"The hardest thing to do is something that is close…
Während Kanye West sich seinen Platz im Mount Rushmore des HipHops schon gesichert hat, läuft seine Karriere als Modedesigner den gesetzten Zielvorgaben hinterher. Die Präsentation von Yeezy Season 4 im September avancierte gar zu einer regelrechten Katastrophe. Mit dem fünften Teil seiner Adidas-unterstützten Kollektion gelobte der exzentrischste aller Rapper Besserung – und war diesmal sogar zu manch Kompromiss bereit.
Kanyes Willen, endlich auch in der Fashion-Welt jenen Respekt zu bekommen, den er in Musikerkreisen genießt, kann man ihm dabei nicht absprechen. Vor allem nicht nach dem Debakel aus dem vergangenen Jahr. Auch die Entscheidung von Adidas, eine weitere Kollektion mit Kanye West zu lancieren, gleicht einem Treuegelübde, das auch in schwierigen Zeiten gilt. Der reißende Absatz der gemeinsamen Sneaker-Linie täuscht nämlich darüber hinweg, dass Kanyes Kleiderkreationen bisher auf wenig Gegenliebe gestoßen sind (der Kardashian-Clan ausgenommen). Die Nachfrage an Yeezy-Klamotten ist zwar steigend, aber noch deutlich hinter den Erwartungen. Adidas scheint dennoch weiterhin kommerzielles Potential in Kanyes Modelinie zu sehen. Ein Vertrauensbeweis, den manche nach der Präsentation von Season 4 nicht erwartet hätten.
Die Liste an Dingen, die bei der Vorgänger-Kollektion schiefgegangen ist, liest sich schließlich sehr lange: Da wäre zunächst der schwere Vorwurf des Rassismus, da Kanye West nur Models gemischter Ethnien für seine Präsentation casten wollte. Die später als großer Flop in Erinnerung blieb, da sich nicht nur die Wahl der Location – die weit entlegene Roosevelt Island – als ungünstig erwies, sondern auch das brütend heiße Wetter. Die Schlagzeilen von kollabierenden Models waren bestimmt nicht im Businessplan und ließen sogar die Chuzpe einer zweistündigen Verspätung in den Hintergrund rücken. Dem nicht genug, fiel Kanyes Kollektion äußerst ernüchternd aus. Mehr als einen trostlosen Helmut-Lang-Abklatsch hätte man schon erwarten dürfen. Alles gute Gründe, warum nicht wenige Modekritiker damit kokettierten, in Zukunft nie wieder eine Silbe über Kanye Wests Designerambitionen zu verlieren.
Die Grande Dame der Modewelt, Vogue-Chefredakteurin Anna Wintour, hält Kanye aber weiterhin die Treue – und war auch bei der Präsentation der Yeezy Season 5 zugegen. Die diesmal im Pier 59, einer deutlich konventionelleren Location, stattfand und lediglich 25 Minuten verspätet begann. Wobei Kanye sich einen anderen Zeitpunkt in Form des begehrten Slots zwischen Anna Sui und Thom Brown nicht nur gewünscht hatte, sondern selbigen gleich ohne Abstimmung mit den Organisatoren der New York Fashion Week, dem CFDA, ankündigte. Naturgemäß hielt sich die Freude bei den Organisatoren und dem Label Marchesa, das eigentlich diesen Slot zugeteilt bekam, in Grenzen. Man würde ein solches Verhalten nicht tolerieren, so der CFDA-Wortlaut. Da musste sogar Kanye West einlenken und seine Show verschieben. Ein durchaus interessantes Signal dafür, dass Kanye für Akzeptanz in der Modewelt sogar zu Kompromissen bereit ist. Als Musiker, so die Vermutung, hätte er auf eine solche Problemlage bestimmt anders, bekanntermaßen trotzig, reagiert.
Ähnlich demütig zeigte sich Kanye gegenüber dem Publikum seiner Show. Mit Hilfe eines Obelisken in der Mitte des Raums, auf dem die einzelnen Looks projiziert wurden, konnte jeder der Anwesenden sich einen Eindruck über die Kollektion verschaffen. Die Musik kam dabei von The-Dream, der „Bed“ von J. Holiday intonierte. Immerhin, so ist schnell klar, sticht Season 5 seinen Vorgänger locker aus. Gemäß dem Grundtenor auf der NYFW setzt West auf das große Thema Amerika, das er unter anderem in einem All-Denim-Look, kombiniert mit Cowboy-Stiefeln, umsetzt. Ganzkörperanzüge, der Einsatz von Camouflage, Feuerwehrjacken und die üblichen herunterhängenden Sweatshirts gehören zu den weiteren Stücken der West-Kollektion, deren Farbpalette um Blau- und Rottöne erweitert wurde. Größte Änderung innerhalb der sehr sportlich ausgefallenen Kollektion („Athleisure“ lässt grüßen) ist der verstärkte Gebrauch der Adidas-Markeninsignien, heutzutage aber auch kein sonderlich spektakulärer Einfall. Gleiches Fazit gilt für das „Calabasas“-Merch, dessen Name auf einer „Gated Community“ in Los Angeles beruht, dahinter sich aber ein gemeinsames musikalisches Projekt von Drake und Kanye West verstecken soll. Nicht schlecht, aber zu keinen Begeisterungsstürmen verleitend.
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Wie selten zuvor war die NYFW dieses Jahr auch politisch aufgeladen. Man denke nur an Raf Simons‚ erste Kollektion für Calvin Klein und den dortigen Einsatz symbolträchtiger weißer Bandanas. Doch Kanye, der eine schräge On-Off-Beziehung zum neuen US-Präsidenten führt, übte sich in Zurückhaltung. Mit Ausnahme des Einsatzes von Halima Aden, einem somalisch-stämmigen Model. Die einen Fake-Fur-Mantel (nach Informationen der Vogue) mit einem Hijab am Kopf vorführte und damit für großes Medienecho sorgte. Das sonst aber ausblieb und am ehesten auf die neuen Yeezy Runner abzielte, die zugleich aber starke Assoziationen an die jüngste Balenciaga-Präsentation wecken. Deren Verkaufszahlen, soviel ist sicher, werden für Adidas aber wieder zufriedenstellende Ausmaße einnehmen.
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Ob das auf die gesamte Kollektion zutreffen wird steht schon eher infrage. Einige Stücke sind durchaus gelungen, Kanyes Nu-Normcore-Entwurf fand in der Vergangenheit schlechtere Umsetzung. Dennoch fällt alles nach dem üblichen Schema aus, der Wagemut seiner Musik findet in der Kleidung kaum Eingang. Immerhin ging die Show diesmal skandalfrei über die Bühne, wenngleich West nicht standesgemäß sich am Ende beim Publikum bedankte, sondern die ganze Zeit im Backstage verbrachte. Fulminant geht trotzdem anders – und einige Kollegen, mit denen sich Mr. West gerne messen will, zeigten auf der NYFW, wie eine denkwürdige Show auszusehen hat. Den Vergleich mit der extremen Coolness eines Alexander Wang kann Season 5 beispielsweise nicht standhalten. Somit fällt das Fazit durchwachsen aus: Besserung ja, aber vom Fashion-Thron, da ist Mr. West noch sehr, sehr weit entfernt.
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