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Beats mit Punk-Attitüde // Noayama Interview

Beats mit Punk-Attitüde // Noayama Interview

Noah Berger, auch bekannt unter seinem Alias Noayama, spannt mit seinen Tracks einen weiten musikalischen Bogen. Davon zeugt „Consume Land Flea Market“, sein am 31. März erschienenes Debütalbum. Auf den 21 via Affine Records erschienenen Tracks trifft HipHop-Ästhetik auf verspielte Electronica und Pop-Zwischenräume.

Der Albumtitel spielt mit dem Widerspruch zwischen turbokapitalistischem Konsumismus und dem Wunsch nach Vintage-Stuff, der den Zeitgeist mitprägt. Dazu passt Noayamas Zugang, alte Synthesizer und Drum-Machines als Eckpfeiler seiner Produktionen zu verwenden. Die illustre Featureliste verbindet Generationen. Vertreten sind etwa Hprizm, Mitglied der Avantgarde-Rapcrew Anti-Pop Consortium, die Glitch-Hop-Pioniere Funkstörung, „The Legendary Godmother of Japanese Electronica“ Coppé – neben jüngeren Artists wie der New Yorker Rapperin Maassai oder der deutschen Singer-Songwriterin her tree.

Noayama ist der Sohn von Michael Fakesch, bekannt als eine Hälfte von Funkstörung. Aufgewachsen in der Nähe von Rosenheim, lebt der 21-Jährige in Linz und studiert Digital Arts.

The Message: Die Musik ist dir in die Wiege gelegt worden. Ab wann hat dich dein Vater in diese Welt eintauchen lassen?
Noayama:
Ich war von klein auf oft im Studio und saß daneben. Als ich mit 14, 15 Jahren selbst mit Musik begonnen habe, hat er versucht, sich beim kreativen Prozess rauszuhalten. Bei technischen Fragen, wie ich was bei Ableton mache oder so, hat er mir geholfen. Aber es ging zunächst von mir aus, dass ich ihm Stuff gezeigt habe.

Auf Wikipedia steht, dass eines der zwei Mitglieder von Funkstörung aus dem HipHop-, eines aus dem Metal-Bereich kommt. Dein Vater ist im HipHop verwurzelt?
Genau. Das hat Funkstörung unique gemacht. Sie waren mit die ersten, die auf einem Electronica-Album Rapper hatten.

Inwieweit waren seine Produktionen Orientierungspunkte für dich?
Diese Fuck-it-Attitude, dass man sich etwas traut, man selbst ist, sein Ding macht, hat natürlich abgefärbt. Wenn ich mit meinen Eltern im Auto gesessen bin, lief zum Beispiel Aphex Twin und kein Radiozeug. Ich habe von Anfang an eine andere Sichtweise darauf bekommen, was experimentelle Musik ist. Als Kind habe ich altes Funkstörung-Zeug, Aphex Twin, Autechre und so weiter nie als abgefahrene, weirde Leftfield-Musik wahrgenommen. Eher durch Freunde, die gesagt haben: ‚Alter, Noah, was hörst du da eigentlich?‘

Was hast du als Kind am meisten gehört?
Als ich kleiner war, viel Madlib, „Yessir Whatever“, Quasimoto-Zeug, Madvillain. Aber auch Boards of Canada. Björk habe ich ein bisschen später gecheckt und ich bin großer Fan geworden. Mein Papa hat viel Bezug zu ihr – der Durchbruch von Funkstörung war ein Björk-Remix („All Is Full Of Love“, Anm.). Aber mir gefällt vor allem das ältere Zeug, die früheren, poppigen Alben. Ihre Stimme ist so krass, das funktioniert am besten mit minimalistischen Instrumentals.

Welche Elemente an Musik haben dich generell als erstes fasziniert?
Die emotionale Komponente. Dass es fett klingt und diese Lautstärke, die einen dazu motiviert, etwas zu machen. Oder wenn ich einen Film gucke, dass es eigentlich nur über die Musik funktioniert. Diese Macht der Musik hat mich begeistert. Technische Sachen waren nicht so relevant. Ich habe nicht Autechre-Tracks gehört und mir gedacht: ‚WTF, wie haben die das 1994 gemacht?‘ Ich habe erst später gecheckt, wie krass das war.

Du hast auch viel avantgardistischeren Rap verfolgt, oder?
Als ich noch ein Kind war, war Earl Sweatshirt voll mein Ding. Irgendwann ist natürlich JPEGMAFIA dazugekommen. Ich fand ihn furchtbar, als ich ihn das erste Mal gehört habe. Er war mir zu prollig. Ein halbes Jahr später hat es voll klick gemacht, auch wenn er übel vulgär ist und ich manchmal überhaupt nicht d’accord mit dem bin, was er sagt. Gerade das alte Zeug. Auf dem Cover ist eine Confederate Flag – ironisch, aber das weiß man ja nicht, wenn man ihn nicht kennt. Ich finde es faszinierend, wie er zu hundert Prozent dahintersteht. Das erste Album klingt voll trashig. Im Studio kann man es sich teilweise nicht anhören, aber das macht es geil.

