Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
Seit über vier Jahren ein fixer Baustein der hiesigen Rap-Eventlandschaft, fand am Freitag die jüngste Ausgabe von Rapper lesen Rapper im Wiener Stadtsaal statt. Das bewährte Programm der HipHop-Late-Night-Show: Blödeleien der Moderatoren Heinrich Himalaya und David Scheid, zwei Live-Acts, vier Lesegäste und ein spirituelles Special zum Abschluss. Alles Routine? Nicht ganz. Die einzige Wien-Show im Jahr 2020 dürfte als eine der denkwürdigsten Ausgaben des Formats in Erinnerung bleiben. Auch dank des Auftritts von Pater Peter Panierer, der eine Grabrede für die hiesige Clubkultur hielt – es folgte eine Prozession inklusive Sarg und Schweigeminute auf der Mariahilfer Straße. Ein symbolisches Statement für die von der Regierung „vergessenen“ Clubs und in der freien Szene Tätige, denen Finanzspritzen in homöopathischen Dosen kaum helfen, über die Runden zu kommen.
Gewissheit der Ungewissheit
Dass die Show in dieser Form stattfinden konnte, ist einem glücklichen Händchen bei der Terminsetzung zu verdanken. Aufgrund stark steigender Ansteckungszahlen, einer dunkelgelben Corona-Ampel und der Verkündung strenger werdender Bestimmungen wäre es einige Tage später kaum drin gewesen, ein Indoor-Event mit rund 400 Besucherinnen und Besuchern durchzuziehen. Am Freitagabend konnte die Show noch reibungslos über die Bühne gehen. Während Slav, Lylit, T-Ser und Dexter aus ausgewählten Rap-Tracks vorlasen und die Showcases Aygyul und TubAffinity für musikalische Unterhaltung sorgten, hielten sich die Spielregeln aus Publikumssicht in Grenzen: Maskenpflicht außerhalb des Sitzbereiches, wo seitlich montierte Plexiglaswände die Besuchergruppen trennten. Verkraftbare Auflagen, die einem gelungenen Abend nicht im Weg standen.
Bei der Organisation sah die Situation freilich anders aus. „Es war mindestens der dreifache Aufwand an Öffentlichkeitsarbeit, Promotion und Kommunikation“, meint Hauptorganisator Dorian Pearce nach der Show. Ihm ist das aufreibende Werkeln im Hintergrund ins Gesicht geschrieben. Neben logistischen Hürden wie der Positionierung der Plexiglaswände nach gemeinsam verkauften Karten betont er den erhöhten Bedarf an Kommunikation nach außen. Generell sei die Verunsicherung stark merkbar gewesen, der Vorverkauf dadurch um einiges schleppender als gewohnt verlaufen.
Dazu kam die Gewissheit der Ungewissheit – bis wenige Tage vor der Show herrschte absolute Planungsunsicherheit. „Du arbeitest monatelang darauf hin, aber im Worst-Case kann mit einem Fingerschnipsen alles verlorengehen“. Die Umsetzung sei auch nur mit viel Idealismus zu stemmen. „Das Format machst du ja nicht wegen der Kohle, sondern weil du ein gesellschaftliches Statement setzen willst. Mit unserem Kooperationspartner Amnesty International, aber auch wenn wir symbolisch und zynisch die österreichische Clubkultur zu Grabe tragen“, sagt Dorian Pearce.
Der Winter wird streng
Dass bei stark steigenden Fallzahlen lange im Vorhinein geplante Veranstaltungen abgesagt werden müssen, ist verständlich. Entscheidend wäre eine adäquate Unterstützung in dieser Zeit für alle Beteiligten – gerade auch abseits großer Institutionen, die besser aufgestellt sind und teils üppige Rettungsschirme erhalten. Es fehlt an eindeutigen Signalen aus der Politik, an einer Lobby für die die Eventbranche und die freie Szene. Kleine und mittelgroße Vereine fallen bei Unterstützungen nach dem Gießkannenprinzip durch den Rost, Strukturen drohen nachhaltig zu zerbröseln. Für einige Clubs dürfte der kommende Winter das endgültige Aus bedeuten. Diese Umstände hielt Pater Peter zum Abschluss der Show in seiner Grabrede mit Vergleichen zur AUA und zu Swarovski fest.
In absehbarer Zeit stehen keine weiteren Ausgaben von Rapper lesen Rapper an. Zu groß ist die Planungsunsicherheit. „Wir halten uns zurück“, sagt Dorian Pearce. Ein Großteil der für heuer geplanten Shows musste ohnehin schon gecancelt werden – darunter auch mehrere Termine in Deutschland. Die Aussichten sind düster, der Spielball liegt bei der Regierung.
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