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Svaba Ortak, ein Mysterium aus Wien // Eine Begegnung

Svaba Ortak, ein Mysterium aus Wien // Eine Begegnung

Fotos: Daniel Shaked

Auch ohne Albumveröffentlichung war für den Wiener Rapper Svaba Ortak das vergangene Jahr turbulent. Zunächst wirkte noch der „Meine Stadt“-Song „Ungestreckt“ nach, bevor im Februar mit Haze für „Wows“ in der Straßenrap-Community gesorgt wurde: Svaba Ortak war nicht nur zweimal auf Hazes erfolgreicher „Die Zwielicht LP“ als Featuregast vertreten, sondern fertigte mit dem Karlsruher zusätzlich eine gemeinsame EP namens „Zukunft“ an. Ein Titel, der als Versprechen taugt. Doch das ganz große Glück lag 2018 auf den Bühnen, machte Svaba Ortak mit stark frequentierten Auftritten bei RAF Camoras Homecoming-Show in der Marx-Halle und auf dem Donauinselfest als begabter Livekünstler auch außerhalb von Insiderkreisen von sich reden. 2018 war somit endgültig klar: Der Rapper aus Landstraße-Mitte ist hochentzündlich. Der Funke, der das Feuer auslöst, befindet sich in direkter Nähe.

Direkte Nähe bedeutet, dass Svaba Ortak im März 2019 endlich sein Solodebüt „Eva & Adam“ veröffentlicht. Snippet und Vorab-Singles sind gute Indizien dafür, dass Svaba Ortak in die Fußstapfen seines Kumpels Haze treten und wie jener ein Straßenrap-Album präsentieren wird, das ohne die üblichen Fremdscham-Momente auskommt. Weil Svaba Ortak auch etwas zu erzählen hat. Eine Eigenschaft, die zu vielen im Subgenre fehlt.

Was vielen nicht fehlt, ist der offenherzige Umgang mit Medien und Social-Media-Plattformen. Doch Svaba Ortak geht hier einen diametral anderen Weg. Interviews gibt er selten, auf den sozialen Netzwerken bekommt man bei einer verhaltenen Anzahl an Postings nicht viele Einblicke. Die Strategie, die Person hinter der Musik möglichst aus dem Spiel zu lassen, ist eine bemerkenswerte. Die Beweggründe dafür interessieren mich – und auch die Möglichkeit, das Mysterium Svaba Ortak ein Stück zu entschlüsseln. Kurz vor Weihnachten klappt ein Termin mit dem Rapper.

Lieber die Musik sprechen lassen

Ich treffe Svaba Ortak an einem verregneten Sonntag am Bahnhof Landstraße-Wien-Mitte, einem verkehrstechnischen Knotenpunkt der Stadt. Am Samstag zog eine große Demonstration gegen die Regierung durch Wien, deren Spuren heute noch sichtbar sind. Im Vorfeld erklärte mir Svaba Ortak, dass er kein herkömmliches Interview geben will. Das sei aber halb so schlimm, denn schließlich wolle er reden, das Ganze soll dann aber bitte in Artikelform erscheinen. Ich willigte ein, geht es mir in erster Linie darum, dass es keine inhaltlichen Tabus gibt. Die sollte es nicht geben. Trotzdem machte ich mir im Vorfeld meine Gedanken, was ich als Ergebnis dieser Begegnung wohl mitnehmen kann.

Entgegen allen Rapperklischees erscheint Svaba Ortak überpünktlich am ausgemachten Treffpunkt vor einer Bäckerei am Bahnhofseingang. Angezogen mit navyblauer Jack-Wolfskin-Jacke, die noch ein Relikt aus seiner Zeit in Frankfurt sein könnte (Jack Wolfskin genießt bei Frankfurter Straßenrappern als Tarnjacke hohe Popularität, wie Abdi einst bei Noisey erörterte), Jogginghose und Nike Airmax, spiegelt seine Laune nicht das Wetter wider, das heute einem unnachgiebig den Wind ins Gesicht schlägt. Ein Zug wird noch von der Zigarette genommen, ein abschließender Blick aufs Handy geworfen. Dann begrüßt er mich freundlich und überlässt mir die Wahl des Lokals. „Wir haben heute viel Zeit, wir können über alles reden“, meint er. Das sind nicht die schlechtesten Vorrausetzungen.

