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Spätes Instrumentaldebüt: Flip mit „Experiences“ // Album

Spätes Instrumentaldebüt: Flip mit „Experiences“ // Album

Flip
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Beat Art Department | VÖ: 05.06.2020

Seit mittlerweile knapp 30 Jahren ist Flip ein zentraler Bestandteil der Linzer HipHop-Szene, die er als Mitglied der Crew Texta, Mastermind des Labels Tonträger Records sowie als Booker zahlreicher nationaler und internationaler HipHop-Events im Kulturverein KAPU bis heute mitprägt. 2010 ist mit „Umberto Ghetto“ sein erstes Rap-Soloalbum erschienen, 2015 folgte sein erstes Produzentenalbum „Reflections“, nun vollendet das neue Instrumentalalbum „Experiences“ die Premieren-Trilogie.

Zwar sind bereits Ende der 90er-Jahre Instrumentalversionen zu den mit Beats von Flip bespickten Texta-Alben „Gediegen“ und „Gegenüber“ erschienen, ein reines Instrumentalalbum gab es bis dato aber noch nicht in der Diskografie des Linzers. Ein bemerkenswerter Umstand, zumal sein musikalischer Hauptfokus seit einigen Jahren am Produzieren liegt. „Es gab schon immer wieder Überlegungen, vielleicht war meine persönliche Zeit noch nicht reif dafür. Es war bissl eine Neverending Story, bevor Beat Art Department aktiv gefragt hat, ob ich mir ein Instrumentalalbum vorstellen könnte“, sagt Flip im Telefongespräch mit The Message.

Über das kleine Münchner Label haben unter anderem schon Soia, Urbs oder Edward Sizzerhand releast. Flip fand mit Labelleiter Franjo quasi jene Art von Ansprechpartner und Begleiter im Aufnahmeprozess, die er sonst bei Tonträger Records selbst für andere Artists darstellt.

In alter Freshness

Nach losen Vorgesprächen vor drei, vier Jahren folgte rasch die Idee für den Albumtitel „Experiences“. Erst anschließend überlegte sich Flip die nähere Gestaltung, selektierte und überarbeitete einige ungenützte Beat-Layouts und ergänzte sie um einige Neuzugänge. Beim Zusammenstellen und Arrangieren des Projekts wollte er nichts überstürzen: „Wenn ich schon nach so vielen Jahren ein Instrumentalalbum mache, soll alles Hand und Fuß haben“. Schließlich gebe es momentan genug Produzenten, bei denen Quantität und Qualität auseinanderdriften – und dementsprechend ein Überangebot an Beat-Releases, aus dem es herauszustechen gilt.

Beim Prozess der Soundfindung war Flip hörbar um einen Spagat bemüht. Der Anspruch dabei? New-York-Boombap, die von Madlib und J Dilla geprägte 2000er-Beatära und weitere Einflüsse aus seiner Produzentenlaufbahn verknüpfen, aber nichts Austauschbares zusammenschustern. „Als jemand, der die 90er aktiv mitgemacht hat, wollte ich meine Knowledge mit einer moderneren Herangehensweise kombinieren – aber kein Retroprojekt aus dem Boden stampfen“, meint er. Gleich auf den ersten beiden Tracks dringen starke Pete-Rock-Vibes durch, insgesamt wirkt „Experiences“ aber weniger New-York-lastig als viele seiner sonstigen Produktionen. Wobei Flip betont, eigentlich keinen richtigen Signature-Sound zu haben.

Punchige Drums, entspannte Vibes

Mehr als bei seinen Rap-Produktionen beschäftigte er sich mit dem Aufbau, der instrumentalen Ausgestaltung und dem Sequencing, sorgte für ein fluides Hörerlebnis. Wie gewohnt schenkte Flip dabei den Drums besonders viel Beachtung. Sie fallen punchig aus und entspringen den vertrauten Samplern MPC2000XL und SP-1200: „Der Hardware-Touch ist mir immer sehr wichtig. Bei mir gibt es nur selber gesampelte Drums, meine Library besteht nur von aus Vinyl gesampleten Sachen. Teilweise resample ich auch Sachen, die ich selber einspiele. Ich möchte meinen eigenen Drumsound haben und immer wieder tunen.“

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Songtitel wie „Fridays Live At Home“, „Cruzin At 1am“ oder „Sunrise At Five“ implizieren, dass „Experiences“ als kleine musikalische Reise durch die Nacht konzipiert ist – was sofort eine Assoziation zu Brenk Sinatras „Midnite Ride„-Reihe weckt. Auch Flips Tracks bieten entspannt groovende Sounds, die Eastcoast-Bezugspunkte dringen bei ihm naturgemäß stärker durch. So bieten die 16 Tracks viel Vintage-Flavour, ergänzt durch Arrangements, an denen Flip merkbar viel herumgetüftelt hat. Letztlich liefert er ein erwartungsgemäß gelungenes Instrumental-Debüt, bei dem sich auch der hohe Selbstanspruch beim Mixing bezahlt macht. Als Goodie ergänzt in der Vinyl-Version eine Bonus-7‘‘ mit Livematerial von Sadat X & Fokis sowie einem Flip-Remix der Onyx-Single „Ringolivo“.  

Zum nächsten größeren Soloprojekt dürften diesmal weniger als die gewohnten fünf Jahre vergehen, wie Flip andeutet. „Ich arbeite gerade an meinem zweiten Produzentenalbum, da bin ich schon recht weit voran.“ Abseits davon kündigt er Alben mit Texta, mit den TTR Allstars sowie dem ein oder anderen MC an. Zudem stehen einige von Flip gemixte österreichische Rap-Releases in den Startlöchern. Darunter das neue Kayo-Album „Reunion“, das für 31. Juli angekündigt ist.