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Ein kontroverser Kaffeetratsch mit Weekend // Interview

Ein kontroverser Kaffeetratsch mit Weekend // Interview

Die Wiener Kaffeehauskultur zählt seit 2011 zum immateriellen UNESCO-Kulturerbe. Grund genug, sich mit Chimperator-Signing Weekend im traditionsreichen Café Westend beim Europaplatz zu treffen. Was wir vor dem Interview nicht wussten: auch DJ Upset und Rapper-Kollege Emkay, die Weekend abends zuvor beim Konzert im B72 live unterstützten, haben es sich erfreulicherweise ebenfalls auf den teils abgesessenen Bänken des Lokals bequem gemacht. „Hier ist auch alles kaputt“, grinst Christoph, so Weekends bürgerlicher Name, und handiert mit einer halb abgebrochenen Tischkante herum. Trotzdem inspiriert die geschichtsträchtige Atmosphäre, in der einst Dichter und Denker an einer Kaffeetasse nippten, zu einer angeregten Diskussion über die gerade medial hitzig ausgetragene Bildungsdebatte. Warum man Kamps Hymne „Malinkaya“ im Deutschunterricht einsetzen könnte, Goethe und Schiller nicht mehr zur Grundbildung gehören und aus welchem Grund Weekend keine sozialkritischen Texte schreibt, ist im ausführlichen Interview mit den drei Musikern zu lesen.

Interview: Julia Gschmeidler
Fotos: Alexander Gotter

The Message: In einem Interview hast du gesagt, dass du durch Creutzfeld und Jakob zu Rap gekommen bist. Warum gerade durch sie?
Weekend:
Das war einfach ein wahnsinnig gutes Album, das ist es auch heute noch für mich. Es gibt  auch sogenannte Jugendsünden, wo man fünf Jahre später Musik hört, die man mal gefeiert hat und sich denkt: Was war das denn? Das ist da überhaupt nicht so, ich kann das jetzt noch genauso hören wie früher und das ist einfach ein wahnsinnig gutes Album. Flipstar war für mich damals DER Rapper überhaupt, er hat eine wahnsinnig gute Stimme, eine gute Art zu rappen, eine gute Art Texte zu schreiben und Dinge zu sagen. Es war so gut, dass ich mehr Ähnliches entdecken wollte und eine gewisse Neugier entwickelt habe, andere Bands zu recherchieren, einzusteigen und mir neue Musik zu suchen.

Auf deinem Album „Am Wochenende Rapper“ hast du nun ein Feature mit Lakmann und sagst in einem Track, dass wenn man seine Jugendträume erfüllt bekommt, man die Freude daran verliert. Weekend: Das ist nichts, was auf Lakmann abzielt. Ihn zu treffen war sehr angenehm und er ist ein sehr netter Typ, der sehr krasse Prinzipien hat und auch sehr glaubwürdig ist, in dem was er sagt. Ich hab auch andere Leute getroffen, die ich früher gefeiert habe und bei denen ich dann dachte: Alter, was ist das denn für ein Typ? Da war dann der Effekt, dass ich mir die Musik nicht mehr anhören und feiern kann.Alexander-Gotter_DSC6288

Auch Edgar Wasser ist ein Feature-Gast. Gemeinsam mit MoTrip und Fard wart ihr auf der Leader of the New School Tour. Wie passt das zusammen?
Weekend:
Ich bin ein großer MoTrip Fan, ich find den auch als Musiker sehr gut. Mir war aber auch bewusst, dass das nicht so gut passt und ich wollte unbedingt wen haben, der halbwegs auch zu mir passt. Edgar ist ein Freund von mir und jemand, den ich sehr, sehr gut finde. Dann hab ich das unserer Booking-Firma vorgeschlagen, die das weitergeleitet hat. Man hat dann auch gemerkt, welche Leute für wen da waren. Aber das war spannend, weil du auch die Möglichkeit hast, ein Publikum zu erreichen, das so nicht zu deinem Auftritt gekommen wäre. Das schult dich auch nochmal, mit gewissen Leuten umzugehen. Bei Festivals hast du ja immer sowas, da kommt ja nicht jeder für dich hin. Du stehst da ganz oft vor Leuten, die dich zum ersten Mal sehen – da hast du die Möglichkeit, sie zu gewinnen. Wir hatten schon ein bisschen Schiss davor, dass da vielleicht gewisse Fangruppen nicht so wirklich Bock auf uns haben, aber das war auf der Tour oder Festivals alles immer entspannt. Gerade auf der Tour mit Fard und MoTrip war das so, dass sehr, sehr viele Leute für uns da waren und wir ein gutes Feedback bekamen. Da können wir uns nicht beschweren.

