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„Den neuen Papst finde ich total super“ // Olli Banjo Interview

„Den neuen Papst finde ich total super“ // Olli Banjo Interview

Katja Kuhl
Katja Kuhl

So bunt wie die Luftballons sind auch die Themen auf Olli Banjos aktuellem Album „Dynamit“. Es wird über Arschgeweihe, Uzis und Ex-Freundinnen berichtet, ohne dabei musikalische Grenzen zu setzen. Im Interview erzählt ein sichtlich entspannter Oliver Otubanjo über seine Empathie zu Uli Hoeneß, die Bedeutung seiner Tattoos, die Begeisterung für Papst Franziskus und erklärt, warum er gerade den legendären Streetart-Künstler Banksy auf dem Cover nachgestellt hat.

Interview: Julia Gschmeidler
Mitarbeit: Colin Smith

TM: Du zählst Jimi Hendrix und Nirvana zu deinen Idolen. Warum gerade diese beiden Musikergrößen?
Olli Banjo:
Oh, also Jimi Hendrix ist für mich als Gitarrist ein Typ, der sehr ungewöhnlich und eigen gespielt hat, das hat mir sehr gefallen. Und Nirvana – Kurt Cobain ist für mich sowieso das größte Genie aus dem Rock’n’Roll. Nirvana ist die größte Rock-Band aller Zeiten für mich, ich find das Songwriting unfassbar krass.

War das auch ein Grund für dich, dass du die Rock EP „Tag der Freundschaft“ gemacht hast?
Ja, ich mach geilerweise jetzt noch mein Wunderkynd-Projekt, das ist ein Rock-Projekt, und das ist auch so gut wie fertig. Das hab ich mit den Krauts, mit Moses Schneider gemacht. Das kommt auf jeden Fall noch, mit viel Gitarren.

Im Zuge des Rock-Albums von Jan Delay hat der Bayerischer Rundfunk die fünf schlechtesten Rockplatten von Rappern zusammengefasst.
Geil, und?

Zu „Tag der Freundschaft“ war zu lesen: „Was als stahlharter Sturm aus Rap und Metal angekündigt war, entpuppte sich als EP gewordene Ode an „Durch den Monsun“. Sie macht einem schlagartig klar, dass Tokio Hotel eigentlich doch ziemlich geil waren.“
Geil, das ist ja super. Also die neue Platte hat damit nichts zu tun. Viele Grüße an Puls (grinst)

Jan Delay hat auf seinem Album auch einen Song namens „Liebe“, auf dem er erklärt, dass er auch Liebe für Uli Hoeneß hat. Siehst du das genauso?
Jaja, auf jeden Fall. Also Uli ist mein Man. Was er gemacht hat, ist natürlich der letzte Scheiß, 27 Millionen ist natürlich eine Hausnummer. Aber wir machen alle mal Fehler und sollten mal vor der eigenen Haustüre kehren. Mir liegt diese ganze Hetzjagd fern, als hätte er irgendwie zehn Leute ermordet. Das war ein bisschen übertrieben. Aber natürlich ist die Strafe gerechtfertigt. Aber Uli ist mein Man, free Uli.

Katja Kuhl
Katja Kuhl

Am Tag der Bundestagswahl 2013 hast du auf einer sozialen Plattform geschrieben, dass man Grün wählen soll.
Oje, jaja. (lacht) Erzähl!

Kurz davor hast du noch gepostet „JETZT NPD wählen …“
Ja ich mach gerne so Witze. Das ist immer so aus dem Kontext gerissen. Dieses Mal war ich etwas unentschlossen, wenn ich ehrlich bin.

In welche Richtung ging es denn?
Was wähl ich so? Oh, das ist ja richtig persönlich, wow, jetzt geht’s ans Eingemachte. (grinst) Ich bin immer ein großer Joschka Fischer Fan gewesen. Was ich allerdings auch finde, ist, dass die Grünen an Profil verloren haben, wie so viele andere Parteien auch. Auf jeden Fall stark nach rechts gerutscht sind, was natürlich von deren früheren Standpunkt aus noch immer links der Mitte ist, aber es ist nicht mehr die Partei, die sie einmal war. Also keine Ahnung, was ich damals gemeint habe. Wahrscheilnich war ich da der Meinung, dass man Grün wählen sollte. Aber ich würde mich jetzt nicht darauf festnageln lassen, dass ich immer Grün wähle. Persönlicher wird ich jetzt nicht (grinst)

