"The hardest thing to do is something that is close…
Anderson .Paak begibt sich wieder auf Strandreise. Nach den Trips ins sportliche „Venice“ (2014) und ins glamouröse „Malibu“ (2016), die ersten beiden Teile seiner „Beach“-Reihe, führt der Weg des Multitalents nun nach „Oxnard“. Das ist auf den ersten Blick für den gewöhnlichen Europäer relativ nichtssagend, Hollywood-Assoziationen kommen hier keine hoch. „Oxnard“ hat zwar einige sehr schöne Strände zu bieten, aber warum Anderson .Paak gerade diesen Ort wählte, hat einen viel trivialeren Grund.
Anderson .Paak ist schließlich Sohn dieser 200.000 Einwohner umfassenden Stadt im Süden Kaliforniens. Damit werden bereits eine Vielzahl der Tauglichkeitskriterien für ein Album erfüllt, das in der Diskografie von .Paak einen besonderen Stellenwert einnimmt. „Oxnard“ markiert immerhin den Schlusspunkt der „Beach“-Trilogie und soll seiner Heimatstadt, der auch ein Madlib entstammt, ein musikalisches Denkmal setzen.
Gleichzeitig ist „Oxnard“ ein Anfangspunkt: Anderson .Paak releast mit diesem Album zum ersten Mal über Aftermath, was beim kargen Veröffentlichungsrhythmus des Labels einer kleinen Sensation gleicht. Also ein wegweisender Schritt in der Karriere des Anderson .Paak, die seit dem letzten Album „Malibu“ unglaubliche Fahrt aufnahm.
So liegen zwischen „Malibu“ und „Oxnard“ zwei Grammy-Nominierungen (eine Auszeichnung für „Bubblin'“ konnte er sich 2019 sichern), eine Stadion-Tour durch Europa mit Bruno Mars und eine Reihe erstklassiger Feature-Parts, wie auf dem „Black Panther“-Soundtrack. Die Sphären, in denen Anderson .Paak wandelt, haben sich mittlerweile schlichtweg geändert. Das beweist auch die Featureliste des neuen Albums. Namen wie Kendrick Lamar, Pusha-T, J. Cole, Dr. Dre oder Snoop Dogg, um einige zu nennen, begleiten Anderson .Paak auf seiner Heimreise nach „Oxnard“.
Das klingt imposant, erscheint aber eigentlich nur logisch, sind das jene Namen, die man von einem Produkt mit dem Aftermath-Emblem auf dem Backcover erwarten darf. Das gilt ebenso für die Beteiligung von Dr. Dre, der auf „Oxnard“ den Executive Producer mimt und den Sound des Albums in seine Richtung lenkt.
Auf diesem Album beschränkt sich das „Beach“-Motiv dann nicht nur auf den Titel. Stattdessen erinnern die Nummern in ihrer Gesamtheit an jene Ozeanbewegungen, denen man vom Strand aus zusehen kann. „Oxnard“ stellt sich wie die Gezeiten dar, ist das Album ein Wechsel zwischen Ebbe, sinnbildlich für musikalische Ödnis, und Flut, also jene durchdringenden, energiegeladenen Momente, für die Anderson .Paak eigentlich bekannt ist. Dieser Ablauf überrascht, stehen die Alben von Anderson .Paak eigentlich für Stringenz. Dass jene auf „Oxnard“ komplett fehlt, zeichnet sich aber schon bei den ersten beiden Songs ab.
Zeigt sich Anderson .Paak auf dem Opener „The Chase“, der musikalisch mit prägnanter Flöte an Blaxploitation-Soundtracks der 70er-Jahre erinnert (könnte so auf dem „Shaft“-Soundtrack gelandet sein), von seiner besten Seite, bremst der Nachfolger „Headlow“ die Euphorie auf brutale Weise. Ein Song über Oralverkehr, der noch dazu mit einem unmöglichen Skit endet, ist jene Sorte juveniler Humor, die einfach konträr zu seinem Können steht. Damit verkauft er sich auf „Oxnard“ nicht zum letzten Mal deutlich unter Wert.
Vor allem lyrisch verzeichnet Anderson .Paak ungewohnt viele Fehlschläge. „6 Summers“, das halbherzige politische Töne beinhaltet („Trump’s got a love child and I hope that bitch is buckwild/I hope she sip mezcal, I hope she kiss señoritas and black gals“), gestaltet sich als furchtbar wirr. „Sweet Chick“ erinnert dafür an jenen „Locker Room Talk“, den der derzeitige US-Präsident gar nicht schlimm findet. Anderson .Paak präsentiert damit so etwas wie die Bad-Boy-Version von Lou Begas „Mambo No. 5“, zirkulieren seine Gedanken nicht um „Monica“ und „Erica“, sondern um eine „Yogi Bitch“ oder eine „Cougar Bitch“.