Was war dein Bezug zu Affine Records?
Ich war Wandl-Fan. Ich bin damals über Crack Ignaz auf ihn gekommen. Dorian Concept kannte ich natürlich auch. Weil ich so nah an Österreich war, war diese Connection da. Ich habe meine Demos aber nur an Affine Records geschickt – entweder hier, oder ich mache es selbst.

Foto: Noah Berger

Kommen wir zu deinen Produktionen. Du hast einige Tracks deines Albums als „N.Yama Type Beats“ bezeichnet. Eine selbstironische Inszenierung, oder was war der Gedanke dabei?
Das sind die Sachen, die ich wirklich komplett allein gemacht habe und wo ich das Gefühl hatte, dass ich am meisten ich selbst bin. Ich fand es einen witzigen Gag, mich zu featuren. Der Ansatz war, dass ich die Tracks direkt an Affine Records sende, ohne dass ich sie vorher jemandem zeige. Es sind die kompromisslosen Teile des Albums. Ich finde es cool, dass ich mir ein weiteres Alter Ego für Side-Projects oder so freihalten kann.

In welche Richtung denkst du dabei?
Wie die „N.Yama Type Beats“ sind. Aber es kann auch sein, dass ich Techno-Tracks mache oder etwas à la Moneyboy. Ich will ein Alter Ego für den kompletten kreativen Freedom, wo es nicht so ernst ist – und man sich aber auch nicht selbst die Karriere ruiniert (lacht).

Das Album klingt vielseitig, du vereinst viele Ansätze, die Featuregäste sind divers. Du möchtest dich musikalisch ausleben. Was macht dich als Produzent oder Musiker aus deiner Sicht am meisten aus?
Bisschen der Rick-Rubin-Approach. Ich habe mit Leuten zusammengearbeitet, mit denen hockst du im Studio und denkst dir: ‚Fuck, ich kann nichts.‘ Dieses Rumprobieren, dass ich mich stark auf meinen Geschmack verlasse und keine Angst vor Kritik habe. Auf meiner ersten EP („Yama Calling“, Anm.) waren die ersten Songs, die ich je gemacht habe. Ich glaube, dass die Trefferquote immer höher geworden ist. Das habe ich von meinem Dad und Funkstörung gelernt. Sie haben ihre allerersten Songs einem Label geschickt, dann wurde eine kleine Auflage gepresst und Björk hat zufällig eine davon gekauft. Den Spirit habe ich geerbt. Neulich hat ein Bekannter auf Insta einen Soundcloud-Link gepostet und gefragt, ob er das auf Spotify hauen soll. Sowas finde ich katastrophal. Du musst es schon selbst geil finden. Ich bin nicht der Überzeugung, dass die Leute wissen, was sie hören wollen. Sondern, dass man ihnen schon was vorsetzen muss.

„Ich bin perfektionistisch in dem Sinne, dass es nicht perfekt klingt“

Ist der Anspruch dann, möglichst vielen etwas vorzusetzen?
Nee. Ich glaube es ist schlecht, wenn so Musik gemacht wird. Im Popbereich ist es klar, dass es einen gewissen Klang braucht. Manche nehmen diese und jene Chords, weil sie psychologisch am besten sind. Ja niemandem wehtun. Das ist ein Problem, das durch Social Media verstärkt wird, weil jeder jeden immer angreifen kann. Deshalb struggle ich mittlerweile mit Popmusik, weil es ununterscheidbar und beliebig ist. Warum ist jetzt Harry Styles so groß und warum gibt es tausend andere, die den gleichen Sound machen?

Zurück zu deinen Tracks: Wie schwierig fällt es dir, sie abzuschließen?
Ich struggle sehr damit. Ich habe von Songs vom Album 30, 40, vielleicht zum Teil 100 Versionen. Was witzig ist, weil der Stuff so unfertig klingt und auch so sein soll. Ich bin manchmal sehr verkopft und muss die Sachen mal ein halbes Jahr lang liegen lassen. Ich bin perfektionistisch in dem Sinne, dass es nicht perfekt klingt. Das ist mein Ansatz. Ich habe beim Album über ein paar Monate nichts hingekriegt, dann habe ich alles an einem Vormittag fertiggestellt. Die zehn Songs, die ein bisschen tricky waren, habe ich in einer Session von drei Stunden abgeschlossen.

Kann man sich zwingen, wenn man sich hinsetzt?
Nicht wirklich. Bei mir geht es am besten in Momenten, in denen ich nicht geplant habe, Musik zu machen. Wo ich mental nicht so vorbereitet bin. Zum Beispiel mal kurz im Zug. Wenn ich sage, ich hocke mich am Donnerstag von 8 bis 16 Uhr ins Studio, kriegt es diesen Arbeitscharakter und es verliert den Spirit. Aber ich glaube, diese Flauten braucht es manchmal. Die darf man nicht als verschwendete Zeit sehen. In der Session, in der ich mein Album fertiggestellt habe, habe ich das auch nicht gecheckt. Ich habe es am nächsten Tag nochmal angehört, cool gefunden und kapiert. Man kann fast sagen, ein bisschen aus Versehen (lacht).

