Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
Manchen Leuten dürfte es schwerfallen, den Lebensstil an die aktuellen Umstände anzupassen, zu Hause zu bleiben und auf soziale Kontakte zu verzichten. Anders sieht es beim Silk Mob aus, der quasi eine Vorreiterrolle einnimmt – schließlich hat das Quintett schon Ende Jänner proaktiv gehandelt und sich mit der Debüt-Single „Heute Ned“ charmanten Wegen des Abwendens sozialer Interaktionen gewidmet. In der Rolle der Lebemänner, die am liebsten auf der eigenen Couch knotzen, gehen Donvtello, Opti Mane, Jamin, Lex Lugner und Fid Mella voll auf.
Am Freitag erscheint ihr selbst betiteltes Mini-Album. Die sieben Tracks bieten smoothen Player-Sound mit hohem raptechnischen Anspruch und Gesangsparts. Um über die Hintergründe zu plaudern, haben wir uns kürzlich in Wien mit der Kombo verabredet. Wir treffen uns in einer der schönsten Spielstätten der Stadt, dem Theater Center Forum am Alsergrund, wo Jamin regulär als Lichttechniker aktiv ist. Für unser Gespräch belagern wir die Logenplätze. Anschließend begeben sich Donvtello, Opti Mane und Jamin auf die Bühne, um mit einem exklusiven A-cappella-Medley aufs Album einzustimmen.
Nix geplant, viel geschehen
Für einige Tage zu Besuch, fühlen sich die Berliner WG-Kollegen Donvtello und Opti Mane an die Ursprünge des Silk Mobs erinnert. Als die Rapper im Frühjahr 2019 einen Wien-Gig gespielt haben, verabredeten sie sich mit Lex Lugner, mit dem sie zuvor schon an Skizzen gearbeitet hatten. Dieser beorderte sie gleich weiter zu einer Session bei Fid Mella. „Ich habe sie nicht einmal gekannt, bis sie in mein Studio gekommen sind und wir drei Stunden später den ersten Track daliegen hatten“, fasst es der Gastgeber schmunzelnd zusammen. Spontan noch Jamin ins Boot geholt, war kurz darauf „Heute ned“ im Kasten. Ähnlich flüssig, schnell und unkompliziert sei es weitergegangen, dank der seidig-soften Textur der Tracks bald der Name Silk Mob entstanden. „Alles ist dem Vibe geschuldet, den wir in paar Tagen entwickelt haben, obwohl wir ja eigentlich nix vorhatten“.
Fid Mella und Lex Lugner produzieren seit rund zwei Jahren gemeinsam Beats, sind ein eingespieltes Team. Samples spielen bei ihnen mittlerweile kaum mehr eine Rolle. Ihr Rezept ist simpel: Einer legt los, der andere baut seine Ideen ein, spielt etwa Synths dazu. „Es hat Jam-Charakter, wir arbeiten voll unsystematisch“, beschreibt es Mella. Während die beiden vor Ort an der Struktur der smoothen Beats gefeilt haben, schrieben Opti Mane und Donvtello ihre Parts. Und Jamin? Der spart sich lieber gleich das Papier. „Also ich stell mich dann einfach hin und sag, was mir einfallt“. Opti Mane imponierte, dass er im Gegensatz zu anderen Projekten kaum Input geben musste. „Sie wussten sofort, welche Sounds sie benutzen sollen, welche Instrumente geil dazu passen, wie unsere Stimmen und die Stimmung zu den Beats funktionieren“.
„Singsang ist so ein scheiß Wort“
Lex Lugner erklärt sich die unkomplizierte Zusammenarbeit auch durch das verbindende Faible für Dirty-South-Sound. „Wir hören alle die gleichen Sachen“. Orientieren sich Opti Mane und Donvtello seit ihren Anfängen vor gut 15 Jahren stark an Memphis-Rap, waren Lex Lugner und Hanuschplatzflow später zentral am Cloud-Rap-Hype und dem Popularitätsschub für Trap im deutschsprachigen Raum beteiligt.