Auf einem Track aus „Dynamit“ sagst du, dass du dich gerne vegan ernähren würdest und weniger zu Burger King gehen möchtest. Welche Beweggründe stecken da dahiner?
Ich bin Fleischesser, ich liebe Steak und ich find das alles gut. Aber andererseits habe ich dann Momente, in denen ich mir denke „Ey, irgendwie kann das nicht gut sein, dass ich Lebewesen esse.“ Ich hab letztens auch einen Film im Kino geguckt, „Noah“, die Verfilmung der Arche Noah mit Russell Crowe, das ist voll der Veganer-Film! Der Film hat mich auch extrem ins Nachdenken gebracht. Das kann nicht gut sein. Mit Xavier hatte ich auch lange eine Diskussion darüber, er überlegt ja auch, ob das gut ist oder nicht. Ein Leben auszulöschen und zu essen, ich töte auch zum Beispiel keine Fliegen, das ist total verrückt. Xavier hat mir mal erzählt, er hat einmal eine verletzte Hummel am Auto gefunden, mit nach Hause genommen und aufs Fensterbrett gelegt und ihr immer Honig hingelegt und sie wieder aufgepeppelt. Das ist eine Story, die fand ich super. Das Leben vielleicht ein wenig mehr wertschätzen – sagt Olli Banjo und geht danach ins Steakhouse. Das ist meine Doppelmoral, der Widerspruch in mir.

„Ich lach Tränen über Gangster, die mich nicht mal kennen“. Wie kann man das verstehen?

Miguel de Paula
Miguel de Paula

Das ist eigentlich ein Satz über Leute, die mich dissen, ohne mich zu kennen. Da lach ich Tränen. In letzter Zeit kam es vor, dass mich irgendwelche Gangster-Rapper aus dem Nichts gedisst haben, das find ich immer lustig, da muss ich immer lachen. Weil die nicht wissen, wer oder wie ich bin, das find ich funny. Also es löst nicht das in mir aus, was sie gerne hätten, dass ich mich aufrege. Ich würde nur in so ein Competition-Ding geraten, wenn derjenige überkrass rappen würde und ich denken würde: Ach du Scheiße. Mich interessiert das höchstens, wenn der Battle-Aspekt in mir geweckt wird.

Hast du Flipstar damals persönlich gekannt?
(lacht) Ja, wir haben uns mal getroffen, im Studio, in Düsseldorf. Aber ich hab nichts gegen ihn, um Gottes Willen. Das ist ja auch so lange her. Im Gegenteil, ich find Creutzfeld und Jakob total cool.

„Heute weiß ich: die deutschen Rapper, sie haben keinen Schwanz mehr.“ Stehst du den deutschen MCs so kritisch gegenüber?
Natürlich nicht allen. Ich bin ein großer Fan von vielen. Aber vielen fehlt die Identität und die Originalität. Es gibt viel Angepasstes, der sieht aus wie der, der betont die Worte so wie der, das ist ein bisschen schwanzlos. Ich mag Künstler, die Alphatiere sind und ein unverkennbares Profil haben, das ist eher mein Geschmack. Davon gibt’s aber auch viele.

Wer wäre das im Deutschrap zum Beispiel?
Savas auf jeden Fall. Aber auch Leute wie Casper, die haben eine ganz eigene Schiene gemacht, die ich cool finde. Ich find Yasha als Künstler eigen und toll und großartig, er ist für mich so mein Lieblingssänger in Deutschland. Es gibt ganz, ganz viele, deswegen fallen mir auch gerade so viele ein. (lacht)

Du meintest ja auch, dass dir die „Deine Sprache“-Version von Credibil gefällt …
Ja, voll geil. Der ist cool, der ist super, das ist ein neues Talent, ich glaube, der könnte erfolgreich werden.

Du würdest auch gerne eine weibliche Rapperin produzieren und erfolgreich machen …
Ja, da hätte ich so Bock drauf, von mir aus auch eine Sängerin. Die müsste halt auch was Eigenes haben und vom Charakter mitbringen. Ich hab auch schon viele Sachen geschickt gekriegt, auch viel Cooles, aber es war jetzt noch nicht die Künstlerin dabei, wo ich jetzt sage: Boah, geil. Ansonsten können mir die Leute, auch Jungs, wenn sie was Besonderes, Neues haben, gerne Sachen auf banjofreund[at]gmx.de oder meine Facebook-Seite schicken. Es ist immer ein bisschen problematisch, weil auch viele, die am Anfang stehen, Sachen schicken. Das ist ein bisschen ermüdend, weil die sind oft noch nicht so weit.

