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Rap gegen Hetze – eine Zusammenstellung

Rap gegen Hetze – eine Zusammenstellung

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Die Schlagzeilen in den Zeitungen kündigen jeden Tag andere dramatische Entwicklungen an. Ungarn und Kroatien liegen im Clinch, Ungarn baut seinen Grenzzaun zu Slowenien wieder ab, Deutschland und Österreich führen erneut Grenzkontrollen ein. Fast unbeachtet dieser politischen Pläne kommen jeden Tag hunderte, manchmal auch tausende Flüchtlinge an den Wiener Bahnhöfen an. Die meisten von ihnen wollen nach Deutschland oder nach Schweden, nur ein Bruchteil der Migranten stellt einen Asylantrag in Österreich. Die Zivilgesellschaft zeigt in diesen kritischen Wochen ihr schönstes Gesicht, unzählige Freiwillige dolmetschen, kochen, sortieren Sachspenden und versuchen, den vor Krieg und Verfolgung Geflohenen ein paar schöne Stunden in Österreich zu bescheren. Dem können auch die Hassposter in der anonymisierten Internetwelt nichts entgegenhalten. Die Zivilgesellschaft übernimmt in diesen schwierigen Zeiten auch viele Aufgaben der Politik, die ratlos und überfordert wirkt. Dass in Oberösterreich gerade Landtagswahlen stattgefunden haben und in Wien in zwei Wochen noch bevorstehen, macht die Flüchtlingskrise zu einem Politikum. „Habe Asylthema nicht verschuldet“, versucht der oberösterreichische ÖVP-Landeshauptmann Josef Pühringer die massiven Stimmenverluste zu rechtfertigen. Die FPÖ freut sich, sie hat ihre Wählerstimmen verdoppelt und landet hinter der ÖVP auf Platz 2 in Oberösterreich. (Einen Kommentar zum neuen „HC-Rap“ findet ihr hier.)

Was aber nicht nur in Oberösterreich, sondern im ganzen deutschsprachigen Raum auffällt, ist die Verschwiegenheit der Rapper. Aus seiner Entstehungsgeschichte heraus ist HipHop als Sprachrohr der Unterdrückten zu verstehen, als Ausdrucksmittel für Gesellschaftskritik und Aufruf zur Solidarität. Umso erstaunlicher und verwunderlicher ist es, dass gerade in der jetzigen Situation fast alle MCs schweigen. Bis auf ein paar Engagierte geht es nur weiterhin um „Drugs, Pussy, Money“, wie es Roger & Schu  von Blumentopf auf ihrem neuen Album gekonnt zusammenfassen. Ein paar Rapper gibt es dennoch, die ihre Stimme gegen Rechtspopulismus, Angstmache und Fremdenhass erheben. Wir haben ein paar neue, aber auch alte und leider noch immer hochaktuelle Songs zusammengefasst.

„Propaganda do lenkt uns in Richtung Genozide, bei Kritik sprechen die Rechten immer von linken Fake-Profilen“

Zeit für Fakten: In “Zeltstädte” entkräftet Def Ill in acht Minuten  eine Vielzahl von Scheinargumenten und gibt auch den Nutznießern der Flüchtlingshetze ein paar Worte mit. Ganz wichtige Botschaft – und nebenbei raptechnisch erste Sahne (spielt hier, bei DER Message, nur eine sekundäre Rolle, sollte aber auch gesagt werden).

„Wie komma so vü Leit ersaufen segn und no a Freid hom?“

Kroko Jack gibt seine Meinung zu einigen der gängigsten Stammtisch-Parolen, die aufgrund der “Flüchtlingskrise” wieder Hochkonjunktur haben.

„Als Bedrohung gilt es erst dann, wenn’s der Kickl reimen kann“

Esteban und die def:k Crew aus Linz thematisieren auf einem Jay Z-Beat die Korruption in unserem Land und die damit einhergehenden Steuerbelastungen.

„Du kannst dir sicher sein, wenn die Kinder weinen, dieses Leid brennt sich für immer ein“

MetaXXa, ehemaliges Mitglied der mittlerweile in „Faktor AUT“ umbenannten Schwaboss, hat sich die Wien-Wahl und die Hetz-Misere zum Anlass genommen, über Hasspostings und Kriegsflüchtlinge zu rappen. Unter sein Youtube-Video schreibt er u.a.: „Bildung ist die Antwort auf Unwissenheit. Bildung gewinnt man nicht über Facebook. Bildung ist sich selbst hinzusetzen, verschiedenste Quellen anzusehen und zu reflektieren. Das Problem an der Sache ist, dass viele unserer Mitbürger aufgehört haben, das zu tun. Schwachsinn und Lügen werden blind geliked und geteilt.“

Und das, obwohl einer unserer Autoren in der Review zum „Schwaboss Sampler 2“ noch gschrieben hat: „In der Vergangenheit kamen die Schwaboss immer wieder in den Verdacht einer rechtsradikalen Ideologie anzuhängen. In einem Solotrack nutzt das MetaXXa aus: Als „letzter Soldat“ verteidigt er darin Wien vor Stalin und dem T34-Panzer, in der Hook heißt es „Ich kämpfte für A“. Im Zusammenhang mit dem „Schwaboss“-Logo, mit den zwei großen S, erscheint das weniger als patschert, denn als bewusste politische Provokation über Symbole und historische Ereignisse der nationalsozialistischen Vergangenheit Österreichs, umso mehr Aufmerksamkeit zu erlangen. Da hilft es auch nicht, wenn man dann später FPÖ-Politiker schimpft und einen auf Integration macht.“

Zumindest im aktuellen Track dürfte MetaXXa sich mehr Gedanken gemacht haben. Er erwähnt zwar, ein Patriot zu sein, meint aber auch, dass es so nicht weitergehen kann und solidarisiert sich mit Flüchtlingen.