Mission Sozialarbeit

Du gehst ja nebenbei noch deinem Job als Sozialarbeiter nach. Wieso hast du dich damals für diesen Beruf entschieden?
Weekend:
Die Geschichte dahinter ist, dass ich in der 12. Klasse im Gymnasium eine Phase hatte, wo ich nicht mehr so oft zur Schule gegangen bin und relativ lustlos war. Nach dem Schuljahr hab ich die Entscheidung getroffen: Okay, wenn du auf der Schule bleibst und die Klasse wiederholst, dann wird’s halt schwierig, diese Angewohnheit, vielleicht auch mal blau zu machen, abzulegen. Ich hab mir bewusst ein neues Umfeld gesucht und dachte mir dann, ich mach Fachabi auf der Berufsschule und hab dann überlegt, welche Richtung es wird. Ich war in der Situation, dass ich mich für was entscheiden musste, ohne zu wissen, in welche Richtung ich wollte. Das war dann fast schon Ausschlussprinzip, dass ich gesagt habe: „In eine kaufmännische Richtung will ich nicht, kreative Sachen machen mir Spaß…“ Aber es gibt kein großes Talent, zumindest keines auf schulischem Wege, wo du jetzt sagen kannst: Okay, ich studier Musik. Ich bin ja auch kein Mensch, der fünf Instrumente beherrscht. Ich bin ein Mensch, der sich relativ fit in Gesprächen fühlt, ich rede gerne mit Menschen und mach da auch gerne Erfahrungen. Dann hab ich in der Richtung mein Fachabi gemacht, mochte das auch und hab deshalb studiert. Es hat sich aber auch währenddessen herausgestellt, dass die Entscheidung richtig war. Es hätte im Voraus auch sein können, dass es Schwachsinn ist und ich dann was anderes machen hätte müssen. Ich hab schon ein bisschen ausprobiert, aber im Endeffekt war das gut.

In einem Interview meintest du, dass viele Leute nur zu Hause sitzen, sich wenig Gedanken machen, da reingeboren werden und es schwer ist, diesen Kreis zu durchbrechen. Wie stark ist das von der Erziehung und dem Umfeld abhängig? Weekend: Zu einem riesengroßen Anteil. DJ Upset kann dazu auch viel sagen, er arbeitet in einem ähnlichen Berufsfeld. Das ist ja auch eine Grundsatzdiskussion in der Pädagogik: Umfeld und Anlagen, welchen Anteil was ausmacht. Das kann man ja auch nicht nachweisen. Von meinem Empfinden her macht die Umwelt, in der du geboren bist, einen Großteil von deiner Entwicklung aus. Klar gibt’s auch gewisse körperliche Sachen, die dich einschränken… DJ Upset: Ich würde sagen, dass die Umwelt auf jeden Fall überwiegt. Es gibt eine große Diskussion darüber. Weekend: Ich sag mal ganz überspitzt: Wenn du „gute Gene“ hast und dein Papa klug ist, du auch als kluger Junge geboren wirst, dann hast du rein körperlich, biologisch gute Voraussetzungen, mal was zu erreichen. Aber wenn du dieses Kind nehmen würdest und dieses Kind unter Wölfen großwerden lässt, dann wird daraus sicherlich auch kein Biologieprofessor. Dein Umfeld muss dich schon fördern, damit irgendwas mit dir passiert. Das passiert halt bei vielen Leuten nicht und das ist eine ganz große Gesellschaft. Es gibt Leute, die finden viel zu Hause statt. Man kriegt erst mit, dass sie da sind, wenn man sie mal zu Hause besuchen geht, bei mir ist das halt beruflich.

Du erwähntest in diesem Interview auch das Verfolgen von Sendern wie RTL II. Kommt es durch Fernsehprogramme wie diese zu einer Degeneration der Bevölkerung?
Weekend:
Naja, ich find da sollte man nicht irgendeinem Sender die Schuld geben. Das funktioniert ja auch alles auf einer wirtschaftlichen Ebene. Die machen das, was sich Leute angucken wollen und verdienen damit Geld. Klar haben die auch eine gewisse Verantwortung, trotzdem versuchen sie damit Leute zu erreichen. Die überlegen sich ja nicht: Komm, wir machen jetzt dummes Fernsehen, damit die Leute verblöden. Sondern überlegen sich, welches Format sie machen können, damit Leute das gucken. Ich sag mal ein relativ einfaches Format, wo man sich nicht viele Gedanken machen muss, ist sehr bequem und erreicht auch viele, das pendelt sich dann irgendwann ein. Klar fände ich es auch schöner, wenn es da mehr Anspruch geben würde. Ich guck auch selber fast kein Free TV in Form von „Ich setz mich vor den Fernseher, mach ihn an und schau mal“, sondern guck mir wenn, dann gezielt was an oder guck DVDs oder Serien, die ich gut finde. Aber ich bin auch niemand, der da irgendwas verteufeln will. Wenn RTL II aufhören würde, gewisse Formate zu senden, dann würden die das halt woanders gucken. Das liegt auch an der Verantwortung der Leute, ich find es zu einfach, den Schwarzen Peter dem Fernsehsender zuzuschieben.

Aber wenn du sagst, dass sich der Sender an den Fernsehgewohnheiten der Zuseher orientiert, dann unterstellt das eigentlich der Bevölkerung, dass sie schon dumm ist.
Weekend:
Naja, das ist auch auf einer Skala zu messen. Ich glaub RTL II hat jetzt einen anderen Anspruch als Arte, eine andere Zielgruppe, die sie selbst bestimmen. Ich würd auf keinen Fall sagen, dass die breite Bevölkerung irgendwie dumm ist. Aber RTL II macht einfaches und unterhaltendes Fernsehen und erreicht Leute, die genau sowas gucken wollen. Ich hab auch Freunde, die ich für intelligent halte, die sich sowas angucken und die sich total unterhalten fühlen. Das gibt es mit Sicherheit auch oft.

