Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
1/3 Instrumentals, 1/3 Underground-Deutschrap, 1/3 Emotrap, wo hoid jemand bissi…
Kaum begrüßen wir Fate am Wiener Praterstern, gerät unser Fotograf ins Visier einer Polizeistreife. Mit seiner grünen Jacke und grauen Haube passt er ins Täterprofil eines Raubüberfalls im nahegelegenen Penny Markt – nach einigen Minuten der perplexen Blicke dürfen wir den Hotspot Richtung Wurstelprater verlassen. Gut so, denn mit dem Grazer Rapper, der mittlerweile in Berlin ansässig ist, gibt es bei einem Spaziergang durch den temporär stillgelegten Vergnügungspark einiges zu besprechen. Nicht zuletzt, weil er am 29. Jänner sein Debütalbum „Milch für die Fliegen“ via Honigdachs veröffentlichte und mittlerweile zu einem der textlich wie technisch versiertesten österreichischen Rapper gereift ist. Im Interview spricht Fate über Räusche in diversen Facetten, den Ursprung der vielen Literaturbezüge und Metaphern in seinen Tracks, seine Rap-Sozialisation, die Laufbahn beim deutschen Battleformat DLTLLY und vieles mehr.
Interview: Simon Nowak & Simon Huber
Fotos: Florian Lichtenberger
The Message: Du hast rund vier Jahre an deinem Debütalbum gearbeitet. Welche Ansprüche hattest du im Vorhinein?
Fate: Ich glaube die Ansprüche waren am Anfang nicht so hoch, es hat sich eher alles so ergeben. Zunächst war es als EP geplant, dann sind aber immer mehr Tracks dazugekommen und die Idee hat mir so getaugt, dass ich mehr machen wollte. Dann sind immer wieder Beats gekommen, die von der Stimmung her reingepasst haben. Es hat sich auf jeden Fall ein bisschen länger hingezogen, als es eigentlich geplant war.
Inhaltlich geht es immer wieder um die Selbstfindung und die Sinnsuche. Etwas, mit dem du dich in den vergangenen Jahren intensiv beschäftigt hast?
Schon, ja. Ich habe das Gefühl, dass es eine Phase einfängt, die ein Stück weit am Vorbeigehen ist. Etwas davon ist noch da, aber gleichzeitig ist was daran am Verschwinden. Vielleicht hatte ich auch deshalb den Impuls, das nochmal festzuhalten. Es ist die Frage, wie man manche Erfahrungen für sich einordnet und damit vergleicht, wie man sich jetzt sieht. Das hängt bei mir alles stark an Freunden aus der Grazer Partie. Wir haben uns mit 16, 17 kennengelernt und gemeinsam Parts geschrieben. Das war eine extrem besondere, etwas exzessive Zeit, wobei ich da immer eher zurückhaltender war als andere. Bei siebzig prozent ist es dann immer viel um Drogenrap gegangen, da habe ich dann schnell gemerkt, dass ich das einfach nicht so authentisch machen kann. Aber ich habe das Gefühl, dass die Freundschaft zu diesen Leuten trotzdem ein wichtiger Teil von mir ist. Deswegen steht das Album wahrscheinlich auch ein bisschen zwischen Beobachterperspektive und eigenen Erfahrungen.
„Ach, Ficki…“ ist ja 2012 erschienen – euer allererster gemeinsamer Track?
Der ist ziemlich früh entstanden, ja. Ich glaube aber, dass es sogar noch ein paar Tracks von davor gibt, die nicht mehr online sind.
„Mir hat HipHop immer wegen der Textfixierung so getaugt“
Wann hat sich generell dein Interesse für Sprachliches rauskristallisiert?
Es ist lustig, weil ich inzwischen Philosophie und Literaturwissenschaft studiere, dabei bin ich aber eher über das HipHop-Ding wieder zum Lesen gekommen. Ich habe als Kind super gerne gelesen, teilweise den ganzen Tag. Es hat dann bis 17 oder 18 eine Phase gegeben, in der ich fast nichts gelesen, aber viel Musik gehört habe. Ich glaube, mir hat HipHop immer wegen der Textfixierung so getaugt – und weil es Leute gibt, die es speziell auf diese Schiene legen. Zum Beispiel Prezident, Pyrin, Hiob oder Morlockk Dilemma. Ich habe das immer extrem stimulierend gefunden. Ich habe auch ziemlich schnell damit angefangen, zu schreiben. Mit 13 oder 14. Über das Rapding habe ich dann wieder stärker zur Literatur zurückgefunden.
Das zeigt sich auch an den vielen Literaturverweisen am Album. Welche Genres und Autoren beeindrucken dich am meisten?