Das ist nur die Speerspitze üppiger Anfälle misogyner Natur, die Anderson .Paak in erdrückender Regelmäßigkeit über die Lippen kommen. Das passt so gar nicht zu ihm. Nicht minder schmerzhaft, wenngleich aus anderen Gründen, fällt der Patois-Versuch „Left to Right“ aus, der glücklicherweise wie „Sweet Chick“ als Bonustrack ganz am Ende des Album gepackt wurde. Oxnard hat zwar Strände, aber das macht die Stadt nicht zu einer jamaikanischen Stadt und Anderson .Paak erst recht nicht zu einem Jamaiker.
Doch auf Ebbe folgt Flut. Also die Stellen, in denen die musikalischen Stärken von Anderson .Paak richtig zur Geltung kommen. Zuständig dafür vor allem Anderson .Paaks Stimme, so wundervoll wie er krächzt kaum jemand. Ein Multitalent gespenstischen Ausmaßes ist er weiterhin, abseits des Gesangs übt er sich im Rappen, im Produzieren und an den Drums. Anderson .Paak hat einfach eine große Menge an Skills in verschiedenen Disziplinen, die er nicht immer, aber oft ausspielen kann.
Ordentlich fallen auch die Beats aus. Das Album ist ein Mosaik aus Soul, Funk, R’n’B, HipHop und ein bisschen Funk-Rock, zusammengesetzt von Focus…, 9th Wonder, Drummer-Größe Chris Dave oder .Paak selbst. Das hat durchaus seinen Charme. Dennoch fehlt der „Wow“-Effekt, ganz anders als auf dem Vorgänger „Malibu“. Raffinesse ist auf „Oxnard“ ein Fremdwort, das Album klingt so, wie die Sediment-Konsistenz auf den Stränden von Oxnard ausfällt: glatt.
Für die größten Momente des Albums, und das dürfte für Anderson .Paak am schmerzhaftesten sein, sorgen die Featuregäste. Auf der Pop-Funk-Nummer „TINTS“, ein lässiger bis lästiger Ohrwurm, ist es Kendrick Lamar, der wieder einmal den Spielverderber gibt. Die besten Parts des Albums liefert aber nicht K. Dot. Die kommen von Pusha T und Q-Tip. Pusha T macht „Brother’s Keeper“ zu seinem eigenen Track und reduziert Anderson .Paak zu einem schmückenden Beiwerk, so effektvoll wirkt seine Beteiligung, die er mit einer Referenz an seinen Bruder und Ex-Clipse-Partner Malice beginnt („Am I my brother’s keeper, they still asking ’bout the duo/Applaud his finding salvation“).
A-Tribe-Called-Quest-Mastermind Q-Tip ist zu Ähnlichem fähig, auf dem emotionalen „Cheers“ hält Anderson .Paak aber mit seiner Widmung an Mac Miller dagegen („Shit, music business movin‘ too fast for me/Wishin‘ I still had Mac wit‘ me“). Auf der anderen Position der Skala befindet sich Dr. Dre, der mit seinem Part auf „Mansa Musa“ (der Name ist eine Referenz auf den König von Mali im 14. Jahrhundert, der einst als reichster Mann der Welt galt) eindrucksvoll beweist, was nicht zu seinen Stärken gehört. Dr. Dre ist somit die einzige Ausnahme auf einem Album, wo die Featuregäste durchwegs ihre Aufgabe mindestens erfüllen. Neben Dr. Dre verhaut es diesmal nur Anderson .Paak. Nicht zur Gänze, aber doch viel zu oft.
Fazit: „Oxnard“ sollte der neuen Position von Anderson .Paak im Musikgeschäft Rechnung tragen. Ein Ziel, das der so erfolgsverwöhnte Kalifornier nicht erreicht. Vor allem lyrisch ist auf dem Album viel Luft nach oben. Dass Anderson .Paak jegliches Potenzial besitzt, kommt jedoch erneut zum Vorschein. Nur den Fokus, den sollte er wieder schärfen. Damit die gewohnte Stringenz eines Anderson-.Paak-Releases zurückkehrt. Die ging bei seinem Trip in die Heimatstadt leider verloren.
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