Now Reading
Die Schöpfer des Tankensounds // Roko von der Tanke & O.T. Interview

Die Schöpfer des Tankensounds // Roko von der Tanke & O.T. Interview

Einfamilienhäuser, kleine Wohnhausanlagen und eine einspurige Straßenbahn – es ist ein unscheinbarer, etwas trister Ort, an dem sich das Leben und Schaffen von Roko von der Tanke und O.T. (die Abkürzung steht für Original Tanke) abspielt. Da passt es ins Bild, dass die lokale Tankstelle der namensgebende Go-to-Spot ist. So sehr das Leben in Traun, einer Kleinstadt im Linzer Speckgürtel, Roko von der Tanke & O.T. geprägt hat, möchten die Rapper ihren Tankensound weit über die eigene Hood hinaus bekanntmachen. Den Grundstein dafür haben sie mit der 2021 erschienenen „Gas“-EP und einigen weiteren Singles gelegt.

Dass Roko & O.T. auf einem vielversprechenen Weg sind, zeigte sich vergangenes Jahr etwa auch bei den The Message Awards – nur hauchdünn sind sie an einem Award-Gewinn vorbeigeschrammt. Aber das ist Schnee von gestern, der Blick geht nach vorne. Wir haben sie vor ihrem Live-Auftritt beim WNMR-Sommerfest im Wiener Brick-15 zum Interview getroffen.

O.T. (l). & Roko von der Tanke (r.). | Fotos: Daniel Shaked

The Message: Ihr habt euch 2021 im WNMR-Interview negativ über Traun und den mangelnden Support aus der eigenen Hood geäußert. Hat sich das mittlerweile gebessert?
Roko von der Tanke:
Unsere Hood ist absolut schwachsinnig, was das betrifft. Gönnen kennen die nicht, das kannst du vergessen. Mittlerweile ist es schon mehr geworden, aber sie können fast nicht mehr anders.

Gibt es konkrete Pläne, umzuziehen?
Roko:
Bei mir schon, ich habe eigentlich eine stabile Wohnung in Meidling. Eine WG mit Leuten aus Traun, denen es dort gereicht hat. Aber da wohnt gerade jemand statt mir. Er hat zweimal verkackt, konnte die Miete nicht zahlen und hatte seine Probleme. Aber er hat mit Tränen in den Augen gesagt, dass er unbedingt einen letzten Versuch starten will. Er ist ein Bruder, den man seit Kindheitstagen kennt und deshalb toleriert man das.

Würdest du nach Wien mitgehen, O.T.?
O.T.:
Es ist schwierig bei mir. Ich habe vier Geschwister, die jüngste Schwester ist drei Jahre alt und ich muss hier sein. Aber ich werde nicht für immer bleiben, keine Chance.

Aber wenn du mal gehst, dann nach Wien?
O.T.:
Es könnte auch woanders sein. Hauptsache nicht bei uns.

Roko: Oberösterreich ist so traurig – Schmutz und Scheiße. Du kannst gefühlt nur arbeiten gehen und hast so wenig Freizeitangebot, dass dir eh nichts anderes überbleibt. Für Geld arbeiten gehen ist normal, tue ich leider auch. Aber geistig davon abhängig von der Arbeit zu sein, weil du sonst nichts machen kannst?

Würde Linz schon reichen?
O.T.:
Na, weg von dort.

„Oberösterreich ist so traurig – Schmutz und Scheiße“

Ihr wart beide in der lokalen Musikhauptschule. Welche Instrumente habt ihr dort gelernt?
O.T.:
Ich habe Klavier gelernt.

Roko: Am Anfang Gitarre, dann bin ich zum Schlagzeug gewechselt. Das war mein Heimvorteil fürs Taktgefühl. Nicht nur fürs Produzieren, sondern auch beim Rappen habe ich gemerkt, dass ich mir leichter tue, Flows zu finden und sie auf den Takt zu fitten.

Trotzdem habt ihr euch über die Schule sehr negativ geäußert.
Roko:
Weil diese Zeit mehr kaputtgemacht als geholfen hat. Bei vielen, nicht nur bei uns, weil wir blöde Rotz’n waren die nicht hören wollten oder so. Sieben von zehn Leuten, die mit uns in der Schule waren, haben heute einen Schaden. Ich rede von ganz verschiedenen Sachen. Panikattacken, Essstörungen, Depressionen und so weiter.