„Wollen wir uns nicht einfach die Hände reichen; begreifen, dass sich unsere Existenzen gleichen?“

„Mensch bleiben“, postet Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner auf seinen Social-Media-Profilen. Der Wiener Rapper Mr. Haytschen sieht das genauso. Ihn kennt man bisher eventuell von seiner Teilnahme an einem der Invitational Battles im B72.

„Er ist von weit her, mit dem Schiff übers Meer, ich glaub er wollte leben, wir wissen nicht mehr“

Hef&MS von Slangswitch vor den Bildern der Not. Auch ihr Kollege Milkman hat sich gerade erst in dem Song „Häupl City“ politisch geäußert.

„Gekommen aus dem schönen Sudan, Sonne lacht, Völkermord – Hütten stehen in Flammen“

Grim104 und Testo beschreiben die Lage im Flüchtlingscamp am Berliner Oranienplatz, in dem zwei Jahre lang Asylwerber gegen die Missstände der deutschen Asylpolitik protestierten. Als der Berliner Senat die Räumung anordnete, halfen einige der Flüchtlinge beim Abriss – in Hoffnung auf einen positiven Asylbescheid. Drei Aktivisten stiegen allerdings auf eine Platane und weigerten sich vier Tage lang, wieder herunterzukommen.

„Aber ich bin doch kein Nazi, nur weil ich sage, dass…“
Doch genau das bist du und außerdem ein Spast!
Die Begründung dafür liegt schon alleine in dem Satz
Den man grundsätzlich nur beginnt, wenn man was Dummes sagt

Audio88 & Yassin beschwichtigen mit gewohnt gekonnter Ironie Vorurteile über Integration und Ausländer.

„Denkt ihr die Flüchtlinge sind in Partyboote gestiegen,
mit dem großen Traum im Park mit Drogen zu dealen?“

Tarek von K.I.Z. führt vor, wie lächerlich gängige Klischees sein können. Auf diese Zeile bedacht, hat er aber noch mehr zu sagen: „Es ist natürlich mega-lächerlich und erbärmlich, dass Menschen dazu tendieren nach unten zu treten und nach oben zu buckeln. Der Ursprung der Probleme dieser Leute sind natürlich keine Flüchtlinge! Sie stellen es so dar, als würden die Menschen hierher kommen und mit offenen Armen empfangen werden und auf Kosten ihrer Steuern in Saus und Braus leben. Das ist natürlich vollkommener Schwachsinn!“

„Papa verlor ich im Krieg, Mama und Schwesterherz ans Meer
Ihre durstigen Schreie wollte der Schlepper nicht mehr hören“ Yassin

Folgende Nummern sind schon älter, aber noch immer von deutlicher Relevanz.

„All das Gerede von europäischem Zusammenschluss, fahr‘ ich zur Grenze mit dem Zug oder einem Bus
frag‘ ich mich, warum ich der Einzige bin, der sich ausweisen muss, Identität beweisen muss!“

20 Jahre ist dieser Song alt, geändert hat sich nicht viel. Im kürzlich geführten Interview mit Toni L. erklärt dieser, dass die ausschlaggebenden Gründe für den Song die Brandanschläge auf Asylbewerberheime waren. Das ist jetzt in Deutschland wieder der Fall. „Das zeigt, dass ein Teil der Menschen in dieser Beziehung immer wieder versagt und sich von dummen, rassistischen Gedanken leicht lenken lässt. Dadurch bleibt unsere Aussage leider zeitlos.“

See Also

„Gesetze werden verschärft, ‚return to sender‘ heißt es dann für den Asylbewerber ,
denn jeder Abgewiesene erspart dem Staat Kosten und Ärger
Es wird schon nicht so schlimm, wenn er zurück muss, vielleicht ein bisschen Folter oder Tod durch Genickschuss“

Fast genauso alt ist „Globaler Respekt“ der Linzer Texta-Crew. Die 1997 getätigen Aussagen sind teils 1:1 auf die momentane Situation anzuwenden.

„Machst nur den Mund auf, wenn es darum geht, sie zu diskriminieren, schikanieren, traktieren
Mit meinem Selbstbewusstein setz ich mich für sie ein“ Total Chaos im Jahr 1994

P.tah (ehemals Hörspiel Crew, jetzt Atomique, Duzz Down San) hat für Rap Against (Bericht) seinen Song Rechtsruck zur Verfügung gestellt. Es geht um HC Strache, Polizeiwillkür, den Akademikerball und eine Justiz, die auf dem rechten Auge blind ist. Das ganze technisch auf hohem Level gerappt. Unser Interview mit Atomique, P.tah, Con & DJ Testa könnt ihr hier lesen: klick.

Von einer etwas anderen Seite beleuchten die Bludzbrüder das Thema Migration und Integration. Wie es ist, mit Sehnsucht und Heimweh zu leben, wenn ein Teil der Familie in einem anderen Land wohnt, zeigen sie auf „Mektup“.

Weitere, nicht-deutsche Songs, die sich mit der Flüchtlingsthematik auseinandersetzen:

Clandestino – Mano Chao

Blitz The Ambassador – African In New York

K’naan aus Mogadischu mit „The Seed“

The Fugees – Refugees On The Mic

Mosquitofactory – Freedom (Ein Stiege44-Projekt, u.a. mit Saiko)