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Die Protagonisten der Austrophobie // T-Ser & Tactik Interview

Die Protagonisten der Austrophobie // T-Ser & Tactik Interview

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Foto: Daniel Shaked

Krunk Festival, Backstage-Bereich. Hinter der Bühne stapeln sich nicht nur überflüssige Bühnenelemente und unzählige Kabelrollen, sondern es tummeln sich auch einige österreichische Acts zwischen den alten Güterwaggons und den unheimlich anmutenden Gängen unterhalb der Bühne. T-Ser und Tactik sind zwei davon. Zwei von den jungen ambitionierten HipHop-Musikern unseres Landes. T-Ser wurde gerade erst 20 Jahre alt und zählt zu den Hoffnungsträgern österreichischen Raps, so sieht das nicht nur FM4 Tribe Vibes-Host Trishes. Der talentierte Produzent Tactik zeichnet sich für die Beats der gemeinsamen EP „Austrophobie“ verantwortlich. Im Interview mit The Message sprechen die beiden über Big L – Vergleiche, die gesellschaftskritische und politische Gesinnung ihres Werks, die Dynamik des Internets und die Problematik von (Musik-) Journalismus.

Interview: Julia Gschmeidler
Transkript: Felix Diewald

Du hast öfters beim „King of Season“ mitgemacht und bist durch das Freestylen bekannt geworden. Auch Monobrother meinte im Interview, dass du „wie ein 40-jähriger Szenegott rappst.“ Was bedeutet das Freestylen für dich?
T-Ser: Es ist schon extrem wichtig für mich. Wir sind früher oft zu dreißigst in irgendeiner abgefuckten WG gesessen und alle haben gefreestylt und sich gebattlt. Die Anfangsphase war halt sehr freestylebelastet – weil’s einfach am meisten Spaß macht.

Gibt es in Salzburg auch regelmäßige Freestyle-Sessions wie im Wiener Einbaumöbel?
T-Ser: Nicht dass ich wüsste; phasenweise hat’s das gegeben. Als das DNK-Movement – das damals mehr oder weniger die Szene war – noch mehr am Start war, hat man sich noch öfters getroffen. Genügend Leute wären vorhanden, aber die Unity ist in Salzburg nicht da.

Was ist deine Meinung zu Battleformaten wie dem VBT?
T-Ser: Ich hab einmal bei so etwas mitgemacht und die Leute haben’s auch extrem gefeiert, aber mir fällt auf, dass es zu viele Rapper gibt, deren Karriere nur auf Internetbattle-Turnieren basiert. Und das will ich nicht. Ich will nicht, dass Leute meinen Namen mit Internetbattlerap assoziieren, auch wenn mir das Spaß macht und ich ein gewisses Talent dafür habe. Vielleicht mache ich irgendwann mit, aber ich will meine Basis nicht darauf bauen.

Einmal meintest du auch: „Wer nicht freestylen kann, ist kein Rapper.“
T-Ser: Meiner Meinung nach geht es da ums MC-Sein. Wenn ein MC nicht freestylen kann, hat er in diesem Moment nichts im Kopf, was er in Texte verarbeiten könnte. Das MCeen kommt ja auch extrem stark vom Freestylen, einfach den DJ begleiten. Demnach ist jemand, der nicht freestylt für mich auch kein MC – ein Rapper ist wieder was Anderes.

Also machst du einen Unterschied zwischen den Begriffen MC und Rapper.
T-Ser: MC ist der Master of Ceremony, ein Typ, der die Bühne im Griff hat. Als Rapper kannst du noch so tolle Sachen im Studio einflexen, aber auf der Bühne die Leute dazu zu bringen, dir zuzuhören, ist eine ganz andere Sache.