Wir einigen uns auf ein Kaffeehaus in direkter Bahnhofsnähe. Svaba Ortak begrüßt den Kellner auf eine herzliche Art, so, wie sich üblicherweise Freunde begrüßen. In eine der hintersten Ecke, unter einem großen Flatscreen, lassen wir uns nieder. Auf dem Fernseher flimmert der Biathlon-Staffel-Wettbewerb aus Hochfilzen, musikalisch untermalt von durchgekautem Austropop und ausgeleierten Schnulzen, die aus undefinierbarer Richtung auf uns zuströmen. Svaba Ortak bestellt eine Dose Energydrink und ein Glas Wasser. Letzteres benötigt er zur Einnahme seines Nahrungsergänzungsmittel, befindet er sich momentan im Training. Die brausige Mixtur getrunken, atmet er noch einmal ein und erklärt sich für meine Fragen bereit.

Ohne Umschweife möchte ich wissen, warum Svaba Ortak diese doch etwas sonderbare Beziehung zur medialen Welt pflegt. Ist es nicht gerade für Musiker vor dem Durchbruch essentiell, tägliche Präsenz zu zeigen, eben auch abseits der Musik? Svaba Ortak vertritt hier einen anderen Standpunkt: „Ich will ein Mysterium bleiben. Es gibt Rapper, die geben alles über sich preis, du weißt alles über die. Ich will das Gegenteil davon sein. Bei mir soll die Musik für sich sprechen“. Dieser Gedanke, dass das Werk ein Eigenleben fernab des Künstlers führen soll, ist für die Popkultur einerseits etwas antiquiert. Andererseits bewegen wir uns im Playlist-Streaming-Zeitalter wieder auf den Punkt hin, wo das Kunstwerk wieder verstärkt Priorität gegenüber dem Künstler genießt. An der Idee, die volle Kraft für die Musik zu investieren und nicht für die so oft vorkommenden Marketing-Blödeleien, ist allerdings nicht wirklich etwas einzuwenden.

„Mehr als Rap, lebenslanger Schmerz“

Dieses Argument der für sich sprechenden Musik verwendet Svaba Ortak auch, als das Gespräch auf die gestrige Demonstration und Politik im Allgemeinen fällt. Hier verfolgt er die Linie, dass seine Texte schon politisch genug seien, jegliche weitere Stellungnahme daher unnötig wäre. Aber ganz so streng sieht er das im Folgenden doch nicht. Mit einem enttäuschten Klang in der Stimme bekrittelt er die neue soziale Kälte, die sich in Wien breit mache, und die ansteigende Salonfähigkeit von Rassismus. Selbst er, der in Wien Geborene, hätte seine Erfahrungen damit machen müssen. Er, der so eine tiefe Bindung zu Wien hat, dass ein entsprechender Schriftzug seine Brust schmückt. Das sind jene Momente, in denen man Schmerz bei ihm verspüren kann. Gleichzeitig sind das jene Momente, die Svaba Ortak motivieren. Aus denen er jenen Hunger schöpft, der seine Musik ausmacht. Den Hunger danach, es unbedingt, allen Widrigkeiten zum Trotz, schaffen zu wollen.

