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„Man hätte eine reine HipHop-Ausstellung machen können“

„Man hätte eine reine HipHop-Ausstellung machen können“

Alexander Gotter - The Message Uptight Wien Museum _FunkyDopeShit

Am Abend des 04. Dezember 2013 fiel der Startschuss für eine ganz besondere Ausstellung im Wien Museum: „Uptight“ – Die Sammlung Werner Geier. Bis 23. März 2014 sind die liebevoll zusammengestellten Raritäten und Schmankerl aus der Schenkung der Familie der Radiolegende an das Wien Museum noch zu bestaunen. Impressionen und Anekdoten vom Eröffnungsabend sowie Ergebnisse eines ausführlichen Gesprächs mit Kurator und Wegbegleiter David Schuller zu und über die Ausstellung und Werner Geier sind hier nachzulesen.

Text & Interview: Stefan Anwander
Fotos: Alexander Gotter

Werner Geier, respektive DJ Demon Flowers, ist nicht erst mit seinem Tod als eine Art Stilikone der österreichischen Radio- und Musiklandschaft, als eine Ausnahmeerscheinung beziehungsweise „Lichtgestalt“ derselben bezeichnet worden. Schon zu Zeiten seines aktiven Schaffens zu einer „lebenden Legende“ erklärt, wären und waren solcherlei Inszenierungen und Überhebungen seiner Person dem unprätentiösen Werner Geier wohl eher unangenehm. Mit gebührender Distanz und Respekt hat sich auch The Message seit 2012 im Rahmen der Dokumentationsreihe 20 Jahre HipHop in Österreich dem „Phänomen“ Werner Geier immer wieder angenähert, denn vor 20 Jahren hat nicht nur der „Austrian Flavors Vol. 1“ – Sampler (1992), sondern auch der erste Uptight-Release (1993) das Licht der Welt erblickt. An beiden war Geier federführend beteiligt und so dürfen diese natürlich auch in der Ausstellung nicht fehlen.Alexander Gotter - The Message Uptight Wien Museum _UptightNo1Release

Zu Werner Geiers Weg zum HipHop-Addict aber gleich mehr. In den Eröffnungsabend am 4. Dezember 2013 führte Wolfgang Kos, der Direktor des Wien Museums mit Faible für Popkultur, ein.

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Besonders mache diese Ausstellung nach Kos vor allem ihre einzigartige sowie „bewegende, traurige“ Geschichte. Sein Redebeitrag mit dem Titel „Vom Ministranten zum HipHop-Abhängigen“ streifte gemeinsame Episoden aus den Zusammentreffen der beiden. Bereits damals waren für den erst 19-jährigen Werner Geier die bisher geltenden Standards obsolet: No Goes bewusst begehen und Tabus brechen, das wurde im Verlaufe seiner Radiosendungen zum Programm. Gerade der vorherrschende popkulturelle Diskurs, der die Reproduktion von „abgelutschten“ Floskeln erforderte und bedingte, war Werner Geier ein Dorn im Auge. Wie Kos betonte, wurde allerdings bei der Ausstellung vor allem Wert darauf gelegt, jenes visuelle Panorama einzufangen, das Werner Geier mit seiner Sammlung hinterlassen hat. Zum visuellen „Branding“ der Marke Uptight trugen anfangs wesentlich Andy Orel, später Oliver Kartak bei, wie auch andere aufstrebende, talentierte Graphiker der 1990er. Kos schloss später den Eröffnungsabend mit den Worten Werner Geiers: „Ich bin kein Österreicher, ich bin Europäer, und wenn’s mir schlecht geht, bin ich Wiener.“

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Dazwischen und noch vor diesem Schlusswort folgte an diesem Dezembertag die Wortspende des Kurators David Schuller, der dann einige Tage später ausführlich auf unsere Fragen zur Ausstellung sowie zu Werner Geier einging.

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Mit dem Engagement von Schuller als Kurator, Grafiker und Gestalter in Personalunion ist es dem Wien Museum gelungen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: nämlich einmal einen Sozius Geiers zu finden, der schon zu Lebzeiten dessen Lebens- und Musikkosmos teilte. Sein Verhältnis zu Geier wäre stets „freundschaftlich und kollegial“ gewesen, kennengelernt haben sich die beiden erstmals beim Finale des „Tribe Vibes & Dope Beat“ – Contests im Dezember 1991 im Volksgarten. Aber erst bei den Aufnahmen zum „Austrian Flavors Vol. 1“ – Sampler im Funkhaus 1992 intensivierte man den später regen (musikalischen) Austausch. Schuller unterbrach damals die von Geier hoch geschätzte Comiclektüre während der Recordingsessions, indem er nämlich mit einem mitgebrachten „Rare Groove“ – Sampler Eindruck bei ihm schinden wollte. Bereits damals trat der „Vermittler“ Geier live in Aktion, verwies den Nachwuchs-DJ auf weitere interessante Compilations gleicher Sorte. Später lud Demon Flowers in seiner Funktion als Radio- und Clubhost den damals 17-Jährigen immer wieder ein, mal als DJ DSL bei Radiosendungen verhindert war, mal um die „Jungle Groove“ oder „Basic“ – Partys zu rocken.

