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All over the place, aber immer Rap // jōshy Interview

All over the place, aber immer Rap // jōshy Interview

Einige Singles gab es schon als Kostprobe, nun wird alles gesammelt auf dem zweiten Soloalbum von jōshy veröffentlicht. „CRYING TIGER“ heißt das gute Stück, das am 24. Oktober via Heiße Luft Records erscheint. Zudem erwartet euch ein exklusives Live-Event – inklusive Crying Tiger. Wir verlosen 2×2 Tickets!


Der Titel deines neuen Albums ist „CRYING TIGER“. Ein Tiger wird oft mit Stärke assoziiert. Was symbolisiert für dich der „weinende Tiger“ und wie spiegelt sich dieses Bild in deiner Musik wider?

Ich find, es ist wichtig zu zeigen, dass es einem schlecht gehen kann, auch wenn man ur stark ist – und das fehlt in der Musikindustrie ein bisschen. Es wird eh viel über Mental Health geredet, aber es wird zu wenig darüber gesprochen, dass es eigentlich ur ungesund ist, das zu machen, was viele von uns machen. Nicht nur im Hiphop, sondern generell, wie Musik als Kunst konsumiert wird. Es wird etwas Majestätisches verkauft, aber stärker wäre es, wenn man auch mal Schwäche zeigt.

Wie genau kam es zu dem Namen „Crying Tiger“?

Der Titel kam von der Speise. Ich hab ein Action Bronson Video gesehen mit einem Thai-Koch. Da haben sie über die Speise geredet und meinten: „It takes a lot to make a tiger cry“ – wunderschönes Bild. Die Mythologie hinter dem Gericht ist auch schön: Man sagt, ein Tiger hat auf ein Stück Fleisch geweint und dann wurde es zart (lacht). Ich mag das Bild. Ich hatte für das Album keinen Namen, aber ein Gefühl und „Crying Tiger“ hat gepasst.

Joshy am Brunnenmarkt

Das heißt dieses Mal bist du es weniger konzeptionell angegangen? Das alte Album war ja komplett durchkonzipiert.

Ja, genau. Diesmal hab ich einfach Songs gemacht und ein Gefühl verfolgt, auch von der Soundästhetik her. Entweder sehr treibend, eben diese DnB-Sachen, bisschen energischer oder eben ganz Rap. „Nein“, „Nein ll“, „Palmtrees“ und „Volare“ waren der Kern, den ich zuerst produziert hab – und dann hat’s mich eh schon wieder ein bisschen gelangweilt, nur diesen Sound zu machen.

In „CRYING TIGER“ verbindest du Genres wie Punk, DnB/Jungle und klassische Soulsamples. Was hat dich dazu inspiriert, diese musikalische Vielfalt in dein Album zu integrieren?
Hab ich immer schon gemacht, ich probier mich einfach gern aus und es ergibt sich in Sessions. Es ist selten „Machen wir wieder das“.

War dir klar, mit welchen Produzenten du arbeiten möchtest, in Bezug auf diese verschiedenen Genres?

Nein, meistens ergibt sich’s, weil viele sind meine Freunde und andere kann ich mir auch nicht leisten (lacht). Wir machen halt gemeinsam Musik. Da geht’s oft nicht darum, dass der Song veröffentlicht wird oder dass wir damit Geld machen. Sie wissen natürlich, wenn ich Förderungen bekomme, dann zahl ich sie auch. Manchmal lern ich Leute kennen, z.B. heimlich via Instagram. Wir haben uns gleich ur gut verstanden und die Hälfte der Songs sind von ihm produziert. Die anderen sind alle enge Freunde.

Du beschreibst das Album als eine Art „persönlichen Befreiungsschlag“. Welche Erfahrung hat diesen Befreiungsschlag ausgelöst?

Mein Umgang mit dem Album, wie ich es umgesetzt hab. Ich wollte auch nicht so eine große Kampagne machen, mit Film usw., oft nicht mal ein Reel, weil mich das stresst. Wenn ich das mach, muss ich Geld für Videos aufstellen, das kommt dann vielleicht nicht zurück. Wenn du dir überlegst, ein Song kostet mich mit Master, Cover, Mix zwischen €300-€500. Jetzt hab ich z.B. Covers selbst gemacht. Ich mach einen Song nach dem anderen fertig. Die erste Single von dem Album ist bereits ein Jahr vor dem Album-Release rausgekommen. Ich hab mir viel weniger Druck gemacht diesmal.

