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Atmosphere – Southsiders

Atmosphere – Southsiders

Southsiders
(Rykodisc (Warner))/VÖ: 9.5.2014)

Das Alter macht auch vor Rappern nicht Halt, und viele stehen irgendwann vor der zentralen Frage: „Kann ich meinen bisherigen Content weiterhin glaubwürdig vertreten?“ Slug von Atmosphere stellte sich schon vor einigen Jahren diese Gretchenfrage, das erste Ergebnis der Suche nach einer neuen Identität prasselte in Form des großartigen „When Life Gives You Lemons, You Paint That Shit Gold“ auf die Hörenden nieder. Atmosphere schienen erwachsen geworden zu sein, ein Eindruck, der sich in der Folge besonders beim  familienzentrierten Nachfolger  „The Family Sign“ bestätigen sollte. Doch diesmal zeigten sich, ganz anders als bei vielen Atmosphere-Veröffentlichungen, die Kritiker und Hörerschaft zweispältig:  Zu viele Plattitüden und Klischees würden Slugs Lyrics charakterisieren, die Instrumentalisierung Ants zeige  sich zudem  als zu zahnlos, zu glatt, zu wenig edgy.

Da kommen wir auch zu einem weiteren Punkt, der uns auch auf „Southsiders“ wieder begegnet: Der erneute Einsatz von Live-Instrumenten. Denn nicht nur Slug entwickelte sich weiter, auch Ant durchlief einer eigenen Evolution: Copyright-Klagen veranlassten ihn dazu, vermehrt Live-Instrumente in seine Produktionen einfließen zu lassen. Nachdem das auf „When Life Gives You Lemons…“ nahezu perfekt funktioniert hat, auf „The Family Sign“ aber eher nicht so, besteht im Soundbild von „Southsiders“ wieder ein Schritt nach vorne. Ant nimmt hier auch von der Verwendung von Synthies (etwa in „Bitter„) oder Samples (z.B. „Mrs. Interpret“ inklusive französischer Hook) keinen Abstand und vermischt die unterschiedlichen Einflüsse und musikalischen Aspekte zu einer überzeugenden, oftmals melancholischen Soundwelt.

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Der introvertierte Slug zeigt sich in lyrischen Belangen diesmal wenig angreifbar, auch wenn ab und an manch Line ziemlich danebengeht. Ein Track wie „Flicker„, welcher dem langjährigen und viel zu früh verstorbenen Freund Eyedea gewidmet wurde, zeigt aber auf beeindruckende Weise die Stärken des Rappers auf. Ähnliches gilt es für die ersten beiden Singles „Bitter“ und „Kanye West„, die nur so vom typischen „God Loves Ugly„-Humor strotzen. Doch dieser Humor ist vielleicht das Einzige, was in den Lyrics des alten „Slugs“ übrig geblieben ist: Sinnbildlich musste die Bar dem Küchentisch weichen, wie er auf „Camera Thief“ erklärt: „I still kick it with angels, the only difference is/Instead of the bar, I’m at my kitchen table„. Orangensaft mit den Kids statt Whiskey in der Bar? Willkommen zu Atmosphere, Version 2014.

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Das angedachte Konzept des Albums bestand darin, einen Ausschnitt von Minneapolis wiederzugeben – der Hörende sollte förmlich durch diese Stadt mit all ihren verschiedenen kleineren und größeren Geschichten, die sich eigentlich in jeder Stadt abspielen können, geführt werden. Dieses Vorhaben wurde eigentlich ziemlich gut umgesetzt, die Idee, mit Hilfe von Zugdurchsagen die Reise durch die Heimatstadt der Rhymesayers-Oberhäupter einen ansprechenden Rahmen zu verpassen (die Reise endet bei „Let Me Know That You Know What You Want Now„) besitzt durchaus ihren Charme. Ansonsten widerfährt einem während dieses musikalischen Trips auch die ein oder andere Station, die es nicht unbedingt gebraucht hätte – sei es drum. Im Endeffekt ist „Southsiders“ ein solides Atmosphere-Release, dass zwar im Vergleich zu „When Life Gives You Lemons…“ ähnlich unterlegen ist wie Atletico Madrid im Champions League Finale gegen Real Madrid, aber sonst sich problemlos in die – nicht gerade von wenigen Hochkarätern geprägte – Diskografie des Duos einreiht und sogar das letzte Album übertreffen kann (manche würden sagen: Zum Glück). „Southsiders“ dient so als Beispiel für unpeinlichen „Grown-Man-Rap“, wenn diese Phrase bemüht werden soll.

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(thomki)