Hier sieht man Werner Geier selbst mal als Comic auf einem Flyer für eine jener besagten Abendveranstaltungen, nachstehend die gesamte Druckfahne, die uns von Oliver Kartak zur Verfügung gestellt wurde:

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Andererseits zählt Schuller auch vor diesem Hintergrund selbst zu einem der Pioniere der HipHop-Szene Österreichs. Seit Anfang der 1990er Jahre gilt DJ Cut Ex, als welcher Schuller in HipHop-Kreisen bekannt ist, als einer der besten Discjockeys des Landes und Wiens und hat auch mit seinen Produktionen bewiesen, das er durchaus in der Lage ist, eigene Sound-Duftmarken zu setzen. Darüber hinaus hat Schuller selbst über die vielen Jahre seiner aktiven Radiohörerschaft ein Privatarchiv erstellt, das unzählige Radiobeiträge von und mit Werner Geier auf Kassetten versammelt. Beispielsweise findet sich darunter wohl eine der umfangreichsten „Tribe Vibes“ und Dope Beats“ – Privatsammlungen. Von 1991 bis 1993 hat Schuller fast jede jener legendären Ausstrahlungen auf Tape gebannt, ein bisschen wurmen würde es ihn aber immer noch, dass ihm die erste Sendung fehlt. Geiers Sendungen waren aber insgesamt keine „vergänglichen Radiosendungen, sondern wie eine Schallplatte oder ein Album. Ich habe sie wie ein Album gehört.“ Deshalb wird er diesen auch weiterhin „sorgfältig im Schuhkarton“ verwahrten, heiligen Gral hüten, eine Digitalisierung beziehungsweise Aufbereitung dieser „unwiederbringlichen Zeitdokumente“ für einen musealen Rahmen wurde aber weder von Schuller, noch von Seiten der Museumsdirektion angedacht.

Der Mensch Werner Geier

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Die Idee zur Ausstellung wurde während des Katalogisierens und Sortierens der Sammlung von Museumsdirektor Kos erstmalig aufgeworfen. Es war also nicht der „Over & Out“ – Themenabend, der den Anstoß lieferte, sondern vielmehr versteht sich die Zurschaustellung eines (Bruch-) Teils seines Nachlasses als Kontrast zu ebenjener Veranstaltung, die laut Schuller tendenziell eher „off topic“ war und „nicht viel mit Werner Geier selbst zu tun“ hatte. Dem Kurator und Grafiker war es dementsprechend dahingehend wichtig, mit der Ausstellung „Scheinwerferlicht auf Werner Geier zu rücken“, „die Komponente Mensch“ stärker zu beleuchten.

Um diese „Komponente Mensch“ herausarbeiten zu können, aber auch um Geier ob seiner multiplen Betätigungsfelder als „Tausendsassa“ in Szene zu setzen, war Schuller mit seinem Team rund zwei bis drei Monate damit beschäftigt, den Nachlass zu sortieren. Ein Unterfangen, das übrigens zum Zeitpunkt des „Over & Out“ – Abends noch nicht vonstattengegangen war, da die Sammlung erst wenige Monate davor an das Wien Museum übergeben wurde. Damals war es dem Improvisationstalent von Walter Gröbchen und Kos zu verdanken, dass einige Fundstücke aus Geiers Sammlung mehr nach dem Zufallsprinzip als geplant und geordnet erstmalig der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Im Gegensatz dazu kann Schuller heute und für diese Ausstellung aus einem penibel und wohl sortierten Register an skurill-obskuren Accessoires schöpfen, die Geier vor allem in den 1980er Jahren angesammelt hat: alte Musicbox-Manuskripte (eines davon hält Wolfgang Kos am Foto oben in den Händen), unzählige Live-Songlisten von Konzerten im U4 – unter anderem vom ersten Nirvana-Konzert in Wien, aber auch von Nick Cave, Henry Rollins oder den Stereo MC’s – tonnenweise Hörerpost/-briefe und Postkarten von unter anderem Tori Amos. Nicht nur hier hört man bei Schuller das leise Lamento durch, dass es viel mehr gegeben hätte, das ausstellungswert gewesen wäre. Vor allem das Museum wie auch Schullers Co-Kurator Werner Michael Schwarz waren aber darauf bedacht, die Ausstellung klein, aber kompakt und stringent zu halten.

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„Man hätte eine reine HipHop-Ausstellung machen können“

Alexander Gotter - The Message Uptight Wien Museum _AustrianFlavors

Schuller ist es in der Ausstellung darum gegangen, die wesentlichen drei Facetten von Werner Geier zu porträtieren: als Radiomacher, als Veranstalter und als Musikproduzent: „Und da fließt HipHop immer wieder hinein und hinaus“. Geier selbst – so Schuller – fand HipHop deshalb für eine Zeit interessant, weil er im Allgemeinen Musik als Transportmedium verstand, auch für sich als Moderator, um damit Inhalte und Ideen zu vermitteln, vielmehr neue Wege aufzuzeigen. Geiers anfängliche Skepsis gegenüber HipHop ist ja bekannt, er wäre jedoch auch zu dieser Zeit nicht so weit wie andere Kollegen gegangen, die ihm grundsätzlich eine Berechtigung in der modernen Musiklandschaft absprachen. „Es war zu weit von seiner Kulturpraxis entfernt“ so Schuller in Werner Geiers’ Worten.

