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„Gstanzler können besser freestylen“ // Red Bull Gstanzl Battle

„Gstanzler können besser freestylen“ // Red Bull Gstanzl Battle

Alle Fotos von Daniel Shaked

Die 1000 Tickets fürs „Red Bull Gstanzl Battle“ sind innerhalb von Minuten ausverkauft. Wer keinen Platz mehr im Republic Salzburg hat, kann es sich aber zuhause vor dem Facebook-Live-Stream gemütlich machen – schätzungsweise waren das rund 90 Tausend in diesem Jahr. Kommentiert wird der Stream von Servus-TV-Moderator Flo Rudig und Wanja von den Schönbrunner Gloriettenstürmern. Eins ist klar: Das „Gstanzl Battle“ ist ein großer Event mit enormer Reichweite! Salzburg stehe Kopf, „das Duell des Jahres ist bereits Wochen davor das Gesprächsthema Nummer 1“, heißt es in der Presseaussendung. Wenn Rapper und Gstanzler einander bashen, ist zumindest Neugier vorhanden: Wie geht das denn überhaupt, Gstanzlverse gegen Raplines?

In gewissen Grundzügen sind Rap und Gstanzl einander ja ähnlich. Beides Sprechgesang auf Musik. Beides mehr oder weniger improvisiert. Sie reagieren auf und beziehen die Umwelt mit ein und bei beidem rutscht die Sprache schon einmal ins Derbe und Ordinäre ab. Und beides ist Teil einer eigenen Kultur, mit eigenen Normen, Slang und Kleidungsstil. Der Rapper weiß: Je weiter die Kleidung, desto mehr Rhymes, Real- und Freshness haben Platz. Des Gstanzlers Lederhose hingegen ist enganliegender als die eigene Haut und prinzipiell gilt hier: Je kleinkarierter das Hemd, desto mehr Hektar Land. Okay, natürlich sind das jetzt bloße Klischees, aber genau darauf scheint Red Bull zurückzugreifen.

Wer am Land aufwächst, ist daran vielleicht gewöhnt, aber der HipHopper (besonders aus dem Osten Österreichs) erleidet einen kleinen Kultur-Schock, wenn mittelmäßige Schuhplattler über die Bühne springen, der liebliche Klang einer Kuhglocke die Battles eröffnet und das Publikum überwiegend so aussieht, als käme es gerade vom Bierzelt. Nur die Bierbänke fehlen noch. Die Bühne imitiert einen Boxring, weshalb jede neue Runde eines der zwei „Nummern-Girls“ einleitet, wie sie der Moderator Bernd Krainbucher so schön nennt. Sie haben keinen Namen oder sonstige Eigenschaften, die sie auszuzeichnen scheinen. Sie sind nur die „Nummern-Girls“ in Heels und Dirndl. Eh. Wirkt alles in etwa so wie „Ich bin der Farmer“ von Bozo der Boss, die deutschsprachige Parodie zu Snows „Informer“. Das Ambiente spricht vorwiegend eine Zielgruppe an – die Gstanzlfans.

Viele sind sich einig: „I bin für de Gstanzler, Rap daugt ma nid!“ Und warum? „Rapper verstehst so schlecht und sind immer so aggressiv.“ Aber ist auch wirklich von Vorhinein klar, wer gewinnt? „Die Gstanzler. Die können besser freestylen, die machen das ja auch schon länger.“ Haben es Rapper dann prinzipiell schwerer beim Battle? „Ja, weil die Gstanzler besser sind.“ Viele Gespräche mit den Zuschauern bestätigen: Die meisten sind nur gekommen, um Rap verlieren zu sehen. Dementsprechend auch die Reaktionen während der Battles. Bei den Rappern ist es wesentlich stiller, bei den Gstanzlern wird fast durchgehend begeistert gejubelt und gepfiffen. Auch als Renate Maier ihren Kontrahenten im Battle als schwul bezeichnet.

