Als Die Au, nämlich Rapper Average und DJ Url, 2006 das Demo „Ausdruck“ releasten, war Ersterer gerade einmal 17 Jahre alt und bereits höchst reflektiert. Nicht nur aufgrund der damaligen Features von Texta-Mitglied Huckey und Kamp, sondern auch aufgrund der zahlreichen Word-Samples von DJ Url wusste dieser erste gemeinsame Release zu gefallen. Mittlerweile tritt Average um einiges selbstbewusster auf, wie sich auch in seinem jüngsten Video zeigte, während Url auch sonst weiterhin lieber im Hintergrund des MC/DJ-Duos bleibt. Beim Krunk-Festival kreiste unser Gespräch nicht nur um Tonträger-Linz, Rap und die Releases des Duos. Einige Male schweiften wir über den Plattentellerand hinaus und widmeten uns beispielsweise ausführlich ihrem Engagement in Rap-Workshops und Jugendzentren oder dem Thema „NaziRap“.
Text & Interview: Jan Braula & Stefan Anwander
Fotos: Daniel Shaked
TM: Aus unterschiedlichsten Gründen ist ein bereits vor längerer Zeit mich euch geführtes TM-Interview nicht erschienen, deshalb starten wir mit der zugegebenerweise nicht besonders innovativen Einstiegsfrage: Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?
Average: Aus der Sicht eines damals ganz kleinen Jungen: ich hab mit 14 mit meinem allerersten DJ in einem Jugendzentrum in der Linzer Innenstadt gespielt. Da hab ich mich irrsinnig darüber gefreut, weil mein Name auf einem Plakat mit DJ Dan und DJ Url gestanden ist. An dem Abend hat Url dann die Looptroop-Nummer „Last Song“ aufgelegt. Das war damals mein Lieblingsnummer. Ich habe ihm dann persönlich für dieses Lied gedankt. Das war die erste Begegnung.
Url: Huckey war auch an dem Abend in dem Jugendzentrum und so haben sich er und Max (Average, Anm.) kennengelernt. Er ist damals in einem Jugendzentrum in Oed, einem Stadtteil von Linz, aufgetreten. Ein Freund von mir hat damals als Jugendbetreuer dort gearbeitet und hat gemeint, wir sollten gemeinsam mit Huckey eine Nummer aufnehmen. Ich hatte zu Hause ein kleines Studio und dann haben wir das auch getan.
Es gibt einige Rapper in Österreich wie Appletree oder Def Ill, die teilweise schon sehr früh zu rappen begonnen haben. Du bist auch einer dieser Generation – siehst du es als Vorteil, so jung zu beginnen oder sollte man sich länger Zeit lassen, auch um sich darüber bewusst zu werden, was man eigentlich rappt?
Av: Also erstens muss ich dazu sagen: es stimmt zwar, die beiden sind in meinem Alter, aber ich war trotzdem ein bisschen später dran, definitiv später als Def Ill. Bei den ersten Konzerten, zu denen ich gegangen bin, war Appletree auch schon Konzertveranstalter. Ich bin schon ein wenig danach gekommen und war damals in einer extrem glücklichen Situation, von Anfang an mit Leuten unterwegs zu sein, die dich am Boden halten und versuchen, dir etwas beizubringen. In dieser glücklichen Lage ist sicher nicht jeder, der jung anfängt kreativ sein zu wollen. Man sieht oft bei Rappern, wie man es überstürzen kann, die haben gerade mal einen Text und reden vom bevorstehenden Album und ihr Bruder wird dann ihr Manager…In der Gefahr war ich nie, ich bin in dieses kleine Studio von Url gekommen und dann hab ich erstmal gemerkt, was Aufnehmen überhaupt bedeutet.
Inwiefern war es da von Vorteil in Linz zu sein und nicht in irgendeiner anderen Stadt?
Av: Sehr von Vorteil, weil du in Linz eher wahrgenommen wirst als beispielsweise in Wien, und zweitens – und das kommt ja eh auch in jedem Interview mit einem Linzer – ist die Szene sehr familiär. Bei Leuten wie Texta oder auch Url wird sehr viel darauf Wert gelegt, die Jungen zu unterstützen, mit ihnen korrekt und fair umzugehen und sie nicht von oben herab zu behandeln. Bis heute ist es für mich von Vorteil in dieser Szene zu sein.
