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„Ich grenze niemanden aus“ // Richy von den Droogieboyz im Interview

„Ich grenze niemanden aus“ // Richy von den Droogieboyz im Interview

Droogieboyz 2018

In den vergangenen Jahren wurde den Droogieboyz immer wieder eine gewisse Nähe zum rechten Milieu nachgesagt. Von Außenstehenden häufig aufgrund ihres martialischen Auftretens und einer guten Vernetzung in der – grundsätzlich apolitisch agierenden – Rapid-Fanszene. Bisher haben sich auch die beiden Mitglieder Richy und Guilty in der Öffentlichkeit zumeist als unpolitisch bezeichnet, Anschuldigungen setzten sie oft ihre engen Kontakten zur Eastblok Family und anderen Wienern mit Migrationshintergrund entgegen.

Im Oktober 2018 geriet Richy allerdings erneut ins Visier, nachdem er Kroko Jack und Kid Pex auf Facebook wegen des Tracks „So viel Polizei“ kritisiert und dazu einen Artikel des Wochenblick geteilt hatte. In diesem wurde neben einigen abfälligen Kommentaren zu den beiden Rappern FM4 als die „mit Zwangsgebühren finanzierte Stimme der hasszerfressenen linksextremen ‚Kultur'“ bezeichnet, Deutschrap als „banales Genre“. Seither warf Kid Pex Richy etwa auch vor, 2011 beim Trauermarsch für einen rechtsextremen Austria-Fan dabei gewesen zu sein und auf Fragen dazu nur mit Beschimpfungen reagiert zu haben. Die Causa kochte nach dem kürzlich erschienenen Interview von Kid Pex mit The Message erneut auf. Nun ist es Richy ein Anliegen, die Anschuldigungen endgültig aus der Welt zu schaffen. Wir haben ihn getroffen, um die einzelnen Punkte auszudiskutieren.

Droogieboyz 2018
Fotos: Moritz Nachtschatt (2018)

The Message: Warum hast du den Wochenblick-Artikel zu „So viel Polizei“ auf Facebook geteilt? Es hätte viele Artikel von anderen Medien gegeben …
Richy:
Irgendwer hat mir den über WhatsApp geschickt, ich weiß nicht mehr genau wer. Auf die Art: ‚Schau dir an, was da steht, was sie mit der Nummer aufführen!‘ Ich habe die Nachricht gelesen und im ersten Moment gedacht, dass es eine Schweizer Tageszeitung ist, da gibt es ja einen Blick oder so. Ich habe davor ehrlich gesagt noch nie etwas vom Wochenblick gehört.

Hast du den Artikel auch gelesen, bevor du ihn geteilt hast?
Nein, ich habe nur die Überschrift gelesen, die war ziemlich reißerisch. Da habe ich mir gedacht: ‚Na bumm, des hast wieder gut hinbracht!‘

Aber dir ist bewusst, dass es eine schiefe Optik erzeugt? Der Wochenblick ist klar am rechten Rand zu verorten.
Ja, das mag sein. Ich habe wie gesagt nicht gewusst, dass es die ur rechte Seite ist. Mir ist es mehr darum gegangen, was sie mit der Nummer bewirken. Ich verstehe die Ambitionen dahinter, aber es war einfach Oasch umgesetzt. Für mich ist der Grund, warum wir da sitzen: Er (Kid Pex, Anm.) kann mich anpatzen wie er will, aber wenn er andere Leute wie Pezo Fox mitreinzieht, hat er für mich eine Grenze überschritten. Jeder, der Pezo kennt, weiß, dass der Vorwurf, dass er sich bei Hooligans einschleimt, lächerlich ist. Ich habe nicht mal eine Telefonnummer von Pezo, also was soll der Scheiß? Bevor ich die Kritik am Track geäußert habe, war alles cool zwischen ihm und mir. Wenn ich ihn wo angetroffen habe, hat er mich immer normal begrüßt. Zum Beispiel bei einem bekannten Motorradclub, wo er anwesend war, um Securitys für seine Show in der Generali Arena anzuwerben. Da hat er nie irgendwas von Nazi zu mir gesagt.