Von der Politik führt das Interview zu seiner Rapsozialisation. Rap begleitet Svaba Ortak die meiste Zeit seines Lebens. In den Kindheitstagen kam er mit Eminem in Berührung, „8 Mile“ wurde so oft abgespielt, noch heute kann er aus dem Stegreif Zeilen aus den Battles aufsagen. Eminem trat aber nicht nur in der Figur des Jimmy Rabbit in die Welt des jungen Svaba Ortak ein. Sein Album „The Marshall Mathers LP“ (2000) machte viele Runden im CD-Player, womit die Lage in seinem Jugendzimmer jenen der meisten anderen zu dieser Zeit gleichte. Der Name einer anderen Platte, die er danach als wichtigen Einfluss nennt, fällt hingegen weniger erwartet: „The Documentary“ von The Game, 2005 erschienen. Seine Augen fangen beim Namen The Game gar zu funkeln an. So wie bei Kindern, wenn sie die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum entdecken. Jeden Synth, jede Strophe aus dem Album, die kenne er. Und „Like Father, Like Son“, eine Kollabo zwischen The Game und Busta Rhymes, sei sowieso eine, wenn nicht sogar die beste Nummer überhaupt.

Überraschend ist diese Nennung, weil die überwiegende Mehrheit des musikalischen Schaffens von Svaba Ortak klassisch nach Straßenrap Marke Ostküste klingt. Capone-N-Noreaga und Mobb Deep, hier vor allem die Solosachen von Prodigy, die er ebenso als Einfluss nennt, passen besser in seine musikalische Sphäre, die lange Zeit lautete: schnörkelloser BoomBap-Sound mit harten Drums, auf denen ungeschminkte Tales aus den dunklen Ecken der Gesellschaft erzählt werden. Dort, wo sich Messerstechereien, Schutzgelderpressung und Dealereien im Park ereignen. Grimmige Zeilen legte er auf grimmige Sounds, bis kürzlich vollzogene Soundausflüge das dunkle klangliche Wolkenmeer etwas erhellten.

Thematisch klingt das nach Standardprogramm, das genauso gut aus Frankfurt kommen könnte. Vom Gros seiner Kollegenschaft unterscheidet sich Svaba Ortak durch seine ausgefeilte Technik, aber noch weitaus stärker durch seinen spezifischen Slang, der sich auch im Interview zeigt. Mit Vorliebe vermischt er Wiener Dialekt mit Hochdeutsch und serbischen Ausdrücken, der Begriff des „Bruders“ wird als Bindemittel inflationär gebraucht. Ein Sprachfluss, der rhythmisch klingt und einen in die Erwartung versetzt, dass er gleich zu einem 16er ansetzen würde. Doch das alleine ist nicht sein ganzes Alleinstellungsmerkmal. Dieses liegt auch in seiner Passion für philosophische Texte, die er mit Vorliebe in seine Lyrics einwebt.

Denn, und das wird schnell klar: Mit dem Klischee in Form des unbelesenen, höchstens die Biografie von Iceberg Slim kennenden Straßenrappers bricht er ebenso. Seine Ausbildung als Drucker schloss Svaba Ortak mit einem Diplom ab. Wenngleich er nie in diesem Berufsfeld arbeiten konnte, blieb die Begeisterung für das gedruckte Buch bis heute bestehen. Das ist ein Grund, warum er mit der Smartphoneabhängigkeit der Jugend nicht viel anfangen kann. „Mehr Bücher lesen, weniger aufs Handy schauen“, das wäre seiner Meinung nach eine positive Entwicklung.

Ein Serbe in Wien

Dass das keine leeren Wörter sind, kann man etwa bei „Serben in Wien II“ (2010) hören, wo sich Svaba Ortak tief durch die serbische Geschichte bohrt und zum Nachrecherchieren animiert. Das ist beim Titel seines kommenden Albums eigentlich nicht nötig, die biblische Geschichte von Adam und Eva ist bekannt. Warum das Album darauf referenziert, will ich dennoch wissen. „Der Titel bezieht sich darauf, dass Eva und Adam in religiöser Hinsicht die Stammesväter aller Menschen sind. Und für mich nehmen meine Eltern diese Rolle ein. Das Album ist deswegen ein Geschenk an meine Eltern, die immer zu mir gestanden sind, bei allen meinen Kämpfen“. Aber warum Eva vor Adam? Svaba Ortak nimmt einen Schluck vom Energydrink und erklärt: „Das ist einfach darauf zurückzuführen, dass bei uns die Mütter die Töchter Söhne nennen. Eine Tochter ist bei uns so viel wert wie zehn Söhne. Die Tochter hat einen großen Stellenwert, weswegen ich sie an erster Stelle genannt habe“.