Url: Ich glaub nicht, dass es eine Altersgrenze gibt, ab der man mit dem Rappen anfangen sollte. Es gibt auch gute Schlagzeuger, die mit drei oder vier Jahren anfangen. Von dem her ist es okay, wenn damit schon in der Volksschule begonnen wird. Gerade im schulischen Bereich, aber auch in der Freizeit, beispielsweise in Jugendzentren, sollte es Leute geben, die von dem ein bisschen Ahnung haben und diese junge Generation anleiten und heranführen. In Linz ist das eben der Fall gewesen, dass die Älteren gesagt haben, dass ihnen der „Nachwuchs“ wichtig ist. So ist dort immer alles weitergegeben worden.
Gibt es solche Workshops oder Initiativen noch in Jugendzentren?
Url: Jaja, die gibt’s. Die Generation, zu der Hinterland und Average zu zählen sind, bekommen jetzt auch Anfragen. Das ist wichtig. Ein gutes Beispiel dafür ist der Verein „Yes We Jam“. Dabei sieht man, dass etwas Generationenübergreifendes zusammenwächst.
Warum funktioniert es gerade in Linz? Stecken da andere Persönlichkeiten dahinter oder ist es ein Linz-Spezifikum?
Url: In Wirklichkeit ist Linz ja ein Dorf. Das Netzwerk ist mittlerweile sehr gut: die Leute sind überall drin, in Schulen, in Jugendzentren, in Kultureinrichtungen. Das funktioniert im Kleinen ganz gut. In Wien vielleicht weniger. Es hat auch die Street Academy gegeben, wo MA 21 dabei waren. Solche Initiativen bräuchte es mehr, sie müssten öffentlicher gemacht werden und somit in die Köpfe der Leute gelangen. Dann würde es sich auch mit dem Belächeln von Rappern aufhören.
Alles gelingt es jetzt aber auch nicht aufzufangen, es gibt ja auch peinliche Rapvideos von Rappern aus Linz…
Url: Nicht jeder Rapper wird später ein MC, das ist ja naheliegend. Vor allem jetzt, wo wir es mit einer Modewelle zu tun haben. Jeder rappt und man sieht es ja auf YouTube. Oh-Vo hat es mal schön gesagt: Früher haben alle Fußball gespielt, heute wollen alle rappen. Man merkt dann über die Jahre wirklich schnell, dass nur ein ganz kleiner Bruchteil dranbleibt. Das ist in Linz so und überall anders wahrscheinlich auch.
Av: Fuchs MC hat jetzt zehn Jahre lang für Berufsschulen einen Rap-Workshop gemacht. Da werde ich jetzt ab Herbst übernehmen, aber auch weiterhin für die Street Academy tätig sein. Ich habe einmal die Urlaubsvertretung für Fuchs MC und bei der Street Academy zwei Monate lang einen Workshop gemacht, da waren auch die Jugend- und Sozialarbeiter der Berufsschulen dabei, die mich dann als Nachfolger vorgeschlagen haben.
Welche Erfahrungen nimmt man da mit?
Av: Das Größte, was man mitnimmt, ist, dass es gar nicht mehr um das Ding an sich geht. Ich bin sicher kein Jugend- oder Sozialarbeiter. Wenn man aber im Rahmen solcher Workshops Leute trifft, die einfach nicht das Potential haben, es du ihnen aber auch nicht ins Gesicht sagen kannst, dann muss man einfach woanders ansetzen. Zum Beispiel war bei den Workshops auch einer, der extrem introvertiert war. Von dem wird man vielleicht auch noch was hören, er nennt sich „Überblick“. Der war zuerst ein echtes Mauerblümchen, aber er hat Talent. Das ist vielleicht die größte Erfahrung, man kann – so gut es geht – vor allem menschlich weiterhelfen.
Kommen wir zu Eurer EP „Auf ein Wort“ und den Track „Austrian Flavour“ zu sprechen. Wie viele Titel von Rap-Releases kommen darin vor?
Av: Das dürfen wir jetzt nicht verraten. Da kommt irgendwann ein Gewinnspiel…
Und als Gewinn eine CD von euch?
