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Der letzte Streich: P.tah und sein „Season Finale“ // EP + Interview

Der letzte Streich: P.tah und sein „Season Finale“ // EP + Interview

„Ich nehme Galettes, die sind gut“, sagt P.tah. Eine Google-Schnellrecherche später zieht die zweiköpfige Message-Delegation bei der Bestellung der Crêpes-Variation nach. Wir befinden uns im Café Z nahe der Wiener Wasserwelt. In jenem Grätzl, in dem P.tah lebt. Wir haben uns aber nicht nur zum Essen getroffen, sondern auch zum Plaudern. Über die am 3. März erschienene EP „Season Finale“, aber vor allem die zum Titel führenden Gedanken dahinter. Es handelt sich schließlich ums vorerst letzte Raprelease des Rappers. Säßen wir noch im Lokal mit dem nostalgischem Konditoreiflair, würde P.tah den vorigen Satz wohl korrigieren. Für ihn gibt es in dieser Geschichte kein „Vorerst“. Die Entscheidung ist gereift, ein Zurückrudern scheint ausgeschlossen. P.tah verabschiedet sich mit „einem leichten und einem schweren Herz“ von der Rapbühne, wie er in der Single „Airdrop“ abwägt.

25 Jahre für die Culture

Neue Aussichten für P.tah. | Fotos: Niko Havranek

Die Zeitreise zu seinen Anfängen führt ins vorige Jahrtausend. Die ersten Printausgaben des „The Message Magazine“ waren für einige Schilling zu erwerben, heutige Rapstars großteils noch nicht geboren. Im „kleinkarierten Burgenland“, ein weiteres Zitat aus „Airdrop“, taucht P.tah als Teenager in die Welt der Subkulturen ein. In mehreren Bands sammelt er erste Erfahrungen, spielt Gitarre, schreibt Texte und singt. „Da habe ich viel aus der englischen Punkgeschichte und der US-Hardcore-Bewegung mitgenommen. Später bin ich mit den älteren nach Wien fortgefahren. Dancehall, Jungle und die Drum’n’Bass-Szene waren die Anzugspunkte“, blickt P.tah zurück. HipHop kam in der späten Jugend über Freunde dazu – das Interesse für Rap sollte sich über die Hamburger Schule rund um Absolute Beginner, Samy Deluxe und Co umso mehr verfestigen.

Um die Jahrtausendwende formiert sich um P.tah die Hörspielcrew. Viele Jams, drei Studioalben mit der Rap-Formation sowie ein Album mit dem Reggae-Bandprojekt B-Seiten Sound prägen sein musikalisches Schaffen in den 00er-Jahren – und er seither das österreichische Rapgeschehen maßgeblich mit. Sei es im Rahmen von Duo-Projekten mit Kinetical und mit Der-Con, solo oder als Co-Leiter des Labels Duzz Down San. P.tah hat stetig Musik veröffentlicht, an seinen technischen Skills gefeilt, sich als begnadeter Live-MC profiliert und dabei einen Bogen um ausgetrampelte Stil-Pfade gemacht. Als einer der ersten im deutschsprachigen Raum hat er sich ab den späten 00er-Jahren stark an der UK-Bass-Kultur, an Grime, Dubstep und weiteren bassbetonten, elektronischen Genres orientiert. „Egal ob es Doubletime oder den Grime-Vibe betrifft. Da war ich, ohne anzugeben, der erste im deutschsprachigen Raum, der das so konsequent durchgezogen hat und nicht gleich weitergesprungen ist. Weil ich es gefühlt habe. Das ist glaube ich bisschen die Legacy, die bleibt“, sagt P.tah.

P.tah war oft am Puls der Zeit, aber stets im Underground.

Die Leidenschaft dafür hat P.tah nicht nur im Rahmen seiner Tunes und Live-Shows ausgelebt, sondern auch in Form von Bookings. P.tah leitet die Organisation der Duzz Down San-Labelabende Clubduzz, darüber hinaus ist er seit Jahren Teil des Kollektivs BLVZE, das Live- und Clubevents in Wien mit Fokus auf „Contemporary Bass Music“ veranstaltet. „Das war immer mein Metier. Wir waren teilweise am Puls der Zeit mit Bookings von Artists mit deepem Sound. Sir Spyro war in Wien, als er ‚Topper Top‘ rausgebracht hat. Commodo, als sein Album kam“, sagt der Rapper stolz.

Viele Gründe für einen Abschied

P.tahs Verankerung in der hiesigen Underground-Musikszene ist groß, in den vergangenen Jahren vielleicht zu groß geworden. Schließlich sind die Musik und das Rundherum immer ein Hobby geblieben, obwohl konstant viel Energie und Zeit hineingeflossen sind. Doch die Lebensumstände haben sich geändert. Neben seinem Hauptberuf als Lehrer für Bildnerische Erziehung in einem Wiener Gymnasium ist P.tah als zweifacher Vater entsprechend eingespannt. „Ich habe oft das Gefühl gehabt, dass ich nicht zu hundert Prozent bei den Kindern bin, weil ich eigentlich dies oder das machen sollte. Irgendwann habe ich gesagt, dass ich eine Sache beiseitelegen kann – und das wird das Rapding sein“, sagt er.