Rap-Vertreter sind nicht viele im Publikum. Das Event findet in der HipHop-Community auch nur wenig Anklang. Hier geht es in gewisser Weise um die alte Henne-Ei-Frage: Lag die Fokussierung des Events tatsächlich immer auf dem Gstanzl – oder erst durch den Umstand, dass seitens der HipHopper nur wenig Interesse herrscht? Wieso ergreifen nicht mehr qualitativ gute heimische MCs die Chance, sich vor einem so großen Live-Publikum zu präsentieren? Die Zuseher via Live-Stream nicht mal mitgezählt. Ist es das Format an sich? Denn, um jetzt auf Ei und Henne zurückzukommen, gäbe es mehr Interesse aus der Rap-Szene, würde sich der Veranstalter vielleicht auch in der Aufmachung umstellen müssen? „Der Umstand, dass Red Bull organisiert, ist für die ‚Hip Hop Community‘ von Haus aus als whack zu glorifizieren“, vermutet Scheibsta gegenüber The Message, „Red Bull dürfe generell keine sonderlich szenetaugliche Marke sein.“ Scheibsta hat 2014 selbst am Gstanzl-Battle teilgenommen. Weil er das Format interessant gefunden hätte und sehen wollte, was passiert, wenn genau diese „zwei Welten aufeinander prallen“. Bestätigende Ansichten hat auch Kroko Jack im Interview mit Noisey:Schöne Grüße an Didi Mateschitz. Super, was du mit Red Bull-Clash machst, aber […] du brauchst nicht glauben, dass du dir mit ein bisschen Kohle das Image von HipHop kaufen kannst. Wenn du mich auf einen Red Bull-Clash spielen lässt, werd ich dir das alles am Clash vorm Publikum reindrücken.

Andere Gstanzl-Battles finden jedoch sehr wohl Zustimmung. Beispielsweise das Battle beim „Freetree Open Air“, oder auch bei den „Heads“, organisiert von DemoLux. Dieser hat 2014 das Red Bull Gstanzl Battle gewonnen, als bisher einziger Rapper. Jedoch möchte er „zu diesem Zeitpunkt keinen Kommentar“ dazu abgeben.

Kiste im Backstage mit seiner „Medaille“

Für die Punchlines haben Gstanzler und Rapper auf der Uhr gleich lange Zeit. Die Gstanzler müssen aber „nur“ vier kurze Verse im 4/4 Takt abliefern, Rapper kommen auf acht Zeilen, da der Rap-Beat die zweifache Geschwindigkeit hat. Ergo: Gstanzlern bleibt mehr Zeit, um sich weniger zu überlegen. Auch wird die Musik während dem Gstanzeln leiser. Bei den Rapper läuft der Beat vom DJ in derselben Lautstärke weiter, Taktfehler sind da auffälliger. „Es ist halt viel leichter, wennst gstanzlst. Wenn man in so kurzer Zeit so schnell acht Lines rappen muss, dann sind auch mal keine richtigen Reime dabei, sondern manchmal ein Zweckreim“, erklärt Kiste gegenüber The Message, „deshalb bin ich auch als Gstanzler hier. Es ist einfacher und irgendwie auch lustiger.“ Er ist eigentlich Mundart-Rapper aus Bayern. Dass er beim Battle „die Seite wechselt“, hat aber auch taktische Gründe, „nicht alle Gstanzler können rappen. Aber wenn du beides beherrscht, ist das ein großer Vorteil.“ In den Battles gibt es nämlich die Möglichkeit, einmal die jeweils andere Form zu probieren. Etwas, wovon die Gstanzler tatsächlich weniger Gebrauch machen.

Die Jury: Hermann Hopflinger, Verena Altenberger, EDWIN

Wer das Knock-Out-Battle für sich entscheidet, bestimmt eine dreiköpfige Jury. Red Bull hat versucht, diese möglichst ausgeglichen auszuwählen: EDWIN, die „Gstanzler Legende“ Hermann Höpflinger und die Schauspielerin Verena Altenberger („Die beste aller Welten“). Wer sich bei Rap nicht gut auskennt, für den ist es aber schwierig ein Battle zu bewerten. EDWIN ist der einzige HipHop-Vertreter, somit ist die Jury eigentlich 2:1 für Gstanzl aufgestellt.

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In die heurigen Finalrunden hat es erstmalig kein Rapper geschafft. Kiste gstanzlt sich auf den dritten und im Finale battlen sich Renate und Wolfgang Posch „El Fetzn“ um den ersten Platz. Beide haben das Battle schon einmal gewonnen, Renate 2012 und El Fetzn im Vorjahr. In der Verlängerung geht El Fetzn schlussendlich als klarer Sieger hervor. Preise sind eine maßgeschneiderte Lederhose von Meindl Trachten, zwei Ticktes zum MotoGP von Österreich 2018 und einen Suzuki für ein Wochenende.

Wie sehr das Battle bewusst in Richtung Gstanzl gesteuert wird, kann nur vermutet werden. Der fahle Beigeschmack aber, dass das Gstanzl Battle mehr Gstanzl  ist und die MCs nur das Kanonenfutter im Ring üben, bleibt dennoch. Und letztlich ist es vielleicht doch einfach ein Clash der Kulturen: Hier die „Kiffer“, Studenten bzw. Mundl-Prolos, die Urbanen, auf der anderen die Landjugend in Dorffest-/Après-Ski-Aufmachung. Ob die Veranstaltung auch in Wien so möglich wäre, ist daher zu bezweifeln.

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