Auf den Tracks des Silk Mobs dringen vor allem 90er-Jahre-Elemente aus den Südstaaten durch, mit denen auch Mella sozialisiert ist. Markant ist etwa, wie innerhalb der Parts durchgeflowte Passagen und Gesangselemente ineinandergreifen – bei Donvtello noch dazu in Falsetto-artiger Manier. Eine Kombination, die sich im deutschsprachigen Raum nie etabliert hat. Ganz anders in den USA, wo vor allem die Gruppe Bone Thugs-N-Harmony diesen Stil prägte. „Für uns waren sie definitiv die Vorbilder für diesen Singsang. Aber auch Do or Die, Twista, Johnny P und Houston-Mucke wie UGK“, meint Donvtello. Opti Mane pflichtet ihm bei und ergänzt, auch viel R’n’B und Slow-Jams gehört zu haben. Er streicht zudem die hohen technischen Anforderungen heraus. „So etwas kannst du nicht einfach easy nachmachen. Du musst es jahrelang inhalieren, aufsaugen. Wir machen es mittlerweile ohne zu überlegen so“.
Als bei unserem Nerd-Talk zum gefühlt siebten Mal Singsang als beschreibendes Wort für die eingestreuten Gesangselemente fällt, scheint der sich sonst so zurücknehmende Jamin genug zu haben. „Das ist so ein scheiß Wort, das pack ich gar nicht“, kommentiert er süffisant. „Der Unterschied ist, dass du gar keinen Singsang machst, sondern richtig singen kannst“, beschwichtigt Opti Mane. Im Vergleich zu Jamin betrachte er sich dezidiert als Rapper, auch wenn er gerne mal leicht angesungene Passagen einbaut. Früher habe das bei ihm und Donvtello aber meist aggressiv auf dreckigen, harten Beats stattgefunden. Doch freilich ist nicht nur Jamin erfahren, was harmonischen, soften Player-Sound betrifft. Exemplarisch etwa der Track „Smokin‘ on tha dro“ aus dem 2018 erschienenen Album „Der Bettchiller“.
Sprachbarrieren und Flüstertöne
Die Mischung aus Dialekt und Hochdeutsch fügt dem Silk Mob eine weitere Facette und einen besonderen Charme hinzu. „Das würd auf Hochdeutsch eh nicht funktionieren“, meint Jamin zu seinen Vocals. Opti Mane stimmt zu. „Ich habe direkt gefeiert, wie das Feeling bei ihm rüberkommt. Ich habe schon oft das Gefühl gehabt, dass so ein R’n‘B- und Soul-Gesang auf Hochdeutsch nicht funktioniert, auch wenn es geil gesungen ist. Das geht im Dialekt viel besser“. Die Mini-Sprachbarriere sei für die beiden Deutschen jedenfalls nie ein Problem gewesen, auch wenn sie sich hin und wieder ein Wort übersetzen lassen müssen. „Man muss sich ja auch bisserl anstrengen und darf es dem Hörer nicht zu einfach machen“, kontert Jamin mit der nächsten Wuchtel.
Abschließend kommen wir auf die von Alte Petze gedrehten Videos zu „Heute ned“ und „Fenster zu“ zu sprechen. Für Erstgenanntes haben sich die Musiker in einer Berliner Airbnb-Wohnung eingenistet – und waren dort stundenlang zum Flüstern verdammt, weil die Vermieter direkt daneben waren und die Wohnung nur durch Rigipsplatten geteilt war. Ausgestattet mit Nebelmaschinen, Seidenbademänteln und rotem Licht, dürften sie einen verdächtigen Eindruck hinterlassen haben. „Ich glaube, die sind fix davon ausgegangen, dass da ein Porno gedreht wird“, meint Fid Mella. „Angemeldet waren drei Leute zum Pennen, wir haben uns dann zu acht mit massig Equipment reingeschlichen. Wir hatten richtig Schiss, rauszufliegen und haben dann bis nachts um drei auf Zehenspitzen und im Flüsterton gedreht“, ergänzt Opti Mane.
Das Album des Silk Mobs erscheint am Freitag, 27. März, über Lebemann Unterhaltung. Auf Vinyl und Tape sind neben den sieben Tracks auch jeweils von Lex Lugner produzierte „Mobbed & Silked“-Versionen vertreten, auf Tape zudem ein exklusives Outro. Die ursprünglich für 3. April geplante Releaseshow im Wiener Fluc musste vorerst auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Ein möglicher Nebeneffekt ist, dass es beim Nachholtermin schon weitere Nummern des Silk Mobs zu hören geben könnte. Schließlich hat das Quintett in der Zwischenzeit wieder einige Tage im Studio verbracht.
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