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Kamikazes – Kleiner Vogel

Kamikazes – Kleiner Vogel

Kleiner Vogel
(Vindig/Whiskeyrap (Groove Attack)/ VÖ: 30.5.2014)

Hat ja was von Gotham City, diese Musik. Andererseits hätte Orson Welles wohl nichts dagegengehabt, wenn Nummern wie „Folie a deux“ im Abspann von „Im Zeichen des Bösen“ gelaufen wären. Auch Trent Reznors Weltbild würde von dem, was in „Kleiner Vogel“ geboten wird, mit ziemlicher Sicherheit Bestätigung erfahren. Die Rede ist vom neuen und ersten käuflich erwerbbaren Album der Brüder Mythos und Antagonist, die gemeinsam als „Kamikazes“ (ehemals „Kamikaze Brothers„) einen musikalischen „Film Noir“ der Sonderklasse abliefern.

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Erste Bekanntheit erlangten die beiden vor einigen Jahren durch ihr Free-Download Tape „Besser zu viel als zu wenig“ und den zahlreichen Kollaborationen mit Wuppertals Finest Prezident (z.B. „Bärentöter“ oder den „Auge um Auge Remix„). Die enge Verbindung zum talentierten Mr. Prezident führte wohl auch zu der weitläufigen Annahme, dass es sich bei den Kamikazes nur um schmuckes Beiwerk eben dieses MCs handle – quasi Weedcarrier, denen aus freundschaftlichen Motiven hin und wieder Platz für ein paar vernachlässigbare Zeilen gelassen wird. Nur bewiesen Mythos und Antagonist schon seit dem Beginn ihrer Karriere, dass sie das Mic durchaus zu beherrschen wissen. Besonders das letzte Tape „Königsmische“ darf als ordentliche Talentprobe verzeichnet werden und wies wohl die letzten Zweifler erstmal in die Schranken. Drei Jahre später also „Kleiner Vogel„, auf dem die Messlatte noch ein Stücken weiter höher gelegt wird: Ein richtiges Konzpet lässt das Album zwar vermissen, dennoch wirkt die LP wie aus einem Guss. Die enorme Kohäsion kommt nicht von ungefähr, schließlich sind die Kamikazes auch als Produzenten tätig und wussten, welche Beats am besten als Grundlage für ihre misanthropischen Lines passen – bis auf „Nix muss„, „Origami Flip“ und „Cousine des Todes„, bei denen die Geistesbrüder Jay Baez und Epic Infantry hinter den Reglern saßen, zeichneten sich die Brüder für die gesamte Produktion auf „Kleiner Vogel“ verantwortlich. Das Ergebnis: Minimalisistische BoomBap-Beats der Marke Queensbridge, die das Mark erschüttern lassen. Thematisch zeigt das Album Anti-Haltung in elf Stücken – die Grundessenz lässt sich am passendsten mit einem Zitat aus der Hook zu „Nix muss“ beschreiben: „Nix muss, alle können uns mal, ganz im Ernst„. Obwohl selbiges vom gefeaturerten Prezident stammt: Es passt zur Grundstimmung des Albums wie die sprichwörtliche Faust auf’s Auge. Prezident, der einzige Featuregast, steuert neben der Hook zu „Nix muss“ auch einen Part auf „Origami Flip“ bei und  zeigt dort so richtig, wo der Hammer hängt – da können auch die Kamikazes, obwohl beide auf hohem Niveau, nicht ganz mithalten.

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Im Endeffekt liefert „Kleiner Vogel“ den Einblick in die Gedankenwelt zweier bei  Sonnenlicht  Gardinen runterziehenden Existenzen („Fallen Summer“) – die NMZS-Cuts in „Kleiner Vogel“ können treffender gar nicht gewählt sein. So wird  mit „Kleiner Vogel“ eine außerordentlich düstere Version von Rap geliefert – auf Grund der enormen Sprachgewandtheit und gekonnten Flows von Mythos und Anatgonist mutiert diese aber zu einer höchst unterhaltsamen Reise in die dunklen Sphären der menschlichen Seele. Es fällt schwer, einzelne Tracks hervorzuheben, da das Album nur im Gesamtkontext seine volle Wirkung zu entfalten vermag. Zudem braucht es schon die richtige Stimmung – an dunklen Wintertagen ist einer wohl eher geneigt, den Weisheiten der Wuppertaler Gehör zu schenken als bei 30º Sonnenschein. Macht ja nichts, die unbestrittene Qualität dieses Werkes wird dadurch nicht eingeschränkt. Gutes Ding.

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(thomki)

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