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„Ich bin nicht nur Rapper, ich bin ein Promi“ // Eko Fresh Interview

„Ich bin nicht nur Rapper, ich bin ein Promi“ // Eko Fresh Interview

Eko Fresh Interview
Eko Fresh vor seiner Show im Wiener Flex

Als Eko Fresh für einen Tourstopp in Wien ankommt, postet er gleich ein Video von sich und seiner Entourage beim Spazierengehen in der Wiener Innenstadt auf Facebook. „Für mich ist das so, als ob ich in Paris auftrete, das ist einfach geil„, schwärmt der Kölner Rapper über die österreichische Hauptstadt, gschmackige Wiener Schnitzel im Cafe Einstein und Falcos „Jeanny„. Während er mit uns im Backstage-Bereich des Flex-Cafes spricht, verfolgt Support-Act Pillath nebenbei gespannt das Spiel FC Schalke 04 gegen FK Krasnodar und streut immer wieder jubelnde oder zornige Zwischenrufe in das Interview mit ein. Auch sonst ist die Gesprächsituation etwas angespannt. Es scheint, als hätte Eko Fresh nicht mit Fragen gerechnet, die seine politische Intention hinter dem Anti-AfD-Track „Albtraum für Deutschland“ thematisieren. Er fühlt sich sichtlich unwohl und hat die Vermutung, dass wir ihm etwas politisch Unkorrektes entlocken wollen. Wir seien doch ein HipHop-Magazin und kein politisches Medium, versteht er die Themenauswahl nicht ganz. Vielleicht ist das auch der Grund, warum er im Nachhinein all seine Antworten, die sich rund um die AfD und Angela Merkel drehen, zurückgezogen hat. Aber auch so ist es eine aufschlussreiche Konversation über die Frage, warum es so wenige Female MCs gibt, wie viel Werbung ein Rapper-Image verträgt und wie Eko Fresh die Lage in der Türkei einschätzt.

Interview: Julia Gschmeidler & Max Cornelius
Fotos: Moritz Nachtschatt

The Message: Auf deinem neuen Album Freezy hast du einen Track, der das Schreiben thematisiert. Wie kann man sich das Schreiben von beispielsweise 1000 Bars vorstellen?
Eko Fresh:
Ich mache das nicht an einem Stück. Ich lass die liegen und setze dann immer wieder an, mal am Ende ein bisschen was schreiben, mal am Anfang was einfügen. Ich habe eine gewisse Technik auf Linienpapier, bei jeder zweiten Zeile mach ich mir ein Häkchen, ist jetzt nichts Weltbewegendes. Dann mach ich immer zwei Zeilen weiter. Ich kann auch auf Handy schreiben, aber irgendwie sagen dir die Synapsen im Hirn mehr beim analogen Schreiben, wie du das gemeint hast und wie du das aussprechen solltest. Beim Handy ist das alles so trocken und einfach nur Schrift. Beim Handschriftlichen kannst du dich mehr daran erinnern, wie du das in dem Moment gemeint hattest. Das ist wahrscheinlich einfach ein psychischer Trick.

Denyo meinte zum Beispiel, dass er jeden Tag eine Stunde Wortsport mache.
Das mache ich nicht. Aber wenn’s in die Albumproduktionsphase geht, sitz ich jeden Tag auch so eine Stunde lang dran. Was ich am Handy mag, ist die Spracherkennung. Wenn mir eine Hook oder eine Melodie einfällt, kann ich die aufnehmen und vergesse die nicht.

Du hast in der GQ einen Gastbeitrag über Tupac verfasst. Wie ist es dazu gekommen?
Die haben mich gefragt. Die wussten auch, dass Tupac mein erstes Vorbild war beim Rappen. Die wollten zu seinem Todestag ein Jubiliäumsding machen und da habe ich das geschrieben.

Wie war da die Resonanz darauf?
Gut. Ich habe einen Facebook-Post geschrieben und der hatte es in sich. Tupac ist einer, den kannst du auch heute noch den Kids präsentieren. Der sagt jedem was. Der ist eine Legende geworden.