Worauf führt ihr das zurück? Den Unterricht oder die Lehrer?
Roko:
Es waren boshafte Menschen im falschen Beruf. Mit boshaften Ideologien und einer bösen Art. Einmal hat es einen Riot gegeben, da sind Stühle geflogen. Es gab einen Supplierungsdirektor mit einem komischen Machtfeeling. Er hat gemerkt, dass er machen kann was er will. Eine Schülerin hatte ihren Vater verloren. Er hat wegen gefühlt nichts gedroppt:‘Wenn dein Vater das sehen würde, würde er sich im Grab umdrehen‘. Einer schießt eine Schere auf ihn, ein anderer einen Stuhl – Riot. Die Schule war zwei Monate lang Endstation. Die halbe Klasse wurde suspendiert. Wir waren damals nicht gebildet genug, um zu wissen, dass wir klagen könnten. Hätte ich das gewusst, hätte ich sie so gefickt. Wir waren Kinder – geht’s noch?

Hat das Arbeiten an Musik geholfen?
Roko:
Kiffen. Musik erst jetzt. Musik hat mich eine Zeit lang zerstört.

Inwiefern?
Roko:
Ich habe Panikattacken geschoben und war komplett im Burnout vom zu vielen Machen.

Weil zu wenig weitergegangen ist?
Roko:
Ja, keine Ergebnisse. Ich war nächtelang im Studio am Arbeiten. Ich habe gedacht es ist klug, das Studio zuhause zu haben, das hat mich gekillt. Mein Schlafplatz ist mein Studio, bevor ich mich hinlege mache ich noch was und dann ist es plötzlich 6 Uhr in der Früh. Ein Jahr lang war das so, das hat mich so kaputt in der Birne gemacht, dass ich die ärgsten Filme geschoben habe.

Gab es niemanden, der älter war und euch an die Hand nehmen konnte?
Roko:
Nein, weil die alle entweder drogenabhängig oder kriminell waren. Es waren komische Zeiten. Entweder haben sie kein Interesse daran, weil sie noch nie in dieser Schiene waren und nicht wissen was sie dir sagen sollen, oder sie sind so kaputt in der Birne, dass du besser nicht auf sie hörst (lacht). Wir haben alles selber gelernt.

War nicht Damian Beats ein wenig involviert?
Roko:
Er hat mir persönlich viel geholfen, als wir gemeinsam im Studio gesessen sind. Ich habe ihm zugeschaut und passiv mitgelernt. Dann habe ihm gesagt, dass ich es selber probiere, können wir uns mal zusammen hinsetzen? Dazu ist es nie gekommen. Es spielt keine Rolle, weil ich O.T. ewig kenne. Wenn er klickt, muss ich nicht mit ihm reden. Ich sehe was er macht und verstehe es sofort.

Es dringen diverse Soundelemente durch. Was habt ihr in der Jugend abseits von HipHop gehört?
Roko:
Er hat nur HipHop gehört. Ich habe als Kind viel Metal gehört, das hört man aber nicht so raus. Auch wenn es deppat klingt, aber die Texte sind oft ähnlich, wir sagen es nur anders. Rein thematisch habe ich mir das oft gegeben, auch wegen Schlagzeug und Gitarre. Kroatische Volksmusik ist sehr rocklastig, das höre ich daheim auch.

Ist es das, womit du aufgewachsen bist?
Roko
: Teils. Aber meine Mutter hört alles, zum Beispiel auch Latino-Musik.

O.T.: Bei meinen Eltern nur türkische Musik. Dann kam Rap dazu.

Roko, als Produzent hast du probiert und geschaut was rauskommt. Hast du dich trotzdem auch an bekannten Producern orientiert?
Roko:
Nein, ich habe nur gewisse Lieder gehabt, die für mich ein Wort, eine Emotion oder einen Vibe perfekt beschreiben. „069“ von Haftbefehl zum Beispiel. Dasselbe Lied könnte ein Ami machen, mit dem Beat und der Delivery würde ich komplett durchdrehen. Ein Inbegriff von deepen, stabilen Songs ist für mich „Sing About Me, I’m Dying of Thirst“ von Kendrick Lamar. Es ist zweiteilig, der Beat switcht, die Atmosphäre wird sehr dark und die Delivery ist absolut steil. Es gibt einen Sound, den ich erreichen will, damit dich die Emotion – auch wenn mein Text schmutz wäre – erreicht. Darum kommen von überall her Sounds her. Ich probiere solange, bis der Sound für mich dieses Gefühl vermittelt.