Emkay: Dass wir ein Bildungsproblem haben, würdest du nicht abstreiten? Man vermittelt in der Schule ja auch keine Inhalte mehr. Die Inhalte sind generisch, es geht nur noch um gewisse Kompetenzen, die die Leute erreichen müssen. So 10. Klasse Sätze mit Nebensätzen schreiben können.

DJ Upset: Das kommt auch auf die Schulform an.

Emkay: Ja, aber wenn du jetzt zum Beispiel den Deutschunterricht nimmst, dann ist der Inhalt im Lehrplan. Ich seh das an der Uni, es gibt Leute, die planen Videospiele als Unterrichtsmittel ein, weil es einfach näher an den Leuten dran ist.

DJ Upset: Im Sek II Bereich wird die überwiegende Anzahl an Themen noch ganz normal mit Schulbüchern und klassischen Texten thematisiert. Das ist jetzt vielleicht ein Beispiel, dass man es mit Videospielen versucht hat.

Weekend: Diese Mediendiskussion find ich einfach Schwachsinn, weil man auch nicht sagen muss, dass man den Leuten Literatur nahebringen muss. Wir haben einfach 2013 und wenn ein Videospiel oder eine Zeitschrift oder das Internet heute genauso ein ernstzunehmendes Medium ist, dann lesen sie halt kein Buch, sondern gehen auf eine Internetseite, das ist völlig okay. Es geht nicht darum, welches Medium die sich angucken, sondern es geht einfach um den Inhalt.

Emkay: Aber das ist ja das Problem, es geht nicht mehr um den Inhalt. Es sollte darum gehen, aber das tut es nicht.

Weekend: Aber Inhalt ist zu breit gefächert, als dass du sagen kannst, wir müssen jetzt genau das und das besprechen. Das funktioniert nicht, da gibt es auch einfach zu viel. Dieses Kompetenzen Erlernen ist gar nicht so blöd, weil dann haben die Leute auch die Fähigkeit zu suchen, was sie haben wollen.

DJ Upset: Es geht primär gar nicht um den Inhalt. Es geht nicht darum, dass du am Ende der 10. Klasse weißt, was inhaltlich in Goethes „Faust“ steht, sondern dass du für dich lesen, analysieren und interpretieren kannst. Es geht ja eigentlich um Kompetenz.

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Die Bildungsdebatte

In der neuen Doku von Erwin Wagenhofer („We Feed The World“, „Let’s Make Money“) namens „Alphabet“ wird betont, dass Kinder vor ihrer Einschulung ein viel höheres Kreativitätslevel vorweisen.

DJ Upset: Ja, da bin ich überzeugt von. In einer großen Klasse mit 20, 30 Kindern ist es ganz schwierig, die Kinder so individuell zu fördern, wie man das per Lehrplan möchte. Es geht, es ist überhaupt kein Problem, aber dann brauchst du drei, vier Lehrkräfte. Und kein Land ist im Moment dazu bereit, dieses Geld zu investieren. Jetzt schweifen wir ganz ab… Aber wir haben z.B. auch das Thema Inklusion, wie soll man behinderte Menschen in Regelschulen integrieren. Das wird dann meist so gemacht: Okay, wir nehmen diese Menschen und packen sie in eine Regelschule. Da denken sich viele: Aber das funktioniert ja gar nicht, da gehen die ja total unter. Natürlich funktioniert das nicht, weil die Menschen mit Behinderung halt fünf Lehrer in einer normalen Klasse brauchen. Das ist nicht zu Ende gedacht so etwas.

Aber ist das nicht auch eine Art von Diskriminierung? Vielleicht können diese Menschen ja viel mehr, als man annimmt. In diesem Film kommt auch ein Spanier mit Trisomie 21 vor, der in einer normalen Schule war – er wurde nicht in eine Sonderschule gesteckt – und hat danach Pädagogik studiert.

Weekend: Aber das ist auch teilweise eine Sache der Diagnose. Jemand muss ja auch einfach sagen: Was kann denn dieser Mensch? Ist er überhaupt eingeschränkt? Ist das überhaupt eine Behinderung? Wenn jemand die Fähigkeiten hat und der wird dann quasi irgendwo hingesteckt, wo er viel zu wenig gefördert wird, weil er den Stempel Behinderung hat, dann ist das natürlich tragisch. Aber das hat nicht so viel damit zu tun, dass in einer Regelschule Kreativität nicht genug gefördert wird. Das ist dann auch einfach die Frage: Kann man jemandem überhaupt an einer Schulform beibringen, kreativ zu sein? Ist das nicht eher etwas, was Eltern in Eigenverantwortung irgendwie fördern müssen.

Emkay: In der Schule ist das immer ein Versuchen, es gibt AGs.

Weekend: Es ist aber praktisch noch nicht umsetzbar, dass jemand, der das große Talent hat Mangas zu zeichnen, auf dem Gymnasium in dem Gebiet gefördert wird. Da bräuchte jeder Mensch einen individuellen Lehrer, der genau das kann, was das Kind kann. Das ist aber nicht machbar. Da müssten die Eltern auch nach der Schule hingehen und sagen: Zeichenkurs für meinen Jungen. Da haben die Eltern auch eine gewisse Verantwortung, da kann man nicht nur auf die Schule zeigen und sagen, die Schule sollte aufhören, die Kinder in ihrer Kreativität einzuschränken. Die Schule ist auch einfach nicht der Platz, wo in erster Linie die Kreativität gefördert wird.

