Liebt deutschsprachigen Rap und Taylor McFerrin. In jeder freien Minute…
Es ist sengend heiß, als wir Hiob am Splash zum Interview treffen. Trotzdem trägt der Berliner Rapper eine Jacke, wirkt gelassen und beschwert sich auch nicht, als wir vom Sofa vertrieben werden und uns mit einem Sitzplatz auf einem Kletterturm im Pressebereich genügen müssen. Erst vor einigen Tagen veröffentlichte er mit seinem „Bruder im Geiste“, Morlockk Dilemma, das gemeinsame Album „Kapitalismus Jetzt“. Im Gespräch mit The Message erzählt Hiob von einer Vernunft-begründeten „Eine-Hand-wäscht-die-andere-Gesellschaft“, seiner Gabber-Vergangenheit und erklärt, warum Deutschland sich bei der HipHop-Kultur bedanken sollte.
Interview: Julia Gschmeidler
Transkription: Niklas Hintermayer
TM: Wie kam es eigentlich zu dem Wandel von V-Mann zu Hiob und was wurde aus den weiteren AKAs Machete und Caligula?
Hiob: Hm die Machete…da kann ich mich gar nicht daran erinnern, dass ich das damals als offizielles AKA hatte. Ob Caligula noch mal eine Schallplatte rausbringt, weiß ich nicht. Und V-Mann ist ein Name aus meiner Jugendzeit, damals haben wir uns noch nicht so viel Kopf gemacht. Aber das klingt einfach prollig. Hiob ist da viel mehr aufgeladen, mit einer Symbolik und einer Geschichte.
Wird es einmal eine spezifischere Zusammenarbeit zwischen Hiob und deinem Produzenten-Ich Hieronymus geben?
Im Endefeffekt gibt’s ja da ganz viele Zusammenarbeiten, denn ich produzier selber meine Alben. Ob man irgendwann einen Release so nennen wird – „Hiob vs. Hieronymus“ – kann ich nicht sagen. Ich hab aber sogar schon einmal daran gedacht. Und bei Hieronymus kommen jetzt auf jeden Fall die nächsten ein, zwei Instrumental-Schallplatten heraus. Wir machen eigentlich fast nur mehr Schallplatten, bei den CDs sind wir fast raus. Das lohnt sich für uns nicht mehr.
Weil du vorher die Geschichte hinter Hiob angedeutet hast – ist dein Künstlername eine Ahnlehnung daran und siehst du dich auch so demütig?
Sagen wir einmal so: ich wäre gerne demütiger. Aber so tief war ich da auch nie in der Materie drin. Ich wollte nie so viel reininterpretieren. Nur: diese Geschichte des ewig „Vom-Unglück-Verfolgten“ und des zwar Zweifelnden aber dennoch fest im Glauben, dass es irgendwann bergauf geht. So hab ich zumindest die Geschichte verstanden. Dass die mehr Facetten hat, ist mir klar.
Du hast einmal gesagt, dass du mit Büchern aufgewachsen bist und auch jede Menge bei dir herumliegen. Dass aber kein Thomas Mann oder Hermann Hesse dabei wäre. Was liest du dann?
Ich hab grad Noam Chomsky gelesen. Früher hab ich viel so etwas wie Flaubert gelesen. Dann lange Zeit gar nichts und jetzt hab ich angefangen mit Geschichtswissenschaftlichem, also Fachliteratur, gar nicht wirklich Romane. Im Moment jedenfalls nicht.
Was ist mit „Hiob“ von Josef Roth?
Hab ich noch nicht gelesen – steht seit zehn Jahren in meinem Bücherregal.
Es gibt auch einen britischen Film, der „Hiob“ heißt.
Den hab ich noch nie gesehen und auch noch nichts davon gehört. Worum geht‘s da?
Es wird der Leidensweg eines Menschen porträtiert, der um Recht kämpft. Aus den 60ern.
Ja, damit könnt ich mich auf jeden Fall identifizieren.
Morlockk Dilemma meinte einmal, ihr lest auch gerne den US-amerikanischen Autor Vonnegut?