Ist die Selbsteinschätzung manchmal wirklich so falsch?
Natürlich, ist sie. Und es war bei mir früher nicht anders. Ich dachte ich wäre der Größte, obwohl ich noch nicht so weit war. Aber es ist auch gut so, weil aus diesem Selbstbewusstsein schafft man die Begeisterung und diesen Drang, auf der Bühne zu stehen, mit den Turnschuhen auf der Box und den Leuten etwas erzählen.

Apropos Sneakers auf der Box. In einem Interview meintest du, es wäre sehr männlich, wenn man auf der Bühne steht und deswegen gäbe es auch nicht so viele weibliche Rapperinnen …
Viele Frauen scheitern an ihrem mangelnden Selbstbewusstsein – und das ist sehr schade. Dieses Ding – Schuh auf die Box und Hand nach oben und gucken auf mich, jetzt erzähl ich euch mal Einen – ist was sehr Männliches. Ich würde mir wünschen, dass auch Mädchen dieses Selbstbewusstsein entwickeln und das auch nach außen transportieren. Ich glaube nicht, dass sie untalentiert sind. Ich glaube, es gibt viele Mädels, die sehr gut rappen könnten, aber es fehlt einfach das männliche Ding von wegen ich erzähl euch jetzt mal was. Deswegen werden sie dann eher R’n’B-Sängerinnen statt Rapper.

Du meintest einmal, dass du deine Funktion als Vorbild mittlerweile angenommen hättest. Werden jüngere Künstler der Rolle als Vorbild gerecht?
Es gibt sicherlich welche. Das muss man aber auch nicht von jedem erwarten. Die Sturm und Drang Zeit, mit 17, 18, 19, wenn man da rappt, dann sei einem auch ein bisschen jugendlicher Wahnsinn gestattet und das ist auch wichtig, ein bisschen dagegen zu schießen. Ich find halt immer cool, wenn es einen guten Hintergrund hat. Man kann Gewalt auch durch Melodien transportieren, oder den Drang nach Gewalt. Heftige Bassline, krasse Beats oder sowas, das kann auch ein Kanal für Aggression sein, die man abbauen kann. Wenn alles ein gutes Motiv hat und nicht negativ ist, dann find ich das sehr, sehr gut.

Wenn du jetzt die Vorbild-Rolle annimmst – wie passt dann ein Video wie „Mädchen aus den Slums“ dazu?
Sehr, sehr gut. Das Thema habe ich jetzt schon oft diskutiert. Weil ich im Prinzip eine echte Geschichte erzähle, es ist die Story um meine Ex-Freundin, im Video transportier ich einfach Realness. Ich wollte was Positives und auch dieses Härte zeigen, und Sex gehört einfach dazu. Der Hang oder die Gravitation, die Anziehungskraft dieser Beziehung hatte auch mit Sexualität und Attraktivität zu tun. Das war ein starker Teil der Frau und deswegen find ich es super, wenn es so transportiert wird. Ich fand es teilweise unglaublich, was es ausgelöst hat. Dass es auch auf YouTube auf einmal ab 18 geschalten wurde, da haben wir Einspruch eingelegt, was total doof war, weil es voll viele Klicks gekostet hat. Drei Tage später wird es wieder freigeschaltet, dann wird es wieder gesperrt …  Andererseits kannst du auf YouTube irgendwelche Uzi-Schießereien sehen oder wie jemand auf der Straße verprügelt wird, und es ist nicht ab 18. Und ich erzähl eine Story über meine Freundin, die halt nackt ist, aber zensiert und dann ist das Ding auf einmal ab 18. Das fand ich ein wenig übertrieben, und ich glaube nicht, dass ich mir das schönrede. Da war nicht so, als ob wir jetzt einen Porno gezeigt hätten, um Gottes Willen. Oder doch? Mein Vater hat mich auch angerufen und gesagt: „Junge, was machst du da?“ Meine Mutter ist da entspannter.

Aber du hast immerhin auch ein Parental Advisory-Tattoo …
Ja, aber wenn du genau hinguckst, dann steht da Christian Content.