Emkay: Es geht ja nicht nur um Kreativität. Du kannst ja nicht jeden so individuell fördern, wie du es möchtest.

Weekend: Die These von der Dokumentation war ja, dass die Kinder das da verlernen. Ist halt die Frage, ob sie es da lernen sollen oder ob Eltern auch noch eine Verantwortung haben. Mein Kind möchte in den Fußballverein, mein Kind zeichnet Mangas oder mein Kind kann super gut jonglieren – dann sollten sie dem Kind die Möglichkeit geben, das auszubauen.

DJ Upset: Die Schule kann glaub ich einiges kompensieren, was Eltern falsch machen. Aber klar, die Alleinverantwortung der Schule zuzuschieben, ist auch wieder schwierig. Wenn die Eltern schon einen guten Grundstein legen für das Kind, dann wird das auch in der Schule nicht – um es mal plakativ zu sagen – verdummen. Es ist halt immer so ein Zusammenspiel, man braucht eine gute Schulbildung, aber auf der anderen Seite muss auch das Elternhaus stimmen. Wenn’s von beiden nicht stimmt, und ich glaube dass da das Elternhaus den wesentlich wichtigeren Teil einnimmt, wenn da was schiefläuft, dann kannst du das auch mit der besten Schule nicht retten.

Ihr sprecht einerseits von der Eigenverantwortung der Eltern und andererseits meinte Weekend in einem anderen Interview, dass viele Kinder im Kindergarten das erste Mal mit der deutschen Sprache in Berührung kommen. Wo ist da die Eigenverantwortung geblieben?

DJ Upset: Lernpsychologisch ist das eigentlich auch nicht falsch. Kinder sollten eigentlich beim Lernen einer Fremdsprache zuerst mal in der eigenen Muttersprache so fit sein, dass sie andere Sprachen erlernen können. Wenn ich einmal ein Basiswissen an Grammatik habe und weiß, wie Sätze gebildet werden, fällt es mir viel leichter, die Zweitsprache zu lernen. Das wäre dann Deutsch. Das ist gar nicht so verkehrt.

Weekend: Aber da kann man den Zeitpunkt auch schnell verpassen. Es gibt in dem Bereich, in dem ich das mache, Leute, die eine Sprache nicht erst im Kindergarten erlernen, sondern gar nicht. Ganz krass hab ich schon mal eine 17-Jährige gesehen, die in Deutschland geboren ist, aber kein Wort Deutsch konnte. Im Endeffekt ist sie in der 5. Klasse der Hauptschule gelandet, mit dem klaren Ziel ein halbes Jahr zu überbrücken und dann ist sie raus aus der Schulpflicht – da ist ganz klar, dass das zu nichts mehr führt. Da ist der Zeitpunkt einfach so um ein Vielfaches verpasst. Es gibt ja auch keine Kindergartenpflicht – Betreuungsgeld usw. Da kommt’s dann auch zu Fällen, da lernen Kinder Deutsch in der ersten Klasse. Da sollen aber die anderen Kinder was anderes als Deutsch lernen – und dann steht der Lehrer vor einer ganz beschissenen Aufgabe. Wenn er erst mal Deutschunterricht gibt, dann lernen die anderen 29 Kinder in der Klasse erst mal Deutsch, aber das können sie schon – also lernen sie nichts. Das ist auch wiederum ein Problem.

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Vor ein paar Monaten habe ich mit Bennett On gesprochen, der ja auch Sozialarbeiter ist. Da meinte er, dass er HipHop in seine Arbeit mit Jugendlichen eingebaut hat. Ihr auch?

DJ Upset: Ja, ich hab das eigentlich immer gemacht. Ich hab zuerst eine Erzieher-Ausbildung gemacht, danach Hochschullehramt studiert, währenddessen in meinen Projekten im Kindergarten und später in der Grundschule Sachen wie den Rotkäppchen-Rap benutzt. Ich hab das immer einfließen lassen – aber auch weil es für mich ein gutes und einfaches Medium ist, um mit Kindern zu arbeiten. Musik ist einfach immer spannend für Kinder. Sie sind von vornherein rhythmisch und damit kann man sie ganz schnell motivieren.

Weekend: Ich hab während eines Praktikums im Jugendzentrum einen Rapworkshop gegeben und dabei festgestellt, dass es aktuell für mich gar nichts ist, das zu verknüpfen, weil mir das eine ganz schnell das Spaß am anderen nimmt. Ich hab bei der Musik einen gewissen Anspruch und bin dann völlig unzufrieden damit, es so runterzuschrauben. Ich will das nicht als Methode verwenden, weil ich dann zwei Sachen vermische, die ich als Einzelpole brauch – wenn mich das eine nervt, brauch ich das andere, um mich reinzustürzen. Ich mach ja offensichtlich auch keine sozialkritische Musik und das ist schon eine ganz bewusste Sache, dass ich da meine zwei Welten habe. Wenn das eine zu krass ist, hab ich das andere als Ausgleich. Jetzt ist die begründete Angst, dass wenn ich das auch noch auf Sozialarbeiterebene mache, dann habe ich nur noch Musik. Dann wird mir das nach einer gewissen Zeit den Spaß nehmen, dabei achte ich gerade darauf, dass das ein gesundes Verhältnis hat.