Ja, das ist ein Ami, der hatte auch deutsche Großeltern glaub ich. Es gibt ja eigentlich nur einen großen Vonnegut-Roman, „Der Kinderkreuzzug Schlachthof Nummer 5“, ich will jetzt nichts Falsches sagen [Anm.: es heißt: Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug]. Das Buch hat mich damals mit 20 zum Lesen gebracht, es war das erste Buch, das ich verschlungen hab. In der Schulzeit hab ich das noch komplett abgeblockt, weil das vom Lehrer vorgegeben war, da hatte ich keinen Bock drauf, lesen zu „müssen“. Das war diese Verweigerungshaltung gegen die Schule, bis zur 6. oder 7. Klasse war ich auch gut, aber dann hatte ich halt diese Phase: Fickt euch alle, ich mach hier nicht mehr mit. Da hab ich sicherlich auch was verpasst, was ich jetzt etwas bereue, dann hätte ich heute in Deutsch einen anderen Wissenstand. Oder auch nicht.
Um 2000 meintest du mal, dass du eigentlich gar nicht weitermachen wolltest, weil nur mehr die „hippen“ Sachen interessant waren bei den Hörern.
Ne, also das war einfach der Sound – Ende der 90er war das sogar eher – der aus den Staaten kam, aus New York, mit dem ich eigentlich groß geworden bin, der hat mir einfach nicht mehr zugesagt. Das war die Zeit wo „Nas is like“ lief, das war mir alles viel zu clean, es wurde immer seichter. Irgendwann kam die ganze Synthie-Geschichte, das war einfach gar nicht mehr meins, und dann hab ich drei, vier Jahre kaum aktuelle Musik gehört. So um die Jahrtausendwende kamen dann aber wieder Sachen wie MF Doom oder Non Phixion.
Hast du irgendwann mal bereut, weitergemacht zu haben?
Nein, ich hab eine Zeit einfach wirklich wenig geschrieben.
Dann hattest du vielleicht mehr Zeit für’s Nachtleben. Ist „Letzte Nacht“ eine Persiflage an die Berliner Partyszene?
Ich glaube, das hat mit Berlin gar nicht so viel zu tun. Sondern mit meinen Erfahrungen mit durchgefeierten Nächten. Ich glaub, das sind ja auch Erfahrungen, die jeder gemacht hat. Das kann man in jeder Stadt erleben, außer vielleicht in München. „Letzte Nacht“ ist einfach dieses Kneipenleben, das ich auch eine Zeit gelebt habe und jetzt auch noch ab und zu.
Aber Berlin ist bekannt als DIE Partystadt.
Ja, aber da kriegt man gar nicht so viel mit. Ich weiß, ich könnte jeden Tag weggehen, mach ich aber gar nicht großartig. Am Wochenende haben wir eh meistens Auftritte, es ist ja Teil meines Hobbys, auf Partys aufzutreten. Neben Musik und Arbeit geh ich selten weg, außer wenn ich irgendwelche Amis sehen will. Aber das Feiern gibt‘s natürlich in Berlin, das ist dann eher Hundehölle, was ich umrissen habe: dieses ganze hemmungslose, selbstverliebte Feiersüchtige, was in Berlin stattfindet. Da fehlt eben wieder die Demut, das ist so: „Wir fahren mit dem Lebensstil komplett gegen die Wand, ohne uns Gedanken zu machen, was ihm Leben noch wichtig ist“. Das sehe ich schon eher negativ, dieses blöde Gefeiere. Gerade auch dieses Hedonistische, die Techno-Szene, das ist für mich nicht wirklich nachvollziehbar.
Du warst doch auch in der Jump Up-Szene dabei …
Also ich weiß nicht, ob ich damals Teil der Szene war. Aber wir haben als Jugendliche mit 13, 14 Gabber gehört und später war ich dann bis am Morgen in Jungle und Bass Clubs – aber das war ein bisschen was anderes. Da waren auch viel HipHop-Einflüsse im Jungle und Jump Up präsent. Und es waren nicht so viele Drogen im Spiel wie heute.
Wie sehr warst du damals bei Rap am Mittwoch involviert?
Damals war ja Rap am Mittwoch noch in Tempelhof in der Ufafabrik. Joker, der Ben Salomo hieß, hat da oft gefreestylt und die Wettbewerbe gewonnen. Wir sind immer hingefahren, da war da die ganze Berliner HipHop Szene am Start, die war nicht so groß wie heute. Da gab’s Berlin Crime, die Sekte, Gauner, Krisenstab, uns gab‘s, und auch eine Menge, die später im Royal Bunker-Umfeld waren. Es war halt eine ganz normale Freestyle-Cypher, wo jeder ans Mic steppen konnte, das war noch nicht so ein Wettbewerb. Das war Ende des Jahrtausends.