Ich krieg’s auch nicht hin, einen gesunden Umgang damit zu haben, weil du automatisch zu vergleichen anfängst, sobald du was ins Internet stellst. Ist es ein Reel, wie viele Likes, Plays, wer teilt’s? Ok, ja, der Algorithmus fickt mich eh wieder und es kriegt keiner mit. Die ganze Zeit. Und dann sitz ich trotzdem eine Stunde da und mach dieses TikTok – für was?

Was ist deiner Meinung nach der rote Faden, der sich durch das Album zieht? Das letzte Album war ja eine sehr persönliche Geschichte.

Ja, diesmal war es auch sehr emotional, aber es schwankt meistens zwischen Liebe und Musikindustrie – und jammern darüber. Das ist halt auch, was mich beschäftigt hat.

Das klingt alles so, als würde es dir gut gehen.

Ja, so schlecht ging’s mir eh nicht. (lacht)

Das ist halt schon ein Kontrast zum letzten Album.

Ja, komplett. Das jetzige war viel lockerer. Das andere war schwere Kost, ich find das Album super, aber das jetzige ist einfacher verdaubar, ohne dass es plump ist.

Wie lange hast du jetzt an dem Album gearbeitet?

1,5 Jahre. Von Ende 2022 bis Juni 2024.

Von deinen frühen Mixtapes bis hin zur „Diskoromantik“-Phase und nun zu „CRYING TIGER“ – wie beschreibst du deine künstlerische Reise und Entwicklung?

All over the place, aber immer Rap. Am Ende ging’s immer um gute, smarte Zeilen, Wortwitz und echte Geschichten und Emotionen. Egal in welchem Gewand das dann war. Ich versteh, dass es nicht immer jeden catcht, aber das ist mir auch egal. Du hörst ja als Konsument nicht immer dasselbe, wieso sollte ich als Artist immer dasselbe machen? Ich find’s schade, dass Leute nicht mehr probieren und offen sind, aber ich versteh auch, dass Leute einfach besser in gewissen Sachen sind. Das hab ich jetzt auch verstanden. Ich bin schon besser im Rappen als im Melodien finden. Deshalb hab ich wieder wesentlich mehr gerappt auf dem Album, aber trotzdem poppige Songs gemacht. Ich glaub, die Kombi hab ich ganz gut hinbekommen.

Wenn du sagst, du bist ein besserer Rapper, wie tust du dir mit dem Songwriting?

Ich liebe das. Am liebsten würd ich aber ur viel Pop-Songwriting machen, das mach ich sehr gern. Werd ich in Zukunft vielleicht mehr verfolgen. Da musst du auch keine TikToks machen.
Ich für mich schreib nur in Sessions. Wir haben auf Heiße Luft heuer halt extrem viel gemacht, da bin ich eigentlich wenig zum Schreiben gekommen.

Du kritisierst immer wieder die Musikindustrie. Was genau sind für dich die größten Probleme der aktuellen Musikindustrie und wie versuchst du dich als Artist dagegen zu positionieren? Inwiefern muss man mitspielen?

In a way muss ich sagen, dass ich ein Hypocrite bin, weil auf meinen Stickern der Spotify-Link ist. Ich sag immer, ich will einen Telegram-Channel machen für meine Musik, aber dann gibt’s tausend Gründe dagegen. Man muss es den Leuten so leicht wie möglich machen, deine Musik zu hören. Spotify ist ja nicht der einzige Bösewicht, das ganze Zusammenspiel ist unangenehm. Sicher will man Reichweite, aber zu welchem Preis? Dreh ich das selber? Brauch ich Fotos? Muss ich jetzt wen nerven, der das Foto macht? Es hört halt nicht auf. Man müsste Geld in die Hand nehmen – für Songs, aber auch für Content.
Das nächste ist: Die Leute konsumieren ja keine Musik, sie zahlen nicht für Musik, sie zahlen ein Abo. Der Großteil geht an die Majors, auch wenn Spotify die Indies pushen will. Ich würd eh gern was ändern, aber ich muss halt arbeiten gehen, damit ich mir meine Wohnung leisten kann. Bis ich alles krieg, was ich brauch, bin ich ausgebrannt. Ich mach ein paar TikToks, teaser gscheit an und er krieg soundso viele Streams. Dann poste ich bei einem Song nur das Cover, leg den Song drüber und krieg eine Playlist-Platzierung bei „Deutschrap Untergrund“. Was sagt mir das? Warum, wenn’s mir bei dem einen nur schlechter geht und ich nicht den großen Vorteil sehe, wieso sollte ich’s mir antun? Ich will auch nicht so viel am Handy sein. Es ist ein riesen Topf, aus dem du rausstechen musst.