Emkay, du studierst ja Germanistik. Wie würden sich Raptexte für den Deutschunterricht eignen?

Emkay: Im Prinzip arbeitet man ja nur mehr nach Schemata, man hat irgendwann die Epoche Barock, die Sonette und wie die aufgebaut ist… Der Rap im Unterricht steigt jetzt an, aber man hat zu wenig Texte, die so metaphorisch sind, dass es sich lohnt, sie anhand der Metaphorik zu untersuchen. Meistens ist es relativ platt gehalten, mit leichten Motiven, weil Musik ja auch sehr affektiert ist – man versucht deutlich sehr schnell, gewisse Gefühle bei allen möglichen Leuten zu erwecken. Bei Lyrik ist es meistens so, dass viele Autoren gar nicht so direkt darauf hinweisen wollen, worum es geht. Man muss sich damit befassen, damit man merkt: okay, im Expressionismus geht es um Verfremdung, die Großstädte sind schlimm und Individualität fehlt, man funktioniert nur noch. Dann haben Leute angefangen, die Sprache zu zerstören und es entstanden Gedichte aus Worterfindungen – oder es war so, wie wenn Helge Schneider einen Witz macht und er keinen Empfang mehr hat, man hört ihn nicht mehr reden. Es gibt wirklich solche Gedichte, wo ein Wort kommt, dann wird ein Wort angedeutet, dann ist da eine Lücke… da kann man Doktorarbeiten darüber schreiben. Ich kenn keinen Raptext, der jetzt so mit eigener Sprache arbeitet, dass man sagen könnte…

Weekend: Naja, ich find dass zumindest einen guten Ansatz, Leuten damit einen Zugang zu geben, wie eine Metapher überhaupt funktioniert. Klar gibt es Sachen, die komplizierter sind, aber wenn du eine 7. Klasse nimmst und du hast da Kids sitzen, die Rap feiern – das ist doch ein richtiger guter Zugang, ihnen vielleicht einem Casper Text zu geben und mit ihnen zu überlegen, warum der jetzt von gewissen Situationen erzählt. Das hat auch eine gewisse Bedeutung, er ruft damit auch was hervor. Das merkst du, wenn es musikalisch untermalt ist, nochmal schneller, als wenn du einen Text liest. Bei meiner Musik würde es wenig Sinn ergeben, weil ich darauf achte, sehr direkt zu sein.

Alexander-Gotter_DSC6223 Emkay: Aber Rap ist ja sehr direkt, da fehlt diese Metaebene.

DJ Upset: Als Einstieg könnte man es nehmen – und dann irgendwann Goethe. Das wär schon cool.

Weekend: Meine Texte sind jetzt nicht so dafür geeignet. Aber es gibt z.B. Kamp. Das ist jemand, den ich sehr, sehr feier. Auf dem „Versager Ohne Zukunft“-Ding gibt es drei Tracks für die Exfreundin. Das könntest du auf jeden Fall interpretieren und da hätten Siebtklässler auch mehr als zwei Minuten damit zu tun, sich zu überlegen: warum erzählt der Typ denn, dass er mit ihr auf Kreta war und mit ihr zusammen gekocht hat – welche Information steckt dahinter, welche Emotion will er damit ausdrücken? Auf dem ganzen Album redet er ja auch darüber, dass er quasi viel trinkt und einen Lebensstil hat, der ihm nicht guttut. Ich hab das letztens mit einem Kumpel auf dem Rückweg gehört und uns ist aufgefallen, dass es vom Soundbild her wie ein großer Alkoholrausch klingt. Erst so euphorisch „ich bin hier“ und er feiert das und „yeah, ich bin betrunken.“ Dann kommt irgendwann ein Punkt, wo es melancholischer wird und dann „oh, meine Exfreundin“, dann „ich hab meine Familie lieb“ und dann kommt so ein relativ neutrales Fazit – das hat so eine Kurve. Da gibt’s auf jeden Fall Leute, die sich da Gedanken machen. Ich find’s auch nicht gut, das so runterzuspielen – aber Musik hat auch seine Grenzen. Wenn eine gewisse Direktheit fehlt, wirkt’s halt auch verkopft und das ist irgendwie strange und funktioniert als Musik nicht mehr wirklich gut. Mit einer 7. Oder 8. Klasse könnte man auch mal „Malinkaya“ interpretieren, das wär vielleicht nicht das Ding, das über zwei Monate geht, aber das könnte man mal voll gut machen.

Emkay: Das kann man machen, weil’s ein gewisses Interesse weckt.

DJ Upset: Ja, aber darum geht’s ja auch. In der 7. Klasse Hauptschule gibt es Leute, die können schlechter Deutsch – und bei denen kannst du jetzt nicht mit Goethe einsteigen. Das ist dann Rap, das motiviert voll.

