? Die Leute kommen und wissen, dass nicht alles eins zu eins nachgespielt werden muss.
Roman: Ja. Aber wir sind relativ konservativ, was das angeht.
Moses: Deutsch halt (lacht).

Noah: Für mich ist es ein bisschen anders. Völlig wertfrei gesprochen: In einer großen Produktion liegt die Professionalisierung nicht nur im Spielen. Nach einer Casper-Show bin ich erfüllt, es ist super geil. Aber die Erfüllung nach einer Trio-Show und dem, was man im besten Fall hinterlässt, man jeden Abend nach diesem magischen Moment sucht und es sich auf die Leute überträgt, das erfüllt mich wirklich und ist meine Lebensenergie.
Es sind zwei paar Schuhe.
Noah: Da ist meine Aufgabe, den Künstler bestmöglich klingen zu lassen.
Moses: Da reproduzierst du auch anders. Verlässlich, laut und geil.
Dort bist du Dienstleister, hier Künstler.
Moses: Vielleicht hier auch zu einem gewissen Grad Dienstleister. Aber der Rahmen ist ein anderer, wir drei wollen uns selbst überraschen. Wir können in diesem Rahmen machen, worauf wir Bock haben. Theoretisch könnte jeder von uns aussetzen.
Noah: Das habe ich gemeint. Das macht es für mich aus. Darum mache ich Musik.
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