Zeichen setzen mit Zeichensätzen. Mag Rap, Reisen und gutes Essen.
Shakesbeats Vol. 2 steht an und bringt nach einem vielversprechenden Veranstaltungsreihenstart mit Amewu diesmal den großen Edgar Wasser ins Wiener Fluc. Zusätzlich zum sehnlichst erwarteten Münchner werden Mundart-Rap von den Chaotix sowie ein Liveset vom Gastgeber, Philiam Shakesbeat, kredenzt. Dass die großzügige Idee, den ersten hundert Besuchern eine Split-EP zu schenken, eine gute war, lässt sich an der bereits ungewöhnlich früh langgezogenen Schlange am Praterstern erkennen. Allerdings bekommen die frühen Vögel auch tatsächlich ihren Wurm ab! Rawo und Kizmet von Chaotix, mit DJ Zeilomat im Rücken, drücken von Beginn an ordentlich aufs Gas und bringen die Crowd schon nach wenigen Nummern in überragende Konzertlaune. Absolutes Highlight einer kompakten Show, die sich dank energisch geforderter Zugaben noch auf beinahe 40 Minuten ausdehnt, stellt ein „Simon Says“-Remix dar, aber auch gänzlich eigene Nummern wie „Er sogt“, ein A capella von Kizmet und stellenweise Doubletime-Rap wissen absolut zu überzeugen. Neben dem souveränen Auftreten der beiden Oberösterreicher, tragen auch die fantastischen Beats (etwa von Chill Ill, Kardinal Kaos oder Magic Fingaz) das Ihrige zu einer gelungenen Show bei.
Kizmet von Chaotix // Fotos: Matthias Schuch
Schließlich folgt Gastgeber Philiam Shakesbeat auf der Bühne. Neben dem fantastischen Live-Drummer Treasureman alias Michi Schatzmann, der bis zu deren Auflösung bei ROBB gespielt hat, folgen seinem Ruf auch seine Back-up-Rapperin MC Chaos sowie zwei Tänzerinnen, welche den Rap des Wieners untermalen sollen und dabei zumindest ein ungewohntes Bild erzeugen. Nichtsdestotrotz legt der Veranstalter des Abends auch eine solide Rapshow hin, welche Aktuelles (von der dieses Jahr erschienenen EP) und Unveröffentlichtes vereint und damit ein immer voller werdendes Fluc gut unterhält. Positive Resonanzen verstärken sich vor allem bei den politischen Ansagen und Inhalten in den Tracks, wobei er eine Nummer über Ungleichheit dem neuen Bundeskanzler widmet, was für zahlreiche Zustimmung sorgt. Dabei revidiert er allerdings seine Aussage vom letzten Konzert, dass Sebastian Kurz ein Nazi sei, aber rechtsextrem sei er dennoch. Nach etwa 35 Minuten wird klar, dass das Publikum nicht mehr viel länger vertröstet werden kann und Philiam räumt das Feld für eine kurze Umbaupause und einige für eine HipHop-Show untypische Klänge: Bevor der Meister die Bühne betritt, gibt es Bonobo zu hören. Die Euphorie, die der „Rap-Wiederbelebung Münchens“ im Fluc entgegenschlägt, dürfte auch ihn selbst überraschen. Schon als Edgar Wasser bloß aus dem Backstage-Raum hervorlugt, brandet Jubel auf und wenige Minuten später ist vollkommen klar, weshalb. Mit DJ Explizit an den Decks und „Edgar Wasser Liveshow“, „Rotweinglas“, sowie „Edgar Wasser is the Illest“ startet ein brillanter Live-Auftritt, der den Großteil des Publikums staunen lässt. Jedes Wort sitzt, jede Zeile ist dope geflowt, die Kommunikation mit dem Publikum ist limitiert aber on point. Es ist einem zeitweise, als würde man ein Deutschrap-Konzert-Tutorial ansehen. Und damit spielt Edgar Wasser auch selbst, erklärt anhand eines fiktiven YouTube-Tutorials, wie man die Hände zum „richtig Abgehen“ drehen muss. Mühelos springt Edgar zwischen ganz alten („Tecla hat gesagt“, „Der Undenker“) und relativ aktuellen Nummern („Westcoast W“, „Bad Boy“), playbackt einen Freestyle, bedankt sich in Rockstarmanier beim geliebten australischen Publikum und erklärt Schritt für Schritt die geforderten Handzeichen. Und er stellt sich eine in Österreich interessante Frage: „Was ist eigentlich aus Sidos Blockstars geworden?“ Selten sieht man einen deutschsprachigen Rapper derart ein Publikum kontrollieren, selten gibt sich ebenjenes so willig für jeden Scherz her. Absolute Höhepunkte einer Rapshow ohne Makel sind „Back in the Days“ wobei Strophe zwei, wie aus dem Nichts, auf das „Worst Comes To Worst“-Instrumental der Dilated Peoples gelegt wird, „44 Bars“ welches die vorletzte einer Reihe von Zugaben darstellt, sowie „Definitiv“ der mit Unterstützung der Crowd in der Hook zu einer reinen Machtdemonstration wird. Als nach etwa 90 Minuten Schluss ist gibt es kein einziges unzufriedenes Gesicht. Nicht, dass man keine Lust auf mehr hätte (Material gäbe es zur Genüge), aber die Dichte und Intensität des Gebotenen hinterlässt einen restlos glücklich.
Fazit: Edgar Wasser untermauert seinen Legendenstatus mit einer Show der Extraklasse, wobei neben Witz und Flow vor allem die Präzision und Liebe fürs Detail zu einem anderen Level von Live-Auftritt reichen. Wer live so verständlich rappen kann, hat sich den Meistertitel wahrlich verdient. Heute Abend ist er im Bunker Graz zu sehen, morgen dann im OKH Vöcklabruck.
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