Schwer zu sagen. Auf dem Album ist zum Beispiel der zweite Part von „Traumfänger“ fast ein „Remix“ von einigen Trakl-Gedichten. Der war ein Salzburger Expressionist aus dem frühen 20. Jahrhundert. Ich habe es schön gefunden, weil er Apotheker war, selbst dieses Exzessive praktiziert hat und eine super schöne, bildhafte Sprache verwendet hat. Es dringt auch bisschen dieses Tragische durch. Er war vom 1. Weltkrieg traumatisiert und ist dann in der Psychiatrie gestorben. Rausch als Thema hat mich sehr fürs Album interessiert, das gibt es auch stark in der Literatur. Dort hat es eigentlich immer dieses Hochstehende, aber gleichzeitig auch Dreckige. Dieses Zwischending mag ich. Ich habe dann auch versucht, nochmal mehr einschlägige Texte in die Richtung zu lesen.
Hast du dich für die Arbeit am Album besonders in die Rauschliteratur reingediggt?
Ja voll, das hat bisschen zusammengespielt. Es gibt da einige sehr coole Texte. Zum Beispiel von Walter Benjamin „Über Haschisch“. Oder Baudelaires „Die künstlichen Paradiese“, auch ein Text über das Haschisch rauchen. Oder auch Huxleys „The Doors of Perception“. Natürlich kann man das nicht eins zu eins übertragen. Es kann schnell langweilig werden, wenn du random Referenzen machst, aber wenn sich ein paar Elemente rausziehen lassen, kann es interessant sein.
Da merkt man deine Rapsozialisation. Prezident zieht sich etwa viel von Charles Bukowski raus. Hiob und Morlockk Dilemma spielen auch immer wieder mit diesem Exzessiven, sie gießen quasi die Rauschliteratur in Rap. Wie stark siehst du dich von diesen Rappern beeinflusst?
Stimmt, man muss es gar nicht so stark trennen, weil es eh im Rap vorkommt. Diese Art von Storytelling ist auf eine Art super literarisch. Wenn du es mit Bukowski vergleichst, ist beides eine Art von Selbstinszenierung, die an sich schon sehr HipHop-esk ist. Das hat mich sicher beeinflusst. Ich wollte nie, dass es zu sehr danach klingt oder dass es genau der gleiche Schmäh und die gleiche Stimmung ist. Aber die Vorstellung, dass es zusammenpasst, ist sicher davon inspiriert.
Wie sehr haben daneben österreichische Rapper zu deiner Rapsozialisation beigetragen?
Auch viel, es war immer eine Mischung. Ich finde, dass in Österreich sehr kreative Sachen passiert sind und Leute super eigenständige Styles gefahren sind. Natürlich Kamp, aber auch Leute wie Kroko Jack, Raptoar, Def Ill oder das ganze Honigdachs-Umfeld. Es hat bei mir schon sehr mit österreichischen und deutschen Rappern angefangen. Ami- und UK-HipHop hab ich dann eher nachgeholt.
Auch eine Frage des sprachlichen Verständnisses für einen textzentrierten Hörer wie dich?
Ja voll, das stand früher mehr im Weg. Wobei es im HipHop auch wieder komplett egal sein kann. Bei Grime-Nummern geht es ja mehr um den Flavour. Aber textzentriert muss nicht heißen, dass es immer nur um Inhalte geht oder es immer verkopft sein muss. Es kann super anstrengend werden, wenn das überhandnimmt. Wie die Leute mit Sounds umgehen und mit Sprachmaterial spielen kann ja auch super geil sein. Ich habe an österreichischem HipHop immer sehr gefeiert, dass es eine Palette davon gibt, wie Sachen ausgesprochen werden. Allein dadurch gibt es schon extrem viel Sprachmaterial, mit dem du arbeiten kannst. Ich habe ja nie Mundart gerappt – obwohl paar Worte oder Austriazismen immer wieder durchkommen. Aber es hat mir immer voll getaugt.
„Ich war mit wenigen Battles richtig zufrieden“
Du hast für The Message Reviews zu Alben von Prezident und Pyrin geschrieben, daneben Bücherrezensionen für studentische Magazine. Ist Journalismus generell etwas, das dich interessiert?
Durch das Literaturwissenschaftsstudium habe ich immer einen bestimmten Blickwinkel auf Texte und deshalb find ich es auch schön, das bei Releases, wo es sich anbietet, weil sie so verweisreich oder verschlüsselt sind, ein bisschen aufzuschlüsseln und zu interpretieren. Ich glaube, das muss nicht immer sein und ist auch gar nicht für jedes Release passend, aber wenn es sich wieder einmal anbietet, wär ich sofort dabei. Ich bin immer noch Fan von längeren Alben, die einen roten Faden verfolgen.