Aber es ist auch die Frage, wie du die Kritik äußerst. Kid Pex engagiert sich bei antifaschistischen Veranstaltungen und Demos, du gibst dich in der Öffentlichkeit meist unpolitisch. Dann kritisierst du ihn, indem du einen Artikel eines Rechtsaußen-Magazins postest. Verstehst du, dass das etwas auslöst und dich in Erklärungsnot bringt?
Das mag sein, aber es war nie so gewollt. Mich interessiert die rechte Ecke überhaupt nicht. Das Groteske ist ja: Im Stadion hauen sich rechts denkende Menschen jetzt über mich ab und sagen: ‚Haha, jetzt bist bei deine Linken da Nazi!‘ Weil ich derjenige bin, der immer gegen sie redet. Aber ich mache den Unterschied, dass ich die Leute nicht ausgrenze.

Ein weiterer Vorwurf ist, dass du 2011 beim Gedenkmarsch für Uwe – einem Mitglied der rechtsradikalen Austria-Hooligan-Fraktion „Unsterblich“ – warst. Du hast in einem Interview gesagt: „Der Verstorbene war ein Großer von der Austria und wenn man da nicht zusammenhält, wenn jemand stirbt, wann dann? Mit unserer Teilnahme am Trauermarsch und dem Spiel haben wir ihm auch den letzten Respekt erwiesen.“ Er sei abgesehen vom Politischen als Mensch ein Großer gewesen. Wie kann er als Mensch ein Großer sein, wenn er Nazi-Gedankengut hat?
Da muss man zwei Sachen trennen. Die politische und die fußballerische Seite. Der besagte Mensch war, egal was für ein Gedankengut er gehabt hat, eine große Figur in der Fankurve der Austria. Und wenn du ihm über die Jahrzehnte als Rivale gegenüberstehst, du mit ihm und gegen ihn einige Sachen erlebt hast, überwiegt das für mich. Privat hatte ich keinen Kontakt mit ihm. Er ist nicht auf natürliche Weise gestorben und hat ein Kind hinterlassen, das nicht mehr gewusst hat, was los ist. Für mich war die Frage: Was kann ich machen, um dem Rivalen zu zeigen, dass wir das nicht leiwand finden? Durch eine Anteilnahme. Also gehe ich aufs Begräbnis oder auf den besagten Trauermarsch. Ich habe bewusst den Marsch gewählt, weil ich seine politische Einstellung gekannt habe – mit der ich absolut nichts anfangen kann –, und gewusst habe, dass besagte Leute beim Begräbnis sicher anwesend sein werden. Der Trauermarsch war vor einem Austria-Spiel. Wir wollten bis vors Stadion mitgehen und sagen: ‚Heast Leidln, mein Beileid!‘ Das haben wir gemacht, wir waren beim Treffpunkt und sind ganz hinten gestanden. Als sich der Marsch in Bewegung gesetzt hat, haben wir gesehen, was passiert. Es war auch abgesehen vom Politischen chaotisch und einem Trauermarsch nicht würdig – die haben sich nur gegenseitig angfäut. Von Rapid waren vielleicht 30 Leute dabei, ich mit drei, vier Freunden.

Laut dem Fußballmagazin Ballesterer waren „Scheiß Juden“-Rufe und ein Hitlergruß zu vernehmen, mit Gerd Honsik war ein bekannter Neonazi und Holocaustleugner vor Ort. Hast du davon etwas mitbekommen?
Das weiß ich nicht, ist möglich. Gerd Honsik würde ich nicht einmal erkennen. In dieser Fußballgeschichte habe ich dem Erzrivalen mit der Anteilnahme meinen Respekt gezeigt. Das hätte ich genauso für einen Linksextremen gemacht. Als sich der Marsch in Bewegung gesetzt hat, waren Rufe und was weiß ich was zu hören. Ich habe meinen Leuten, die alle nicht rechts sind, gesagt: ‚Der Scheißdreck interessiert mi ned. Hau ma uns in 15A owe nach Simmering!‘ Und das haben wir gemacht.

„Unsterblich“-Mitglieder waren im Oktober 2013 maßgeblich bei einem Angriff aufs Ernst-Kirchweger-Haus (ein Zentrum antifaschistischer und migrantischer Vereine, Anm.) beteiligt. Was geht dir bei solchen Vorfällen durch den Kopf?
Erstens, dass es eine komplette Trottelaktion ist. Zweitens habe ich mit Unsterblich gar nichts am Hut, ich habe zu denen keinen Kontakt. Das ist eine Partie von ihnen, der besagte Mensch war dort dabei, ja.

Wie erklärst du dir die Reaktion Außenstehender, dich immer wieder ins rechte Eck zu drängen?
Bis zur Kritik bin ich nicht in das Eck gedrängt worden. Ich habe ihn dafür kritisiert, dass er so etwas macht und für mich da nichts rauskommt.

