Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
In dieser Reihe widmen wir uns monatlich den neuen Releases der Beat- und Instrumental-Szene. Das Meer an großartigen Beats wird von Tag zu Tag größer und nur die wenigsten Produzenten erhalten gerechtfertigte Credits. Darüber hinaus gibt es regelmäßige Instrumentalreihen – viele der Projekte gehen allerdings in der Flut an Releases einfach unter und werden nicht mit einem eigenen Artikel gewürdigt. Dennoch sind sie relevant genug, um ihnen eine Plattform zu bieten.
Rejoicer – Energy Dreams
Rejoicer prägt seit einiger Zeit die Tel Aviver Musikszene entscheidend mit. Sein vor zehn Jahren gegründetes Label Raw Tapes wurde rasch zur Sammelstelle für experimentelle Beatbastler und Musiker. Von Beginn an waren starke Einflüsse aus der pulsierenden Szene der Beatmetropole schlechthin, Los Angeles, spürbar. Als umtriebigster Produzent des Kollektivs hat Rejoicer zig Alben veröffentlicht, teils unter dem Pseudonym Guadaloop. Zuletzt widmete er sich aber vor allem den Gruppenprojekten Calo Wood und Buttering Trio.
Nach einer fünfjährigen Jahren Pause liefert der Israeli nun mit „Energy Dreams“ wieder ein Solowerk, das mit einem Standortwechsel einhergeht. Rejoicer ist mittlerweile in Los Angeles beheimatet, das Album ist via Stones Throw erschienen. Wie gewohnt stechen reichlich Jazz-Elemente, extravagante Synths und deftige Basslines hervor, die elf Tracks weisen einen verspielten Charakter auf. Die Unterstützung einiger befreundeter Musiker – neben einem Keyboard-Feature von Mndsgn haben sich auch einige Raw-Tapes-Kollegen beteiligt – verleiht dem Werk eine organische Note. – Simon Nowak
Gone Beyond & Mumbles – Notes From The Underground
Auf ihrem dritten gemeinsamen Werk haben die US-Beat-Veteranen Gone Beyond & Mumbles ausschließlich klassische Musik aus Russland als Samples eingebaut und als Basis für dramatische, sphärische Boombap-Produktionen verwendet. Ein ambitioniertes Projekt, in das die beiden einiges an Zeit investiert haben. Initiator des Projekts ist DJ Cut Chemist, der die beiden 2007 zur Teilnahme an der Konzertserie „Pravda“ eingeladen hat, die als Hommage an russische Komponisten unter der Herrschaft von Josef Stalin – etwa Dmitri Schostakowitsch – diente.
Mehr als zehn Jahre später sorgen Gone Beyond & Mumbles nun für eine Fortführung. Benannt nach dem 1864 erschienenen Roman des berühmten Schriftstellers Fjodor Dostojewski, widmen sich die beiden mit „Notes From The Underground“ ausschließlich Werken russischer Komponisten aus der Stalin-Ära. Die dramatischen Samples dienen als Skizzierung des emotionalen Zustands von unter dem autoritären Regime lebenden Personen. Ein Spektakuläres Instrumentalalabum, aber definitiv keine leichte Kost. Wer sich mehr damit auseinandersetzen möchte, findet hier ein lesenswertes Interview mit Gone Beyond zum Enstehungsprozess. – Simon Nowak
Jonny Drop – The Only Sound
Neben seiner Tätigkeit als Drummer für das Jazz-Funk-Quartett The Expansions sowie für den Singer-Songwriter Andrew Ashong ist Jonny Drop auch als DJ und als Produzent tätig. Der Vollzeitmusiker und passionierte Plattensammler liefert mit seinem jüngsten Solowerk „The Only Sound“ ein Instrumentalalbum, das durch einige beachtliche Gesangsfeatures, etwa von Sarah Williams White oder Shea Soul, abgerundet wird. Im Kontrast zu seinen bisherigen Beattapes wie „Sub Plot“ erscheint es damit weitaus ausgereifter. Der Londoner vereint elf groovige, atmosphärisch anmutende Electronica-Tracks, die einen stark souligen Charakter aufweisen. – Simon Nowak
John Robinson – Rhythms, Jazz and Politics
Neben seinem langjährigen Dasein als Underground-Rapper ist John Robinson unter anderem als Lehrer tätig, der verstärkt Elemente der HipHop-Kultur in Sozialkunde und ähnliche Fächer einbringt. Nun tritt der New Yorker auch erstmals mit einem Instrumentalrelease in Erscheinung. Wie der Titel seines Beattapes „Rhythms, Jazz and Politics“ andeutet, lässt er gesellschaftlich relevante Ausführungen in die jazzigen Boombap-Klänge einfließen: „This music is aligned with thoughts of protecting women and helping put Black Women back in their rightful place as the Mothers of Civilization.“ Auf dem Track „Soul in the Morn“ steuert der vor ein paar Jahren von Salzburg nach New York gezogene Stephan Kondert die Bassline bei. Bei dessen Big-Band-Projekt SK Invitational arbeiteten die beiden bereits zusammen, für Konzerte flog Robinson Anfang 2017 mit nach Europa. – Simon Nowak
