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Von Messages und vollen Kühlschränken

Von Messages und vollen Kühlschränken


Der Message-Artikel „Sidos Blockstars: Nichts als Probleme“ sorgte vergangene Woche für einige mediale Aufmerksamkeit. Fünf Tage nach seinem Erscheinen griff ihn auch Samir Köck, in der Vergangenheit auch geschätzter Message-Autor, in der Tageszeitung „Die Presse“ auf. In seinem Bericht mit dem Originaltitel „Voller Kühlschrank und ‚Messages‘ – Sidos Stars aus dem Gemeindebau“ werden einige Behauptungen aufgestellt, darunter auch ein Vorwurf gegen The Message, zu denen wir noch etwas sagen möchten.

1. Österreichischer Hip Hop hat’s zu nix gebracht
Im Artikel wird zunächst beklagt, dass Hip Hop seit jeher nur für Ärger sorge und ohnehin wenig hervorgebracht hätte, das erwähnenswert wäre – ausgenommen DJ DSL und die Aphrodelics: Die „einzig ernstzunehmende heimische Formation“. Waren und sind Texta, die Waxolutionists, Skero, Brenk oder die Vamummtn, um nur einige zu nennen, nicht ernstzunehmen? Dorian Concept hat seine Wurzeln bei J Dilla, muss er jetzt um seine Seriosität fürchten? Zugegeben, Kamp war noch nie ernstzunehmen, aber durchaus erfolgreich in Österreich und Deutschland. Urbs&Cutex waren big in Japan. Ob an Qualität oder Verkaufszahlen gemessen: Die Behauptung in der Presse, dass außer DSL und den Aphrodelics nichts gewesen sei, hält der Realität in keiner Weise stand. Es sei denn, man misst die Musik der vergangenen zehn Jahre am ästhetischen Maßstab der Neunziger.

2. Ihr seid ja nur neidisch!
Der Presse-Artikel behauptet außerdem, dass erst der Einstieg des Blockstars-Albums in die iTunes-Charts uns dazu veranlasst hätte, „aufzuheulen.“ Er legt damit nicht nur nahe, dass wir uns hier über den Musikgeschmack anderer empören, sondern auch, dass wir uns anmaßen würden, darüber zu urteilen. Tatsächlich aber ging unsere Geschichte noch vor der Veröffentlichung des Albums online. Zudem hatte die vorangegangene Recherche einige Wochen in Anspruch genommen, ganz abgesehen davon, dass sich der Unmut über die Sendung schon lange zuvor, auch dank der Rekrutierungsmethoden, in unserem Umfeld sowie redaktionsintern verbreitet hatte. Uns Neidreflexe anhängen zu wollen – so geht es aus dem Artikel hervor, nicht ausdrücklich, aber durch die Andeutung eines kausalen Zusammenhangs – ist an sich zwar sehr österreichisch, trotzdem aber aus der billigen Kategorie.

3. Die 8 Mile durch Ottakring
Die Presse zitiert den Message-Artikel weiters damit, dass „die Hip-Hop-Kultur in ein schiefes Licht gerückt wird, wenn sie fortwährend mit Kleinkriminalität, Sexismus und Gewalt in Verbindung gebracht wird.“ Das wirke „ein bisschen scheinheilig“, schreibt Samir Köck, und verweist darauf, dass Hip Hop in amerikanischen „Großstadtghettos“ entstanden sei und die größten Stars wie Eminem, 2Pac und 50 Cent auch aus „problembehafteten Verhältnissen“ kämen. So weit, so wahr. Nur möge uns Samir Köck bitte die Großstadtghettos in Wien, Linz oder Graz zeigen. Uns sind sie in den bald 15 Jahren unseres Bestehens noch nicht untergekommen.

Ging es im Deutschrap vor der Ära von Aggro Berlin, Bushido oder Sido überhaupt ums „Ghettoleben“? Nicht wirklich. In Österreich hat auch die Einzelerscheinung Nazar wenig daran geändert. Trotzdem gibt es die Klischees, vor allem deshalb, weil sie gute Geschichten ausmachen, Zeitungen verkaufen, Quote bringen. Sie passen ins Geschäftsmodell der Privatsender und Krawallblätter: Drogen, Gewalt, Sex und Jugend verpackt in die Figur des bösen Rappers, am besten arbeitslos, noch besser mit Migrationshintergrund, der „Authentizität“ wegen. Die Zuseher sind die Schemen der „Sozialpornos“ gewöhnt. Immerhin sitzen wir selbst manchmal vor der Glotze und schauen „Saturday Night Fever“ oder „Das Geschäft mit der Liebe.“

Aber wäre es nicht genau die Aufgabe des ORF-Fernsehens, die Dinge anders anzupacken? Auf vollen zwei Absätzen führt die Presse aus, wie sehr Sido den Gewinnern nicht geholfen hätte. Der eine habe jetzt seine eigene Wohnung. Der andere mehr Selbstvertrauen. Doch auch wenn sich Köck alle Mühe gibt: Eine Reality-Soap ist keine Psychotherapie-Session, auch wenn man sie als solche verkaufen wollte. Das sollte nicht die Aufgabe des ORF sein. Auch wenn es zwei Menschen danach etwas besser geht, was hat der Zuseher davon? Wo ist der Mehrwert für die Gesellschaft, derer sich der ORF eigentlich verpflichtet fühlen sollte? Das Ziel hinter „Blockstars“ war es offenkundig nicht, Menschen zu helfen oder jungen Leuten Musik näherzubringen. Für schlichte Unterhaltung gibt es allerdings ein ausreichendes Ausweich-Angebot im Privatfernsehen.

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Die Redaktion

PS: Die Sendung „Tribe Vibes“ wurde von Katharina Weingartner ins Leben gerufen, nicht von Werner Geier (RIP), wie im Presse-Artikel behauptet.