Was hältst du vom jetzigen Format?
Jetzt ist es voller, früher gab es da nicht so ein großes Publikum, das bestand eigentlich aus denen, die gerappt haben. Also ich war einmal da, ich hab‘s gefeiert, aber ich muss da auch nicht hingehen, weil‘s mich nicht wirklich interessiert. Es ist ja nicht mehr Freestyle im Sinne von improvisieren, es sind ja auch viele auswendig gelernte Texte. Ich weiß nicht, ob ich das gut oder schlecht finden soll. Also ich fand‘s lustig, aber auch nicht so spannend, dass ich dran teilnehmen müsste.
Du bist im Prenzlauer Berg aufgewachsen. Kürzlich hast du geschrieben, dass du eine Wohnung suchst – allerdings nur nicht im Prenzlauer Berg …
Ja, ich will meinen Horizont erweitern, weil ich da seit 32 Jahren bin. Es gibt auch Entwicklungen, die mich stören, hin zu einer Monokultur von Reichtum und Neureichen, das finde ich schade. Wie das ja in allen größeren Städten ist.
Aber in Berlin wechselt das ja sehr stark von Bezirk zu Bezirk?
Ja, das stimmt, die Hipster, also die Jungen, sind in den Westen weitergezogen, also Kreuzberg, Neukölln. Bei uns ist es wirklich so, dass da jetzt Reichtum ist, also Eigentumswohnungen, alte Rentner gibt es auch kaum. Es ist mir zu homogen, mir fehlt der Querschnitt der Gesellschaft, auch als Input für meine Texte. Da sind halt nur Kindergarten-Muttis, nichts dagegen, aber mir fehlt auch das andere. Das finde ich gehört auch zu Berlin. Mir ist das zu eintönig geworden.
Wo möchtest du dann hin?
Eigentlich einfach weg. Das kann ich dir gar nicht so genau sagen. Wedding fänd ich auch okay, das ist schon ein angenehmer Bezirk. Also als Teenager war das schon ein Risk, da wurde man schon oft abgezogen, da gab’s auch Jugendgangs, die „Kolonie Boys“ zum Beispiel. Aber das hat sich auch geändert, Wedding ist jetzt nicht ‚The Bronx‘.
Du hast einmal gesagt, bei HipHop fasziniert dich, dass man einfach loslegen kann, ohne finanzielle Ressourcen. Was ist dann mit dem Equipment?
Ein Minimum an Equipment brauchst du, aber heute hat jeder einen Rechner zu Hause und die Software kann man sich aus dem Internet seeden. Aber selbst das braucht man nicht, um anfangen zu rappen, da genügt ein Stift und Papier. Dann wird man schon erhört und dieser Gedanke liegt Rapja zugrunde, dass jeder eine Stimme hat, ohne dass er eine Lobby braucht. Jeder kann sich artikulieren, wenn er das will. Deshalb finde ich das auch wichtig, dass sich Leute, die sonst nicht die Möglichkeit haben, artikulieren. Ich hab oft Probleme bei Leuten, die sowieso schon einen Mittelschichtsbackground haben – das ist weniger eine Leistung, als einer, der wirklich hart daran arbeiten musste, um sich aus der Anonymität herauszubewegen. Damit mein ich nicht mich, weil ich eigentlich aus dem Bildungsbürgertum-Hintergrund komm. Deshalb fand ich es auch so wichtig, dass Aggro Berlin an den Start kam und damit die ganze Bewegung. Also die Kanacken-Rap Geschichten.
Hat das damals auch Gewalt gebündelt?
Die Gewalt war in Berlin gerade in den frühen Neunzigern omnipräsent. Ich glaub, dass Rap eher etwas dazu beigetragen hat, dass es weniger Unruhen gab. In Berlin hattest du ja zwei Städte mit völlig verschiedenen Bevölkerungen, das es da nicht zu viel mehr Reibereien gekommen ist, das ist auch ein Verdienst von HipHop als Kultur. Das hat Leute zusammengebracht, die sich sonst auf die Fresse gehauen hätten auf den Jams. Ich glaub, dass sich der Staat bedanken könnte: Die Kultur hat da sehr viel gemacht, das wär sonst anders abgelaufen. Also ich glaube nicht, dass sich das negativ ausgewirkt hat – ganz im Gegenteil.
