Radio-Afficionado. Von Deutschrap über französischen & britischen Rap und natürlich…
Der Buffet-Tisch im Backstage der Fluc Wanne sieht aus wie angerichtet für einen Kindergeburtstag: Dinos, Haifische, Popcorn – alles dabei. Tatsächlich befinden wir uns aber in der Location, in der wir uns wenige Stunden später von einer hervorragenden Vorstellung (Review des Abends HIER) von Rin und Haiyti erstmals erholen müssen. Für ein Interview mit Rin vor seinem Auftritt ist die Zeit zu knapp, aber er ist sowieso noch ein paar Tage in der Stadt. Rin nimmt nämlich gerade sein gemeinsames Album mit Lex Lugner auf, bevor es mit der ganzen Crew von Live From Earth zum Splash geht. Des Künstlers Wunschort für das Interview: die Lugner City! Der Stuttgarter beweist Wien-Kenntnis und trifft uns – begleitet von Lex Lugner und Bausa (eines der vielversprechendsten Azzlack-Signings) – vor dem Einkaufszentrum, das als Grenze zwischen dem poschen 7. und dem 15. Wiener Gemeindebezirk fungiert. Wir lassen uns in einem Café nieder, um mit Rin über kroatische Musik und politische Provokation zu diskutieren. Natürlich nicht ohne uns erklären zu lassen, warum er die Lugner City so mag.
Fotos: Daniel Shaked
The Message: Warum wolltest du dich in der Lugner City treffen?
Rin: Weil die Lugner City der realste Ort in Wien ist.
Woher kommt diese Liebe für das Trashige?
Mein Freundeskreis und ich haben eine sehr große Liebe für Trash. RTL II, Deutschrap-Interviews … Alles von TV-Strassensound. Es ist eine große Leidenschaft für Trash.
Was ist gerade der Top-Trash im Deutschrap?
Danju. Der ist aus der gleichen Gegend in Stuttgart.
Cro doch auch oder?
Ja, das ganze Chimperator-Camp kommt von da.
Und du startest jetzt den Gegenangriff?
Ne, ich bin nicht die Gegenbewegung. Ich bin einfach mein eigenes Ding. Ob das später bei denen anstößt oder nicht, ist mir eigentlich auch egal.
Wo liegt die Grenze von Trash?
Das muss jeder für sich selber definieren. Wenn etwas eigentlich ernst gemeint ist und ich es lustig finde, dann ist das Trash für mich. Also Richard Lugner und viele Deutschrapper.
Richard Lugner ist ja eigentlich auch ein Deutschrapper.
Ich hab diese Sachen nicht gehört von ihm. Man kennt ihn in Deutschland nur wegen dieser Mausi und so. Deshalb ist der bei uns immer in den Schlagzeilen.
Mausi ist aber nicht mehr aktuell. Es gab noch Katzi, Bambi und …
Lex Lugner: Kolibri!
Ja, Kolibri war eine Rapperin namens Bahati Venus. Sie hat sogar beim VBT mitgemacht.
Rin: Eigentlich müsste ich das kennen, weil VBT haben wir uns komplett gegeben.
Du hast befreundete Rapper, die beim VBT mitgemacht haben?
Ja, Caz hat beim VBT mitgemacht (Anm.: unter dem Namen Hendrik Lamar) und wir haben uns das so ab 2011 gegeben.
Ist das VBT mittlerweile auch zu Trash geworden?
Trash nicht unbedingt, es ist einfach so eine Phase gewesen. Ich muss zugeben, ich hab‘ das schon sehr verfolgt mit Caz und damals auch schon viel von Weekend gehalten, battletechnisch.
Und warum glaubst du, ist es jetzt so unbeliebt geworden?
Bausa: Weil die Qualität nachgelassen hat.
Rin: Ja, weil es einen großen Unterschied zwischen lustige Videobattles und Musik machen gibt.
Funktioniert beides nicht?
Gehen tut es schon, aber die Einzigen, die da wirklich gut rausgekommen sind, waren Lance Butters und Mauli. Aber Mauli hat sich relativ früh von dem Ganzen verabschiedet. Er hat damals in der VBT Splash-Edition mitgemacht und dann war’s das schon. Shoutouts an Mauli!