Kommen wir zu deiner Battlekarriere: Du bist ja seit ein paar Jahren ziemlich aktiv bei DLTLLY. Welches Resümee würdest du bisher ziehen? Wie blickst du auf deine Entwicklung zurück?
Ich war ehrlich gesagt mit wenigen Battles wirklich zufrieden. Bei meinen A-cappella-Battles hatte ich am Ende bei wenigen das Gefühl, dass es so ist, wie ich es wollte. Es kann immer so viel schiefgehen. Du hast diesen Zeitstress und nur eine Gelegenheit, zu performen. Aber ich habe das Gefühl, dass ich extrem viel gelernt habe, zum Beispiel was das Aufbauen von Zeilen angeht. Bei Tracks kannst du zum Beispiel gut eine Zeile schreiben und ein Wortspiel reinpacken, das du gut findest. Beim Battle kommt es noch viel mehr darauf an, wo du welche Pointe platzierst. Wenn du was aufbaust, das Publikum die Eckpfeiler im Kopf hat und dann im letzten Wort im Reimpattern quasi direkt auf dem Reim die Auflösung kommt. Davon hängt stark ab, ob es zündet. Es zeigt, was du in dieser Hinsicht mit der Sprache machen kannst. Du baust quasi eine Erfahrungsachterbahn für Leute, die das nachfahren, wenn du es gut machst. Du organisierst, an welchen Stellen jemand was erlebt und musst dir Gedanken darüber machen, was im Kopf hängen bleibt, ob man an der Stelle überhaupt daran denkt und ob es dann mit der Auflösung funktioniert. Ich finde es interessant, auf diese Art zu schreiben und ich habe das Gefühl, dass ich viel davon gelernt habe, auch was Tracks betrifft.
Wofür fällt dir das Schreiben grundsätzlich leichter?
Schwer zu sagen. Es kommt darauf an, für welche Art von Tracks. Es taugt mir auch, Sachen Representer-mäßig runterzuschreiben oder Tracks zu machen, die vom Flow her interessanter sind. Wobei ich natürlich auch da keinen Schaß erzählen mag. Beim Album habe ich immer wieder Sachen umgeschrieben oder ausgetauscht. Zum Beispiel auf „Rolle deines Lebens“, der ja ein Storyteller-Track ist und über drei Parts etwas entwickeln soll. Aber ich mag alle diese Stile ganz gern. Bei Battles produziere ich sehr viel Text und nehme nur einen Bruchteil davon. Das kann anstrengend sein, aber wenn es live aufgeht ist es natürlich umso schöner. Aber ja, es sind doch zwei sehr verschiedene Arten zu schreiben.
„Rolle deines Lebens“ fängt mit dem Geburtstag am 14. Februar bisschen autobiografisch an. Wie bist du ans Songkonzept rangegangen?
Ich will natürlich nicht sagen, dass ich dieser soziopathische Typ bin (lacht). Aber vielleicht ist es bisschen der Bruch darin, dass es am Ende auch eine komische Vorstellung von Authentizität ist. Ich finde, dass es teilweise bisschen in eine komische Richtung geht, wenn zum Beispiel ein Artikel über Narzissmus gepostet wird und dann 40 Leute kommentieren, dass ihr Exmann, ihre Exfrau – oder diese und jene Person in ihrem Leben – ganz schlimmer Narzisst war. Gaslightet ihr gerade Leute damit, euch gegaslightet zu haben? Ich habe das Gefühl, dass es oft selbst zu einem Machtmittel werden kann, wenn man Leuten Diagnosen anheftet. Deswegen ist es vielleicht der kleine Bruch darin, dass am Ende Menschen eben so funktionieren, dass sie auf andere reagieren. Und dass es diese Angst gibt, dass jeder sich theoretisch auch so entwickeln könnte, dass das Potenzial vielleicht in jedem Menschen steckt.
Beim Track „Inkunabeln“ hat Def Ill seinen Part ja eindeutig auf Absztrakkt hingeschrieben. Hast du auch jemanden im Kopf gehabt oder ist es da auch eher aufs ganze Phänomen bezogen?
Ich habe Sachen im Kopf gehabt, die ich früher mehr gefeiert habe und vielleicht kommt der Part auch aus der Enttäuschung. Ich weiß nicht ob es sinnvoll ist, einzelne Namen herauszugreifen, wobei Absztrakkt wahrscheinlich am eindeutigsten ist. Mir ist es eher um das Phänomen gegangen, dass ich dieses Mystische und Metaphorische eigentlich sehr feiere. Am Ende ist es ja auch eine Art von representen, nur halt mit anderen Mitteln. Gleichzeitig finde ich arg, wie dann Fans in den Kommentarspalten abgehen. Da hat man das Gefühl, dass eine absurde Überhöhung von solchen Künstlern stattfindet, an der diese durch ihre Art der Selbstinszenierung auch nicht ganz unschuldig sind. Das war die breitere Ebene des Tracks. Es ist aber gar nicht nur auf dieses Mystische bezogen, sondern auch auf andere Rhetoriken. Die allgemeine Frage war, welche Rolle die Ästhetik dabei spielt, wovon man sich überzeugen lässt und dass der Track gleichzeitig selbst so funktioniert, sich dieser Mittel bedient, weil es einen gerade deshalb catcht, sich also auch die Kritik nicht ganz davon frei machen kann.
