Liebt deutschsprachigen Rap und Taylor McFerrin. In jeder freien Minute…
Habt ihr Bock auf Rap?„, schreit Döll und setzt zu „Prolog“ und „Weit Entfernt“ aus seinem gleichnamigen Album an. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Mädness steht er in gelber Regenjacke und Fischerhut auf der Bühne in der Grellen Forelle und versucht, das Publikum für die heilige Messe von Audio88 und Yassin in berauschende Gebetsstimmung zu bringen. Doch die beiden sind nicht ganz zufrieden mit dem Mitmachpotenzial ihres Publikums. „Sogar Stuttgart fickt euch„, sagt Döll etwas pikiert. Deswegen wollen sie „das Tempo anziehen“, damit bald die Headliner des Abends auf der Bühne stehen. Basslastig geht es mit dem Juice-Exclusive „Kein Kompromiss“ von Mädness und einen Track darüber, dass der eigene Bruder das zweite Weltwunder wäre. Und obwohl Kamp als Konzertbesucher anwesend ist, bleiben die Rufe des Publikums nach dem Featuretrack „Häng ab“ unerhört.
Für die beiden Zeremoniemeister muss allerdings noch umgebaut werden. Der mondäne Electro-Club, in dem auch die Wiener Partei-Mitglieder von Die Partei einen Stand zur Mitgliederanwerbung bekommen haben, verwandelt sich in eine heilige Stätte mit Fake-Mosaikfenstern, Torbögen und zwei Kanzeln, zu denen Audio88 und Yassin in Priestergewand und Bischofshüten schreiten, um von dort ihre Rap-Predigt zu halten. Auch DJ Breaque hat sich den Bischofshut aufgesetzt, um das Konzept der „Halleluja“-Tour durchzuziehen. „Kein Wunder, dass wir zwei Busse brauchen, bei dem ganzen Scheiß, den wir mithaben„, wird Audio88 am Ende des Konzerts sagen.
Nachdem kurz zuvor in der Umbauphase noch Queen-Hits ertönt sind, sind diese jetzt den sakralen Orgelklängen gewichen. Nach dem Auftakt mit „Halleluja“ wird das Wort Gottes über „Schmutzige Rapper“ und „Die Erde ist eine Scheide“ verkündet, das Publikum faltet die Hände zum Gebet. So viel Spiritualität ist schon ungewöhnlich bei einem HipHop-Konzert. Mit „Der gute Mensch“ aus „Zwei Herrengedeck, bitte“ und „Köfte und Schnitzel“ aus „Normaler Samt“ spielen „der Möchtegern-Kanacke und die Glatze mit der Zahl“ auch Songs, die nicht vom aktuellen Album stammen. Neben misanthropischen bis hin zu traurigen Liedern wie „Dein Problem“ kommen auch harmonische Klänge „Über Liebe“ auf – und DJ Breaque verteilt Hostien an das Publikum.
„Schön, dass ihr auch in die Kirche gekommen seid, ihr seid gute Gläubige„, kommentiert Audio88 den gut gefüllten Club, der mit unzähligen Songs wie „Ich sterbe für HipHop“, „Asia Box“ und „Der Mann im Mond“ beschallt wird – wofür auch Mädness und Döll noch einmal auf die Bühne kommen. Zu viert performen sie auch einen noch unveröffentlichten Track namens „Isso“, der auch wie der Rest der Show das aufgeheizte und laute Publikum überzeugt. Und wie bei jedem Konzert feiert DJ Breaque auch dieses Mal Geburtstag – er muss wohl schon 120 Jahre alt sein. Als Geschenk wünscht er sich alle Feuerzeuge und Handylichter für sein altes Idol, den kürzlich verstorbenen Sänger und Schauspieler Manfred Krug, dessen Platten er jeden Tag zehnmal gehört habe.
Nach etlichen Zugaben und dem obligatorischen Gepoge zu „Schellen“ und „Was würde Manny Marc tun“ bedanken sich Audio und Yassin sichtlich ergriffen und überwältigt von der Energie des Wiener Publikums für die fulminante zweistündige Show und verwiesen auf ein baldiges Treffen am Merchandisestand. Fast so, wie Yassin einmal passend auf „Gangzeichen (Dresden)“ rappte: „Klar, wir sehen uns am Merchandise-Stand, ich bin nett, solang sie kaufen – ein Lächeln für ein Autogramm“.
Weitere Fotos vom Konzert:
Fotos: Niko Havranek
Text: Julia Gschmeidler & Max Cornelius
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