Du hast auch mal gemeint, dass HipHop im Gegensatz zu klassischer und elitärer Musik unabhängig sei …
Es ist auf jeden Fall eine unabhängige Industrie entstanden. Es gibt sehr viele kleine Labels, die ihren Scheiß ohne die Majors machen. Nimm das Theater, die werden alle mehr oder weniger vom Staat finanziert, es gibt wenige freie Theater, aber selbst die werden auf eine Art subventioniert. Deswegen ist das immer so ein bisschen Geld, das man da nimmt. Im Endeffekt schlägt man die Hand, die einen füttert, nicht so gern. Im HipHop kann man viel freier machen, was man will, da kann man auch wirklich die Mittelfinger zeigen: das haben wir uns selbst aufgebaut. Gegen den Staat. In Berlin war eher die Repression gegen HipHop Clubs, zum Beispiel musste die Tanzschule Schmidt damals schließen. Das war einer der wichtigsten HipHop Clubs in Berlin. Da wurde eher etwas dagegen getan, dass HipHop sich entfaltet. HipHop wurde immer negativ gesehen von den Behörden.
Warum denkst du war das so?
Naja, weil sich Leute gesammelt haben und es gab ein gewisses Gewaltpotential. Allein die Graffiti-Szene war immer ein Dorn im Auge. Die Sachbeschädigungsdebatte, das wurde nicht gern gesehen.
Hast du Morlockk Dilemma in der Berliner Szene kennengelernt?
Wir sind in der Nähe von Leipzig aufgetreten, da hatten wir grad „Fragmente“ als Kassette rausgebracht, 2004 war das. Wir haben uns nach dem Auftritt unterhalten, haben Musik ausgetauscht und gemerkt, dass wir dieselben Sachen feiern. Wir hatten denselben Musikgeschmack. Und auf der Rückfahrt hab ich das Morlockk-Tape gepumpt und dann hat sich das irgendwie entwickelt über Telefon, angefangen Beats zu schicken. Wir waren einfach Brüder im Geiste, die zwar in verschiedenen Städten aufgewachsen sind, aber dieselbe Musik machen wollten. Unser Rap-Stil kommt ja nicht von ungefähr, wenn man sich uns anhört, weiß man, an was wir uns orientiert haben. Wir haben viel übernommen vom schnellen Eastcost-Rap.
Apropos „Brüder im Geiste“: Lance Butters und Bennett On sagen das auch über sich. Beim „Splash Jahresrückblick 2012“ hört Audio88 den Track, in dem Lance in Berlin ist und meint es gebe keine dopen MCees in Berlin. Audio88 meinte, Lance kenne dann Hiob nicht. Hast du dich da angegriffen gefühlt?
Nee, also ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, ehrlich gesagt. Von der Lance Butters Zeile oder was? Nee, also ich kenn den Track nicht so. Nein, hab ich nicht. Ich bin auch nicht so Lokalpatriot, der die Stadt verteidigen müsste. Ich lauf nicht mit der großen Berlinflagge herum, weil ich ja mittlerweile überall am Start bin. Ich behaupte, wir haben in Süddeutschland eine größere Fanbase als in Berlin.
Findest du das schlimm, wenn man das in einem Track als Nicht-Berliner sagt?
Es ist halt Rap, es ist ein Diss. Ich kann mir kaum einen Diss vorstellen, wo ich sag: Okay, der ist jetzt so, dass man den nicht bringt. Eigentlich kannst du alles sagen. Was du nicht finden wirst in unseren Texten, sind Zeilen gegen Schwule oder Ausländer, das ist für mich eine Grenze. Aber wenn wegen einer Stadt gebattelt wird, ist das kein Problem.
Wie war die Vorbereitungszeit für „Kapitalismus Jetzt“?
Wir haben jetzt 18 Tracks, an denen wir noch feilen. Vielleicht fliegen noch zwei raus und kommen zwei neue, aber wir wollen diesmal auch eine längere Vorbereitungszeit für Videos. Dass wir das diesmal strukturierter angehen.
Morlockk meinte, dass ihr den Kapitalismus auf der Platte zwar schon kritisiert, aber ihr euren eigenen Kapitalismus feiert. Siehst du das genauso?