Pillath zum Fußballspiel: „Schön!“

Eko: Wenn du auf Märkten bist und es gefälschte T-Shirts gibt, dann siehst du da ein Bob-Marley-Shirt, vielleicht noch Nirvana und Tupac. Der ist auch für Leute, die gar nicht seine Lieder kennen. Irgendwie bedeutet der was. Vielleicht auch ein bisschen ein Revolutionär.

„Für mich sind Mann und Frau gleichwertig“

Wer auch sehr revolutionär gehandelt hat, ist die junge afghanische Rapperin Sonita. Du hast geschrieben, dass du ihr Respekt zollst. Gleichzeitig meintest du, dass es aus demselben Grund, warum es so wenige weibliche Action-Helden gibt, auch so wenige Female MCs gäbe. Und dass Rap auch etwas anstrengender und gefährlicher sei. Wie kann man das verstehen?
Diese Aussage ist schon sehr allgemein gehalten. Man könnte über den Grund eine Stunde lang philosophieren. Irgendwie ist das eine Art von Actionfilm. Es gibt verschiedene Filme, es gibt ja auch Conscious Rap, deepen Rap, verschiedene Arten von Rap, aber es gibt traurigerweise sehr wenige Female MCs, woran man auch sieht, dass es eine Männerdomäne ist. Ich habe dieses Mädchen gepostet, weil sie in einer echt prekären Lebenslage aufgewachsen ist und ich bin sowieso ein sehr großer Kritiker von Kulturen, die – was die Frauenrechte betrifft – ein bisschen weit zurückliegen. Ich bin in Europa aufgewachsen und für mich sind Mann und Frau gleichwertig. Man kann nicht alles für die Frau entscheiden, weil sie nicht die gleiche Faustkraft hat. Aber es gibt manche Kulturen, wo das noch so ist und da habe ich mich für das Mädchen eingesetzt, weil sie so mutig ist, diesen Song zu machen. Das ist ja schon etwas Spezielles.

(c)M.Nachtschatt-2511Was du jetzt gesagt hast, passt nicht ganz zu einer Zeile aus Mach kein Politik, bei der du rappst Sie wollen X-Diaries, aber ich bin wie Kinski. Es ist bekannt, dass Klaus Kinski seine Tochter 14 Jahre lang missbraucht hat …
Ja gut, das habe ich jetzt nicht beim Kinski-Vergleich gemeint.

Sollte man nicht genau drauf achten, wofür die Person steht, mit der man sich vergleicht?
Wenn das das Erste ist, was dir dazu einfällt … Mir fällt eher ein, dass er sehr extravagant und schwierig war. Einfach ein verrückter Künstler. So habe ich eigentlich diese Line gemeint, nicht dass er Frauen unterdrückt oder seine Tochter misshandelt. Ich habe das gar nicht richtig mitbekommen. Vielleicht ist das der falsche Typ, um da einen Vergleich zu ziehen, aber bei Rap gibt’s so viele politisch unkorrekte Sachen, da bin ich einer, der noch eine innere Waage hat. Tausend Mal eher als viele andere. Da verlass ich mich drauf. Ich hab in den 15 Jahren so viel gerappt, da gibt es Sachen, die ich heute nicht mehr so sehe und dementsprechend rappen würde. Bei Kinski war mir das nicht bewusst. Also der ist in feministischen Kreise unten durch. Das wusste ich jetzt nicht. Sorry.

„Rap ist ein Youngmansport“

Du hast mit 3 Türken und ein Baby schon einen Kinofilm gedreht und mit Blockbustaz bei einer TV-Serie mitgewirkt. Andere Rapper wie Veysel oder Azad haben das auch gemacht und ihre Schaffenskreise erweitert. Welche Motivation steckt bei dir dahinter?
Eko: Man wird nicht jünger und irgendwann ist auch die Bekanntheit sehr groß geworden, irgendwann geht’s nicht noch größer.