Der religiöse Bezug entspringt bei Svaba Ortak keinem Zufall. Religion spielt bei ihm eine große Rolle, das merkt jeder, der seine Musik hört. Auf seinem Rücken prangt zudem ein Tattoo des Klosters Ostrog, eines der bedeutendsten Klöster der serbisch-orthodoxen Kirche und ein imposantes, in einen Berg hineinragendes Bauwerk. Am linken Arm trägt er eine Brojanica, eine Gebetsschnur, die gemeinhin als serbisches Identifikationsmerkmal betrachtet wird. Das Hochhalten seiner serbischen Wurzeln ist Svaba Ortak äußerst wichtig. Obwohl ihm das früher teils harsche Kritik einbrachte. Als er seine zwei Teile zu „Serben in Wien“ veröffentlichte, glühten die Kommentarfelder. Für „Serben in Wien II“ distanzierte sich Svaba Ortak in einer Stellungnahme zwar vom Nationalismus und wies auf die wahre, positive Intention des Songs hin. Es half nur wenig, in den Kommentaren brach der erwartete Wirbelsturm wieder aus. Ein Prozess im Rahmen sozialer Medien, in den sich Svaba Ortak nicht einmischen will: „Ich habe meinen Song aus positiven Beweggründen gemacht. Dass manche dann das Schlechte darin sehen wollen, kann man nicht verhindern“.

Die prominente Betonung des ethnischen Hintergrunds speist sich bei Svaba Ortak aus der Orientierungslosigkeit zu Beginn seiner Karriere, als er nach entsprechenden Identifikationsfiguren im Rap suchte, aber keine vorfand. Jugoslawisch-stämmige Rapper waren damals im Deutschrap rar gesät. Nun will er diese Rolle selbst ausfüllen, indem er für die serbischen Kids ein Äquivalent zu dem darstellt, was für kurdische Kids Haftbefehl oder Azad sind: „Es kommen wirklich viele serbische Kids aus der Diaspora zu meinen Konzerten, die schwenken Fahnen, sind voller Stolz, dass auf der Bühne jemand ist, der sie repräsentiert. Es sind wirklich immer sehr berührende Momente, die sich auf meinen Konzerten ereignen“, sagt er, geht kurz in sich und setzt mit „Ich weiß, dass ich eine sehr verantwortungsvolle Rolle trage. Aber ich will den Leuten zeigen, wie schön die serbische Kultur ist. Klar, man soll immer die Wahrheit sagen. Aber wir sind keine Tiere, wie uns immer vorgeworfen wird“ fort. Eine Botschaft, die ihm merkbar ein Anliegen ist.

Frühe Wiener Vorbilder

Obwohl es an jugoslawischen Identifikationsfiguren mangelte: Hinsichtlich lokaler rappender Vorbilder wurde Svaba Ortak in seiner Anfangszeit rasch fündig, sein Gehör musste er nicht mehr nur deutschen oder amerikanischen Rappern schenken. Wichtige Veröffentlichungen waren damals die „Skandal EP“ von Raf0Mic, der spätere RAF Camora, und Emirez, die 2006 dieses auf Beats französischer Machart produzierte Tape via MySpace in die Welt hinausschickten.