Weekend: Wenn wir schon in Wien sitzen und anfangen, österreichische Rapper als Beispiel zu nutzen: Gerard, das „Verschwommen“ Lied vom neuen Album, das sind doch alles Metaphern. Wenn du neu in so ein Thema einsteigst, dann ist das doch interessant.

Emkay: Aber du kannst gewisse Kompetenzen nicht damit vermitteln.

Weekend: Bei Gerard find ich’s von den lyrischen Bildern her schon anspruchsvoll. Warum soll man ihnen nicht statt Goethe den Raptext hinlegen und sie überlegen lassen. Es mag sein, dass das durchschnittliche Raplied nicht die allerkrasseste Tiefe hat, das wird auch mit Battle-Rap schwierig sein, aber es gibt Sachen, die funktionieren. 7. Klasse mal Kollegah auseinanderzunehmen und daran erklären, was ein Vergleich und eine Metapher ist…

DJ Upset: „Wir ballern die Ghetto-Huren…“ (grinst)

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Es gibt von Reklam eine Ausgabe namens „Raptexte für den Deutschunterricht“.

DJ Upset: Ja, ich glaub da sind Torch und Freundeskreis drinnen, Advanced Chemistry…

Emkay: Es gibt ja auch Songs mit schönen Themen.

Weekend: Kennst du das Lied von Tua, in dem er erfährt, dass seine Freundin schwanger ist? Da macht er ganz viele Prozesse durch – von der totalen Verzweiflung, wie er sich das leisten soll, dann „ja geil, ein Kind“, dann „ich schließ mich zwei Wochen ein und betrink mich nur“. Das ist mega gut gemacht und könnte man im Deutschunterricht super auseinandernehmen. Oder Hollywood Hank dieses Kinderschändungslied, das ist überkrass und völlig daneben im Prinzip, rein lyrisch und von der Empathie, dass er sich reinversetzt, das macht das Ganze so schlimm. Das würde ich für eine Schule nicht empfehlen, aber auf ’ner Uni könnte man das auf jeden Fall besprechen, das hat auch eine krasse Tiefe.

Emkay: Es wird leider nicht akzeptiert.

DJ Upset: Das kommt auch auf den Professor drauf an.

Emkay: Ich bin da vielleicht auch ein bisschen konservativ geschult, aber ich find’s schade, dass da so eine Inhaltsverrohung stattfindet. Da kannst du eigentlich auch komplett sagen wir behandeln keine Geschichte mehr, wenn man Schiller und Goethe nicht mehr lehrt. Dann kannst du auch sagen es ist egal, was Otto von Bismarck gemacht hat…

Weekend: Ne, ich find du kannst keine Geschmäcker aufzwängen. Schiller und Goethe sind nicht zeitgemäß und deshalb nicht förderlich. Ich find auch nicht, dass es heutzutage zu einer Grundbildung gehört. Das ist schon ein Ding, wenn dich das interessiert, kannst du es freiwillig erarbeiten. Es hat in einem Studium vielleicht etwas zu suchen, aber in der Schule macht man es sich damit automatisch schwierig, immer Sachen vorzulegen, die die Leute prinzipiell nicht interessieren.

Emkay: Auch in der Schule gehst du nach Epochen, um die Entwicklung dahin zu verstehen, warum wir das heute so machen. Das ist genau dasselbe in der Philosophie: Ich hasse Platon wie die Pest, trotzdem musst du für jeden Scheiß Platon gemacht haben, weil da die Entwicklung anfängt.

Weekend: Ich bin kein Lehrer, aber das ist auch ein erweitertes Wissen – zu wissen, warum man heute was wie schreibt. Ich find, wenn’s darum geht, irgendwas zu interpretieren und analysieren und gewisse sprachliche Methoden, Vergleiche, Metaphern zu lernen, einfach schwachsinnig, das bei Goethe zu machen. Da findet man einen einfacheren Zugang. Das kann man auch einfach mal so behaupten, weil ich hab noch nie jemanden sagen hören: „Geil, wir lesen gerade Goethe“. Dafür gibt’s „Crazy“, das schlägt voll an, weil sich Leute reinversetzen können.

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Emkay: Ein bisschen wie „Die Welle“, das ist auch etwas, das man immer macht. Oder „Der Vorleser“…

Weekend: Das ist ja eine positive Entwicklung! Aber warum liest man „Nathan der Weise“? Das ist einfach auch mega dröge…

Emkay: Das ist wirklich nur dieses Epochending. Das, was du mit den Raptexten proklamieren willst, ist das, was sie mit „Die Welle“ machen. Du schaffst einen leichten Zugang zu dem, was sie später erlernen müssen.

DJ Upset: Das diskutieren wir im Flugzeug aus – mit schnick schnack schnuck.

Die Resonanz auf politische Aussagen

Auf Facebook hast du in Großbuchstaben zwischen Videos und Interviews gepostet: „Oh nein, der Golfstrom versiegt.“ Was war der Auslöser für diesen Kommentar?