Ist das Intro von „Gib die Kohle her“ eingespielt oder ein Sample?
Roko:
Ein Sample aus einem Cymatics-Pack. Dort kannst du Royalty-free-Samples kaufen. Du bekommst 200, 300 Samples von denen und kannst 600 Lieder machen, wenn du alles totflippst. Das ist mega powerful, weil jedes Sample perfekt ist. Es hat mir beim Produzieren viel geholfen. Ich habe teilweise einen Vibe als Idee, weiß aber nicht welches Instrument passen könnte. Dann skippe ich durch und höre das Sample, das es ist. Das wird direkt durch den Fleischwolf gedreht.

Würdet ihr sagen, dass ihr den Tankensound für euch gefunden habt?
Roko:
Fix. Aber was bis jetzt draußen ist, ist gar nichts. Es gibt so viele unreleaste Sachen, wo sich der Sound 20 bis 30 Mal geändert hat.

Seid ihr unzufrieden mit den Sachen, die bis jetzt draußen sind?
Roko:
Es gibt immer Luft nach oben. Aber wenn man bedenkt, dass wir fast alles im Kinderzimmer aufgenommen haben, ist es geisteskrank. Drum sind wir zufrieden, die Resonanz war gut. Bei uns ist ein Minierfolg ein großer Erfolg – Land halt. Da musst du nicht extrem viel verdienen, es reicht wenn jemand zufrieden mit deinem Produkt ist. Es ist wie ein Bauer, der selber Eier verkauft und die besser schmecken als Supermarkteier. Es gehen nicht viele Leute hin, aber sie wissen, dass es krass ist. So ist es mit den Leuten, die unsere Musik hören und schätzen.

Was würdet ihr sagen macht euch aus?
Roko:
Ich habe mir noch nie darüber Gedanken gemacht. Ich bin genauso wie ich immer bin. Das ist manchmal gut, manchmal schlecht. Rein in der Musik ist es bombe. Es gibt nichts Echteres oder Lebendigeres. Ich rede mit Leuten über Musik oder mit der Crowd auf dieselbe Art wie mit jedem anderen. Ich glaube uns macht aus, dass wir uns kein Produkt einfallen lassen haben, sondern uns einfach hingestellt haben und gesagt haben: ‚Da sind wir jetzt.‘ Ich glaube es ist eine Kombination aus dem und dem Vibe, den wir mit der Musik rüberbringen. Ihr habt bei einem Beitrag mal ein geiles Wort benützt: Lowlife-Attitude. Ich habe gedacht: ‚Geil, das ist es‘. Eigentlich ist dieses Lowlife eh nicht cool, aber wir machen es so, dass es cool ist.

Eure Hooks stechen heraus, haben eine Qualität. Wie entstehen sie?
Roko: Manchmal probiere ich im Studio etwas, das ich geschrieben habe als Hook. Oder er macht das. Oder wir machen sie gemeinsam. Wir machen drauflos und es passiert einfach. Wir machen uns keine Gedanken über eine Formel, wie catchy es sein muss oder ob es wack ist. So hat es bis jetzt funktioniert und wir versuchen, es so weiter zu machen.

„Wir haben aus Versehen als erstes ein gemeinsames Projekt rausgebracht“

Wie viele Sachen aus Frankreich habt ihr gehört?
Roko:
Sehr viele. Man hört es eh. Es ist irgendwo auch eine Hommage. Französischer Rap steht für mich über dem Rest von Europa. Sie haben jeden Stil und Vibe von Boombap weg mitgemacht, krass gemacht und was Eigenes daraus entwickelt.

Liegt dort euer Haupteinfluss?
Roko:
Beatmäßig und von dem, wie wir die Melodien drunter legen vielleicht, aber es ist eine bunte Mischung. Bei mir zumindest. Ich weiß nicht wie es bei O.T. ist. Er schreibt voll schnell.

Wie kommst du dazu?
O.T.:
Ich weiß es nicht. Wenn ein Beat rennt, setze ich mich hin und flowe irgendwas. Ohne richtige Wörter. Dann setze ich mich hin und schreibe.

Wie schnell entstehen deine Parts?
O.T.:
Es kommt auf den Vibe an.

Roko: Als Mitwirkender kann ich sagen, dass es bei ihm 15, 20 Minuten sind und der Part ist fix und fertig. Es gibt nichts daran zu rütteln, wir sind zufrieden. Bei mir dauert es viel länger.

