"Ohhhh, this shit just got incredibly real!"
In der Parallelgesellschaft Battle-Rap tut sich einiges. Während sich das gegenseitige Duellieren mit Wörtern (dessen Wurzeln sich zum Beispiel mit dem “Dozens“-Spiel tief in die afrikanische Kultur verfolgen lassen) im englischsprachigen Raum mit Ligen wie King of the Dot, Don’t Flop und natürlich URL weitgehend etabliert hat, steckt er im deutschsprachigen Raum noch in den Kinderschuhen. Aber DLTLLY (Don’t Let The Label Label You, Anm.) und Rap am Mittwoch erfreuen sich steigender Besucher- und Klickzahlen und auch in Wien existieren mit Dreistil und Rap im Beisl Ligen, die diese Schiene fahren. Jeder Battle-Rap Fan wird bestätigen können, dass das ein sehr zeitaufwendiges Hobby ist, die Battles dauern selten kürzer als 20 Minuten. Und auch wenn sich viele Battles einen eigenen Eintrag verdient haben, kann es sehr praktisch sein, regelmäßig zu wissen, was sich so getan hat, welche Battles veröffentlicht wurden und welche noch anstehen. Dafür gibt es die Reihe Regular Bars!
Disclaimer: Achtung! Dieser Artikel kann Spoiler und Spuren von Meinung enthalten!
Leider habe ich es – zum erst zweiten Mal in der dreijährigen Historie – nicht zum Dreistil geschafft und kann deshalb nicht viel über den Abend erzählen. Jedoch gibt es das Video vom A-capella-Battle schon online, Sali G vs. Rawo. Erstmals vorweg: Es gab schon deutlich schlechtere A-capella-Battles bei Dreistil. Auch wenn Chokes offenbar noch immer zur Norm gehören, haben sich beide zumindest Gedanken gemacht und das Battle ernst genommen. Dass das überhaupt erwähnt werden muss, sagt zwar schon ziemlich viel aus, aber trotzdem. Ein paar gute Punchlines waren auch dabei, das Publikum hat sich leider noch nicht ganz auf Zuhören eingestellt und probiert lieber mit „witzigen“ Kommentaren, die MCs aus dem Konzept zu bringen. Irgendwie kontraproduktiv, wenn man für genau diese Unterhaltung da ist, oder? Aber gut: Mit ein paar mehr Battles wird sich das Gefühl dafür – sowohl bei Rappern als auch Publikum – schon etablieren. Funktioniert ja in Luxemburg auch.
Ein Blick in die Zukunft reicht für Erheiterung: Ssynic besucht wieder die Stadt (mittlerweile Tradition, er mag den Frühling in Wien wohl besonders) und bekommt mit Flowbird einen attraktiven Gegner, der ihm durchaus die Stirn bieten und zumindest für einen unterhaltsamen Schlagabtausch sorgen kann. Am 6. April im Loft, eigentlich ein Muss für Wiener Written-Battle-Fans.
Neben Dreistil gab es jedoch ein weiteres großes heimisches Highlight: Rap Am Mittwoch gastierte zum allerersten Mal in Wien! Eindrücke des Abends beschreiben ein gutes Battle, das auch Ben Salomo zufriedenstellte. Vor allem die Crowd konnte offenbar mit der „bisher besten“, nämlich Köln, mithalten. Auf die Videos kann man sich also schon durchaus freuen. Ein paar Dreistil-MCs wie Toast, EinfachSo oder eben Rawo trauten sich ebenfalls in die Cypher und konnten stellenweise überzeugen. Die Videos der Battlemania kommen aber leider erst in ein paar Wochen.
Beim letzten Stopp von RAM in Hamburg trafen Finch und Davie Jones aufeinander und lieferten sich ein gutes Battle. Vor allem Finch überraschte, weil er verhältnißmäßig weniger mit seinem Image spielte. Davie hatte seine Signature-Stumbler mit dabei, konnte aber auch einige gute Akzente setzen.
Ich kann nicht mehr jedes Mal erwähnen, wie hart DLTLLY eigentlich die ganze Zeit abgeht. Tun wir mal so, als wäre es mittlerweile selbstverständlich. Denn was da vergangenen Monat wieder rausgekommen ist, zeigt, dass deutscher Battle-Rap jetzt mittlerweile auf einem beachtlichen Level angelangt ist. Bei den Battles aus Kassel ist eigentlich kaum ein richtig Schlechtes auszumachen. Höchstens Papa TR vs. Lamin kann nicht ganz mit den anderen mithalten. Aber es ist ja auch für beide ein Debüt, außerdem finde ich, dass Lamin deutlich zu viel Hate für seine Leistung bekommt. Die dritte Runde war von beiden schwach, aber bis dahin fand ich es jetzt nicht so tragisch, wie es dargestellt wird. Herausstechende Performances liefern zum Ersten auf jeden Fall VT, der gegen Shaolum ordentlich Bars auspackt und mit seiner dritten Runde endgültig den Niveauunterschied zwischen „haha lustige Sprüche“ und „treffende Punchlines in die Fresse“ klarmacht. Für jeden, der sich übrigens mal gefragt hat, was man im Battle-Rap mit dem Begriff „reach“ bezeichnet: die letzte Line in Shaolums erster Runde. That’s a reach, kids.