Beim ersten Hören hat uns der Track hinsichtlich Aufbau, Inhalt und Sprache sehr an „Schwarze Sonnen“ von Amewu, Cr7z & Abstrakkt erinnert. War das Zufall oder beabsichtigt?
Witzig, das war mir überhaupt nicht bewusst. Den müsste ich mir nochmal anhören. Aber cool, dass es diese Parallele gibt. Es gibt auf jeden Fall Anschlusspunkte, es muss auch nicht immer problematisch sein. Ich feiere viel Rap, der ein bisschen so funktioniert und so eine Rhetorik hat. Dieses Mystische hat ja auch seine Anziehung. Man muss aber auch sehen, wo es einfach zu viele Anschlusspunkte an problematische Narrative oder rechte Ideologien gibt.
Siehst du dieses Verschwörungstheoretische in Tracks vor allem als Problem im Deutschrap-Bereich, so im Vergleich zu anderen Szenen?
Schwer zu sagen. Ich glaube, es ist schon übergreifender. Aber gute Frage, warum das vielleicht gerade im HipHop-Kontext ein besonders großes Ding ist. Bei Jedi Mind Tricks hat man das ja früher zum Beispiel auch gefeiert. Vielleicht weil es doch sehr klassenbewusste Musik ist – was an sich ja positiv ist – und sich eine gewisse Frustration auf diese Art kanalisiert, die man genauso gut auch in ökonomischer Gesellschaftskritik artikulieren könnte. Aber wenn es dazu führt, dass Leute behaupten, dass Trump mit irgendwelchen Armeen in New Yorker Untergrundstollen Kinder vor Demokratenpädophilenzirkeln befreit und sich an dem Punkt nicht fragt, wem eigentlich die Erzählung nützt, die man da gerade weiterverbreitet, dann kommt dabei raus, dass man dem, was man eigentlich bekämpfen will, in die Karten spielt. Es ist einfach schade, weil es genug Empörung gäbe, die man berechtigterweise anbringen kann, auch in der aktuellen Situation ist ja vieles eine Frechheit. Wie Gelder verteilt werden, auf welche Interessen nochmal besonders Rücksicht genommen wird und vor allem, wer am Ende für die Krise zahlt und wer sogar eher davon profitiert hat.
Kannst du schon konkrete Pläne für die Zukunft nennen? Bei FM4 Tribe Vibes hast du ja schon gesagt, dass du auch auf anderen Beats was machen willst und nicht immer diese verkopfte Schiene, für die du ja durchaus bekannt bist.
Also die verkopfte Schiene taugt mir schon sehr, aber es soll auch nie Selbstzweck werden und es macht auch einfach Spaß, dazwischen mal was Lockeres zu machen. Es ist auf jeden Fall geplant, wieder mehr mit den Leuten aus dem Graz- und Honigdachsumfeld zu machen.
Inwieweit bist du in Berlin mit der lokalen Szene vernetzt? Bei der Albumankündigung hast du in den Dankesworten deinen DLTLLY-Kollegen Robscure erwähnt, der aus München ist, aber auch in Berlin wohnt.
Ja genau, der lebt auch in Berlin, mit ihm arbeite ich an Tracks. Sonst hatte ich jetzt auch öfter Kontakt mit form, den kennt man vielleicht von der Podiumsdiskussion mit Prezident. Und mit Rice Master Yen ist ja auch schon eine EP entstanden.
Wie schaut es bei dir wohnorttechnisch aus? Du bist ja in den vergangenen Jahren viel rumgependelt.
Ich glaube, es bleibt weiterhin die Achse Berlin-Wien-Graz, weil ich jetzt erstmal in Berlin wohne, aber trotzdem noch viele Freunde in Österreich habe und super gerne mag, was hier HipHop-technisch passiert. Man muss da gar nicht so zurückstecken gegenüber Deutschland, weil vielleicht vor allem dadurch, dass es hier manche Strukturen nicht so gibt wie in Deutschland, die Leute viel freier sind, in dem was sie machen und vielleicht eher was riskieren.
„Milch für die Fliegen“ ist ab sofort auch als Vinyl & CD über den Honigdachs-Webshop erhältlich.
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