Av: Es gibt noch genau fünf „Auf ein Wort“-CDs. Eine davon stellen wir an denjenigen zur Verfügung, der es auf die Zahl genau herausfindet. (Anm.: Zuschriften unter Betreff „Austrian Flavour“ an [email protected])
Wie lange habt ihr vor der „Auf ein Wort“-EP schon zusammengearbeitet?
Url: Wir hatten 2006 „Ausdruck“ veröffentlicht, manche sagen, es wäre unser erste Release gewesen, manche, es wäre ein Demo. Für uns war es so: wir haben an einem Sampler gearbeitet und uns jeden Montag bei mir zu Hause getroffen. Es waren unterschiedliche Leute wie Brotlose Kunst, Def K, Average oder Huckey dabei. Eigentlich haben wir Kaffee getrunken, ein bisschen gequatscht und philosophiert. Nur nebenbei ist Musik gelaufen und Texte wurden geschrieben, so ist der Sampler eigentlich entstanden. „Montag“, das war der Titel, „Urban Sprawl“ der dazugehörige Sampler. Übrigens das einzige Album am österreichischen Markt, das nur als Tape erschienen ist. Dabei sind auch einige Beats übrig geblieben und Max wollte einfach nur darüber rappen. Es war nie der Plan, daraus dann ein gemeinsames Tape zu machen.
Auf dem Demo-Tape von 2006 hattet ihr bereits auf dem Titeltrack „Ausdruck“ ein Kamp Feature. Wie ist das zustande gekommen?
Av: Url war zu der Zeit im Jugendzentrum und ihm war es eben auch damals schon wichtig, dort was cooles HipHop-mäßiges entstehen lassen zu wollen. Da bin ich Kamp vorgestellt worden, die Stimmung war extrem cool. Ich glaub, er hat mich ein bisschen unter die Fittiche genommen. Damals waren ja Kamp-Features auch nicht so üblich. Ich hab ihn also gefragt und er hat dann fast nicht Nein sagen können.
Url: Wahrscheinlich hat er es auch gespürt, er hat ja ein Auge für Talente. Dann muss man auch noch dazusagen, Richard, also DJ Vektor, der früher Kamps DJ war und ein Freund von mir ist, hat da ein bisschen hinein interveniert. Es könnte aber auch das Karel Gott Sample gewesen sein, dass Kamp so gekickt hat.
Av: Ich hab das bis jetzt nie so gesehen, wie ihr das gerade sagt. Mir fällt jetzt aber auch nichts ein, was da vorher an Features gewesen ist, außerhalb der VOZ-Partie. Das ist im Nachhinein dann noch eine größere Ehre. Meine eigentliche Release-Zeitrechnung beginnt aber mit „Ganz Schön Hässlich“ 2009. Das fällt für mich auch unter „Die Au“, weil es derselbe Prozess war, nur dass Huckey eben auch noch dabei war. Wir waren alle drei gleich beteiligt, haben das auf Vinyl rausgebracht, eine wunderschöne Releaseparty gehabt und sehr viele Konzerte gespielt. Da war Kamp auch wieder mit an Bord.
Inwiefern gibt es Generationenkonflikte bei den Herangehensweisen zu „Ganz Schön Hässlich?
Url: Der Unterschied zum Demo und zu „Ganz Schön Hässlich“ ist, dass ich nicht mehr die Beats gemacht habe. Es war ein Projekt von Huckey und Max und die Konzeptidee war zu jeder Nummer einen anderen Producer zu finden. Das Schöne an „Ganz Schön Hässlich“ war das Zusammentreffen von drei unterschiedlichen HipHop-Generationen. Damit war es auch wieder homogen, es ist alles vertreten, alles hat Platz gehabt. Das war auch der Grundflavour beim Arbeiten, abgesehen vom Konzept, die Struwelpeter-Geschichten durchzuarbeiten.
Av: Die Themen waren damals auch fix. Wir haben gewusst, es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Geschichten und haben uns dann einige davon gepickt. Für mich war spannend, was von Huckey zu den Geschichten und zu Themen wie „Suppenkasper“ kommt. Ich halte Huckey nämlich bis heute für DEN Lyricist.
Wie ist es bei Auftritten? Bist du aufgrund deines Alters fitter als die anderen?