Zur gleichen Zeit sorgten Aqil und Mevlut Khan, beide ebenfalls auf der „Skandal EP“ vertreten, mit ihrer Crew Sua Kaan für viel Furore in der österreichischen HipHop-Szene. Diese Form des Straßenrap, direkt aus Wien, zog ihn und seine Freunde in den Bann. Für Svaba Ortak war ab diesem Zeitpunkt klar, dass sich in Wien auf Deutsch, mit einer vom Lokalkolorit geprägten Sprache, ansprechende Rapmusik fabrizieren lässt.

RAF Camora blieb über die Jahre eine Vorbildfigur, da er stets Wege beschritt, die vor ihm wenige Rapper gegangen sind. Dieser Wagemut drückte sich bereits auf seinem Debüt „Nächster Stopp Zukunft“ (2009) aus, auf dem RAF ganz harmonisch verschiedene Musikstile kombiniert und seine Hooks selbst singt. Dies hinterließ bei Svaba Ortak Eindruck: „Auf ‚3 Mal‘ singt er auf Französisch. Da dachte ich mir: ‚So etwas will ich auch ausprobieren.‘ RAF war der größte Einfluss für meine Gesangspart, ganz klar“. Diese Gesangsparts mussten aber zunächst noch etwas warten. 2011 schloss er sich dem Kollektiv Eastblok an, einem multikulturellen Zusammenschluss von Rappern und Produzenten, der zu dieser Zeit schon ein namhaftes Standing in Wien hatte.

Eastblok ist die Fam

Bei Eastblok traf Svaba Ortak auf PMC und später Doni Balkan, die beide zu Mentoren und wichtigen Bezugspersonen wurden und einen großen Einfluss auf seinen weiteren Werdegang hatten: „Syc Tyson hat mich damals zu PMC gebracht. Seit dem ersten Tag sind Paul (PMC, Anm.) und ich wie Pech und Schwefel. Er und Doni Balkan, der später hinzukam, sind für mich große Mentoren, nicht nur in musikalischer Hinsicht, sondern auch in privater Natur. Es ist wichtig, solche Leute um sich zu haben. Die haben mir alles gezeigt, ich wusste damals nicht, was eine Kick ist, was eine Snare ist. Heute arrangiere ich Songs selbst“, sagt Svaba Ortak.

2011, nachdem mit diversen Single-Veröffentlichungen auf YouTube schon Klickerfolge gefeiert werden konnten, erschien mit „Ortak, Alles & Sofort“ das erste Mixtape. Ein damals zum Zeitgeist passender Free-Release, für den Fremdbeats wie „Das ist O.R.“ (Kool Savas) und „Live by the Gun“ (Tony Yayo) gepickt wurden. Flowtechnisch ist das Mixtape noch deutlich von deutschen Rappern beeinflusst, gleichzeitig sind erste Duftmarken Richtung Eigenständigkeit vorzufinden. „Ortak, Alles & Sofort“ war, ebenfalls mixtapetypisch, ein Versuch. Ein Versuch, der Svaba Ortaks damaligen Status als Rohdiamant festigte.

Ein anderer Versuch war mit weniger Ertrag gesegnet: 2011 gründete er mit Pinki und Manijak eine Crew, genannt Ortak, die nie wirklich Fahrt aufnahm. Für das Scheitern gibt es eine naheliegende Erklärung. „Musik war hier nicht so wichtig, wir haben mehr das Leben gelebt“, resümiert Svaba Ortak mit einem Lächeln. 2014 folgten dann die nächsten wichtigen Karriereschritte im Eastblok-Gespann. Für den Crew-Sampler „Alpha“ lieferte Svaba Ortak einige hörenswerte Beitrage, auf dem harten Gratis-Mixtape „Kaldrma“ („Pflasterstein“) präsentierte er sich als gereifter Rapper, der die ersten Entwicklungsstufen mit Bravour bewältigen konnte. Svaba Ortak, der infolge der Eastblok-Nights in der Szene Wien reichlich Bühnenerfahrung sammelte, war zu diesem Zeitpunkt bereit für das nächste Level.