Zweite „honourable mention“: MC Maik. Der setzt gegen Bauda mit diesen zwei simplen Lines einen absoluten Höhepunkt:
Du bist so irrelevant für diese Liga, würdest du jetzt alle MCs aufzählen, würdest du dich selber vergessen
Ey Bauda, wenn du mal zwei Leute enttäuschen willst, dann geh doch mit deinen Eltern zum Essen
Ich kann irgendwie schwer begründen, warum ich das so gut finde, ich weiß nur, dass kaum ein Battle-Rapper es geschafft hat, mit zwei Lines hintereinander so eine Reaktion in mir hervorzurufen. Ja die Eltern-enttäuschen-Line gab es in Abwandlung schon oft, aber irgendwie hat sie zu dem Zeitpunkt einfach gepasst wie die Faust aufs Aug. Das absolute Highlight der Kassel-Session ist aber natürlich das Main-Match zwischen Mars B und Robscure. Darüber braucht man nicht unbedingt viele Worte verlieren, außer, dass es natürlich ein „Debatable“ (also ein Battle, in dem man kaum einen Sieger eindeutig festlegen kann) ist. Im Idealfall soll das auch so sein, denn es bedeutet nur, dass beide gleichermaßen gut abgeliefert haben. Einfach geben.
Das war’s aber immer noch nicht. Denn parallel veranstalten die DLTLLY-Jungs ein Event nach dem anderen (München ist mit ein paar Hammer-Battles wie Merlin vs. T-Way oder Mars B vs. Yarambo schon in der Pipeline) so wie auch in Berlin oder in der Tapefabrik. In Berlin gab es das eindrucksvolle Comeback von Merlin gegen Robscure (kommt am Sonntag auf YouTube!) und ein weiteres Battle von Cris Kotzen (vs. Rino Mandingo) zu bestaunen. Im Nachhinein wirkt die überschwängliche Crowdreaction auf jede von (wirklich fast jede) Cris Kotzens Zeilen etwas überzogen, live konnte man sich aber tatsächlich sehr schwer zurückhalten. Während einige Rapper Double-Time durchspitten müssen, um eine gewisse Intensität und genug Set-up für Punches zu generieren, reißt Cris Kotzen mit einem Bruchteil davon das Haus ab. Seine Gegner können dabei meist nur wie Statisten wirken, auch wenn Rino Mandingo eine sehr gute Leistung abliefert. Dazu muss man sagen, dass ihm sein Antreten hoch anzurechnen ist, da sich wenige aktive Rapper trauen, sich in so ein Battle zu stellen (auch wenn die Plattform in Anbetracht der Nähe des Album-Releasedates natürlich praktisch ist). Noch dazu gegen jemanden wie Cris Kotzen, der wohl noch für ein bis zwei Battles unfickbar bleiben wird, bis irgendwer mal ein Rezept findet, um ihn zu knacken.
Bei King of the Dot gab es eigentlich hauptsächlich Announcements für Blackout 7. Erwähnenswertestes Battle der vergangenen Wochen ist das Aufeinandertreffen zwischen KOTD-Veteran und URL-Veteran, The Saurus vs. Aye Verb. Ein absolutes Highlight wurde von The Saurus aber bei einer anderen Liga gesetzt. Ich hatte das Battle zum Zeitpunkt der letzten Ausgabe noch nicht gesehen, deshalb hier: BAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAM!!! Das Match zwischen ihm und TOPR (einem noch älteren Hasen als The Saurus selbst, der seit drei Jahren kein Battle mehr gemacht hat und schon lange vor der YouTube- und Written-Phase von Battle-Rap aktiv war) bei BOTZ ist der absolute Wahnsinn. Instant-Classic. Was soll man noch sagen, Caustic beschreibt meine Gefühlslage nach der ersten Runde ganz gut: „There’s fucking two more rounds right now!“ Auch Head ICEs Reaktionen sprechen Bände und sind ihr eigenes Highlight.
Während KOTD also eher ruhig war, haute Don’t Flop endlich mal wieder mehr Sehenswertes raus (Pedro vs. J Dillon, überraschend stark!). Vor allem die Session in Schottland scheint besonders dope gewesen zu sein. Nach sechs Jahren Schottland-Abstinenz wurde in Edinburgh der Lokalmatador und amtierende Don’t-Flop-Champion Soul gegen den Ami-Veteranen Real Deal aufgestellt. Richtig gutes Battle von beiden Seiten. Der Ex-Champion von Don’t Flop, Tony D, nahm die Reise nach Schottland ebenfalls auf sich, um einen Local zu battlen. Und nicht irgendeinen: Freestlye-Legende Respek BA kommt bei seinem Don’t-Flop-Comeback mit richtig gutem Zeug! Und Tony D sowieso.
Seitdem hat Don’t Flop schon das nächste Hammer-Event veranstaltet, bei dem Shuffle-T und Marlo endlich wieder als Team battleten. Und das gegen die nicht minder unterhaltsamen P Solja & Matter, im ersten „Doubles Title Match“ seit 2014. Zur Einstimmung (und bis es auf YouTube kommt) kann man sich aber genau dieses ruhig reinziehen. Und das köstliche (erste) Team-Battle ihrer Herausforderer (kein Spaß, das muss man sich geben!).
Abschließend: deutscher Battle-Rap scheint nun tatsächlich in der generellen Deutschrap-Wahrnehmung angekommen zu sein. Die konventionellen HipHop-Medien berichten immer regelmäßiger darüber. Die Main-Matches werden fast immer gepostet, die Community wächst. Wir sind auf einem guten Weg. Für Österreich bzw. Wien sind die Besuche der großen deutschen Ligen bis jetzt immer ein Erfolg gewesen. Sowohl MCs als auch Publikum konnten beide Male die deutschen Gäste beeindrucken. Auch die Besuche von deutschen MCs wie Ssynic sind für die Szene durchaus förderlich. Jetzt müssen sich nur mal ein paar mehr herausragende MCs aus Österreich finden, die man ihnen gegenüberstellen kann. Also liebe Österrap-Schickeria: Traut euch mal aus eurem Keller raus and get your bars up!
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