Av: Ich glaub Huckey und ich waren immer gleich K.O. Flip ist immer fitter als ich, weil der auch viel sportlicher ist…
Url: Flip ist schon der nächste Sprung … Was man Huckey hoch anrechnen muss, ist dass er egal bei welchem von den hunderten Texta-Konzerten, die ich gesehen habe, immer vorn gepickt ist – egal ob da drei oder 2000 Leute im Publikum waren. Der ist eine echte Rampensau. Er ist vorher müde, geht dann auf die Bühne und legt den Schalter um. Echt bewundernswert, wenn man bedenkt, er ist Mitte 40! Huckey hat Feuer, das manch ein 20-Jähriger nicht hat.
Wir hatten gestern ein Interview mit Ansa von den Vamummtn beziehungsweise Sunny und DJ Crum. Auf ihrem letzten Release hieß es auf einem Track unter anderem „Scheiß Szene, Scheiß Jams“. Sie fragten uns im Interview, ob wir uns hier wohl fühlen würden. Wie steht ihr zur Stimmung bei Festivals wie dem KRUNK oder AM STROM?
Av: Ich habe mich sehr gefreut, als Demolux bei uns angefragt hat. Gestern war es ein bisschen enttäuschend, als ich am Gelände angekommen bin. Es ist das eingetreten, was ich befürchtet habe: 60 Prozent Künstler, 40 Prozent Publikum. Das ist glaube ich das größte Manko, es fehlt – vielleicht – an Publikum. Heute habe ich aber ein anderes Gefühl, weil jetzt auch Leute da sind, deren Gesicht ich noch nie gesehen habe. Prinzipiell muss man sagen, dass das Krunk-Festival heuer zum ersten Mal stattfindet. Sie planen es ja über eine längere Zeit und rein vom Gelände und von der Idee hat das Krunk sicher Potential. Ich unterstütze es zu 100 Prozent und find´s cool.
Hat österreichischer HipHop überhaupt genügend Potential für so ein Festival, also gibt es genug spannende Live-Acts? Müsste es weniger österreichische und mehr internationale Acts geben, um Festivals wie dieses spannend zu gestalten?
Url: Nein, gar nicht. Das würde ja für eine Szene sprechen und sie ausmachen, wenn hier ein Netzwerk geschaffen wird und man sich einen Überblick verschaffen kann. Das Problem von mehr Künstlern als Publikum könnte auch für die Szene sprechen und auch beim ersten Am Strom war es ähnlich. Das spricht aber eben vielleicht auch für eine Szene: wenn es so viele Leute gibt, die aktiv sind und demgegenüber das Publikum etwas abfallen kann.
Aber es wäre viel mehr Potential an Publikum und an Rappern da. Ist das Krunk wirklich repräsentativ? Fehlen vielleicht „Superstars“ wie Lukas Plöchl oder Nazar?
Av: Es kommt drauf an, ob RAF 3.0, Nazar, Joshi Mizu oder Chakuza als österreichische Artists betrachtet werden, oder doch dann schon als deutsche. Wenn Ersteres der Fall ist, dann sollte man sie auf jeden Fall einladen, was vielleicht auch am Budget scheitert. Um 100 Prozent repräsentativ zu sein, fehlt es dieser Schiene schon noch ein bisschen. Es sind aber Texta da, die Jungen sind da, die Vamummtn, die doch ein anderes Publikum ansprechen – den Ansatz hab ich verstanden und cool gefunden. Weil es ist ja alles österreichischer Rap …
Url: So gesehen ist es ein guter Auszug und mehr kann man wahrscheinlich auch nicht anbieten. Man kann nicht alle aus allen Bundesländern einladen. In einem kleineren Rahmen kann das geschehen, wie beispielsweise bei der Jam-Reihe „We don’t stop“ in der Kapu. Aber das ist auch nicht wirklich repräsentativ. Die Au repräsentiert jetzt auch nicht oberösterreichischen Rap, Max macht ja auch keinen Dialekt-Rap. Da würde man so viele Punkte finden: ist ein Lukas Plöchl Rap? Ist Chakuza ein Österreicher?
Würdest du Straßenrap als Teil der Szene sehen?