Live tretet ihr als Duo auf, auf den jüngsten Tracks seid ihr zuletzt vermehrt solo in Erscheinung getreten – Roko aktuell mit „Vollmond„, O.T. zuletzt mit „Paranoid„. Wollt ihr primär als Roko & O.T. oder als Einzelkünstler wahrgenommen werden?
Roko
: Das Ding ist, dass es von Anfang an nie Roko & O.T. war. Es waren immer zwei Künstler. Wir haben mit dem Tankensound nur ein Duo geschaffen, das wie ein eigenes Ding ist. Es ist bisschen wie Coup. Es sind Haftbefehl und Xatar, aber gemeinsam sind sie Coup. Wir haben aus Versehen als erstes ein gemeinsames Projekt rausgebracht.

See Also

Du hast dich seit Februar auf Instagram explizit gegen den Überfall von Russland auf die Ukraine gestellt hast. Auch weil du Parallelen zur eigenen Familinegeschichte siehst?
Roko:
Ja voll, das ist tief gegangen. Es hat mich verletzt. Ich kenne Mutters Geschichten aus der Heimat. Sie sagt: ‚Es ist dasselbe, was sie mit uns am Balkan gemacht haben‘.

Ist sie im Krieg nach Österreich gekommen?
Roko:
Nein, kurz vorher. Meine Mutter und meine Schwester haben im Fernsehen gesehen, dass Krieg ist. Man wusste natürlich, dass es brodelt, aber man wusste nicht wann wo wie was. Eine komische Situation und ein Thema, da will ich gar nicht so viel reingehen. Ich habe es nicht erlebt. Aber ich bin ein komisch-empathischer Mensch. Wenn mir jemand das erzählt, ist es so wie wenn ich es sehe, ich bin in seiner Geschichte drinnen und betrachte es. Ich stelle mir alles zu bildlich vor.

Wie groß ist eure Motivation, persönlichere Sachen in Texten zu verarbeiten?
Roko:
Sehr groß. Ich werde das auch machen.

O.T.: Schwierig, ich habe es noch nicht oft gemacht, so deep einezugehen.

Weil du so schnell geschrieben hast?
O.T.:
Keine Ahnung, ich habe über Straße gerappt und mache es noch immer. Aber ich habe noch nie was anderes gerappt.

Das ist zum Beispiel eine Qualität von Haftbefehl, dass er das Straßending mit eigenen Geschichten garniert.
Roko:
Die Sachen, die draußen sind, sind gar nichts. Mehr kann ich nicht dazu sagen. Auf die Frage bezogen: O.T. hat eh solche Sachen, weil ich das auch produziere. Es werden nach dem Sommer noch einige Sachen passieren, die diese Frage beantworten.

Ist eine O.T.-EP geplant?
O.T.:
Ist auf dem Weg. Die erste Single der EP war „All Eyes On Me“, jetzt kam „Paranoid“.

Nochmal zu Frankreich: Roko, du hast mal den Hashtag #olympiquelyonnais verwendet. Was ist dein Bezug zum Verein?
Roko:
Genau, weil ich ein Dress von denen anhatte. Das habe ich an diesem Tag wo billig gefunden und gleich gekauft, weil es geil ausgeschaut hat. Ich bin eher Trikotmodefan als Fußballfan.

Diggst du auch alte Trikots?
Roko:
Wenn ich ein gutes altes Trikot finde schon. O.T. hat zum Beispiel viele alte Trikots vom LASK.

Bist du LASK-Fan?
O.T.:
Eigentlich nicht. Aber mein Vater war dort Platzwart, hat viele Trikots bekommen.

Warst du als Kind viel im Stadion?
O.T.:
Mit elf oder so. War schon geil.

Roko: Ich war nur einmal im Stadion, das war Superfund in Pasching (lacht). Jetzt ist der LASK dort. Wir gehen immer daneben im Waldbad schwimmen. Es ist alles ganz in der Nähe mit dem Fahrrad.

O.T., du hattest als Kind einen schweren Radunfall, der bei dir als Begleitfolge Stottern ausgelöst hat. Fährst du noch Rad?
O.T.:
Ab und zu. Aber wenn ich zum Beispiel mit dem Rad wo einbiege, schlägt das Herz schneller. Es ist bisschen was davon da, aber der Rest ist verarbeitet. Es ist schon lange her.

Ist Rappen die beste Therapie?
O.T:
Ja, würde ich schon sagen. Alles flüssig. Ich kann sagen, was ich will, wie ich will. Das geht auch drei Stunden lang.

War das Rappen etwas Erbauendes, wo du den Mitschülern zeigen konntest, dass du was draufhast?
O.T.:
Voll. Ich habe zum Rappen angefangen und es ist auf einmal flüssig gegangen. Das haben meine Freunde nicht gepackt, ich hätte es auch nie gedacht.