Du meintest, dass dir fröhliche Musik zu klischeehaft sei. Aber traurige Musik läuft doch genau die gleiche Gefahr, oder nicht?
Ich finde es einfacher, echte traurige Musik zu machen als echte glückliche Musik. Natürlich kann beides sehr klischeebelastet sein, aber öfter entdecke ich mir real wirkende traurige Musik als mir echt wirkende glückliche Musik.
Welche Ereignisse sind es, die dich dann dazu bringen, traurige Musik zu machen? Kommt das von einem gewissen Weltschmerz?
Ich vermittle nur meine eigenen Gefühle, mehr nicht.
Aber kann man das als Weltschmerz bezeichnen?
Das soll später ausgelegt werden, ob das internationaler Weltschmerz ist oder nicht. Sollen die Fans entscheiden, aber ich vermittle eigentlich nur meine Gefühle, Sachen, die mir im Kopf herumirren.
Ist das eine Gemeinsamkeit zwischen den großen Künstlern? Dieser tiefe Schmerz?
Ja, egal ob im Kunst oder Film, die schmerzvollsten Personen haben meist die größte Kunst hervorgebracht.
Hörst du auch selbst so traurige Musik?
Ich höre vieles. Ich sitze aber nicht alleine vorm Computer und höre nur traurige Musik.
Aber kroatische Kriegslieder …
Ja, allgemein jugoslawische. Diese ganze Ostblock-Musik finde ich immer sehr gut. Ich mag das Falcetto in den Stimmen. (Lex, Anm.) Lugner hat mir geraten, dasselbe mal zu probieren. Vielleicht kommt’s ja noch dazu.
Kommt auch mal was auf Kroatisch?
Nein. Einen Track auf Kroatisch werde ich sicher nicht machen.
Welche Ostblock-Musik hörst du denn?
Oliver Dragojević, Thompson, Miroslav Škoro, also schon die Mainstream-Sachen. Und sonst ein paar Sachen von meiner Mutter, die sie mir gezeigt hat: Bijelo Dugme, Dino Merlin und die Matic-Brüder, die beide blind sind. Sie machen zwar diese Unterhaltungsmusik, also es ist nicht so dieser Schmerz – das läuft ja dort auch in den Clubs und so – aber es geht schon immer um Frauen. Dass sie ihn verlässt oder er sie verlässt. Aber es ist schon immer ein harter Rhythmus dahinter. Dejan Matic, „Sledeca„, eines meiner Lieblingslieder. Ich mag oft einfach die Lyrik dahinter aus unserer Jugo-Musik. Und ganz früher hab ich auch diesen Rapper gehört.
Edo Maajka?
Ja genau, Edo Maajka. Das ist das Einzige, was ich an Rap unten mitgekriegt hab damals, so vor vier oder fünf Jahren.
Wie hast du ihn mitbekommen?
Über Cousins. Wenn ich unten war, kam ich immer als der Deutsche, der diesen riesigen Ami-Einfluss hatte und immer die neueste Musik kannte, die bei denen immer erst später ankam. Heute ist es auch nicht mehr so, weil heute sind die aktueller als wir. Weil wir in Deutschland diese YouTube-Sperre haben.
Das Album von Edo Maajka war damals umstritten, weil es direkt nach dem Balkan-Krieg erschienen ist.
So krass habe ich mich nicht damit befasst. Ich habe mir jetzt nicht das ganze Album genau angehört und mich gefragt, ob der politische Musik macht. Ich habe mich ja nicht in dem Markt dort befunden, das heißt ich hätte nicht spüren können, was er mit seiner Musik dort auslöst.
Das heißt, du hast den Krieg nicht miterlebt bzw. du hast nie unten gelebt?
Als ganz kleines Kind war ich mal länger unten. Aber als der Krieg anfing, waren alle bei uns. Meine Eltern hatten ein Restaurant und es haben circa zwölf Leute in meinem Kinderzimmer geschlafen. Also wir haben es schon mitgekriegt, aber ich war erst so eins oder zwei. Es sind ja dann alle auf „Duldung“ geblieben und da habe ich es noch mitgekriegt. Die vier bis fünf Jahre, in denen alle bleiben durften und als danach alle weg mussten. Bis auf meine Eltern, weil mein Papa kam als Gastarbeiter.