Foto: Daniel Shaked
Foto: Daniel Shaked

Beim VBT haben dich viele mit Big L verglichen. Wo sind da die Parallelen?
Tactik: Das war wegen einer Videoszene beim Online-Battle, als du mit meiner Jacke vor den Graffiti-Wänden stehst, da gibt es eine ähnliche Szene von Big L.
T-Ser: Ich glaub nicht, dass man mich mit Big L vergleichen kann, aber vor allem in den ersten Jahren war ich sehr punchlinefixiert, hab Tag und Nacht versucht mir Punchlines auszudenken, da gab es schon Parallelen in der Arbeits- und Denkweise.

Früher nanntest du dich auch Big T.
T-Ser: Das stimmt, ja, aber das ist Gott sei dank schon lange her. Mit zehn hab ich mein erstes Mongo-Graffiti gesprüht und das war eben Big T. Aber es gab nie die Überlegung sich später als Rapper Big T zu nennen.

Teaser bedeutet ja so viel wie Nervensäge. Wofür steht das?
T-Ser: Das Wort kann nicht 100-prozentig ins Deutsche übersetzt werden. Aber es ist jemand, der sein Gegenüber anstichelt, provoziert.

Auf deiner EP „Austrophobie“ bist du sehr gesellschaftskritisch, meinst dass es in Österreich keine Wahrheit gibt, dass Steuergelder gefressen werden und dass du unter Ausländerhass aufgewachsen bist – wie hat sich das bemerkbar gemacht?
T-Ser: Ich bin mehr oder weniger unter Ausländerhass aufgewachsen; es war jetzt nicht so, dass ich nur durch die Hölle gegangen bin. Aber ich denke, dass Kinder die Wertvorstellungen der eigenen Eltern sehr schnell aufschnappen. Das kriegt man in einem Kuhdorf dann sehr deutlich zu spüren. Das hat mich auf jeden Fall nachhaltig geprägt, obwohl ich auch gemerkt habe, dass sich die Situation in den letzten zehn Jahren verbessert hat, da viele Leute jetzt mehr mit Menschen zu tun haben, die in irgendeiner Weise anders sind als sie selbst. Dadurch ist die Unwissenheit und das Unverständnis nicht mehr so weit verbreitet wie früher.

Glaubst du, dass die Erziehung dabei eine große Rolle spielt?
T-Ser: Da bin ich mir ziemlich sicher, zumindest im Volksschul- und Hauptschulalter. Der Mensch ist ein Wesen, das Sachen imitiert, da kommt nichts von ungefähr.

In „Wer bin I“ meinst du auch, dass du in der Schule für das, was du bist, gedisst wurdest.
T-Ser: Ich wurde dafür disrespected. Der Track handelt von meinem Werdegang, ist eine kleine Autobiografie. Das ist für mich ein Punkt, der tief in mir drin sitzt und auf jeden Fall raus musste.

Was hältst du von anderen schwarzen Mundartrappern in Österreich?
T-Ser: Akinyemi (von Hinterland, Anm.) find ich fett. Ösibua hat, finde ich, nichts mit der Rapszene zu tun. Vielleicht kommt er aus realeren Kreisen und hat sich dann irgendeinen Spaß gemacht – aber ob diese Musik was mit Rap zu tun hat sei dahingestellt.

Die Aussage, dass „Ösibua keinen Hip Hop macht“ kommt mir öfters entgegen – wieso ist der Chor hier so einstimmig?
T-Ser: Für mich sind das alles nur Internet-Gimmicks: Ob Money Boy, AAA, Ösibua oder BattleBoiBasti – obwohl der rappen kann.
Tactik: Aber Ösibua hat ja auch eine politische Message – zum Beispiel besucht er in Tracht FPÖ-Veranstaltungen – die man ihm auf jeden Fall zugutehalten sollte.