Du hast einige Synths verwendet. Bedienst du dich da im Studio deines Vaters?
Voll. Ich habe das große Glück, quasi aufs gesamte Roland-Arsenal zurückgreifen zu können. Jupiter, 909, 808, 303, 101, dann noch Moogs und alle Classics. Ich drücke eine Stunde lang alle möglichen Sachen herum und schneide dann was raus. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich mir den Stuff kaufen würde.

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Könntest du rein digital produzieren? Wie viel würde verlorengehen?
Ich bin keiner, der sagt, dass alles analog und nur auf Tape aufgenommen sein muss. Ich finde auch, dass es digital gut klingt. Die alten Dinger sind Unikate, weil sie selten perfekt funktionieren. Bei mir ist es eher der Workflow, ich arbeite viel auf Zufall. Ich bin kreativer, wenn ich etwas anfassen kann, die Ideenfindung läuft analog. Ich brauche einen Ausgangspunkt. Etwas, das ich aufgenommen habe. Es kann sein, dass ich einen 808-Beat baue, der am Ende des Songs gar nicht mehr drin ist. Fertigstellen kann ich die Tracks dann zuhause. Da sitze ich vorm Laptop und habe nicht die Ablenkung, dass ich irgendwas rauskramen könnte.

Welche Rolle spielen Live-Instrumente?
Keine große – und dann sind es eher weirde Sachen. Zum Beispiel ein Gitarett von Hohner, das ist super selten.

„Wenn man sich zu sehr darauf verkrampft, nur Künstler zu sein, wird es schwierig“

Du bist nicht nur Produzent, sondern studierst in Linz Digital Arts und definierst dich als interdisziplinärer Künstler. Du fotografierst auch und arbeitest an einem Album-Video. Habe ich noch etwas nicht erwähnt?
Ich habe früher auch viele 3D-Animationen gemacht. Das möchte ich wieder mehr anpacken. Als ich noch in Bayern war, habe auch eine Zeit lang gesprayt. Bei mir passiert vieles in Phasen, weil ich sehr impulsiv bin. Mal gehe ich eine Woche voll auf meine VHS-Kamera ab, dann liegt sie wieder ein halbes Jahr rum.

Dein Vater ist seit 2008 in Linz tätig, unterrichtet an der Kunstuni Sounddesign. War dieser Weg für dich vorgezeichnet?
Ich kann es schwer sagen. Ich kenne es nur so. Linz fand ich immer schon cool – außer, als ich hingezogen bin (lacht).

Mit welchem Konzept gehst du an die Visualisierung deines Albums heran? Es sind 21 Tracks – bedeutet das 21 Videoansätze?
Bei „Majesty“ habe ich es so gemacht, dass das Interlude, das am Album ein eigener Track ist, im gleichen Video ist. Aber Sachen, die vom Sound her unterschiedlich sind, bekommen eigene Videos. Bisschen so, wie ich es mir vorstelle, wenn ich die Kopfhörer aufsetze und die Augen zumache.

Ist das bei manchen Tracks schwierig?
Ich finde es bei den ruhigeren Tracks einfacher, bei den aggressiveren tu ich mir schwer. Da ist ein Video, das ballert und trotzdem unique bleibt, schwierig umzusetzen. Es ist ein Mammutprojekt, das sich über mehrere Semester zieht.

Dein Vater ist in der Werbewirtschaft aktiv, er komponiert Jingles. Ein Weg, den du dir auch für dich später vorstellen könntest?
Das Künstlersein ist noch voll in ihm drinnen, aber ich glaube, wenn du das über 20 Jahre beruflich machst, ist es für die Kreativität nicht super förderlich. Er sagt auch, dass er keine Musik mehr macht, weil er jeden Tag von früh bis spät im Studio ist und Werbespot macht. In der Freizeit müsste man ihn animieren. Ich habe einen Song mit ihm gemacht, da konnte er es nach fünf Minuten wieder voll. Aber dass er sich von sich aus hinsetzt, ist selten geworden. Vor allem nicht allein. Er sagt, dass es ein paar Jahre lang geil war, auf Tour zu gehen. Er hat Freunde wie Apparat, die 200 Tage im Jahr unterwegs sind. Das hat er für sich nicht auf Dauer gesehen – was ich gut verstehen kann. Da hätte ich auch keinen Bock drauf. Natürlich hoffe ich, dass ich nur von Kunst leben kann, aber ich bin realist genug und weiß, wie hart das Business mittlerweile ist. Wenn man sich zu sehr darauf verkrampft, nur Künstler zu sein, wird es schwierig. Ich arbeite nicht darauf hin, dass ich genau den gleichen Weg einschlage.