Die Familiensituation sieht er nicht als Hauptgrund fürs Rap-Ende, viel eher als Puzzlestein. Ein weiterer sei eine gewisse Müdigkeit und ein abnehmendes Interesse für Rap und Popkultur. Einen kulturpessimistischen Zugang möchte P.tah vermeiden, da es immer gute Artists geben werde. Er spricht von einer Veränderung der Wahrnehmung vieler Inhalte. Dem Gefühl, dass für ihn immer weniger Fesselndes dazukomme. „Es hat weniger mit den Releases als mit meinem Leben zu tun. Was junge MCs heute erzählen, ist in deren Welt relevant. Für mich nimmt es ab und wiederholt sich. Musikalisch kommt nicht so viel Spannendes nach, weil ich als über 40-Jähriger schon wahnsinnig viel Rap gehört habe. Alben wie zum Beispiel das aktuelle von Kendrick Lamar schätze ich immer noch. Die höre ich auch mehrmals“, sagt P.tah. Insgesamt habe die Begeisterung aber spürbar abgenommen. Der Rapper spricht die unüberschaubare Masse an Releases, die damit mitschwingende Schnelllebigkeit und Beliebigkeit an. „Es ist schwieriger geworden, Qualität von Nichtssagigkeit zu unterscheiden. Was gefeiert wird und einen Hype erlebt, welche Produktionen und welche Lyrics den Anspruch haben, technisch, vom Reimgehalt oder wie auch immer rausstechen“.

P.tah ohne Mic – künftig nicht nur auf Fotos.

Dass P.tahs Reichweite als Artist über die Jahre überschaubar geblieben ist, mache die Entscheidung einfacher. „Mir war immer bewusst, dass ich keinen Sound mache, der Klischees bedient, supereingängig oder boombappig ist. Für all diese Dinge gibt es mehr Publikum. Man kann es kaum glauben, aber in Hörspielcrew-Zeiten hatten wir mehr Reviews, Feedback und Interviews als bei einem Album wie „LIFT“, bei dem ich behaupte, es ist das beste Gesamtwerk, das ich gemacht habe – im Zusammenspiel mit Kinetical.“ Generell sei das Rundherum mit der Zeit mühsamer geworden. Das ist vermutlich auch dem DIY-Denken von P.tah und dem von ihm mitgeleiteten Label Duzz Down San geschuldet.

Die Leidenschaft fürs Musikmachen und für Studiosessions sei noch da. „Es ist das Schönste, zu versinken und sich ohne Hintergedanken im Tun zu verlieren. Ich werde den Kontakt mit Leuten in Sessions am meisten vermissen. Beats und Musik machen möchte ich auch nicht ganz aufgeben. Manchmal gibt es Sachen, die ich mir von der Seele schreibe, aber nicht unbedingt releasen möchte“, sagt P.tah. Es ist gut möglich, dass er noch auf dem ein oder anderen Track zu hören sein wird – „Season Finale“ sei aber definitiv sein letztes eigenes Raprelease.

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(c) Philip Pesic

Beim Gespräch, geführt an einem Freitagnachmittag, zeugt P.tahs Stimme vom leicht kratzigen Hals nach einer Arbeitswoche. Eine Belastung, die er als Rapper, der gerne live spielt, zunehmend spürt. „Wenn ich dann noch in einem Club stehe, habe ich eine Entzündung. Ich sage es ungern, aber ich kann es mir nicht mehr leisten, in diesem Alter so viele Sachen zu machen und gleichzeitig drauf zu scheißen, ob ich eine Halsentzündung habe oder ob es in die Nebenhöhlen geht. Da habe ich auch schon eine Operation hinter mir“, nennt P.tah einen weiteren kleinen Mitgrund dafür, das Mic an den Nagel zu hängen.

Kein leises „Servus“, keine große Sentimentalität

Letzte Rap-Ausfahrt: „Season Finale“.

Der Ursprung der Abschiedsgedanken liegt einige Releases zurück. „Ich habe 2020 im Gespräch mit Kinetical dahingesagt, dass ‚LIFT‘ das letzte Album sein wird, das ich mache“, meint der Rapper. Anfang 2022 folgte die Entscheidung, noch die drei in den Startlöchern stehenden Projekte „Actuate“ mit Kinetical, „Zucker“ mit alllone – und dann sind noch einige Solotracks rumgelegen. Diese hat P.tah am 3. März gebündelt mit der Abschieds-EP „Season Finale“ veröffentlicht, die Live-Präsentation folgt am 18. März im Wiener Kramladen.   

Auf den Tracks zeigt sich P.tah mehrmals von einer persönlichen Seite, lässt seinen Gedanken freien Lauf. Ein Zugang, der bei seinen vielen Kollaboprojekten naturgemäß nicht immer in diesem Ausmaß möglich war. Tracks wie „Unterwasserfilm“, der im ersten Coronalockdown entstanden ist, oder „Eis & Moos“ über eine nicht immer perfekt funktionierende Beziehung, waren bereits bekannt. „Es ist allgemein eher eine Sammlung an Singles als eine Konzept-EP“, sagt P.tah. Dazu passt der Umstand, dass mit Deasus, Testa, Lost Tourist, Kenny Katana und Vorsicht/Sebi808 Produzenten mit verschiedenen Stilen vertreten sind.

Als visuelle Begleitung hat P.tah ein Splitvideo zu den Drill-lastigen Tracks „Souverän/Bestzeit“ veröffentlicht, bei denen Live-Charakter und politische Aussagen verschmelzen. Relativ neu ist „Dach“, wo P.tah anders als auf den meist zwischen 130 und 160 bpm pendelnden Beats auf einer Produktion von Testa mit mehr HipHop-Charakter rappt, einen veränderten Flowzugang wählt. Mit resümierendem Charakter fügt sich als letzter Track „Airdrop“ ein. „Ich verarbeite bisschen das Abschlussding mit einigen Statements. Ich wollte es aber nicht zu sentimental halten, weil es das für mich nicht ist“, betont P.tah. Auch ohne große Sentimentalität ist „Season Finale“ ein mehr als würdiger Schlusspunkt einer langen Raplaufbahn.