Pillath: JA! BAM! (Konoplyanka trifft für Schalke gegen Krasnodar zum 1:0)

Eko: Ich war schon auf allen Plattformen, die mit Musik zu tun haben, in meinen Jahren präsent. Es sind dann eben gewisse Grenzen gesetzt und klar sucht man sich auch andere Bereiche. Ich habe auch sehr gutes Feedback bekommen für meine schauspielerische Kunst. Klar, ich bin jetzt kein Kinski oder De Niro, aber ich habe es für einen Rapper ganz gut gemacht. Der Film war auch ganz erfolgreich, was mich selber sehr gefreut hat. Es kommen ja auch viele Filme mit Rappern raus, die floppen. Man wird nicht jünger und sucht sich auch andere Aufgabenbereiche als jedes Jahr Promophase. Rap ist ein Youngmansport. Ich bin mir auch nicht zu fein, mit denen in einer Arena zu sein. Aber ich lob mir dann, auch andere Sachen haben zu können. Das Rapding mach ich sowieso weiter. Wir sind ja immer Top 5, manchmal ist es höher, manchmal niedriger.

(c)M.Nachtschatt-2496Generell machst du auch viel Werbung auf deinen Social-Media-Kanälen. Da kommt natürlich irgendwann die Frage auf: Wo hören HipHop und Realness auf und wo fängt Sell-out an, wo ziehst du persönlich die Grenze?
Ich darf das machen, weil ich schon meine Dues gepayt habe. Jahrelang. Und ich bin jetzt nicht der neue Streetrapper, der gerade frisch aus dem Block kommt, vor einem Tag noch ein Kilo verkauft hat und jetzt Werbung macht. Ich bin schon so lange dabei, ich bin ein Promi in Deutschland. Ich bin nicht nur Rapper. Wenn ihr ein rapaffines Magazin seid, ist das in Ordnung, aber eigentlich bin ich über die Grenzen von Rap hinaus sehr bekannt und da bleibt es nicht aus, dass man so was macht. Warum soll ich nur einmal im Jahr eine Promophase machen und eine CD verkaufen, wenn ich auch andere Sachen machen kann, die meine Karriere weiterbringen? Ich habe ja nichts Schlimmes gemacht, niemanden beleidigt oder politische unkorrekte Prinzipien gebrochen. Solange ich mich in den Spiegel gucken kann, stehe ich vollkommen dahinter. Eminem hat damals Sprite-Werbung gemacht.

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In den USA hat Product Placement bei Rappern aber auch andere Dimensionen.
Für unseren kleinen Kosmos habe ich eine andere Dimension als Rapper XY, weil ich schon lange dabei bin. Ich kann mir auch dadurch ein paar Sachen mehr rausnehmen als die neuen Streetrapper. Ich bin ja gar nicht mit denen vergleichbar.

(c)M.Nachtschatt-2509Du warst letztens bei „Wetten, dass?“ von Jan Böhmermann und hast ihm dieses T-Shirt mit der türkischen und deutschen Flagge und einem Herz mitgebracht. Da gab es Kritik, dass du als Deutscher mit türkischen Wurzeln einem „Erdogan-Beleidiger“ so etwas überreichst. Was hast du den Kritikern entgegenzusetzen?
Der Post hat 15.000 Likes und 300 Leute, die sich darüber beschweren. Vergessen wir mal nicht die Proportionen. Ich verstehe die Leute, die sich durch ihn (Jan Böhmermann, Anm.) verletzt gefühlt haben. Ich habe aber als türkisches Vorbild für mich entschieden, dass ich ihm eine zweite Chance gönne, weil jeder Mensch eine zweite Chance verdient hat. So wie du mich jetzt darauf ansprichst, dass ich hier und da mal über die Stränge geschlagen habe. Genauso ist er auch ein Künstler, der mit extremen Dingen spielt. Er hat es nämlich nicht so formuliert, dass es jeder verstanden hat, wie er es gemeint hat – und hat es, glaube ich, teilweise auch selber bereut. Du siehst das alleine deswegen, weil er froh darüber ist, dass das alles vorbei ist. (Ganz vorbei ist es noch nicht, es gibt noch einen von Erdogan initiierten laufenden Zivilprozess gegen Böhmermann, Anm.) Mir hat das Land Deutschland schon so viele Chancen gegeben, ich war schon so oft am Boden gewesen und ich hab es immer wieder geschafft. Wer bin ich denn dann, dass ich einem Kollegen aus der Medienbranche keine zweite Chance gebe? Das habe ich dann getan.

