2019 neigt sich dem Ende zu, der Jahresabschluss bringt noch eine Menge Releases, Videos und Ankündigungen mit sich. Während Philiam Shakesbeat kürzlich sein Debütalbum „Auf der Suche nach der Philanthrosophie“ veröffentlichte – hier unser Interview mit ihm –, liefern einige Kollegen Vorboten auf Releases, die für Jänner eingeplant sind. Darunter Da Staummtisch – die Linzer haben den im vergangenen Round-up vorgestellten Vorboten „Bella Vita“ mit Featuregast Skero noch um ein Video ergänzt. Bibiza liefert als Vorgeschmack auf ein neues Werk ein Zwischenresümee, Chakuza stimmt mit „Mein Kopf Mein Herz“ ein. Auch abseits der genannten Acts gibt es einiges zu berichten.
Kreiml & Samurai feat. Voodoo Jürgens – Drei Nagetiere
Eine schillernde Konstellation am Schillerwasser – Kreiml & Samurai und Voodoo Jürgens machen mit der Single „3 Nagetiere“ erstmals gemeinsame Sache. Soziotopisch und sprachlich ohnehin auf einer Wellenlänge, verzeichneten die Acts in den vergangenen Jahren auch einen ähnlich rasanten Anstieg der Reichweite. Anders formuliert: Eine Kollabo lag schon länger in der Luft – und nahm passenderweise auch noch im Beislsmog des legendären Schmauswaberl ihren Ursprung. Einige gemeinsame Sessions später finden sich die drei Protagonisten mit einem von Voodoo Jürgens eingespielten Instrumental sowie drei Parts über die verstorbenen Haustierlegenden Charlie, Flecki und Ramsine im Gepäck auf einem Fischerboot in der transdanubischen Idylle wieder. Diese genießen sie dann gebührend mit Unterstützung von Bier, rotem Fleisch und einem Lagerfeuer. Der Track dient als Einstimmung auf ein für Anfang 2020 angekündigtes neues Album von Kreiml & Samurai sowie die dazugehörige „Zruck in die Zua–kunft“-Tour.
Big J – Belle Epoque
Als Absolvent der Akademie der bildenden Künste verknüpft Big J seine Kunstaffinität gerne mit seinem Dasein als Rapper. So widmete der Wahlwiener etwa 2016 auf dem Album „Karma“ dem Maler Egon Schiele, mit dem er sich verbunden fühlt, einen Track. Drei Jahre später ist Big J zurück mit der EP „Belle Epoque“, einer Huldigung der gleichnamigen Epoche rund um 1900. Während er die unbeschwerte, hedonistische Lebensweise dieser Zeit schätzt, spielen die vier Tracks im Jetzt. Anno 2019 sieht der Rapper das „Schlaraffenland“ und die damit verbundene Leichtigkeit des Seins durch einige Störfaktoren und Erste-Welt-Probleme gefährdet. Er bezieht sich etwa auf die ausufernde „Computerlove“, die immerwährende Suche nach einem besseren Leben oder die strapaziösen Seiten des Musikgeschäfts. Dabei setzt er auf viel Singsang und Trap-Anleihen.
Mavi Phoenix – Boys Toys
Mit der neuen Single liefert Mavi Phoenix den ersten musikalischen Vorboten auf das im kommenden Jahr erscheinende Album. „Holla holla holla at me in my newest fit / Don‘t fit in the biz but I stick to it”, heißt es darin. Im Sommer veröffentlichte Mavi Phoenix den Song “Bullet in my heart“ und thematisierte darin seinen inneren Kampf mit der Genderdysphorie. Nun findet Mavi näher zu sich selbst, identifiziert sich mit dem Pronomen „er“. Das Video zu seinem neuen Song spielt mit der stereotypischen Vorstellung von Männlichkeit und dessen Veränderung, zeigt Mavi mal mit Muskeln bepackt überspitzt männlich, mal mit kleinen Schmetterlingen übersäht.