Url: Doch, sicher. Ich kann da nicht rausselektieren. Es gibt ja auch oft diese Diskussion zu Nazi-Rap. Natürlich hat das aus meiner politisch-ideologischen Sicht nichts im HipHop verloren, zumindest mit dem, was ich damit verbinde. Nur kann man es auch nicht außen vor lassen, denn es gibt dafür eine große Plattform im Internet. Dem kann man sich nicht verweigern oder totschweigen, auch das ist ein Teil von Rap. Mit dem muss man sich auseinandersetzen. Genauso ist Straßenrap ein Teil davon, Conscious-Rap, Battle-Rap, Indie-Rap…
Auch in unserem Magazin gibt es zu dieser Thematik eine Reihe. Wie aktuell ist diese „Bedrohung“ und „Gefahr“ RechtsRap bzw. NaziRap? Wie seht ihr generell die Entwicklung?
Url: Es gibt ja die FPÖ-Raps, die Strache von sich gegeben hat. Die FPÖ und generell Parteien schauen natürlich, was junge Leute anspricht. Es hat ja auch einen „Ich bin Wien“ -Sampler von der SPÖ gegeben.
Rechte Inhalte und HipHop passen ja auf den ersten Blick nicht zusammen.
Url: Es kommt auf den Bezug an, was man eben als HipHop definiert. Definiert man HipHop klassisch, mit Breakern, Sprühern und Rappern, die nachdenken, wie sie die Welt besser machen könnten. Oder sagt man: HipHop 2013 ist eben so wie er ist. Vorher haben wir noch von schlechten Rappern gesprochen, die nie MCs werden und trotzdem rappen und eine Szene haben. Das ist ja eine Subkultur in der Subkultur. Das gilt auch für NaziRap. Da wird Rap als Sprachrohr benutzt, ob das jetzt Fler macht, Politiker oder die Werbung. Rap kommt mittlerweile auch überall vor – in Werbungen, im Fernsehen und in Filmen. Darin seh ich auch was Positives. Rap hat es echt geschafft. Zumindest der Style und die Rap-Musik tauchen überall auf.
Würdest du also sagen, die Entwicklung von Rap hin zu einer Massenkultur hätte auch seine positiven Seiten?
Url: Prinzipiell find ich es gut, weil man auch sieht, Rap ist gewachsen und hat es geschafft sich als Musik durchzusetzen. Jahrzehntelang wurde sie verweigert. Wie lange das gedauert hat, bis Rap und HipHop dort sind, wo sie jetzt sind. Natürlich gibt es da auch Richtungen, wo wir uns denken, „das ist jetzt nicht mehr so cool“. Sei jetzt mal dahingestellt. Man kann nicht etwas erschaffen, was alle anspricht und keine schlechten Seiten hat. Das wäre ja dann so wie Linz …
Av: Mit Rap ist es so, dass es Sprachrohr ist und sich Leute wie Strache daran bedienen. Das sind reine Werbemaßnahmen. Strache steht jetzt nicht mit einem Kapperl in seinem „Rapvideo“ da, sondern mit Anzug und blauer Krawatte. Ich könnte das niemals in Verbindung bringen, in keiner Form. Für Strache ist es genauso wie Plakate drucken. Der zahlt einem Produzenten für einen Beat 10.000 € und der ist glücklich, wer auch immer das ist.
Url: Huckey hat mir mal eine Geschichte erzählt: Schönheitsfehler hat irgendwo in Ostdeutschland gespielt und im Publikum waren auch Rechte. Dann geht einer von denen zu Marimba und meint: „Voll cool.“ Und der reagiert angewidert: „Du bist ja ein Nazi, wie kann dir das gefallen?“. Der Nazi antwortet drauf: „Ja, weil ihr auf Deutsch rappt.“ Aus der Sicht seiner Ideologie und Propaganda ist es für ihn eine Art Vorstufe. Schönheitsfehler haben es für ihn damals geschafft: Endlich rappt man auf Deutsch. Wenn man das jetzt weiterspielt, wird es wahrscheinlich höchst philosophisch.
Aber wie wichtig ist Dialekt zum Beispiel in den letzten Jahren wieder geworden? Nicht nur im Rap, auf Plakatwänden, bei McDonalds, wo darauf Wert gelegt wird, nur noch regionale Produkte zu kaufen. Vor 20 Jahren hieß es noch: alle Grenzen auf, in Europa sind wir alle eins. Plötzlich besinnen wir uns wieder des Dialekts, der Heimatliteratur, der Heimatmusik. Genauso aber wird es wieder die Zeit geben, in der Dialekt-Rap wieder wenig Anspruch findet.