Weekend: Ich hab ab und zu einfach so Launen. Und denk dann so: „Haha, mir folgen jetzt fast 180.000 Leute auf Facebook, jetzt gibst du denen mal so blöd und billig irgendeine Message mit.“ Dass das natürlich völlig überzogen und doof ist, das besagt aber auch: ich könnte es sinnvoll nutzen, tu es aber nicht. Es gab eine Situation, über die ich mich sehr gefreut habe – als es ein wenig politischer wurde. Ich mach eigentlich keine politische Musik, aber es gibt ein Interview von „Eine Stimme“. Da hab ich mich relativ negativ zum Betreuungsgeld geäußert und das hat dazu geführt, dass der Moderator, der auch auf dem Fernsehsender Phoenix eine politische Sendung moderiert, das in der Sendung der Politikerin gezeigt, die in Deutschland das Betreuungsgeld auf den Weg gebracht hat. Die CDU-Politikerin sollte darauf antworten und hat vollends versagt und nur Floskeln herausgebracht. „Hat der denn überhaupt Kinder?“ Was ich in meinem Beruf oft höre. Aber nein, ich habe studiert, jetzt lasst mich in Ruhe, wir reden da trotzdem drüber. Sie konnte überhaupt nicht konstruktiv auf das eingehen, was ich davor gesagt habe und das war ein bisschen so: Geil, du machst einmal etwas, das ein bisschen einen tieferen Sinn hat und machst dich nicht nur über einen Scheiß lustig – und dann schlägt das am Ende so Wellen, dass da eine Politikerin sitzt und sich dazu äußern muss. Da erfährst du in Ansätzen deinen eigenen kleinen Sieg, das war schon geil. Hat mich darin bestätigt, auch mal etwas Politisches zu sagen, weil man kriegt das Gefühl, da auch etwas tun zu können. Ich mach demnächst auch was tolles Politisches. (Anm.: Genaueres darf an dieser Stelle noch nicht veröffentlicht werden)

Alexander-Gotter_DSC6334Noch kurz zu deiner VBT-Vergangenheit. Bei eurer Diskussionsrunde am diesjährigen Splash! meinte Prinz Pi, dass man beim VBT in der Sicherheit des Heimes im Internet herumpöbeln kann. Wie siehst du das im Vergleich zu Freestylebattles?

Weekend: Das sind natürlich andere Schulen. Es gehört was anderes dazu, auf Bühnen live zu freestylen, wie Pi das früher gemacht hat. Auf der anderen Seite unterhält mich so ein vorbereites Battle aus der Sicherheit des Zuhauses nochmal auf eine andere Art und Weise, weil man qualitativ was ganz Anderes machen kann, wenn man es zwei Wochen vorbereitet, als wenn man zehn Sekunden hat. Das wird ja auch mit anderen Ansprüchen gemessen, daher finde ich, sind das zwei unterschiedliche Disziplinen, die beide geil sind, die beide Spaß machen. Dass ich diese Online-Battles gemacht habe, liegt auch daran, dass ich nicht freestylen kann. Ich hab immer Freestyle-Sachen gefeiert, konnte das aber nie gut. Das ist auch eine Attitüde, die ich gerne mag, Cypherrappen vor der Türe bei der Jam, da ergibt sich mal eine böse Zeile und so. Das sind zwei Sachen, die kann man zwar vergleichen, es gehören aber unterschiedliche Fähigkeiten dazu und ich find beides super. Ich glaube auch, dass Pi beides super findet, er hat nur versucht es zu vergleichen und nochmal aufzugreifen, was es denn einfacher macht, beim VBT mitzumachen.

Aber wenn man schon länger Zeit hat, sich etwas zu überlegen, wie kommt es dann zu einer Zeile wie bei Pimf, die du in der Diskussion ja auch angesprochen hast?

Weekend: Das müsste man Pimpf fragen, ich weiß nicht, warum das bei ihm so passiert ist. Der Humor hat sich beim Rap verselbstständigt. Es gibt viele Künstler, bei denen die Szene sagt, dass es megawitzig ist. Wenn du es aber auf der Straße zeigen würdest, würden Leute sich auf den Kopf fassen und fragen, wie man so etwas sagen kann, das sei bösartig und geschmacklos. Da gibt’s so eine eigene Art Humor, das Punchline-Ding, das sich über die Jahre so entwickelt hat. Aber Pimf hat sich dann klar davon distanziert und das nochmal richtig gestellt, somit ist die Sache auch vom Tisch. Ich habe ihn auch persönlich kennengelernt und er ist der liebste Kerl der Welt, ein toller Junge und hat nichts im Kopf, wo man denke würden, dass so eine Zeile von ihm kommen könnte. Er hat glaube ich nicht gemerkt, dass er da auch was Bewertendes sagt.

P-Zak hat immer sehr kontroverse Lines. Er hat letztens deinen Kollegen Battleboi Basti bei Rap Am Mittwoch gebattelt. Den Text dafür konnten sie im Vorhinein schreiben. Könntest du dir so ein Format vorstellen?

Weekend: Ich bin auch ein riesiger Feuer über Deutschland-Fan und hab am Splash auch den Veranstalter getroffen, der das früher organisiert hat. Da hing ich ihm völlig am Rockzipfl mit: „Hey, du musst das nochmal machen und dann komm ich und ich mach die alle platt“. Bei Rap am Mittwoch find ich’s auch geil, aber das frisst ja ‘ne Menge Zeit. Ich hab das bei Basti in Ansätzen mitbekommen, wie krass ihn das beschäftigt hat, sich darauf vorzubereiten. Jetzt gerade würde mir da die Zeit dafür fehlen, aber generell find ich’s geil und hätte auch Ambitionen, da mal mitzumischen. Ich hab auf jeden Fall noch einen mit Atzenkalle offen. Aber das ist auch schon wieder doof, weil ich den mag. Da hätte ich eher Bock auf einen Typen, den ich nicht kenn.