MochDaKopf feat. Fate – Agathe
Egal was passiert, Agathe weiß Rat. Für Fate ist Agathe die, die dich versteht und sagt: „Das schaffen wir schon!“ Bei MDK heißt Agathe zwar Monika, aber den Zweck erfüllen beide: Sie sind die Hoffnung, wenn alles ausweglos scheint. Im dazugehörigen Video wird Agathe schemenhaft als blonde Frau dargestellt, als Zeichen ihrer Anwesenheit hinterlässt sie Smileys. Während es textlich zu Beginn noch um Situationen wie dem Tod der Katze geht, sind die Szenen im Video ein anderes Kaliber, nämlich verschiedene Selbstmordszenarien. Ob Freitod durch Stromschlag, Kohlenmonoxidvergiftung im Auto oder die Patrone im Kopf, Agathe betätigt in letzer Sekunde den Hebel im Sicherungskasten, bevor der Föhn die Wasseroberfläche berührt. Damit sorgt MDK für einen schwermütigen Vorgeschmack auf die „Fensterlos“-EP, die am 16. Jänner via Honigdachs erscheint.
Mickey & Kerosin95 – Alle Up
Mickey und Kerosin95 bringen uns vom Handelskai aus die Motivation zurück, die irgendwo in den Tiefen der Winterdepression verloren gegangen ist. Abwechselnd auf Deutsch und Englisch beweisen beide, dass trotz baldigem Jahresende die Luft noch lange nicht draußen ist: „Immer schneller, höher, weiter, größer, nicer / ich mach ’ne Instastory auf meiner Karriereleiter“. Gefilmt wurde „Alle Up“ übrigens von zwei „The Message“-Fotografen – Alex Gotter in der Hauptrolle, Matthias Schuch als Assistent.
Aze – Visions
In Anlehnung an die Yin-und-Yang-Philosophie zeigt das Duo Aze in der Debütsingle „Visions“ starke Gegensätze, die einander zusammengefügt ergänzen und vervollständigen. Beyza Demirkalp an der Gitarre und Ezgi Atas‚ Stimme geben einander gleichermaßen Raum, sich auszubreiten und gemeinsam ein starkes, gefühlvolls Werk abzuliefern. „Visions“ misst zwar jegliche Rap-Parts oder schnelleren Gesang, die HipHop-Sozialisation des Duos kommt aber immer wieder durch und äußert sich beispielsweise im gekonnten Wechselspiel von Gitarre und Beats. Selbst Teil des Kollektivs Femme DMC, ist auch die Produktion durch Dacid Go8lin und Raul nicht weiter verwunderlich.
Dykris – Ne Brine
„Ich hab’s so satt / Verdammt, du machst mich so krank“ – Auf ihrem neuen Song zeigt sich Dykris überraschend unverblümt und tiefgründig von einer privaten Seite. „Ich guck dich an, doch erkenn dich nicht mehr / Du liegst neben mir, doch der Raum ist so leer / Benebelt jeden Tag, drauf, verdammt, spar dir die Worte“. Eine weinende Mutter, die sich fragt, wo ihr Sohn bleibt, eine alleingelassene Freundin und die wütende Dykris. „Ne Brine“, ehrlich-traurig und soundtechnisch definitiv am Puls der Zeit.
Shen – Marseille
Shens angetretene Reise geht weiter, ein neues Kapitel wird geöffnet. „Marseille“ heißt der neue Track, spielt mit der erzeugten Atmosphäre und der tiefgreifenden Bildsprache. Shen scheint kein Fan von großen, plakativen Worten zu sein, seine Songs finden eher auf Metaebene Einklang. So harmonieren zurückgehaltene Lyrics in Kombination mit der Sounduntermalung und der visuellen Umsetzung.
Text: Simon Nowak, Chiara Sergi & Francesca Herr