Ist HipHop für dich eine Protestform?
Ja, natürlich. Das ist schon okay. Aber die Nummer („So viel Polizei“, Anm.) spaltet noch mehr, als dass sie zusammenführt. Für mich war die Kritik, dass sie einfach schlecht war. Ich habe mich maßlos geärgert. Dieses Land ist gespalten bis zum Gehtnichtmehr, das wissen wir mittlerweile. Als ich die Nummer gehört habe, habe ich mir gedacht: ‚Oida warum?‘ Ich sitze mit Leuten zusammen, die schlecht über Flüchtlinge reden und ich habe ihnen immer mit Argumenten entgegengesetzt. Dann kriegst du quasi von deiner Seite etwas, wo du dasitzt und denkst: ‚Na oida, des hamma jetzt braucht.‘ Er sorgt doch nur dafür, dass sie noch mehr drauffahren und sagen: ‚Scheiß Linke, scheiß Sozis!‘ Bei der Nummer kommt für mich nichts raus, um die Gesellschaft wieder dorthin zu bringen, wo sie einmal war. Miteinander statt gegeneinander.

Und ja, ich habe, als 70 Flüchtlinge in diesem Klein-LKW elendig verreckt sind, einen Monat „Refugees Welcome“ als Profilbild gehabt – abgekürzt „RFGS WLCM“, wie bei Run DMC mit den zwei roten Strichen untermalt. Für mich war ganz klar, dass es so nicht geht und dass das eine menschliche Katastrophe ist. Wir haben dadurch sicher einige Leute verloren. Wir haben auch Sachen gesammelt, die wir damals nach Traiskirchen gebracht haben. Aber das wird alles nicht erwähnt.

Weil du es selbst nie erwähnst. Wieso hast du das Kid Pex nicht so entgegnet?
Ich muss es nicht nach außen tragen, weil ich weiß, was ich mache und mich nicht dauernd mit irgendeinem Sponsoring hergehe und sage: ‚Schaut’s, was ich mach!‘

„Die Kritik juckt mich nicht“

Aber das hätte diese Vorwürfe schnell entkräftet.
Ja, drum sitze ich jetzt mit dir da. Ich bin kein Mensch, der es an die große Glocke hängt, wenn er etwas macht. Ich muss nicht alles öffentlich auf Facebook zeigen. Ich gebe auf Facebook zwar Statements zu Fußball, Politik und so weiter ab, lösche aber paar Tage später wieder alles, was nichts mit meiner Musik zu tun hat. Das habe ich schon immer so gemacht, deshalb habe ich auch das Posting mit dem besagten Artikel über ihn gelöscht. Was bleibt unterm Strich? Er spricht von irgendeiner Hetzkampagne, bitte was soll ich gegen ihn hetzen? Er sagt, dass seine Pickerl seitdem mit irgendwelchen NS-Symbolen überpickt sind. Das mit mir in Verbindung zu bringen, ist absurd. Na klar, ich werde irgendwen anrufen und sagen: ‚Heast Leidln, überklebt’s seine Pickerl!‘ ich denke am Tag keine fünf Sekunden an ihn, er ist mir völlig wuascht. Wir haben bei uns im Lager Tausende Droogieboyz-Pickerln und ich habe es nicht mal geschafft, diese irgendwo in der Stadt zu platzieren. Aber mit seiner Kritik an meiner Person kann ich gut leben. Die juckt mich nicht. Wenn ich wirklich die Person wäre, wie er es mir vorwirft, dann würde es mich jucken.

Droogieboyz 2018

Du hast vorher gesagt, dass ihr Sachen nach Traiskirchen gebracht habt. Was habt ihr da gespendet?
Textilien und Geld, wie auch für andere gemeinnützige Zwecke und Einrichtungen. Wir machen das schon immer. Aber das zu machen wie er, sich mit eigenen Merch-Pullovern in der Zeitung zu zeigen, ist für mich eine schiefe Optik. Im Endeffekt ist es dann Werbung in eigener Sache.

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(c) Philip Pesic

Aber es ist besser, als nichts zu tun.
Das stimmt, es ist ja eine gute Aktion. Aber er nutzt sie auch für seine eigenen Zwecke aus, wenn er nur sein Merch spendet. Ich würde nie einen Droogieboyz-Pullover spenden. Es kommt von meiner Person und hat nichts mit den Droogieboyz oder meiner Musik zu tun. Wenn ich helfen will, helfe ich. Aber dann muss ich nicht überall mit meinen Sachen dastehen und es der ganzen Welt zeigen. Wer muss das sehen? Die Leute, denen ich helfe, wissen es eh und das genügt.