In „Austrophobie“ meinst du außerdem, dass wir von der Politik in goldenen Ketten gehalten werden und sich der Überwachungsstaat ausbreitet. Wie wird sich das weiterentwickeln?
T-Ser: Ich habe das Gefühl, dass Menschen, die durch Geld Macht in der Politik haben, versuchen ihre Ziele immer schneller und unvorsichtiger durchzusetzen. Dadurch sind die Leute gerade dabei aufzuwachen und immer mehr Ungereimtheiten aufzudecken, sie begreifen langsam, was da eigentlich abgeht. Momentan sieht man ja in vielen Ländern, dass Leute aufstehen und nicht mehr mitspielen wollen. Wobei ich auch glaube, dass es im Interesse dieser Menschen steht, die politische Situation zu verändern und Proteste anzustiften. Im Endeffekt werden die meisten Länder nur destabilisiert, da meist Parteien mit radikaleren Ansichten die Macht übernehmen. Ob sich das in westlichen Ländern ebenso entwickelt, ist offen.

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Foto: Daniel Shaked

„Wieso bist du nicht weggezogen, wenn eh alles so scheiße ist in Österreich?“, lautet etwa ein Youtube-Kommentar beim Video zu „Austrophobie“.
T-Ser: Leute, die so etwas schreiben, haben den Track meiner Meinung nach nicht verstanden. Das ist keine Hasstirade gegen Österreich. Es ist eine Kampfansage, aber ich kann mit meiner Musik nicht den Staat oder die Machthaber herausfordern, ich kann nur versuchen Leute zu überzeugen und auf meine Seite zu bringen.

Wer von euch hat sich bei diesem Video für das „Fight Club“-Intro entschieden und wieso?
Tactik: Ich. Dadurch dass dieser Track der erste auf der EP ist, wollte ich eine Art Intro machen und da ist ein Sprachsample naheliegend gewesen. Dass das Sample schon älter ist und auch von der Hörspielcrew verwendet wurde, ist eigentlich völlig egal, weil die Message immer noch aktuell ist.

Du hast versucht eine Förderung für dein Album zu bekommen, hat das geklappt?
T-Ser: Wir sind gerade dabei, bald wissen wir’s. Bei den letzten Alben von Tactik und Demolux hat es funktioniert. Nachdem die „Austrophobie“ EP auf jeden Fall etwas zur kulturellen Vielfalt beisteuert, bin ich da optimistisch.

Tactik, Demolux meinte auch, dass du ihn darauf brachtest die Four Owls zu hören und er sie dann in Folge als Headliner buchte.
Tactik: Das hat sich eigentlich rein zufällig ergeben: Ich hab das Album in die Hände bekommen und dadurch, dass Demolux und ich eigentlich immer schon denselben Musikgeschmack hatten und wir musikalisch auf einer Wellenlänge sind, war er gleich begeistert. Als ich das nächste Mal mit ihm telefonierte meinte er, dass er die Four Owls gebucht hat, tip top.

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Was ist deine neueste Entdeckung?
Tactik: (überlegt lange) Dirty Dike, das ist auch einer aus der High Focus-Partie, den find ich ziemlich fresh. Eigentlich mochte ich HipHop mit englischem Akzent früher nicht, aber seit ich High Focus-Sachen kennengelernt habe, find ich’s fett – komisch.

Was hat es mit dem damaligen Skill District auf sich, ist dieses Netzwerk noch aktiv?
Tactik: Das war eigentlich eine Connection zu Akil von Jurassic 5, der in Salzburg war und eine Woche bei uns im Studio gechillt hat. Damals wollte er ein weltweites Netzwerk an Musikern – ausgehend von Skill District L.A. – aufbauen. Daraus sind Features auf Demolux‘ Album und auch auf Kartal Nasihats Album. Aktiv ist es noch, Nasihat hat vor einiger Zeit einen Track mit Akil und einem türkischen MC gemacht; Thema war der syrische Bürgerkrieg, ein Lied für die Flüchtlinge und Opfer dieses Konflikts.

Du hattest noch ein anderes Projekt mit Demolux, Kartal und Stanko namens „Leserunde und Schreibezirkel“. Tactik: Das war der Name unserer Crew, damals vor zehn, elf Jahren, als Demolux und ich angefangen haben mittels Kassettenrecorder Tracks zu machen. Da hab ich letztens die Kassetten wiedergefunden, köstlich! Die veröffentliche ich irgendwann als „Special Tapes“ (lacht) Das war definitiv noch vor dem Stimmbruch und vor Kenntnis von Reimstruktur und Flow.