Durch die Stereo MCs und „die Leidenschaft von Katharina Weingartner und DJ DSL ist er aber dann auch voll reingekippt und hat HipHop als Kanzel der Neuzeit bezeichnet.“ Noch weit davor, nämlich 1982, hat er einen Beitrag als Musicbox-Redakteur zur „Neuen Tanzmusik aus New York“ gestaltet, wovon es auch ein Manuskript aus der Schenkung gibt, das in der Lesestation vorzufinden ist. Als Veranstalter und DJ prägte Werner Geier dann als Demon Flowers schon Mitte bis Ende der 1980er Jahre den „HipHop-Mittwoch“ im U4, später dann in dessen Nachfolge Anfang der 1990er die Clubs „Jungle Groove“ und „Basic“ im Bach. Gemeinsam mit Katharina Weingartner und DJ DSL initiierte er dann eben den „Tribe Vibes & Dope Beats – Contest“ samt Finale und zeichnete sich als Produzent und „Mastermind“ für den „Austrian Flavors Vol. 1“ – Sampler hauptverantwortlich.

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Als die Majors dann Mitte bis Ende der 1990er auf den HipHop-Bandwaggon aufsprangen und als Puff Daddy empor kam, „das war dann der Zeitpunkt, wo der Werner das Interesse verloren hat“. HipHop war letztendlich in Geiers gesamten Oeuvre aus Radiosendungen und Plattenreleases auch nur ein Transportmittel von vielen, um seine Visionen und Inhalte unters (Party-) Volk zu bringen. Auch als DJ wollte er mit HipHop/Rap, ergänzt mit Dancehall und House, neue Wege beschreiten, um das Publikum zum Um- und Weiterdenken zu animieren. Letztlich wurde – so Geier in der Interpretation von Schuller –  HipHop von linken Idealisten zweckentfremdet und überidealisiert, als eine Art Emanzipations- oder Befreiungssoundtrack der schwarzen Ghettobevölkerung in den USA. Aber nicht nur weil alle Beteiligten und Verantwortlichen darin übereinstimmten, den „ganzheitlichen Werdegang“ von Werner Geier zeigen zu wollen, wäre schließlich die Realisierung einer reinen HipHop-Ausstellung aber doch am Mangel an Material gescheitert, weil Werner Geier in den 1990er Jahren nicht mit gleicher Akribie wie einige Jahre zuvor noch seiner Sammlerleidenschaft nachgegangen ist.

Alexander Gotter - The Message Uptight Wien Museum _SoschautsausGefragt nach den persönlichen Schmankerln, schlägt Schuller gekonnt die Brücke, um eine kompakte Rundschau der Ausstellung darzubieten: Wie schon zuvor vorsichtig moniert, sind einige seiner Favoriten gar nicht für die interessierten BesucherInnen zu sehen. Trotzdem haben es viele Leckerbissen doch geschafft, einem breiteren Publikum präsentiert werden zu können: dazu zählen die wenigen Fotos, die es von ihm gibt, Geier war notorisch kamerascheu, die Hörstation mit fast vier Stunden Audiomaterial, die Schuller allen wärmstens ans Herz legt „um wirken zu lassen, wie er gesprochen hat und was er gesagt hat“ und vor allem „wie er die Sendungen komponiert hat“; die Lesestation, in welcher mit Hand- und Schreibmaschine verfasste Manuskripte auf den genauen Wortlaut hin noch mal als „Zeugnisse vergangener Zeit“ nachzulesen sind. Und last but not least die Videoinstallation, die nicht nur deshalb so besonders ist, weil Geier sehr selten vor die Kamera getreten ist, sondern vor allem auch wegen Schullers persönlichem Lieblingsvideo, dem Club 2 – Zusammenschnitt von 1985, in welchem Geier mit 23 Jahren im Verlaufe der Sendung zur Hochform aufgelaufen ist.

Wie würde schlussendlich Schuller Geier in drei Worten beschreiben? Die Antwort kommt unerwartet schnell: als „Local Stereo MC“. Er wäre einfach im doppelten Sinne ein Stereo MC gewesen: einmal als großer Anhänger dieser Gruppe, zum anderen war er „der ureigene Stereo MC in Wien vor dem Mikrofon“. Aber diese Charakterisierung würde dann doch zu kurz greifen, weil Geier eben ein „Tausendsassa“ gewesen sei.

Bis Ende März sind die auserwählten Stücke aus dem Nachlass des lokalen Stereo MC’s und Tausendsassa noch im Wien Museum zu sehen, es empfiehlt sich, bis dahin die Chance zu nutzen, den Mensch Werner Geier näher kennen zu lernen.