„Fußball ist ein Spiegelbild der Gesellschaft“

Wie vereinst du es, dich in Fußballkreisen teils mit rechtsextremen Leuten und gleichzeitig im „Gegenpol“ HipHop mit Leuten wie Svaba Ortak, Doni Balkan oder Esref unterwegs zu sein?
Wenn du mit Rapid unterwegs bist, hast du alles beieinander. Du erlebst Sachen, die nichts mit Politischem zu tun haben. Es gibt gewisse Punkte, mit denen man sich miteinander identifizieren kann. Fußball ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Für mich geht’s um Rapid. Jeder der mich kennt weiß: Wenn er mit mir redet und dabei politisiert, sage ich sofort meine Einstellung und wie ich denke.

Wie denkst du?
Dass die Menschheit sich nur weiterentwickeln kann, wenn sie gemischt wird. Für mich ist es völlig blunzen, woher ein Mensch ist, wer er ist, welche Religion er hat – wenn er nichts Böses in sich trägt.

Und das hört sich für dich auf, wenn irgendwo NS-Symbole auftauchen?
Sowieso. Diese Ideologie kann ich nicht supporten, nicht akzeptieren, das ist ein No-Go. Aber ich bin nicht auf der Welt, um anderen Leuten zu sagen, was sie denken und machen müssen.

Wo ziehst du generell die Grenze, wenn jemand rechtsradikales oder neonazistisches Gedankengut hat?
Wenn sich Leute mit diesem Gedankengut politisch aktivieren und damit anderen Leuten schaden. Wenn jemand dadurch die Öffentlichkeit aufhetzt oder rausgeht und wen niederhaut, kann ich mit der Person nichts anfangen. Genauso ist es umgekehrt. Mit dem brauche ich keinen Dialog mehr führen. Aber denken kann jeder Mensch, was er will. Wenn er meint, die Ausländer oder die Flüchtlinge nicht zu packen, dann ist das so. Das wirst du immer haben und nie ausrotten können. Am Fußballplatz werde ich jemandem, der anderer Meinung ist als ich, immer entgegensetzen und darauf hoffen, dass er darüber nachdenkt. Vielleicht kommt er irgendwann zu mir und sagt: ‚Heast, eigentlich hast du in dem oder dem Punkt recht!‘ Aber mit Leuten, bei denen ich weiß, dass sie schwer im rechten Eck sind und sich mobil machen, sich politisch in der Öffentlichkeit aktivieren, hört es sich für mich auf  – mit einem Martin Sellner könnte ich zum Beispiel nicht auf ein Bier gehen.

Wo würdest du dich politisch einordnen?
Mitte-links. Ich habe mich aber nie politisch aktiviert. Ich werde jetzt nicht sagen, wen ich wähle, aber nie wählen werde ich die populistischen Parteien, da fährt die Eisenbahn drüber. Vor Politikern wie bei den Grünen, den Sozialisten oder Liberalen habe ich keine Angst. Aber wenn einer sagt: ‚Das Gesetz muss der Politik folgen‘, schrillen bei mir die Alarmglocken. Wenn jemand von unseren Fans sagt: ‚Jetzt erst recht!‘, soll er das machen. Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um die Leute zu bekehren. Ich grenze niemanden aus. Mit mir kann jeder reden, ich gehe mit jedem auf ein Bier, auch wenn er anderes Gedankengut in sich trägt – solange er kein politischer Aktivist ist.

Du siehst es nicht als deine Aufgabe, aber glaubst du, dadurch schon mal etwas bewirkt zu haben?
Dass jetzt einer vom Rechten zum Linken geworden ist? Sicher nicht. Aber dass Leute gewisse Ansichten gehabt haben und mir dann bei Sachen zugestimmt haben, ist schon ein Erfolg. Man kann reden. Die Menschheit ist so, es wird nie jeder gleich denken. Es wird immer die und die Seite geben. Wenn ich nicht zum Fußball gehen würde, wäre es vielleicht was anderes. Aber dadurch, dass ich seit 30 Jahren hingehe und jede Art von Mensch antreffe, habe ich damit mehr Kontakt.

Zum Abschluss möchte ich noch eines klarstellen: Ich war noch nie und bin auch jetzt nicht Mitglied eines Fanklubs bei Rapid. Ich mache Musik, dadurch kennt man mich und deswegen habe ich auch fast zu jedem aktiven Fanklub Kontakt, mehr nicht. Ich bin und bleibe einzig und allein ein Kind des Block West.