Wie war die Resonanz auf dein Produzentenalbum „The Raw Essence“ und was ist zukünftig noch geplant?
Tactik: Überraschend gut. Dafür, dass ich vorher noch keine Releases hatte und in der Szene eigentlich ein absoluter Nobody war, war ich letztendlich geflasht. Besonders weil mich auch heute noch extrem viele Leute darauf ansprechen, obwohl es für mich schon gleich nach Fertigstellung gestorben war, ich konnte es einfach nicht mehr hören. Was zukünftig noch kommt lass ich noch offen, natürlich ist da etwas geplant, aber ob das nur HipHop sein wird, weiß ich noch nicht.

T-Ser, du machst gerade eine EP mit Enemy. Was kann man davon erwarten?
T-Ser: Enemy ist ein Salzburger aus meiner Wahl-Neighbourhood und ist sicher einer der talentiertesten Beatbauer, die gerade in Österreich heranreifen. Die ersten Beats, die ich von ich ihm gehört habe, haben mich regelrecht aus dem Studio geblasen – ich glaube, dass der in Zukunft einiges auf die Beine stellt.

Foto: Daniel Shaked
Foto: Daniel Shaked

In einem Text verwendest du die Juice als Klopapier. Ist HipHop-Journalismus so am Arsch?
T-Ser: Ich habe mir die Juice seit langer Zeit wieder einmal gekauft, aber die Art, mit der sie die Materie behandelt haben, ist meiner Meinung nach viel zu oberflächlich.

Meinst du generell, dass die Medien zensiert sind und nur bringen was sie wollen? Wie sollte man als kritisches Individuum handeln und hat das Internet etwas verbessert?
T-Ser: Ich bin ganz allgemein der Ansicht, dass viele Medien zensiert sind, wie zum Beispiel bei den Protesten in der Türkei: Dort gibt es massive Proteste und wenn man dann zum Beispiel in die Salzburger Nachrichten oder in anderen einschlägigen Zeitungen schaut, findet man nahezu keine Berichterstattung dazu.
Tactik: Es gibt auch Mutmaßungen darüber, dass die Regierungen Anweisung bekommen, nichts, was zur Eskalation beitragen könnte, zu veröffentlichen.
T-Ser: Es gibt vieles, was die Masse nicht erfahren soll. Häufig hört man etwa, dass Journalisten ihre fertigen Artikel nach Intervention von oben nicht veröffentlichen dürfen. Ich bin da sehr auf der Seite des Internets, es ist nicht so leicht zu kontrollieren wie die herkömmlichen Medienformen. Ich denke das Internet ist eine Art Schlupfloch für Meinungen und Menschen aller Art.

Trotzdem ist das Internet nicht frei, Erdoğan hat beispielsweise berichtende Twitter-User verhaften lassen.
Tactik: Es wird ja auch versucht, das Internet in den Griff zu bekommen, wie etwa in China, das gestaltet sich aber erheblich schwieriger. Ich glaube da draußen passiert so viel, was man nie mitbekommen wird. Letztendlich ist man abhängig von dem, was die Medien verbreiten.
T-Ser: Wer wirklich wissen will, was unsere Meinung ist, soll einfach unsere Musik hören, das ist mein Sprachrohr – ich bin nicht Rapper geworden, um die Probleme, die ich ansprechen will in Interviews zu thematisieren, zu „zerdiskutieren“. Deswegen mache ich ja Musik, auch wenn die Message nicht immer im Vordergrund steht. Ich will niemanden davon überzeugen, dass meine Weltansicht die richtige, ultimative ist. Meine einzige Meinung ist, dass Menschen lernen sollten zu lernen und Informationen richtig aufzunehmen.
Tactik: Umso mehr dass ma waß, kummt ma drauf, dass ma nix waß.

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