Wie hat denn HipHop angefangen? Sie haben im Park gerappt, einer hat aufgelegt, es wurde getanzt und die Rapper haben erzählt, was da so passiert. Dann wurde es in den 80er Jahren politischer, dann ist die Gangster-Welle gekommen, dann parallel dazu die Native-Tongue-Bewegung…es gab immer gewisse Strömungen. So ist jetzt vielleicht die Lukas Plöchl-Strömung und die wird auch wieder vergehen. Max wird immer angekreidet, dass er nicht Dialekt rappt oder immer nachdenklichere Sachen macht. Es wird auch wieder eine Zeit kommen, wo junge Leute so was wieder hören wollen. Jetzt ist vielleicht die Zeit, wo sich die Jungen sagen, was kenn ich, was hab ich mitgekriegt, diese ganze Berlin-Welle. Wenn einer heute rappt, muss er gleich sagen: „Ich bin der Beste, ich f…. dich und ich zerlege alle“. Wenn man so einsteigt, ist man dabei gewesen. Eine Anekdote dazu: im Saturn habe ich jahrelang die CD-Covers verfolgt und es hat eine Zeit gegeben, wo die HipHop-Abteilung nur schwarz war. Das war wie eine Metal-Abteilung. Alles dunkle Covers, selbst das Texta-Cover von „Paroli“. Heute geht man durch und hat ein grünes und weißes Album. Alles wird wieder bunter.
Du versuchst ja auch aus dem HipHop-Kosmos rauszubrechen, zum Beispiel mit der FIFA-Nummer. War das so geplant, weil man sich sonst immer im selben Radl bewegt?
Av: Das ist prinzipiell der Plan. Ich hab mir immer vorgenommen, mich auf unterschiedlichen musikalischen Ebenen und auf unterschiedlichen Beats und Instrumentals zu beweisen. Zu der Zeit habe ich richtig viel FIFA gespielt und dachte mir, ich schreib während des Zockens einen Song. Dann hat sich das Video mit Andreas Ivanschitz ergeben. Es war aber nicht der Plan, damit explizit die FIFA-Nerds zu erreichen. Wie beim „OM“ – Song ist es ein Leidenschaftsding.
Wenn du die freie Wahl gehabt hättest, einen Fußballspieler herauszupicken, der im Video mit dir Playstation spielt, wen hättest du genommen?
Av: Eh den Ivanschitz (lacht). Ich hab Ivanschitz immer cool gefunden. Persönlich ein Topmensch, so weit ich ihn kennen lernen durfte. Wenn ich aber die freie Wahl gehabt hätte, wäre es Hatem Ben Arfa gewesen, jetzt Newcastle, ehemals OM. Das ist mein Lieblingsspieler.
Zurück zum „Austrian Flavour“: Wir arbeiten an einer Dokumentationsreihe über 20 Jahre HipHop in Österreich, was wären für euch die zehn besten Releases dieser Zeit?
Url: Versager ohne Zukunft – Kamp.
Av: Gegenüber – Texta.
Url: Sklaven der Zeit – Brotlose Kunst.
Av: Werwaswannwiewo – Total Chaos.
Url: Lost Files & Broken Mics – Wisdom & Slime.
Av: Enormis – Aphrodelics.
Url: Naturwaach – Das Dampfende Ei.
Av: Gediegen – Texta. Texta darf man glaub ich zweimal nennen.
Url: Vollendete Tatsachen – Markante Handlungen.
Url: # 1 – DJ DSL.
Im November erscheint eine neue EP von Average & DJ Url (Die Au).
Facebookauftritt von Average
Ähnliche Posts
- "Polifame ist dann das Zentrum, wo alles zusammenkommt" - Interview + TM Exclusive
Polifame ist Musiker durch und durch. Der Oberösterreicher baut Beats, schreibt Texte und ist nebenbei…
- "Für mich sind alle Leute Halbgötter" // Amewu Interview
Nach einem Ausflug in die Dubstep- und Grime Szene hat es den Berliner Rapper Amewu…
- Tausendsassa Chill-Ill (Interview)
Der gebürtige Sankt Pöltner hat soeben sein zweites bemühtes Rap Solo-Album namens "Aus aundara Aunsicht"…