DJ Upset: Atzenkalle gegen dich wäre wahrscheinlich eines der unterhaltsamsten Battles, die wir kennen.

Weekend: Wir machen aber auch was sehr Ähnliches, es könnte auch echt nervig sein. Da nehmen sich zwei Leute gegenseitig nicht ernst. Ich hätte lieber einen sich total ernst nehmenden Straßenrapper.

Das Nostalgische am VBT

Einerseits willst du dich vom VBT abgrenzen, andererseits spielst du Sachen davon dann live. Wie passt das zusammen?

Weekend: Ich will es nicht von mir weisen oder mich distanzieren. Das ist eine Sache, die mir viel gebracht hat, einen hohen nostalgischen Wert für mich hat und eine Sache, wo ich auch gern den Fuß in der Tür habe und gern die Jury gemacht habe bei der letzten Splash Edition. Ich find es super, dass es das gibt und für mich gab, spiel es gerne live. Das ist von vielen VBT-Rappern immer so rübergekommen wie „Ich möchte mich distanzieren“ und dann haben alle, die mitgemacht haben, den Ruf, dass keiner mehr Bock drauf hat. Ich hab da Bock drauf und guck mir das auch noch gerne an.

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Grandmaster Flash und die Dreistigkeit

Zum Schluss: Du hast im Sommer diese Anekdote mit Grandmaster Flash auf Facebook gepostet. Das war doch beim Beeasy Festival in Wien, oder? Was war da genau?

DJ Upset: (lacht) Der Veranstalter hat mir gesagt, dass Grandmaster Flash seine Kopfhörer vergessen hatte und mich gefragt, ob ich ihm meine leihen würde. Ich hab mich geehrt gefühlt.

Weekend: Dazu muss man sagen, dass er auch so ein richtiger Oldschool DJ ist, wenn er irgendwo auflegt, kommt da mit einer ganz großen Wahrscheinlichkeit statt Mac Miller Jurassic Five. Grandmaster Flash ist da einfach Legende.

DJ Upset: Da hab ich gesagt: Ja klar, hier, nimm ihn, das ist toll. Dann hat der Veranstalter den Kopfhörer gebracht und ich dachte: Oh, bevor wir ins Hotel fahren spring ich nochmal eben hin und mach ein Foto mit ihm, wann hat man schon diese Gelegenheit! Und ja, dann hab ich ihn auch ganz nett auf Englisch gefragt: „Ich hab dir meine Kopfhörer geliehen, können wir nicht kurz ein Foto machen?“. Dann hat er etwas süffisant mit einer Geste zu mir gesagt: „Not now.“ In dem Moment hab ich mich so ungerecht behandelt gefühlt. Da musste ich so ehrlich und konsequent sein und hab ihm gesagt: „Ja sorry, dann muss ich jetzt auch abhauen. Ich nehm meine Kopfhörer mit. Du kannst dir die bestimmt von einem anderen DJ leihen.“ Grandmaster Flash ist immer noch Legende und ich will mich mit ihm nicht auf eine Stufe stellen, aber ich finde man kann trotzdem irgendwie höflich zu den Leuten sein.

Weekend: Das ist auch die schöne Quintessenz der Geschichte: Egal wer du bist, und du kannst Eminem höchstpersönlich sein, wenn du nicht freundlich zu mir bist, dann muss ich keinen krassen Respekt vor dir haben. Weil diese menschliche Ebene für mich noch immer über der musikalischen liegt. Ein guter Musiker, der ein Arschloch ist, bleibt ein Arschloch. Wenn ich das weiß, kann ich mir die Musik von ihm auch nicht mehr gut anhören, leider. Das ist halt so eine Sache, die mir wichtig ist, wenn ich Leute treffe – dass sie nett sind und ich ein angenehmes Gespräch hab. Oder zumindest irgendwie das Gefühl, dass man sich auf einer höflichen Ebene begegnen kann. Wenn das nicht möglich ist, hab ich auch gar kein Interesse daran, irgendeine Ebene zu entwickeln. Das Grandmaster Flash den Kopfhörer wieder Wegnehmen find ich eine großartige Dreistigkeit, aber abgesehen davon find ich es auch menschlich die richtige Konsequenz. Ich würde das nie machen, weil derjenige was für mich getan hat und ich bin in der Position, Dankbarkeit zu zeigen. Das ist angebracht, egal wer du bist, da hat kein musikalischer Status was damit zu tun.

DJ Upset: Es ist traurig, wenn man von sich selbst denkt, ein Level erreicht zu haben, dass man diese Menschlichkeit und nette Floskeln nicht mehr an den Tag legt.

Weekend: Das hat ja nicht mal was mit Floskeln zu tun.

DJ Upset: Aber du bist sehr gut informiert. Allein schon so Namen wie Edgar Wasser und Lakmann haben wir heute von Reportern nicht gehört. Die haben eher wir so eingestreut.

Weekend: Die kennen hier alle nicht mal Kamp!

Emkay: „Hab ich noch nie gehört“.

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