Also auf den Album feiern wird ihn zu Tode, das ist schon nicht mehr ernst zu nehmen. Also Geld stinkt nicht, mehr kann ich dazu nicht sagen. Aber wir leben auch nicht in Saus und Braus im Vergleich zu andern Menschen. Aber am Anfang hatten wir gar kein Geld, wir haben damals in Falkos (Morlockk Dilemmas, Anm.) Plattenbauwohnung in Magdeburg aufgenommen. Da mussten wir schon überlegen, wie wir unser Bier bezahlen. Dahingehend hat sich unser Leben schon verändert.
Diese Links-Rechts-Polarisierung ist deiner Meinung veraltet – welche wäre dann moderner?
Für mich ist das ein Nebenkriegsschauplatz, wo die radikalen Linken und Rechten ihren Kleinkrieg führen und gar nicht mehr über gesellschaftliche Themen diskutieren. Sondern nur mehr gegen einander. Wo es nur mehr um irgendwelche Dogmen geht, um eine Ideologie, die mit der heutigen Realität nichts mehr zu tun hat. Ich kann nicht verstehen, wie jemand, der in Berlin wohnt, noch rechtsradikal werden kann. Weil die Fakten sind einfach andere. Ich muss überlegen, weil das immer schwer zu formulieren ist. (überlegt länger) Ich würde mir wünschen, dass sich jeder seiner Verantwortung bewusst wird und seiner Umgebung, mehr hin zu einer Art libertären Gesellschaft. Wo man sich bewusst ist, dass man durch sein eigenes Verhalten die Verhältnisse mitformt, dass die Leute vor ihrer eigenen Türe kehren, und nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Dass man anfängt, sich selber zu organisieren, ohne staatliche Organisation. Eine Art Vernunft-begründete „Eine-Hand-wäscht-die-andere-Gesellschaft“. Wobei am Ende die Frage steht, ob der menschliche Verstand so präsent ist, wie ich hoffen will. Da bin ich nicht so sicher, da bin ich noch zu keiner Erkenntnis gekommen.
Du sagt in „Ziel auf den Rücken“: „Euer Widerstand ist nur Attitüde“. An wen ist das gerichtet?
Ich hatte meine Erfahrungen, weil ich eine Zeit lang auch Freunde hatte, die in der linksextremen Szene unterwegs waren. Und die, die am lautesten geschrien haben, waren die Ersten, die eingelenkt haben und sich als die größten Opportunisten herausgestellt haben.
Warum bezeichnest du dich als „Deutschlands begabtester Dilettant“?
Also ich kokettier damit ein bisschen. Gerade die ersten Sachen, die ich als Hieronymus über „Methlabor“, eine Internetseite, herausgebracht habe. Da hatten wir Splitter, also so Instrumental-Snippets und die Samplequalität war halt unter aller Sau. Ich mag diesen trashigen Sound, der knackt und rauscht. Der aus rohem Material besteht, auch irgendwie noch unfertig ist, hingerotzt. Das mein ich mich Dilettantismus. Weil ganz ehrlich: Große Ahnung, wie ich ein kohärentes Soundbild erschaffe – da sind andere wesentlich weiter. Bei den Beats von „Drama Konkret“ hab ich mich schon mit der Materie befasst. Aber ich halt mich jetzt nicht für DEN Produzenten, so einen Titel würd ich mir nie geben. Ich bastel halt Samples aneinander und leg Schichten übereinander und das ist schon eine dilettantische Herangehensweise.
Der Track „Tränen“ von „Drama Konkret“ fällt schon ein bisschen aus dem Rahmen. Woran ist diese Nummer angelehnt?
Weiß ich gar nicht. Das war wirklich eine Schnapsidee: von einer Frau, die weint und nicht aufhört und damit alle unter Wasser setzt. Da saß ich im Park und dann kam mir die Idee. Ich hatte Spaß, das umzusetzen, da musste ich auch selbst drüber lachen beim Texten, auch diese schlagerartige Aufmachung bei der Hook.
Du hast „Fragmente“ neu aufgenommen, wie stehen die Chancen von „Pizza und Pornos“?
Auf keinen Fall. „Fragmente“ ist das Erste, das man Leuten auch heute noch vorspielen kann. Bei „Pizza und Pornos“ geht das nicht, ohne selber so ein Fremdschäm-Gefühl zu haben. Nee, also das nochmal aufzunehmen, ich mach‘s auf keinen Fall. Es ist okay, es ist ein Dokument, aber das ist für mich kein ernst zu nehmender Rap. Es war eine Übung im Endeffekt. Das war nie ein offizieller Release, wir hatten es auf Kassette.
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