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Du meinst auch, dass sich die Kirche für unfehlbar hält und sie in regelmäßigen Abständen skandalträchtig wäre. Du scheinst trotzdem sehr religilös zu sein. Ist es die Institution Kirche, die du ablehnst?
Ablehnen tu ich schon mal gar nichts. Ich finde es immer sehr, sehr wichtig, dass Menschen der unterschiedlichste Zugang zu Gott gewährt wird. Ob das jetzt die Kirche ist oder was auch immer ist, find ich sehr, sehr gut. Für mich ist nicht die Kirche und was der Mensch draus macht entscheidend, sondern Jesus Christus und die Bibel. Das sind die Sachen, die für mich wichtig sind. Ich bin kein religiöser Mensch, aber ein gläubiger, das ist ein riesengroßer Unterschied. Aber ich weiß auch, dass die katholische Kirche extrem viel falsch gemacht hat und macht – und das habe ich in dem Song „Ich hoffe der Papst glaubt an Gott“ thematisiert. Teilweise sehr provokant, aber ich find’s halt so schade, dass vielen der Weg zu Gott verbaut wird durch die Kirche, weil die davon enttäuscht sind. Das ist Unsinn, man sollte nicht Jesus Christus und die Kirche automatisch zusammenpacken, sondern meiner Meinung nach Jesus und die Bibel im Vordergrund haben und nicht die katholische Kirche. Wenn du aber die katholische Kirche toll findest, weil da so schöne hohe Räume sind und weil alles so toll klingt und Weihrauch gut riecht und du dadurch einen Zugang zu Gott findest, dann find ich das gut. Aber man kann natürlich nicht einfach mal so systematisch Kinder vergewaltigen und dann das Thema ein Jahr später schon wieder vergessen. Ich finde das geht einfach nicht.

Sogar Kirchenkritiker meinen, dass mit Papst Franziskus eine Revolution in der katholischen Kirche stattfindet.
Extrem. Deswegen finde ich den neuen Papst auch cool. Den Song habe ich ja geschrieben, als es noch den alten Papst gab, den neuen Papst finde ich total super. Der geht in den Knast und wäscht jugendlichen Straftätern die Füße. Hallo? Was für ein tolles Symbol, den find ich richtig super. Er ist ja auch Jesuit, das es ist sehr wichtig, dass er die Armut vorlebt. Er hat sogar Homosexuellen die Tür in die Kirche geöffnet, was total revolutionär ist. Den neuen Papst finde ich total super.

In einem Interview hast du übrigens auch erwähnt, dass du Mixed Martial Arts (MMA) betreibst.
Ja hobbymäßig, ich bin jetzt kein Profi.

Es gab in der MMA-Szene einmal einen Skandal, da wurde der Leipziger Benjamin Brinsa ausgeschlossen, weil er neonazionalen Hintergrund hatte. Hast du das in der Sportart auch einmal erlebt?
Das hab ich überhaupt nicht mitgekriegt. Das Witzige ist, alle Kollegen, mit denen ich trainiere, sind schlaue, nette Jungs. Ich hab da kaum Assis oder politisch verwirrte Menschen gesehen, das waren alles nette Jungs, weil es auch ein sehr komplizierter Sport ist. Du brauchst jetzt kein Abitur, um MMA zu machen, aber es ist schon nichts für Idioten, weil es viel mit Technik und Taktik zu tun hat, du musst da schon ein schlauer Bursche sein, um das gut zu machen.

Warum hast du auf deinem Cover eigentlich gerade Banksy gebitet?
Weil ich etwas gesucht habe, das meine Musik beschreibt. Die kommt ja teilweise aggressiv rüber und ist gleichzeitig ein Trojanisches Pferd für eine gute Botschaft. Das heißt, ich versuche gewalttätig Liebe zu verbreiten oder nach Liebe zu schreien, das habe ich versucht bildlich darzustellen. Es war aber eigentlich eine Idee von Katja Kuhl, eine ganz tolle Fotografin und Freundin von mir. Sie meinte, das passt wie die Faust aufs Auge, Banksy mit der Liebe, die geworfen wird. Deswegen hat das super gepasst.

Du meintest auch einmal „Kunst muss alles dürfen, auch mit Kälberblut fu*king Hitlers an die Wand malen“.
Sowas habe ich gesagt? Ja, geil. Aber ja, Kunst muss alles dürfen, stimmt. Von meinem Kunstlehrer habe ich  gelernt, dass Kunst auch Freiheit bedeutet, Kunst lässt sich gar nicht einsperren, meinte er immer. Das ist ein bisschen wie die Liebe. Liebe ist Anarchie, Kunst auch. Die Grenzen sind eine Geschmackssache. Es kann sein, dass es irgendwelche Nazi-Künstler gibt, die den Holocaust thematisieren auf eine ganz komische Art und Weise. Da sind für mich dann Grenzen erreicht, die mir nicht gefallen. Aber wenn man Kunst wirklich versteht, dann ist sie frei, man kann sie nicht begrenzen, zensieren, funktioniert nicht. Kunst ist ein Element, so wie Wasser oder Luft. Das ist nichts Gemachtes, auch wenn wir es durch die Buchstaben K, U, N, S, T sprachlich beschreiben. Es ist ein Gefühl, das da ist, auch wenn ich jetzt ein bisschen esoterisch wirke.

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OLLI BANJO – Dynamit REVIEW

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