„Ihr dürft da nicht zu viel reininterpretieren.“
Wo wir schon bei Politik sind: Du trägst im „Error“-Video einen Anhänger mit Hammer & Sichel …
Das ist nur ein Modeaccessoire. Das ist auf keinen Fall ein Statement oder so. Ich feier Gosha Rubchinskiy sehr krass und das hat mir damals der Shop-Leiter unserer Stadt geklärt. Da gab’s so ein Pin-Pack und das fand ich richtig geil. Ich habe immer gerne blanke Sachen bzw. einfarbige Sachen bestickt mit den Dingern. Nichts Politisches dahinter.
Aber es passt ja auch zur politischen Einstellung von deiner Crew Live From Earth.
Ja, die Jungs waren auch bei Aufständen in Griechenland und Frankfurt. Aber ich bin überhaupt nicht politisch. Ich versuche mich da rauszuhalten. Ich würde nie eine politische Meinung öffentlich abgeben. Jemand, der sich nicht in dieser Sache bewegt, spielt auch mit zu viel Halbwissen rum.
Fast gegensätzlich zu dem Kommunismus-Anhänger trug Yung Hurn bei eurer Show ein T-Shirt von Burzum. Eine Band, dessen Frontmann Varg Vikernes ein bekennender Rechtsextremer ist, der schon wegen Mordes im Gefängnis saß und Kirchen in Norwegen angezündet hat.
Rin: Auch ein Mode-Ding. Ihr dürft da nicht zu viel reininterpretieren.
Lex Lugner: Obwohl die Musik von Burzum auch echt geil ist. Den Rest muss man halt ausblenden.
Rin: Ich kenn die Band nicht mal.
Er war auch einer der Empfänger des Breivik-Manifests.
Aber so was brauchen wir ja gar nicht diskutieren. Einfach ein Dummkopf. Yung Hurn wird damit sicher keine politische Meinung in den Raum getragen haben.
Das ist klar. Aber es ist einfach schräg.
Bei uns in Deutschland ist das so mit Thor Steinar. Ein Kollege von mir war der mega Rockfan und hatte immer diese keltischen T-Shirts an. Und dann war er irgendwo im Urlaub und hat sich dann dieses Thor-Steinar-Ding gekauft, weil er das Artwork fett fand. Er wusste nicht mal, wer das ist. Er ist dann in der Schule aufgetaucht und ein Lehrer ist komplett ausgeflippt. So richtig ins Fettnäpfchen getreten, obwohl er es gar nicht wollte.
Du nimmst bei Lex Lugner gerade euer gemeinsames Album auf und hast in einem Interview darüber geredet, dass eure Sachen immer sehr spontan rüberkommen. Gibt es bei euch auch Platz für etwas verkopftere Sachen?
Das ist relativ. Bei mir ist es jetzt nicht so spontan wie bei Yung Hurn. Was so Tracks nach vorne angeht, also Banger – so wie „DONTLIKE“ – da kann’s schon sein, dass das in 15 Minuten geschrieben wurde. Wenn der Vibe passt und du drin bist. Aber an diesen emotionalen Dingern schreibe ich schon länger. Wenn dann entsteht meistens nur die Hook spontan, weil ich es mir anhöre und in meinem Kopf probiere, die Melodie zu finden, die dafür passt.
Wurde das Aufnahme-Game schon upgesteppt oder wird bei Lex Lugner noch immer mit dem Macbook-Mikro aufgenommen?
Ne, wir haben uns so ein SM-7 ausgeborgt. Zum Skizzenmachen, irgendwann werde ich das nochmal frisch aufnehmen gehen. Ich habe da schon einen höheren musikalischen Anspruch.
Jetzt hast du dir für das gemeinsame Album einen österreichischen Produzenten ausgesucht. Woran liegt es, dass Österreich gerade eine avantgardistische Rolle im Rap einnimmt?
Rin: Das ist mir scheißegal, ob er Österreicher ist. Aber ja, Österreich hat Wellen geschlagen in Deutschland, aber ich würde am meisten Yung Hurn dafür verantwortlich machen.
Lex Lugner: Ich sag einfach Goony hat recht (lachen).
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Radio-Afficionado. Von Deutschrap über französischen & britischen Rap und natürlich Österrap. Außerdem Battle-Rap-Fanatiker und beherrscht die Beistrichregeln, nicht, besonders, gut.