René Schier – It’s Not Enough To Love
Mit einem interessantes Konzept geht „It’s Not Enough To Love“, das jüngste Soloprojekt von René Schier, einher. Der Berliner hat die 18 Beats durch ein 50-minütiges Video ergänzt, das als Collage von bizarren GIFs gestaltet ist. Ähnlich wirr und an der Grenze zur Reizüberflutung bewegen sich auch die dazugehörigen Breakbeat-Klänge – „An adventurous soup is cooked in a universe between HipHop-Soul-Dub-Jazz-Electronica-Funk.“ – Simon Nowak
food for thought – Der Kaktusfreund
Heiße-Luft-Gründungsmitglied food for thought hat mit „Der Kaktusfreund“ kürzlich sein erstes Solo-Beattape veröffentlicht. Der aus Luxemburg stammende Wiener Produzent sorgt darauf für smoothe, jazzige Klänge, die durchwegs entspannt sind und unbeschwert anmuten – wie bereits von seinen 3€-Produktionen bekannt. „Der Kaktusfreund“ vereint wohlige Tracks, die sich ideal zum Prokrastinieren in den eigenen vier Wänden eignen. Der Titel nimmt Bezug auf das gleichnamige Bild des Malers Carl Spitzweg, das auch das Cover des Releases ziert. – Simon Nowak
Remulak – One
Aus einer Sammlung unreleaster Beats und Instrumentalversionen bereits erschienener Songs setzt sich „One“ zusammen. Die ältesten Tracks stammen aus dem Jahr 2005, als der Brite noch mit Fruity Loops produziert hat. Die neueren sind hingegen mittels Maschine MK1 entstanden. Die jazzlastigen Boombap-Produktionen können wenig überraschend nicht mit der im Vorjahr erschienenen, ausproduzierten LP „Earth“ mithalten. Auf „New Cone“ kommt etwa das Sample „London Town“ von Light Of The World durchaus schön zur Geltung – mein All-Time-Favorite bleibt aber die Version von The Underdog auf „Dungeon Town“. – Simon Nowak
Loop.Holes – Back in Bap
Ende Juli hat Type.Raw mit „Loungin'“ ein mit satten, entspannt vibenden Boombap-Klängen bespicktes und schön ausproduziertes Album veröffentlicht. Eine Woche darauf ist das nächste Werk mit seiner Beteiligung erschienen. Schließlich ist der Norweger Teil des Produzenten-Sextetts Loop.Holes, das auf „Back in Bap“ staubtrockene Beats mit reichlich jazzigem Vintage-Underground-Flavour vereint hat. Zumal ein Großteil der 18 Tracks zuvor verstreut über Online-Plattformen erschienen ist, wollen die seit Jahren zusammenarbeitenden Loop.Holes „Back in Bap“ aber nicht als ihr Debütalbum bezeichnen. An diesem arbeiten sie dafür derzeit mit Nachdruck. – Simon Nowak
Milieu & Coppice Halifax – Sun Cast
Wer sich „Sun Cast“ von Milieu & Coppice Halifax komplett durchhören möchte, sollte sich dafür lieber einen ganzen Abend Zeit nehmen. Denn das neue Album von Brian Grainger, der unter verschiedenen Aliassen Musik macht und sich diesmal quasi selbst featurt, dauert gute drei Stunden. Da ist es erst recht bemerkenswert, dass der Electronic-Produzent, der seit 2003 über 600(!) Alben und EPs veröffentlicht hat, über einen Zeitraum von knapp acht Jahren daran arbeitete. Das hat ihn gleich zu einem 30-minütigen YouTube-Video zur Erklärung und Kontextualisierung ermutigt, kein Witz. Musikalisch wirkt „Sun Cast“ durchaus ausgereift, bietet einen sphärischen Mix aus gesampelten Breaks, eingängigen Synthies und warmen Basslines. Teils kommen dabei verstärkt HipHop-Elemente zur Geltung, etwa auf „Makeout Payphone“. – Simon Nowak
The Cancel & DJ Shon – Movement
Ähnlich kompromisslos wie seine bisherige Werke hat The Cancel „Movement“ gestaltet. Im Gegensatz zum Ende 2017 erschienenen „The Case“ kommt der Ukrainer diesmal ohne Unterstützung seiner The Cancel Band aus, dafür hat er sich DJ Shon ins Boot geholt. Cuts und Scratches kommen auf den 18 düsteren Beats, die kaum die 85-BPM-Marke überschreiten, dennoch nur sporadisch zur Geltung. – Simon Nowak
Keyza – SYDNEY III