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Blick Richtung Zukunft

Nach „Kaldrma“ ging Svaba Ortak für knapp zwei Jahre nach Frankfurt. Die große ex-jugoslawische Community war dafür der Hauptgrund, die Möglichkeiten, zu anderen Rappern Kontakte aufzubauen, spielten keine Rolle. Bevor er weiter über Frankfurt berichtet, benötigt er jedoch neue Energie. Ein weiterer Energydrink wird bestellt, was Svaba Ortak auch dazu nützt, dem ausgelaugt wirkenden Kellner einen guten Ratschlag gegen Müdigkeit auf den Weg zu geben.

Müde war die Zeit in Frankfurt nicht, ganz im Gegenteil. Wie der Zufall so will, fügten sich dort die Dinge ganz zu seinen Gunsten. Zufällig traf er auf Rapper wie Olexesh, die teilweise später auf seiner EP „Enter tha Dragon“ landeten. Mit dieser EP, aber auch seinem Featurepart auf „Bock nicht!“ aus „Der Sampler 3“ von der 187 Strassenbande (2015), konnte Svaba Ortak erstmals in Deutschland reüssieren. Ein Jahr später folgte in München dann das große Aufeinandertreffen mit RAF Camora. Mit dem Wiener Vorbild, dem er nie in Wien in Natura begegnen konnte.

Die Stimmung bei dem Treffen, das während RAF Camoras „Ghøst in der Luft“-Tour stattfand, war ausgezeichnet. Beide entdeckten eine Reihe von Gemeinsamkeiten, die besonders auf den Arbeitsprozess und den Perfektionismus, der beiden Charakteren anlastet, abzielen. Eine Freundschaft entwickelte sich, RAF Camora engagierte Svaba Ortak zur Eröffnung seines Homecoming-Konzerts in der Marx-Halle, das im April 2018 stattfand. Es sollte nicht die letzte Zusammenarbeit zwischen den beiden gewesen sein.

Sie nennen ihn Falke

Obwohl die Aufnahmen für „Eva und Adam“, das seine persönliche wie die Evolution von HipHop insgesamt nachzeichnen soll, gerade beendet wurden: Svaba Ortak gönnt sich keine Pause, sondern arbeitet weiter ununterbrochen an Musik. Kürzlich habe er sich ein Instrument gekauft, eine Gusla. Voller Stolz präsentiert er mir auf seinem Handy ein Foto, das ihn mit dieser Schalenhalslaute zeigt. In Serbien und Montenegro entflammte erst wenige Tage zuvor wieder eine Debatte über die Herkunft dieses Instruments, mit dem sich einst auch Tennis-Held Novak Djokovic feierlich ablichten ließ. Die Gusla verfügt über einen solch hohen Stellenwert in vielen Balkanstaaten, großes Streitpotential ist damit quasi inbegriffen.

Auch für Svaba Ortak ist die Gusla kein beliebiges Instrument. Davon zeugt, dass er die Gusla auf seiner Haut verewigte. „Die Gusla ist das erste und einzige Instrument, welches ich spiele. Ich möchte das unbedingt erlernen. Sie ist nämlich so arg mit unserer Kultur verwurzelt. Als ich in Montenegro war und die Gusla bei mir hatte, wurde ich nicht einmal kontrolliert. Die sagen dort: „Du bist ein Guslar? Geh einfach durch!“ Weil sie einfach einen so großen Stellenwert hat. Mich nennen auch alle Falke wegen dieses Instruments, weil der Kopf einer Gusla oft mit einem Falken geschmückt ist“, erzählt Svaba Ortak, und dieses Funkeln in den Augen, das er bei The Game hatte, kommt wieder zum Vorschein.

