Indoor-Veranstaltungen bis zu hundert Personen, Outdoor-Veranstaltungen bis zu 500 Personen, erwünschte Reduzierung der sozialen Kontakte – die Restriktionen im Kampf gegen eine weitere Verbreitung des Coronavirus treffen den Kulturbereich hart. Fast alle anstehenden Live-Shows müssen entweder abgesagt oder verschoben werden. Das Geschehen wird sich in den nächsten Wochen, wenn nicht Monaten, primär in die eigenen vier Wände und auf Bildschirme verlagern. Daher sind kreative Ansätze gefragt, wie Kreiml & Samurai vormachen. Am 21. März planen sie an Stelle ihres Auftritts im Gasometer nach dem Motto „Auf ollen Viren“ eine Übertragung eines Quasi-Wohnzimmerkonzerts via Livestream. Die Ersatzshow im Gasometer ist für 26. September eingeplant.
Auch auf musikalischer Ebene gibt es aus den vergangenen Tagen einiges zu berichten. So haben Skofi mit „Drown“, Jamal52 mit „Raus“ und Juna Shawty mit „Leben Ist Gut Freestyle“ neue Tracks veröffentlicht. Zudem sind einige Videos erschienen.
Der-Con & Testa – Bangkok (feat. 19TYGER)
In den vergangenen Jahren ist Der-Con viel herumgekommen. Zeitweise als „Nomadic Rapper“ durch die Welt gereist, hat er sich an einigen fernen Orten mit den lokalen Acts zusammengeschlossen. Dabei hat er auch in Bangkok Station gemacht, wo er auf 19Tyger getroffen ist. Beheimatet im Slum Klong Toey, zählt dieser aktuell zu den aufstrebendsten Rappern des südostasiatischen Landes. Der-Con und 19Tyger haben der Thai-Hauptstadt eine Hymne gewidmet und sich fürs Video durch ihre Straßen bewegt. Unterstützung liefert ein leicht hypnotischer Beat von Testa. Der Produzent ist für sämtliche Produktionen der für 03. April angekündigten „Contour“-EP verantwortlich. Auf den ersten Vorboten „Bangkok“ werden noch einige weitere Orte folgen – so kann Der-Con bereits Videos aus Bombay und Beirut ankündigen.
Lent – 10
Nachdem auf „6. Dezember“ Mumble-Rap im 80er-Jahre-Style dominierte, geht es auf Lents neuem Track wieder etwas ruhiger zu. „Schlangen die mich beißen wollen, ich geh mein‘ Weg“, heißt es darauf. Der eingängige Beat kommt wie gewohnt von seinem Bruder Damian Beats, das Video lebt von der extravaganten Kulisse der Wiener Trabrennbahn in der Krieau. Seinem Stil bleibt Lent auch auf „10“ treu. Brachialer Mumble-Rap mit einer atmosphärischen Sounduntermalung, der mal wieder für den ein oder anderen Ohrwurm sorgt.
5/8erl in Ehr’n – Vaporizer
Auf „Vaporizer“ stimmt das Wiener Duo 5/8erl in Ehr’n wieder in gewohnter Mundart-Manier eine undefinierbare Mischung des Sprechgesangs an – sie selbst bezeichnen es als „Wiener Soul“. Der Song entstammt dem neu angekündigten Album „YEAH YEAH YEAH“, das dieses Jahr erscheinen soll und sie auch auf Tour führen wird. Das Video zu „Vaporizer“ ist in Hollywood entstanden. In verrauchten Gerätekammern und Autos preisen – beziehungsweise verorschen – sie die Verdampfer und alle Vape-Kids im feinsten Dialekt-Denglisch.
Dacid Go8lin & VX – Bittersweet
Über den Dächern Wiens zieht der Frühling ein – zumindest über denen des Hauses Femme DMC. Davon überzeugt uns Dacid Go8lin mit dem Video zu „Bittersweet“. Dacid übernimmt hierfür selbst Regie, ist ebenso für Kamera und Schnitt verantwortlich. Gehalten in Orange- und Rosatönen, schafft das eine gelungene Visualisierung zu VXs leichter Stimme. Der Song bringt eine Leichtigkeit und Unbeschwertheit mit – und damit die Vorfreude auf Sommernächte, in denen wieder bis in die Afterhour durchgetanzt werden kann. Eine mehr als willkommene Abwechslung für die kalten Tage der vergangenen Wochen.
Seha Eks & Rice Master Yen – Gefängnis
Nach längerer Abstinenz 2019 mit dem Soloalbum „König Vibration“ auf die Bildfläche zurückgekehrt, steht bei Seha Eks – ehemals Teil der Formation Die Rapublik – nun „Pentagramm“ in den Startlöchern. Für die am 04. April erscheinende EP hat sich der Wahlwiener mit dem Berliner Produzenten Rice Master Yen, zuletzt mit Hightauer aktiv, zusammengerauft. Beim ersten Vorboten dominiert roher, reduzierter Sound. Seha Eks begibt sich in Häfnmontur und Achter, um in abstrakter Manier politische und gesellschaftliche Malaises anzureißen und wiederholt zu predigen: „Die Antworten, die du suchst, werden dein Gefängnis“.
R. Mess – Maktub
Mit „Maktub“ begibt sich R.Mess neuerdings vom Französischen in die Gefilde des Deutschraps. Und in diesen scheint er sich gut eingelebt zu haben. Der Track ist die übliche Mischung aus der Präsentation des eigenen Egos („Auch wenns erst in zehn Jahren ist / Hab der Szene das Maul gestopft„) und der Reflexion über das eigene Leben, zwischen Alkohol und Drogen. Theatralisch sitzt er sich selbst gegenüber, tief über ein Schachbrett gebeugt, und rappt sich angenehm ruhig von einer Strophe zur nächsten.
Text: Simon Nowak, Chiara Sergi, Francesca Herr & Mira Schneidereit