Der Berliner Produzent Keyza, der bereits vor einiger Zeit nach Australien gezogen ist, beendet mit „SYNDNEY III“ seine zu diesem Anlass entstandene Trilogie. In der Vergangenheit machte er sich einen Namen in der Berliner Untergrundszene, wo er mit verschiedensten Rappern aus dem Spoken View– und Edit-Umfeld zusammenarbeitete und noch früher an Produktionen aus dem MOR-Umfeld beteiligt war. Sein Produzentenalbum „Der Komponist“, das 2007 erschien, bietet einen guten Querschnitt durch die Szene der Bundeshauptstadt. „SYDNEY III“, dass durch den klassisch-atmosphärischen Trademarksoundmarksound besticht, enthält neben einer Zusammenarbeit mit Suff Daddy auch einen Track von Audio88. – Simon Huber
Tom Doolie – V I O A
Tom Doolie fungiert seit Jahren nicht nur als Produzent für die Szene in und um München (zuletzt etwa „24/7 Powernap“ mit LUX und Cap Kendricks), sondern auch als Fotograf und Designer und ist dahingehend bundesweit vernetzt. Das neue Album “ V I O A“ enthält in der Vinyl-Version neben 12 überaus entspannenden Beats ein 18-seitiges Fotobuch mit Shots von Liveauftritten aus aller Welt und komplettiert das rundum gelungene Werk um eine zusätzliche ästhetische Ebene. – Simon Huber
Tito Wun – Sweet Leaves & Bitter Pills
Der Kölner Twit One hat über die letzten Jahre einiges an Material angesammelt. „Sweet Leaves & Bitter Pills“ sammelt nun einiges davon , was zum Teil nie oder zumindest nicht in instrumentaler Form erschienen ist, wie Beats aus Projekten mit Eloquent oder dem Retrogott (aka 4Trackboy). Enthält definitiv einige Schmuckstücke. – Simon Huber
Chinch 33 – Nebula
„Nebula“ von Chinch33 sticht aus dem Gros der hier präsentierten Alben heraus, ist es explizit „no music to chill or study, but to get live“. Der Produzent und Turntablist hält die Kunst des Scratchens hoch und zerpflückt und loopt seine Samples, soweit es nur geht. Empfehlenswerte EP eines unterschätzten Künstlers. – Simon Huber
Ecke Prenz – Nachts im Thälmann Park
An dieser Stelle könnte ich Kool Savas zitieren, aber das wurde vermutlich schon zu inflationär gemacht. Trotzdem erschien mit „Nachts im Thälmannpark“ endlich das langerwartete erste Album des Produztentenduos Ecke Prenz, bestehend aus V.Raeter und Breaque, die die deutschsprachige Szene seit Jahren bereichern und mitformen, ob als Produzenten, Live-DJs oder mit hörenswerten Radioshows und Mixtapes. – Simon Huber
Thelonious Coltrane
Der August stand bei Thelonious Coltrane ganz im Zeichen sowjetischer Kunst. So zieren die Cover von sieben Alben, die innerhalb von sieben Tagen erschienen sind, die Werke russischer Avantgardisten von Kandinsky über Klun bis Malewitsch. Abgesehen von dieser siebenteiligen Reihe gibt es natürlich weitere Alben, erwähnenswert insbesondere „My Beautiful Light Twisted Fantasy“ inklusive Gedicht von JUICE-Redaktuer Tim Tschentscher und „Like a Broken Dolphin“. Seit kurzem ist Coltrane auch laut Figub Brazlevic der offiziell produktivste Produzent in Deutschland, meine Ausführungen der letzten Monate waren also keinesfalls übertrieben. – Simon Huber
Ebbe Funk – Tibia Infamiae
Bei Ebbe Funk ist der Name wieder einmal Programm. „Tibia Infamiae“ soll schlechten Produzenten das Fürchten lehren und spielt dabei auf eine mittelalterliche „Folter“-Methode an. Über 18 Tracks neuer Dezi-Belle-Stuff, der seiner Konkurrenz in nichts nachsteht. – Simon Huber
Bitbeats – Timber
Der Ausflug ins „Unterholz“ mit seinem langjährigen Partner Jephza, war offensichtlich nicht genug für bitbeats. Nur wenige Monate später legt er mit Timber ein Solorelease nach, das sich der zeit im Freien und verschiedenen Holzsorten als Metapher widmet. – Simon Huber
Hydrogenii & Stainlexz – Purple Vagabond
„Purple Vagabond“ ist eine Geschichte, die das Leben schrieb. Ein Album, das nur durch uns entstanden ist, die Szene aus Beatnerds und Connaisseuren, die selbst den unbekanntesten der Produzenten ein Gehör und den kleinsten Indielabels Aufmerksamkeit schenken und ihnen so eine Daseinsberechtigung und Chance geben, das zu tun, was sie lieben. Hydrogenii und Stainlexz haben sich erst über das gemeinsame Label POSTPARTUM. kennengelernt, nun entstand ein gemeinsames Album, das mit zu den besten der letzten Zeit gehört. Danke dafür. – Simon Huber
Weitere:
Titus martinu – A Vibe called Tess
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