Wie siehst du generell die politische Lage in der Türkei?
Da könnte man ganz lange darüber reden. Es ist nicht immer alles schwarz und weiß, pro und contra. Es hat sehr viele Grautöne, Aspekte, die vielleicht nicht immer komplett differenziert im Fernstehen gezeigt werden. Das ist auch ein Ding der Medien: Es muss immer eine Schlagzeile sein, ganz kurz für einen Klick übersetzt werden. Generell ist es eine andere Kultur, die Leute sind ganz anders aufgewachsen, deswegen kann man das nicht 1:1 mit dem Wertesystem von hier sehen und sagen, was nicht korrekt ist. Ich bin aber gar kein so großer Experte davon, deswegen halte ich mich auch größtenteils raus. Ich kann nur etwas Symbolisches für die deutsch-türkische Freundschaft machen, wie ich es bei Böhmermann auch getan habe. Ich kenne mich mit der deutschen Politik besser aus als mit der türkischen, deswegen sage ich eher da was dazu, weil ich bei den innenpolitischen Themen eine Meinung habe.

Du hast ja auch einen Track über den NSU-Anschlag in Köln gemacht. Die Antilopen Gang meinte in unserem Interview unter anderem, dass das neben dir viel zu wenige Rapper machen und gemacht haben. Warum glaubst du, dass sich so wenige Rapper mit der NSU auseinandersetzen?
Ich finde ja generell, dass sich wenige Rapper mit der Politik auseinandersetzen. Vielleicht weil man dann dafür kritisiert wird und es für viele Leute nur schwarz und weiß gibt. Rap sind keine Balladen für die Ewigkeit, sondern manchmal ist Rap nur ein Freestyle wie der AfD-Song. Deshalb machen viele Rapper das nicht, weil du dir dann Fan-Bases verspielen kannst. Aber ich denke nicht so, ich habe eh mein Ding gemacht. Ich habe mein Cash gemacht, einen Namen gemacht, ich bin einfach ein Kölner Original und habe mein Herz auf der Zunge und sag das so, wie ich das denke.

Das anschließende Konzert im Flex Cafe beginnt Eko Fresh mit seinem Schwesta-Ewa-Feature „Real Hip Hop„, die Location ist da nur spärlich gefüllt. „Ich bin hergekommen, um meine Story zu erzählen. Ich habe die Hölle durchlebt„, leitet Eko Fresh die Show ein. Es folgen „Dub dub dub dub dub da da dub“-Rufe à la Scooter und ein Medley aus den vielen Songs, die in fast zwei Jahrzehnten seiner Rapkarriere entstanden sind. „Zeigt mir einen, der seit 15 Jahren dabei ist und noch so gut aussieht wie ich„, sagt Eko Fresh mit seiner gewohnten Art und spielt auch viele ältere Nummern, wie die mit Bushido namens „Vendetta“ oder „Gheddo„. Auch wenn nicht viele Menschen gekommen sind, um ihn live zu sehen, bleibt Eko pragmatisch: „Es ist immer ein schönes Erlebnis in Wien. Und die Innenstadt ist Bombe!„. Außerdem lobt er die Location, weil er sich darin wie bei „8 Mile“ fühle, so ein richtiger „HipHop-Flavour“ sei zu spüren. Nach Wien-Lobhudelei ist klar, dass er auch noch Falcos „Rock me Amadeus“ spielt, ein echter Wien-Fan eben. Es folgt „einer seiner größten Hits“ „Köln Kalk Ehrenmord„, „Ganxtaville“, „Ich bin jung und brauche das Geld“ sowie „König von Deutschland„. Als Abschluss gibt es „Schöne Onkelz„, den gemeinsamen Song mit Support-Act und Schalke-Fan Pillath.

 (c)M.Nachtschatt-2526