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Joshy am Brunnenmarkt

In „CRYING TIGER“ prangerst du den Einheitsbrei in der Musikszene an. Wo siehst du den Verlust an Authentizität in der heutigen Musiklandschaft und wie kann man sich als Künstler davon abgrenzen?

Ich hab das Gefühl, es sind alle schon abgestumpft. Es geht immer nur ums Boxen abhaken: Ich brauch ein Canvas, ein TikTok, etc. Man freut sich ja nicht mehr, einen Song zu veröffentlichen. Man biedert sich an: „Bitte save den Song.“ Wann ist es gekippt, dass Konsument*innen nicht mehr dankbar sind, dass sie neue Musik entdecken dürfen? Du darfst ja geile Musik entdecken – und jetzt musst du dich als Artist anbiedern. Welcher Konsument denkt sich: „Ja, danke, deiner Aufforderung komm ich nach“ … wenig. Ich mach gute Musik, ich mach gute Kunst – das sollte reichen.

Ja, gerade durch Streaming ist Musik halt sehr inflationär geworden. Früher hatte man eine CD und hat sie ewig gehört.

Komplett. Ich hör alte Alben immer noch ständig. Ich appreciate das schon. Wenn ich nur chillen will, hör ich schon einfach irgendwelche Bossa-Nova-Playlists. Alben sind so wurscht geworden. Es zahlt sich kaum aus, ein Album ohne jeden Song einzeln rauszubringen. Ich hab ja auch fast jeden Song vom Album schon released, ich fass es jetzt nur mehr zusammen. Sie kosten mich ja alle gleich viel Geld und die Leute kriegen die Singles mehr mit, es ist halt so.

Du meinst, das Album ist ein „frustrierter, aber hoffnungsvoller Aufschrei“. Wie lässt sich dieser Zwiespalt zwischen Frustration und Hoffnung in deiner Musik erkennen?

Sachen wieder selber in die Hand nehmen. Ich rechne nicht mit der großen Karriere, aber ich fühl mich gut, neue Wege einzuschlagen und mich nicht den Regeln zu unterwerfen. Und ich hoffe, dass ich nicht der Einzige damit bin. Es kann halt nicht so weitergehen. Die Musikindustrie hat ja keine Stars mehr, sondern nur noch Momente. Schaff mal fünf gute Jahre, das gibt’s heute viel weniger. Das ist der Hoffnungsschimmer. Eine Rückgewinnung der Kunst: Wie kann ich das selbstbestimmt machen?

Wie siehst du deine künstlerische Zukunft nach „CRYING TIGER“? Hast du schon Ideen für kommende Projekte oder einen neuen Sound, den du erkunden möchtest?

Ich hab ein paar Demos und lose Ideen, aber ich bin überarbeitet und werde nach dem Album Pause machen. Ich mach das Event zum Album, dann die 7 Jahre Heiße Luft Party. Danach geh ich ein Jahr auf Reisen.

Was können wir beim Album-Event erwarten?

„Crying Tiger“ ist, wie erwähnt, nicht nur der Albumtitel, sondern eine thailändische Speise. Ich wollte meine Liebe zu Kulinarik und Musik verbinden und etwas machen, das auf mein Album aufmerksam macht, abseits von digitalen Medien. Also mache ich das Event gemeinsam mit dem Restaurant Thailanna, die an dem Abend exklusiv ein Crying Tiger Menü anbieten, das haben sie sonst nicht. Ich werde meine treuesten Fans einladen, es wird vor Ort T-Shirts geben. Wer sie vorher online kauft, kriegt eine Einladung zum Event.

Ok, also eine der letzten Chancen, dich live zu sehen.
So ist es.

Wir verlosen 2×2 Tickets für die Album Release Party am 25.10. im Restaurant Thailanna! Was ihr dafür tun musst, erfahrt ihr auf unserem Instagram Kanal.