"The hardest thing to do is something that is close…
Seit einer Dekade beeindruckt Zola Jesus aka Nika Roza Danilova, Amerikanerin mit einem ausgeprägten Faible für russische Kultur, die Musiklandschaft mit ihren düsteren, epochalen Werken, in denen Goth-Pop, Industrial, Electronica und klassische, opernhafte Attitüde sich vermischen. Welch Power diese Mischung entfalten kann, zeigte sich vor allem auf „Stridulum II“ (2010), ein wahres Meisterwerk dunkler Musik, in dem Zola Jesus‘ atemberaubende Stimme (Zola Jesus ist eine ausgebildete Opernsängerin) und packende Synthie-Arrangements eine wohlklingende Symbiose eingehen. Ähnliches passiert auch auf ihrem neuen Album „Okovi“ (Slawisch für „Fesseln“ respektive „Ketten“), auf dem Nika nach dem leicht enttäuschenden Vorgänger wieder zu ihrer absoluten Bestform aufläuft. Eine meisterliche Produktion, eine imposante Stimme und persönliche Texte über den Kampf mit Depressionen, Suizid und den Tod, die eine ganz eigene Wirkung entfalten – all das befindet sich auf „Okovi“. Schwer verdaulicher Stoff, aber fabelhaft umgesetzt. Ein Album, das man nicht so schnell vergisst.
Doch nicht nur mit ihren Platten hat sich Nika einen Namen gemacht. Auch live gelten ihre Auftritte als regelrechte Feuerwerke. Gespannt durften also jene sein, die am Dienstag den Weg ins FLUC am Praterstern finden. Und das sind einige, die relativ kleine Location ist schon beim Voract Devon Welsh zum Bersten gefüllt. Der Kanadier Devon Welsh, ehemals Sänger beim Art-Pop-Duo Majical Cloudz, begeistert mit publikumsnaher Performance und emotionsgeladenen Texten. Nach Devon Welsh stimmen kryptische russische Chöre aus den Boxen auf den Main-Act ein: Zola Jesus, die gemeinsam mit ihrer Band, der auch ihr Produzent Alex DeGroot angehört, die Bühne des heute rauchfreien FLUCs (die Sängerin hatte explizit darum gebeten, auf das Konsumieren von Rauchwaren zu verzichten) entert. Das Set lässt sie mit „Veka“ beginnen, eine dunkle Ambient-Perle, dessen Lyrics von einem Werk der russischen Dichterin Anna Akhmatova inspiriert sind. Zola Jesus gelingt es von Beginn an, das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Während ihres Sets springt sie wild herum, zeigt sichtbar ihre emotionale Verbundenheit mit Tracks wie „Wiseblood“ oder „Siphon“ und interagiert auf sympathische Weise mit der Crowd. Dabei findet Zola Jesus auch glaubwürdige Worte des Lobes für Wien. Schließlich kommen viele großartige Dinge von dort, wie sie meint. Michael Haneke zum Beispiel, den sie namentlich erwähnt (Haneke ist in München geboren, in Wiener Neustadt aufgewachsen, lebt aber seit mehreren Jahren in Wien). Bei der Sympathiewelle, die Zola Jesus entfacht, lässt sich auch leicht über ihre Probleme beim fordernden Einsteig von „Remains“ hinwegsehen, der nicht auf Anhieb gelingen will. Selbst bei einer exzellenten Sängerin wie Zola Jesus können solche Probleme einmal auftreten.
Nach gut 50 Minuten wird die Bühne dunkel, das Goth-Pop-Feuerwerk nimmt scheinbar sein Ende – aber nicht ohne Zugabe. Zum Abschluss serviert Zola Jesus „Skin“, vielen auch bekannt aus der achten Staffel von „Grey’s Anatomy“. „Safety net don’t hold me now/In this hole I’ve fallen down/Secret home I’ve made and found/A new way to breathe“ singt sie in dieser Nummer. Ein tieftrauriges Meisterwerk, das einen emotional nur mitnehmen kann. Perfekter Schlusspunkt!
Fazit: Die Mängel bei der Show von Zola Jesus sind ohne Lupe nicht zu finden, so faszinierend war ihre Performance, so makellose agierte die Band, so mitreißend war die Musik, die zu großen Teilen aus Titel der Alben „Okovi“ (klar) und „Conatus“ bestand (das fabelhafte „Night“ aus „Stridulum II“ hatte sie zum Glück auch im Gepäck). Vielleicht war das FLUC nur nicht der beste Ort für ihre Show, die mit einem Drummer an Bord sicher noch mehr Wucht entfaltet hätte. Und wer zu spät kam, den bestrafte sowieso das Leben (ein Spruch, der fälschlicherweise ja gerne Michail Gorbatschow zugeschrieben wird, um das Russlandthema noch einmal aufzugreifen)– die Sicht auf Zola Jesus war dann nämlich eher suboptimal. Was auf jeden Fall schade war. Denn Zola Jesus bot ganz großes Kino. Ein dickes S/O an Arcadia für dieses Booking!
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