Für die Kultur

Mit seinem Faible für die Gusla bricht Svaba Ortak ein weiteres Mal mit dem Klischee. Und das nicht zum letzten Mal. Denn von der Distanz zur HipHop-Kultur, die sich im deutschsprachigen Straßen- und Gangstarap jahrelang eingenistet hat, hält Svaba Ortak nichts. Svaba Ortak war immer HipHopper. Einer, der allen Elementen der Kultur stets mit großer Neugierde und Respekt begegnete. Dass er mit Graffiti etwas anzufangen weiß, ist wenig überraschend, bei seiner Passion für das Zeichnen. Ein paar Tags wurden selbst angefertigt, „Toy-Shit-Tags“, wie er sie nennt, platziert zwischen Modenapark und Czapkapark.  Trotz der Bewunderung für Sprayer und diesbezüglichen Bekanntschaften blieben die Berührungspunkte aber von oberflächlicher Natur.

Ähnlich verhält es sich zum Breakdance. Selbst getanzt hat Svaba nie. Was aber nicht heißt, dass keine Bewunderung für die Körperakrobatik der Breaker bestehen würde: „Ich war auch auf Tanzveranstaltungen, ich respektiere das sehr. Was mir besonders imponiert, ist, wie ruhig und respektvoll es bei diesen Battles zugeht. Die Tanzkultur in Wien ist unfassbar groß“, erklärt Svaba Ortak mit einem Nachdruck in der Stimme, so dass man gar nicht anders kann, als ihm jede einzelne Silbe seiner Aussage abzukaufen.

Dieselbe Stimmlage kommt zum Vorschein, wenn er von der Wiener HipHop-Szene im Allgemeinen spricht. Ich will noch wissen, wie er die Zukunft der Wiener HipHop-Szene einschätzt. Die Antwort fällt beruhigend aus: „Die Wiener HipHop-Szene hat eine blühende Zukunft, da bin ich mir sicher. Es gibt einfach viele gute Künstler hier. Hier wächst etwas zusammen!“ Svaba Ortak erzählt anschließend davon, wie sehr er sich über den Erfolg anderer Künstler aus Wien freue; und selbst mit Rappern, zu denen er in der Vergangenheit kein friktionsfreies Verhältnis hatte, sich mittlerweile die Lage entspannte. Die Vision, dass in der Bundeshauptstadt die Community an einem Strang zieht, ist eine, die ihm sichtlich gefällt. Den Wien-Patrioten kann er an dieser Stelle nicht verbergen.

Als der letzte Läufer der siegreichen schwedischen Staffel im Hintergrund einläuft, ist auch unser Interview beinahe zu Ende. Aus den Boxen erdröhnt dazu, wie könnte es knapp vor Weihnachten anders sein, „Last Christmas“. Svaba Ortak leert die Dose Energydrink und richtet seine Augen Richtung Fenster. Draußen bahnen sich Schneeflocken ihren Weg auf die Pflastersteine, um sich, einmal angekommen, gleich wieder aufzulösen. Es ist Winter. Nachvollziehbar, dass Svaba Ortak das Wetter mit dem Wunsch, einmal nach Namibia reisen zu wollen, kommentiert. Auf den Geschmack gebracht haben ihn PNL, die das südwestafrikanische Land für das Video „La vie est belle“ so bildgewaltig in Szene setzen ließen.

Plötzlich reißt ihn das Handy aus den Reiseträumen. Ein Anruf aus Montenegro leuchtet auf dem Bildschirm auf. Er müsse gleich zurückrufen. Svaba Ortak versichert mir noch, dass er sich sehr über dieses Gespräch, in dem er über seine Passion für Rap so ausschweifend erzählen konnte, gefreut habe. Zu gewöhnlichen Interviews will Svaba Ortak aber auch zukünftig auf Abstand gehen. Ein Mysterium, das will er auch schließlich bleiben. Eines, das nur einzelne Blicke hinter der opaken Fassade zulässt und sich nicht zur Gänze entschlüsseln lassen will. Das soll sich auch durch einen Erfolg von „Eva & Adam“ nicht ändern.

Am 12.04. feiert Svaba Ortak seine Releaseparty zu „Eva & Adam“ in der SIMM City.
„Eva & Adam“ erscheint am 29. März.